Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

Ein- und Ausstiege können Methoden mit hoher psychologischer und pädagogischer Qualität sein, darüber hinaus können sie ausschlaggebend das Wohlbefinden jedes Einzelnen in der Gruppe, die Gruppendynamik, den Zusammenhalt und die Kooperation in der Gruppe fördern. Das Kennenlernen, die Beziehungsstruktur und ein sozial-kooperatives Lernklima werden sowohl durch Ein- als auch durch Ausstiege stark gesteuert. Sie bieten die Möglichkeit, gezielt Interessen bei den Teilnehmern/innen zu wecken und zu fördern, was generell zu einer Steigerung der Motivation führen kann. Sie können kann auch die Demokratiefähigkeit erhöhen, indem die Bereitschaft gestärkt wird, sich aktiv in einen Gruppenprozess einzubringen. Wenn dies gelingen soll, dann sind hohe kooperative Anforderungen gestellt, die zugleich die Empathie schulen helfen. Einzelne Methoden/Techniken fördern hierbei insbesondere die Konzentration auf einzelne Sinne, die eigenen Wahrnehmungen, die Körperwahrnehmung, die dadurch geschult wird und den Lerner dazu befähigt, eigenständig seine Lernblockaden lösen zu können. Kreativität wird durch solche Faktoren günstig beeinflusst.
Somit gehören Ein- und Ausstiege zu einem notwendigen Inventar einer konstruktivistischen Didaktik. Sie ermöglichen den Teilnehmern Raum für Re/De/Konstruktionen, fördern die Reflexion ihrer Rollen als Teilnehmer und Akteur; setzen ein Nachdenken und Reflektieren über eigene Konstruktionen, über die von anderen Teilnehmern und über die Lerninhalte in Gang. Außerdem werden Selbst- und Fremdbilder sowie Selbstwert und Selbstsicherheit durch gelungene Ein- und Ausstiege gefördert. Empathie und Sozialkompetenz können ebenfalls besonders gelernt werden. Sofern Ein- und Ausstiege partizipativ angelegt sind, können sie helfen, den konstruktivistisch-didaktischen Anspruch an ein hohes Maß an Demokratie für alle Teilnehmer zu realisieren.
Die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen sollte besonders auch in den Einsteigen des Unterrichts/von Seminaren methodisch signalisiert und bei Ausstiegen von der gesamten Lerngruppe reflektiert werden. Dies entspricht insbesondere für das schulische Lernen späteren Anforderungen in vielen Berufen. In der Postmoderne ist das Konstrukt des so genannten „Einzelkämpfers“ ohnehin problematisch geworden. Teamarbeit, Kooperationsmanagement und Kommunikation sind in allen Bereichen immer wichtiger geworden. Die Pisa-Studien haben gezeigt, dass es mit dem sozialen Miteinander an deutschen Schulen dagegen eher schlecht steht. Zudem beklagen viele die mangelnde verbale und schriftliche Kommunikationskompetenz und Motivation von Schülern gerade im deutschen Schulsystem, das sehr stark auf Selektion und weniger auf Kooperation schon durch seine Drei- bis Fünfgliedrigkeit (inklusive Sonderschulen) strukturell ausgelegt ist. Hier wären strukturelle Reformen dringend notwendig, um überhaupt ein positiveres Ein- und Ausstiegsklima zu erzeugen.
Ein- und Ausstiege bieten neben solch notwendigen strukturellen Reformen aber zunächst vor allem eine Möglichkeit für Reformen im Kleinen. Als methodische Elemente können gerade die spielerischen und oft dynamisch-kreativen Methoden der Einstiege und Ausstiege eher starre Arbeitsprozesse aufbrechen. Ein- und Ausstiege können in Kombination mit anderen Methoden hierbei besonders wichtig werden, weil sie für die Ganzheitlichkeit des Lernprozesses als Einstimmung und Abschluss sehr wichtig sind.
Ein- und Ausstiege sind in der Pädagogik und Didaktik schon sehr lange thematisiert worden. Frühere klassische Ansätze, wie etwa bei Herbart im 19. Jahrhundert, setzten dabei eher auf eine sehr fixierte und schematische Regelung des Einstiegs in den didaktischen Prozess und in seine Durchführung. Ein solches Vorgehen hatte dann seine Wirksamkeit, wenn es um eine instruktive Aufbereitung eines Bildungsstoffes ging, der gesellschaftlich stark konventionell angelegt war und kaum in Frage gestellt werden konnte oder sollte. Dagegen muss die Didaktik heute sehr viel stärker die Vielfalt nicht nur der Konventionen und inhaltlichen Versionen von Wirklichkeiten bedenken, sondern auch noch erkennen, dass es gerade bei Ein- und Aussteigen keine Königswege oder einfache Schematisierungen von erfolgreichen Lernprozessen mehr gibt.
Bei Einstiegen/Ausstiegen sind vor diesem Hintergrund zahlreiche Faktoren wichtig, die aus der theoretischen Begründung heraus in einer konstruktivistischen Didaktik besonders folgende Felder betreffen:

