5. Beispiele
5.1 Fiktiver
Brief an eine literarische Figur / aus der Sicht einer literarischen
Figur
Im
Literaturunterricht ist die Briefmethode einsetzbar, um einen Text
oder Textabschnitt zu erschließen. Dazu erhalten die Schüler
beispielsweise die Aufgabe, einen fiktiven Brief zu schreiben, der
entweder an eine Figur des Textes oder aus der Sicht einer solchen
Figur geschrieben werden soll. Dadurch soll die Perspektive einer
Figur zu einem bestimmten Zeitpunkt der Handlung erarbeitet werden.
5.2 Briefe an Firmen, Vereine, Politiker, Regierungen, Zeitungsredaktionen
usw.
Im
öffentlichen Leben ist es üblich, an Firmen, Vereine usw.
Briefe zu versenden. Dabei kann es um Meinungsäußerungen,
Auseinandersetzungen mit einer Sach- oder Problemlage sowie um das
Einholen von Auskünften oder die Formulierung eines Appells
gehen. Besonders bekannt sind Leserbriefe an Zeitschriften, Stellungnahmen
zu aktuellen Geschehnissen oder auch Appellbriefe für Greenpeace
oder amnesty international. All diese Arten von Briefen können
auch im Unterricht erstellt werden. Besonders attraktiv erscheint
dies im Zusammenhang mit relativ eigenständiger Projektarbeit
der Schüler in Gruppen. Als Methode kann solches Briefeschreiben
aber auch eingesetzt werden, um den Schülern eine eigenständige,
produktive und konstruktive Auseinandersetzung mit Themen im Politik-,
Deutsch-, Religions-, Sozialkundeunterricht usw. zu ermöglichen
und Sachthemen einen aktuellen Lebensbezug zu verleihen.
5.3 Briefe an eine befreundete Schulklasse
Celestin
Freinet hat eine Briefkorrespondenz zwischen Schulklassen angeregt.
Die Schüler dieser Klassen aus ganz verschiedenen Orten sowie
aus unterschiedlichen soziokulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen
berichten von ihren jeweiligen Lebenssituationen. Sie legen zu den
geschriebenen Briefen auch Bilder und für ihre Region oder
für die Jahreszeit typische Gegenstände bei.
5.4 Brief- oder E-mailkorrespondenz mit Schülern und Studenten
An
Schulen und Universitäten wurden schon einige kooperative Projekte
durchgeführt, in denen Schüler mit Studenten in einen
Austausch treten. Zum Beispiel kann es dabei um einen fachbezogenen
Briefwechsel gehen, wobei die Schüler Fragen zu einem Thema
stellen oder den Studenten einfach erzählen, was und wie sie
in einem bestimmten Sachgebiet lernen. Eine andere Intention verfolgt
eine "Schreibkonferenz", bei der sich die Schüler-Student-Interaktion
um einen vom Schüler geschriebenen Text dreht: Aus dem Deutschunterricht
in den Klassen 3 und 4 liegen Erfahrungen (siehe 7 Praxiserfahrungen)
über einen Austausch per E-mail zwischen Schülern und
Studenten vor, bei dem beide Gruppen gleichermaßen lernen
können. Die Grundidee einer solchen "Virtuellen Schreibkonferenz"
besteht darin, dass Schüler im Rahmen von Freiarbeit Texte
am PC verfassen, die dann per E-Mail an eine Mailingliste gesendet
werden. Studenten betreuen zu zweit oder zu dritt einzelne Schüler,
indem sie sich mit deren Texten auseinandersetzen und eine Schreibberatung
durchführen. Der studentische Berater hat genug Zeit über
das Geschriebene des Schülers nachzudenken, um schließlich
zielgerichtete Tipps oder Fragen zu formulieren. Die Studenten machen
sich dadurch mit dem Kommunikationsmedium Internet sowie dessen
Möglichkeiten, Besonderheiten und Grenzen vertraut. Des Weiteren
werden sie herausgefordert, möglichst kompetenzorientiert und
ermutigend mit den Schülern und ihren Texten umzugehen. Dabei
stehen die Schreibidee und die Geschichte des Schülers im Vordergrund.
