Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

4. Darstellung der Methode

Cognitive Apprenticeship ist als Meister-Lehrlings-Methode eher eine klassische Lernmethode. Wie jede andere Methode auch stellt sie als Methode ein Lernen am Modell dar. Dies gilt für alle Methoden, ist aber beim Einsatz der klassischen Frontalmethoden oder bei einer Meister-Lehrlingsmethode besonders intensiv zu reflektieren, um die Effektivität dieser Methoden zu gewährleisten. Cognitive Apprenticeship ist aus einem Meister-Lehrlings-Modell hervorgegangen, das aus der klassischen Abhängigkeitsbeziehung heraustreten will und ein wechselseitiges (reziprokes) Lernen ermöglichen soll (vgl. einführend z.B. Collins u.a. 1989, Collins 1991). Die in den USA populäre Methode des reziproken Lernens zeigt ein solches Lernen in einer auch für die konstruktivistische Didaktik akzeptablen Form.


(1) Aufbau des Modells

Der Lehrende gibt etwas modellhaft vor, der Lerner macht seine eigenen Erfahrungen unter Hilfestellung des Lehrenden, bis er zu eigenständigen Anwendungen, Übertragungen oder Lösungen gelangen kann. Dabei ist es aber entscheidend, dass der Lehrende kein geschlossenes Modell einer Weltabbildung anbietet, das bloß nachzuahmen wäre. Der Lehrende modelliert (modeling) bestimmte Muster (z.B. durch Erstellung eines Unterrichtsmaterials und aufgezeigte Wege einer exakten Bearbeitung) oder Anwendungen (z.B. durch Vormachen einer Lösung), die sowohl ein kognitives als auch ein emotionales Schema zur Lösung darstellen. Kognitiv muss dieses Schema hinreichend interessant für die Lerner sein, d.h. es muss hinreichend Neugierde wecken und darf nicht zu einfach, zu geschlossen oder rein reproduktiv organisiert sein. Emotional muss der Lehrende ein Vorbild an Wertschätzung und positiver Einstellung zum Stoff/Problem bieten. Wenn der Lehrende den Stoff/das Problem/die Aufgabe eingeführt und eine Lösungsmöglichkeit vorgemacht hat (z.B. in einem Vortrag oder im Frontalunterricht), kommt es in der Aufgabenübergabe nach den jeweilig zu berücksichtigenden Lernvoraussetzungen der Teil­nehmer (scaffolding) und dem darauf aufbauenden Zurückziehen des Lehrenden (fading) darauf an, dass die Lerner nach und nach selbst Aufgaben übernehmen (scaffolding ist der schwierige Prozess einer Übergabe Schritt für Schritt je nach erworbenen Fertigkeiten, fading zeigt die veränderte, eher moderierende Rolle des Lehrenden). Ab hier wechselt die Rolle des Lehrenden in ein Coaching, in dem be­obachtet wird, wo die Lerner welche Hilfen benötigen, um möglichst eigenständig ihre Lösungen zu finden. Diese Aufgabenlösungen (z.B. in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit) benötigen drei von den Lernern realisierte Einstellungen:

(a) Sie müssen ihre Handlungsschritte artikulieren, indem sie in eigenen Worten oder Darstellungen die Aufgaben und Probleme kommentieren, die Lösungswege beschreiben, die Lösungen kritisch überwachen (monitoring z.B. durch Aufgabenhefte, die die Lösungen kontrollieren helfen). In den Lösungsprozess sollen solche Artikulationen immer wieder eingebaut werden: Die Lerner sollen z.B. laut denken, ihr eigenes Handeln kommentieren, in Zwischenstopps nach Gründen des Handelns und erreichten Lösungen fragen, kritisch zu bisherigen Lösungen Stellung nehmen.

