ARCHÄOLOGIE IN AFRIKA
Zur Rolle der Kulturwissenschaften in einem "Krisenkontinent"

Nicht nur als "Wiege der Menschheit" und Heimat des Homo sapiens, als Ursprungsgebiet fast 30.000-jähriger Kunstwerke und grundlegender Erfindungen wie der Keramik-Technologie spielt Afrika eine wesentliche Rolle in der Kulturgeschichte der Menschheit; als Nährboden von Hochkulturen wie der Ägyptischen hat der Kontinent mit den frühesten Formen von Literatur, Religion, Plastik, Baukunst und staatlicher Organisation gleichermaßen die Grundlagen unserer Zivilisation mitbestimmt.

Ca. 23.000 Jahre alte Malerei aus der Apollo-Grotte in Namibia
Demgegenüber scheinen für einen Erdteil, der uns täglich als "Krisenkontinent" vor Augen geführt wird, viele Dinge notwendiger zu sein als gerade Archäologie, und es sind ja auch in erster Linie wirtschaftliche, technische und politische Themen, die den sog. Nord-Süd-Dialog beherrschen. Kultur ist dabei bestenfalls eine Zutat, häufig nur in Form konzertanter, folkloristischer oder literarischer Darbietungen vorgeführt. Als wesentlicher Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit ist sie bisher nur wenig zum Tragen gekommen, selbst wenn einmal ein Entwicklungsminister sagte: "Jegliche Form der Entwicklungszusammenarbeit verspricht nur dann einen nachhaltigen Erfolg, wenn sie von der soliden Kenntnis der gewachsenen Strukturen der betroffenen Kulturkreise ausgeht." Daraus folgt, daß wir lernen müssen, Afrikanisches mit afrikanischen Maßstäben zu messen und uns dazu intensiv mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Auf der anderen Seite erscheint eine erfolgreiche Zusammenarbeit nur mit einem Partner möglich, der nicht gebannt auf die Errungenschaften der westlichen Welt blickt, sondern sich seiner eigenen Werte und Traditionen bewußt ist. Dazu gehört auch ein Geschichtsbewußtsein, das in der politischen Umbruchsituation vieler Staaten Afrikas zunehmend eine wichtige Rolle spielt bei der Suche nach nationaler Integration und Identität und einen Rückhalt für eigene Initiativen zur Lösung der anstehenden Probleme bieten kann.
Afrikanische Geschichte ist zum größten Teil ungeschriebene Geschichte. Wo sie schriftlich überliefert ist, stammt sie überwiegend aus der Feder von Nicht-Afrikanern, meist der Eroberer, und reicht kaum mehr als 500 Jahre zurück. So kommt fast überall in Afrika den archäologischen Quellen ein weitaus höherer Stellenwert zu als etwa bei uns, da sie für die vorkoloniale Zeit praktisch die einzigen unmittelbaren Zeugnisse bilden. Damit kann archäologische Forschung und die Vermittlung ihrer Erkenntnisse hier wie dort dazu beitragen, den Graben zwischen den Kontinenten zu überwind
en.
One of the most exciting things about African history is that much of it still waits beneath the earth. (John Illiffe)

Kölner Projekte zur Archäologie Afrikas
Die schon zu Beginn der 1960er Jahre vom damaligen Direktor des Kölner Instituts für Ur- und Frühgeschichte Hermann Schwabedissen gemeinsam mit den Instituten für Afrikanistik und Völkerkunde initiierten DFG-Projekte zur Dokumentation südafrikanischer Felsbilder wurden seit 1980 um umfangreiche landschaftsarchäologische Forschungen im nordöstlichen Afrika ergänzt, aus denen 1984 die "Forschungsstelle Afrika" des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und 1989 das "Heinrich-Barth-Institut" hervorgingen.

B.O.S.

