Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

>> 3.1. theoretische Begründung
>> 3.2. prakttische Begründung


3.1. Theoretische Begründung

Bei den theoretischen Arbeiten Freinets handelt es sich nicht um eine geschlossene Systematik. Freinet hat seine Erziehungs- und Arbeitstechniken in der Praxis entwickelt und seine theoretischen Begründungen erst anschließend formuliert. Für ihn stand die praktische Grundlegung seiner Arbeit immer im Vordergrund. Seine praktischen Entwürfe sind oft schlüssiger als die theoretischen Begründungen.
In den theoretischen Begründungen beschreibt Freinet, dass sich der Mensch nach bestimmten Gesetzen entwickelt. „Das grundlegendste Gesetzt des Lernens ist dabei für ihn das Gesetz des ‚tastenden Versuchens’. Durch eigenaktive tastende Versuche eignet sich der Mensch „die Wirklichkeit an und entwickelt allmählich feste Lebensregeln, d.h. Verhaltensweisen, die, zum großen Teil unbewusst bleibend, sich tief in seelischen Strukturen verankern und das spätere Verhalten bestimmen.“ (Freinet 1980, 53) Die Entwicklung des Menschen vollzieht sich nach Freinet vom Tasten hin zur Ausbildung kognitiver Strukturen. Jedes Kind trägt dafür eine natürliche Lebensenergie von Geburt an in sich. Eltern, Lehrer/-innen und Erzieher/-innen haben somit die Aufgabe, Lebensbedingungen zu schaffen, die dem Kind die notwendige Freiheit und das notwendige Material bereitstellen, damit sich die individuelle Energie und Entwicklung entfalten kann.
„Das Kind ist hungrig nach Leben und Aktivität. Diesen Drang nutzen wir, indem wir dem Kind die ‚Instrumente’ der Unterweisung und Erziehung selbst in die Hand geben, und indem wir an der Verwirklichung der materiellen und sozialen Voraussetzungen arbeiten, die es dem Kind ermöglichen, diesem Drang nachzugehen.“ (Ebd., 28) Oder: „Das Kind muss sich selbst erziehen, sich selbst bilden mit der Hilfe des Erwachsenen.“ (Ebd., 25) Ergänzend beschreibt Freinet, dass Menschen zum sinn- und lebensweltorientierten Lernen auch reale Lernsituationen brauchen, die sie mit konkreten Fragestellungen und Problemen konfrontieren. Nur so bleibt Lernen und Entwicklung über das ‚tastende Versuchen’ motiviert, lebendig und dynamisch.
Diese Beschreibung der menschlichen Entwicklung passt zu heute aktuellen Theorien konstruktivistischer Denkrichtungen. Lernen kann nicht einfach als eine Übertragung von Informationen „von einem Kopf in den anderen“ verstanden werden. Und es ist nicht möglich, Lernen und Entwicklung vollständig oder abbildend zu planen oder zu determinieren. Vielmehr entscheidet der Lerner in seinen Kontexten und Situationen, in seiner Sozialisation, seiner kulturellen und individuellen Perspektive immer mit über das situierte Lernen und die dabei bevorzugten Konstruktionen. Um für diese konstruktive, multiple Tätigkeit (die nicht nur kognitiv ist) entscheidende Anregungen zu setzen, müssen Erzieher und Lehrende ein vielseitiges lebensweltbezogenes Angebot bereitstellen und als Berater und Begleiter individueller Entwicklungsprozesse fördernd fungieren. So lassen sich Gedanken Freinets auch in den gegenwärtig aktuellen Lerntheorien fortführen.


3.2. Praktische Begründung

Freinet arbeitete selbst als Dorfschullehrer in Frankreich. Dort sah er sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem mit Schülerinnen und Schülern konfrontiert, die durch sinnentleerte Schulinhalte in einer Buch- und Wissensschule mit ausgeprägtem Drill schwer zu motivieren waren. Für ihn zeigte sich zudem, dass die vorhandenen Schulbücher der Erfahrungswelt der Schüler/-innen nicht entsprachen.
Freinet hat die herkömmliche Buch- und Wissensschule aufgegeben. Er selbst und andere Lehrer/-innen, die nach der Freinet-Pädagogik arbeiteten, beschrieben, nachdem sie handlungsorientiert mit den Lernern Unterricht durchführten, große Lernerfolge und eine hohe Lern- bzw. Arbeitsmotivation bei ihren Schülerinnen und Schülern. Zudem beobachtete Freinet, dass seine Schüler/-innen qualitativ und quantitativ ein hohes Leistungsniveau erreichten, ohne dass ein äußerer Leistungsdruck für sie bestand. Hier ist allerdings zu bedenken, dass Freinet noch optimistisch den Aufschwung der Moderne beschreibt und ein Bild der Lerner entwirft, die ihr Begehren zu lernen, durchgehend ausdrücken. Dies kann auf die gegenwärtige Situation nicht einfach bruchlos übertragen werden.
Für Freinet ist die materielle und soziale Organisation der Schule ein leitendes Grundprinzip, das mit seinem vom Marxismus geprägten Fortschrittsoptimismus zusammenhängt. Dabei tritt allerdings seine Einschätzung der Bedeutung der Persönlichkeit der Lehrenden und der pädagogischen Interventionen in den Hintergrund. (Vgl. Freinet 1980, 26-27) Nach Freinet verlangt die traditionelle Schule zu viel von den Lehrer/-innen bezüglich persönlicher und psychischer Fähigkeiten und Qualitäten. „Weil aber Lehrer Menschen sind, die nur ganz selten einmal alle diese als unbedingt erforderlich angesehenen Eigenschaften besitzen, bricht das ganze pädagogische System zusammen“. (Ebd., 38) Bei Freinet steht im Gegensatz dazu die Fähigkeit der Lehrperson im Vordergrund, eine Umgebung zu schaffen, die den Schülerinnen und Schülern Raum für bestmögliches Arbeiten und Lernen bietet. Diese Einstellung Freinets ist vermutlich auch stark durch seine persönliche Situation begründet. Er hat im ersten Weltkrieg eine Verletzung erlitten, die ihm das Sprechen und seine Lehrertätigkeit erschwerte. So war er selbst in besonderem Maße auf Techniken angewiesen, die ihn vom vielen Sprechen entlasteten und die Eigenaktivität der Schüler/-innen verstärkten.
Die Atelierarbeit sollte sich immer am Interesse der Schüler/-innen und ihrer Lebenswelt orientieren. So können natürliche Neugierde, Wissensdurst und Kreativitätsdrang der Schüler/-innen aufgegriffen werden, ohne dass die Lehrperson viel Energie aufwenden muss, um Motivation oder Disziplin zu fördern.