  • persönlicher Zugang zum Thema
  • Beachtung des Begehrens der Teilnehmer und möglicher Imaginationen und Visionen
  • aufeinander aufbauende Erkenntnisse, Bestätigung und Verstärkung des individuellen und gemeinsamen Lernens und Dokumentation der Lernfortschritte durch Portfolios
  • Förderung der Kreativität und Abbau von oberflächlicher Konventionalität
  • Stärkung von Multikulturalität und Diversität

Auf diese ausgewählten Faktoren soll im Folgenden kurz eingegangen werden:

Persönlicher Zugang zum Thema
Durch Vorstellungsrunden, Fragen nach den eigenen Interessen, Erwartungen, Fragen nach  persönlichen Erfahrungen mit dem Thema, Diskussion des Vor-Wissens und der Vor-Erfahrungen in Kleingruppen kann eine persönliche Verbindung des Themas mit den Teilnehmern hergestellt werden. Der Leiter/die Leiterin lernt die Konstruktionen kennen, mit denen die Teilnehmer in das Seminar/den Unterricht kommen und kann so an ihnen anknüpfen und damit weiterarbeiten. Durch ausführliches Vorstellen und Einführen in ein neues Thema werden Blockaden und Verunsicherungen von Lernern leichter aufgelöst. Fragen, Erwartungen und Voraussetzungen lassen sich als Bedingungen des Lernprozesses reflektieren. Das gibt Sicherheit, Struktur, verhilft der Selbstklärung und schafft Vertrauen zum Leiter und den anderen Teilnehmern.
Ein Fehler, der hier oft gemacht wird, besteht darin, dass nur der Lehrende seinen persönlichen Vorgang thematisiert bzw. diesen in den Vordergrund schiebt. Günstiger ist es, wenn tatsächlich die Lernenden ihre unterschiedlichen persönlichen Zugänge finden und damit ihren Einstieg in das Thema leisten können.

Beachtung des Begehrens der Teilnehmer und möglicher Imaginationen und Visionen
Lernen beginnt nach John Dewey immer mit einer emotionalen Reaktion. In der konstruktivistischen Didaktik drücken wir dies breiter aus: Lernen beginnt immer oder hat immer zur Voraussetzung ein Begehren des Lerners im Blick auf das zu Lernende. Hier kann es jedoch sein, dass dieses Begehren verdeckt, unbewusst, unklar, ambivalent usw. ist. Um nicht völlig gegen die überwiegend emotionalen Interessen und Wünsche des Lerners zu agieren, ist es daher sinnvoll, gerade zu Beginn eines Lernprozesses Platz für eine Thematisierung eines möglichen Begehrens zu lassen, für eine Weckung von Imaginationen oder Visionen zu sorgen, um eine persönliche Betroffenheit oder Widerstände reflektieren zu können. Hier müssen Lehrende keine Angst vor Ablehnung ihrer Themen haben, denn wenn die Widerstände gegen bestimmte Themen sehr groß sind, dann müssen wir sie gerade beim Einstieg thematisieren, um überhaupt noch einen erfolgreichen gemeinsamen Lernweg einschlagen und durchführen zu können. Eine solche Reflexion am Abschluss eines Lernprozesses kann uns helfen, hierbei Erfolge oder Misserfolge zu erkennen und für weitere Lernprozesse zu nutzen.