Im Rahmen des Projektes "Besiedlungsgeschichte der Ost-Sahara" (B.O.S.) wurden zwischen 1980 und 1993 in Ägypten und im Nordsudan acht Expeditionen von insgesamt 23 Monaten Dauer durchgeführt, an denen mehr als 40 Wissenschaftler und Studenten verschiedener Disziplinen beteiligt waren. Dabei wurden entlang eines rund 1500 km langen Nord-Süd-Transektes durch die Libysche Wüste zwischen Mittelmeer und Sahelzone regionale Forschungsschwerpunkte gesetzt, um die wechselnden Einflüsse von Winter- und Sommerregen auf den holozänen Landschaftswandel und die davon abhängige menschliche Besiedlung während der letzten 10.000 Jahre zu erfassen. Darüber hinaus galten die an mehr als 200 Stellen durchgeführten Ausgrabungen besonders dem Problem der Entstehung produktiver Wirtschaftsformen (Neolithisierung) im nordafrikanischen Raum sowie der Frage nach den afrikanischen Wurzeln der ägyptischen Hochkultur.

Ein Bericht über das B.O.S. Projekt findet sich >>>hier.


Ausgrabungen im Wadi Howar/Sudan (1980)


Fundgebiete des B.O.S. Projektes

Brandberg
Als historische Quellen, die über die archäologischen Sachfunde hinausgehend die geistigen Ebenen prähistorischer Bevölkerungen zu erschließen vermögen, bilden die Felsbilder einen besonderen Interessenschwerpunkt des Heinrich-Barth-Instituts. Im Zentrum des am Institut für Ur- und Frühgeschichte initiierten Projektes "Felsbilder im südwestlichen Afrika", in dessen Rahmen Ernst Rudolf Scherz die Felsbilder Namibias vorlegte und Gerhard und Dora Fock die Gravierungen Südafrikas dokumentierten, standen die Malereien des Brandbergs/Daureb in Namibia. Mit seinen relativ günstigen Umweltbedingungen am Rande der Namib-Wüste ist dieser über Jahrtausende immer wieder als Siedlungsraum aufgesucht worden, wovon die vielfältigen Malereien in seinen 21 Schluchten zeugen. Ihrer Erforschung und Dokumentation hatte sich Harald Pager gewidmet, der von 1977 bis zu seinem frühen Tod 1985 an Hunderten von Fundstellen in den oberen Teilen des Gebirges über 43.000 einzelne Figuren auf rund 6 km Zeichenfolie übertrug. Die Interpretation und Publikation dieser wohl umfassendsten Felsbilddokumentation der Welt erfolgt durch Tilman Lenssen-Erz in einer auf sieben Teile konzipierten Katalog-Reihe, von der bereits sechs großformatige Doppelbände erschienen sind. Schon seit Beginn der 1960er Jahre wurden zudem parallel zu den Felsbildforschungen an zahlreichen Orten Namibias archäologische Ausgrabungen durchgeführt, die u.a. mit den bemalten Steinplatten der "Apollo-11-Grotte" zur Entdeckung der mit rund 27.000 Jahren ältesten Kunstwerke Afrikas führten und heute das Grundgerüst für die Rekonstruktion der prähistorischen Entwicklung des Landes bilden.
Harald Pager bei der Felsbilddokumentation
im Brandberg/Namibia