Die Studenten suchen danach, was der Schüler meint und ausdrücken
möchte, ob seine Geschichte verständlich, schlüssig
und kohärent beim Leser ankommt und welche Hinweise dem Schüler
helfen könnten, die Verständlichkeit des Textes zu verbessern.
Um auch rechtschreibschwachen oder ungeübten Schülern
Erfolgserlebnisse zu ermöglichen und die Freude am Schreiben
zu erhalten, richten die Studenten z.B. bei orthographischen Korrekturen
ihren Blick zunächst auf einige wenige Fehlertypen, wie z.B.
das Dehnungs-h. Dies ist abhängig von der Schulstufe und den
individuellen Rechtschreibkenntnissen des Schreibers.
Diese Form der Kommunikation bewirkt bei Schülern eine hohe
Schreibmotivation, weil sie einerseits einen bereitwilligen Leser
für ihre Texte haben und andererseits solch eine E-mail-Korrespondenz
mit einem Unbekannten sehr spannend ist. Auch Blatt (2000) berichtet,
dass kooperatives Schreiben per E-Mail eine Spannung erzeugt, die
dazu führt, dass sich die Partner eingehend mit dem "unbekannten"
Gegenüber beschäftigen. Sie zitiert einen Schüler,
der an einem ähnlichen Projekt teilgenommen hat. "Ich
finde es spannend, mit jemandem nur über Computer zu kommunizieren,
weil man sich ja nach und nach auch ein Bild von der anderen Seite
macht." (Seminarcorpus 1995; zitiert nach Blatt 2000, 44) Dies
zeigt sich auch in den teilweise sehr liebevollen mitgeschickten
Briefen, in denen sie etwas über sich selbst, ihre Familie,
Freunde, Schule, Hobbies usw. erzählen und auch persönliche
Fragen an die Studenten stellen. Diese persönlichen Briefe
werden nicht korrigiert und stellen somit eine unkomplizierte Art
der schriftlichen Kommunikation dar, die in erster Linie Spaß
macht. Geradezu nebenbei lernen die Schüler durch diesen persönlichen
Austausch die Bedeutung schriftsprachlicher und - sofern es um ihre
erdachten Geschichten geht - auch metasprachlicher Kommunikation
kennen.
Dass bei diesem Projekt beide Seiten profitieren können, ist
offensichtlich, denn die Studenten erhalten die wertvolle Möglichkeit,
theoretische Kenntnisse über die Struktur der Schriftsprache,
Schriftspracherwerb, Textproduktion und Didaktik anzuwenden und
bekommen einen Einblick in Schwierigkeiten, mit denen sie auch später
als Lehrer in der Beraterrolle konfrontiert werden. Darüber
hinaus wird ihre diagnostische Fähigkeit geschult, einen Entwicklungsstand
einzuschätzen und eine Schreibentwicklung zu beobachten. Im
Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit haben sie im Anschluss
an das Projekt die Möglichkeit, die Untersuchung der Kindertexte
zu vertiefen und ihre Erfahrungen zu reflektieren.
5.5 Briefe an Lehrer, Mitschüler,...
Im
Schulalltag ist es denkbar, dass Briefe als Kommunikationsmedium
genutzt werden, um Rückmeldungen, Vorschläge oder Erwartungen
zu äußern oder über eine Sachlage zu reflektieren.
Die schriftliche Mitteilung oder Auseinandersetzung bietet den Vorteil,
von der direkten Konfrontation der verbalen Äußerung
losgelöst zu sein. Darüber hinaus überlegt und plant
man seine niedergeschriebene Aussage viel intensiver als die mündliche.
Durch die schriftliche Konzeption verwendet man häufig eine
andere, gewähltere und explizitere Sprachform. Auch hat es
eine Auswirkung, dass man Geschriebenes jederzeit nachlesen kann,
dass es eine bleibende Materialität hat. So kann die Briefmethode
effektiv eingesetzt bei allen Formen von Austausch werden, in denen
man sich wünscht, dass die Aussagen schon vorher überdacht
und reflektiert werden oder auch wenn verbale Kommunikation aufgrund
von Hemmungen nicht erfolgreich verlaufen würde.
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