(b) Eine Reflexion der Handlungen und Lösungen sichert zwischendurch und am Ende eines Lernprozesses die kognitiven Fortschritte. Hierzu gehört insbesondere auch ein Vergleich zu den Vorgaben des Lehrenden und dessen idealtypischer Lösung und den Lösungen der Lerner. Expertenhandlungen und Lernerhandlungen sollen angenähert werden, ohne dass die Experten ihren Vorsprung gegen die Lerner ausspielen. Vielmehr kommt es insbesondere darauf an zu betonen, was die Lerner sich bereits als Lösungen erarbeitet haben und wie sehr dies einer Musterlösung für das (begrenzte) Problem entsprechen kann.

(c) In weiteren Explorationen sollen Lerner ihr Wissen bzw. ihre Pro­blemlösungskompetenz auf andere Bereiche übertragen bzw. in Variationen und Vertiefungen ausprobieren können, um der Illusion von vollständigen Lösungen oder begrenzbaren Aufgaben zu entgehen. Es muss bewusst bleiben, dass Expertenlösungen für bestimmte Aufgaben wichtig sind, aber in der Eindeutigkeit der Lösung stets zu erkunden ist, auf welche weiteren Probleme sie passen oder nicht passen können.

Die Erfolge dieses Modell-Lernen haben gezeigt, dass es nicht ausreicht, wenn der Lehrende die Lerner überwiegend fragend in sein Unterrichtskonzept einbezieht. Hierbei durchschauen sie zu selten oder nur bei sehr hoher didaktischer Kompetenz des Lehrers das Konzept und die Begründungen, die zu den Fragen führen und die ihnen Antworten suggerieren. Dann verlassen sie sich auf die gestellten Fragen und vermeiden es, eigene Kommentar-, Frage- und Bewertungshorizonte zu entwickeln. Dies führt bei zu häufigem Einsatz darstellender und fragend-entwickelnder Unterrichtsmethoden zu einer passiven Lernhaltung, die kein effektives Modell für eigene Handlungen darstellen kann.


(2) Abgrenzung des Modells

Beim Cognitiv-Apprenticeship-Modell werden Elemente der traditionellen Lehre (traditional apprenticeship), wie sie heute noch in handwerklichen Berufen üblich ist, auf kognitive Lernbereiche übertragen, wie zum Beispiel das Lösen einer Mathematikaufgabe oder das Schreiben eines literarischen Werkes. Beim Traditional Apprenticeship (‚traditionelle Lehre‘) gibt es nach Collins u.a. (1991) bereits vier verschiedene Aspekte: Modeling, Scaffolding, Fading und Coaching. Unter dem Begriff Modeling versteht Collins, dass der Meister den Lehrlingen an einem Modell die einzelnen Schritte zeigt. Unter Scaffolding wird das Unterstützen des Lehrlings beim Bewältigen der Aufgabe durch den Meister verstanden. Diese Unterstützung wird immer geringer bis der Lehrling das gesamte Produkt ohne Hinweise und Hilfe des Meisters selbständig herstellen kann. Dies bezeichnet Collins als Fading. Mit Coaching bezeichnet Collins das Beobachten des Lernprozesses des Lehrlings durch den Meister.

Wichtig ist es, dem Lehrling ein Bild des Ganzen zu zeigen, auch wenn er selbst erst einzelne Arbeitsschritte beherrscht, da der Lehrling dadurch die Bedeutung des einzelnen Arbeitsschrittes begreift und sich dadurch auf die korrekte Ausführung konzentriert.