Felsmalerei im Brandberg/Namibia: Der gejagte Jäger


ACACIA
 

Seit 1995 waren Forschungskonzept und Mitarbeiter des HBI tragende Elemente eines Sonderforschungsbereichs, den die DFG unter dem Titel "Kultur- und Landschaftswandel im ariden Afrika - Entwicklungsprozesse unter ökologischen Grenzbedingungen" an der Kölner Universität eingerichtet hatte. Unter dem Acronym ACACIA (Arid Climate, Adaptation and Cultural Innovation in Africa) bot sich für insgesamt 12 Jahre im Rahmen von 18 Teilprojekten für rund 80 Wissenschaftler der Disziplinen Afrikanistik, Ägyptologie, Botanik, Geographie, Geschichte, Ur- und Frühgeschichte und Völkerkunde die Chance einer fachübergreifenden Zusammenarbeit. Mit Blick auf die Zusammenhänge zwischen Klima- und Kulturentwicklung ging es vor allem darum, zu untersuchen, wie der Mensch während der letzten 10.000 Jahre Wirtschaftsweise und Lebensformen den ökologischen Grenzbedingungen der Wüsten und Halbwüsten Afrikas angepaßt hat, wie er sich mit ihnen auseinandersetzt, sie seinerseits beeinflußt und welche Überlebensstrategien er in diesen Regionen, die mehr als ein Drittel des gesamten Kontinents einnehmen, heute entwickelt. Dabei sollte die Vergangenheit helfen, die Gegenwart zu erklären und umgekehrt. Eine besondere Rolle spielen in diesem Rahmen Entstehung, Ausbreitung und aktuelle Probleme des Hirtennomadismus, der heute Grundlagen und Formen menschlichen Lebens in weiten Teilen des Kontinents bestimmt. Hierzu bot die Wahl der Arbeitsgebiete im nördöstlichen und südwestlichen Afrika (Ägypten, Sudan und Tschad bzw. Namibia und Südafrika) Möglichkeiten für großräumige transkontinentale Vergleiche, in denen Unterschiede und Gemeinsamkeiten menschlichen Kulturverhaltens und mögliche kulturgeschichtliche Zusammenhänge erkennbar werden sollten.Eine wesentliche Ausgangshypothese des Forschungsvorhabens bestand in der Annahme, daß die Geschichte des gesamten Kontinents entscheidend durch die um etwa 5.000 v.Chr. einsetzende Austrocknung des Sahararaumes geprägt wurde. Von den dadurch in Gang gesetzten Bevölkerungsbewegungen gingen wesentliche Impulse zur Herausbildung der pharaonischen Hochkultur des Niltals aus; doch wurde auch die heutige Verteilung von Völkern und Sprachen über den gesamten Kontinent durch diesen Vorgang so grundlegend mitbestimmt, daß man die Austrocknung der Sahara mitsamt ihren wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Folgen als "Motor" der Geschichte Afrikas bezeichnen kann.
Als Triebkraft dieses Motors sind die Monsunregen anzusehen, von denen wegen ihrer entscheidenden Bedeutung für die Landwirtschaft etwa die Hälfte der Erdbevölkerung abhängig ist. In der Vergangenheit waren die monsunalen Niederschlagszonen starken Schwankungen unterworfen, wobei eigene Ergebnisse belegen, daß Verschiebungen des Monsungürtels um mehrere hundert Kilometer innerhalb weniger Jahrhunderte erfolgen können. So trug nach dem globalen Temperaturanstieg vor etwa 10.000 Jahren die Ostsahara eine Gras- und Baumvegetation, während gleichzeitig auf der Südhalbkugel große Teile heute dicht besiedelter Gebiete unbewohnbar waren. Aufgrund anthropogener Einwirkungen könnten solche drastischen Klimaänderungen in Zukunft noch schneller ablaufen. Nach dem Leitspruch "Die Vergangenheit ist der Schlüssel für die Zukunft" können die in geologischen Archiven gespeicherten Informationen Erkenntnisse für die künftige Klimaentwicklung liefern. Dabei hat mit den im Rahmen des SFB gewonnenen anthropogenen Daten der Mensch als sensibler Klima-Indikator wohl verläßlichere Grundlagen für Szenarien künftigen Klima- und Umweltwandels auf den Kontinenten hinterlassen, als sie aus Eis- und Tiefsee-Bohrkernen oder durch Computer-Simulationen zu gewinnen sind.

 


Die Arbeitsgebiete des DFG-Sonderforschungs-
bereiches 389 ACACIA


Archäo-Geologische Untersuchungen
in der Chufu-Region West-Ägyptens

Archäobotanische Arbeiten
in der Libyschen Wüste

Expeditionslager bei Zolat el Hamad
im Nord-Sudan