Zwischen Traditional und Cognitive Apprenticeship gibt es einige Unterschiede. Zum einen ist beim Traditional Apprenticeship der Prozess, der zum Endprodukt führt, sichtbar. Dieser Prozess muss beim Cognitive Apprenticeship erst sichtbar gemacht werden (beispielsweise indem der Lehrer seinen eigenen Denkprozess aufschreibt, visualisiert usw.). Zum anderen ist das zu Lernende bei dem Traditional Apprenticeship in den Arbeitsplatz eingebunden, dieser Sinn muss bei den abstrakten Aufgaben des Cognitive Apprenticeships den Lernenden noch bewusst werden. Weiterhin sind die Fertigkeiten, die im Traditional Apprenticeship erworben werden, für die jeweilige Aufgabe einzigartig, beim Cognitive Apprenticeship dagegen müssen die Fertigkeiten von der einzelnen Aufgabe unabhängig erworben werden und auf andere Situationen übertragen werden können. Ziel ist es hierbei, die Fertigkeiten zu generalisieren und gleichzeitig den adäquaten Einsatz der Fertigkeiten zu lernen, dass heißt der Lernende muss auch lernen, wann eine bestimmte Fertigkeit einsetzbar ist und wann sie zu keiner Lösung führt.

Der Lehrer muss die einzelnen Prozesse der Aufgabe identifizieren und für die Lerner sichtbar machen. Weiterhin muss er die abstrakte Aufgabe in eine authentische Situation einfügen, so dass die Arbeit der Lerner eine Bedeutung erhalten, die Situationen sollten dabei immer wieder variiert werden, und dabei mit den Lernern auf gemeinsame Aspekte und Unterschiede der einzelnen Aufgaben eingehen.


(3) Lernumgebung

Wie im situierten Lernen insgesamt so spielt auch bei dieser Methode die Lernumgebung eine entscheidende Rolle. Collins unterscheidet vier Dimensionen, die eine Lernumgebung ausmachen: Inhalt, Methoden, Reihenfolgen und soziologische Faktoren.

  • Auf der inhaltlichen Dimension unterscheidet Collins fachspezifisches Wissen, heuristische Strategien, metakognitive Strategien und Lernstrategien. Heuristische Strategien sind allgemeine fachübergreifende Strategien, die zur Lösung eines Problems angewendet werden. Unter metakognitiven Strategien werden kontrollierende Strategien des Lerners über sein eigenes Aufgabenverständnis verstanden. Lernstrategien dagegen sind Strategien des Lerners, die dieser einsetzt, um Lernfortschritte zu machen, beispielsweise in dem er sich immer schwierigere Texte sucht, um sein Textverständnis zu verbessern.
  • Unter der Dimension der Methoden fasst Collins Modeling, Coaching, Scaffolding, Articulation, Reflection und Exploration zusammen. Alle Methoden sollten dem Lerner die Möglichkeit geben, Expertenstrategien zu entdecken und anzuwenden. Modeling, Coaching und Scaffolding sollen dabei dem Lerner durch den Einsatz von Beobachtung und geleiteter Anwendung helfen, eine Masse an Fertigkeiten zu erwerben. Articulation und Reflection sollen den Lerner dazu bringen, Expertenlösungen zu beobachten und eigene Problemlösungsstrategien zu bewerten. Unter Exploration wird das Anwenden der Problemlösungsstrategien bei praktischen Aufgaben verstanden, der Lerner soll dadurch in seiner Probelmlösungsstrategie bestärkt werden.
  • Bei der Reihenfolge nennt Collins drei verschiedene Prinzipien: Erstens soll das Gesamtkonzept von Anfang an dargestellt werden, so dass der Lerner die Bedeutung der einzelnen Arbeitsschritte versteht. Weiterhin soll die Komplexität der Aufgabe ansteigen, die Aufgaben sollen immer schwieriger werden. Neben der Schwierigkeit der Aufgabe soll auch die Zahl der benötigten Fertigkeiten immer weiter ansteigen.
  • Soziologische Aspekte sollen erfassen, dass Aufgaben und deren Lösung immer mit der Realität und dem Alltag der Lerner verbunden sind. Die Motivation, eine Aufgabe zu lösen, sollte mit der Aufgabe verbunden sein und nicht von außen gesetzt werden. Zwischen den Lernenden sollte eine kooperative Zusammenarbeit gefördert werden. Es soll eine Arbeitsgemeinschaft entstehen, bei der Lernende und Lehrer in einer Interaktion stehen.