Aufeinander aufbauende Erkenntnisse, Bestätigung und Verstärkung des individuellen und gemeinsamen Lernens und Dokumentation der Lernfortschritte durch Portfolios
Für alle Lerngruppen ist es immer wieder wichtig, auf den eigenen Lernprozess zu reflektieren und abhängig von Alter und Lernstand angemessen diese Reflexion zu dokumentieren. Dazu gehört insbesondere der Einsatz von Methoden, die auf Feedback und Reflexion zielen. Wiederkehrende Fragen sind dabei sowohl im Ein- als auch im Ausstieg immer wieder z.B.: Was haben wir als Gruppe heute gelernt? Gibt es neue Erkenntnisse oder sind neue Fragen aufgetaucht? Wo stehen wir jetzt? Was war unser Ziel? Aber auch persönlich an jeden Einzelnen: Was habe ich heute gelernt? Bin ich einen Schritt weitergekommen? Welche Ziele habe ich mir gesetzt? Welche haben mir andere gesetzt? Wo habe ich Unterstützung erfahren? Wo könnte ich noch mehr Unterstützung bekommen? Was muss ich selber dabei leisten? Dabei können auch die Gruppensolidarität und das gemeinsame Arbeiten verstärkt werden, wenn das Herstellen einer guten Lernumgebung und eines sozialen Lernklimas nicht nur erfragt, sondern auch lösungsorientiert gefordert und durch konkrete Beschlüsse gefördert werden. Hierbei ist eine Struktur zu schaffen, die jeden Teilnehmer innerhalb der Gruppe zu Wort kommen lässt. Durch eine intensive Beziehungsarbeit und Verbesserung der Kommunikation wird eine Zielorientierung notwendig, die individuelle und gemeinsame Interessen miteinander verbinden kann. Dabei sind Portfolios eine gute Möglichkeit der Dokumentation und gleichzeitiger Verstärkung dieses Prozesses (siehe die Methode Portfolio im Methodenpool).
Für die deutsche Schule, die heute weniger als in anderen Ländern eine Idee einer community verfolgt, ist es besonders wichtig, das Problem des Einzelkämpfers zu lösen und die Kommunikation der Schüler untereinander wesentlich zu fördern, um den Zusammenhalt in der Klasse als eine notwendige Voraussetzung von Teamarbeit zu sichern. Hier nimmt die Bereitschaft, etwas zu lernen oder sich für etwas einzusetzen, zu, wenn das Eigeninteresse sich mit sozialen Vorbildern verbinden kann, wenn nicht für eine abstrakte Karriere in unbekannter Zukunft, sondern für konkrete Ereignisse im Hier und Jetzt gelernt werden kann.

Förderung der Kreativität und Abbau von oberflächlicher Konventionalität
Kreativität ist nichts, was man auf Knopfdruck bestellen kann. Sie ist auch ein kein Gut, keine einfach konstruierbare Fähigkeit, die man besitzen kann. Kreativität gibt es immer nur für einen gewissen Moment, sie ist stets dynamisch, sie lässt sich nicht instruktiv erzeugen oder schaffen. Kreativität ist zudem oft ein fiktives Konstrukt. Aber was es gibt, das ist der kreative Schaffensprozess. Denn kreativ zu sein, meint immer, etwas zu schaffen oder etwas zu denken, was neu ist, was so noch nicht vorher gedacht oder gemacht wurde (zumindest im Hier und Jetzt: in dieser Gruppe). Wir müssen allerdings bedenken, dass Kreativität dabei immer von den Lernvoraussetzungen abhängt. So kann ein Lerner sehr kreativ sein, wenn er für sich eine Wirklichkeit entdeckt und neu erfindet, die ein Erwachsener oder gebildeter Mensch als wenig ungewöhnlich, weil im Grunde selbstverständlich, sehen wird. Gerade Lehrende müssen hier zu einem Lob des Kleinen, des Langsamen, des Neuen und Kreativen aus dem Blick der Lerner finden. Kreativität ist eine sehr individuelle Angelegenheit und auch nur im Blick auf situative Ereignisse und singuläre Menschen definierbar.
Kreativität benötigt als situatives Ereignis vor allem Zeit, Ruhe und oft Entspannung und Bewegung. Das heißt, durch ein gemeinsames Kennenlern-Spiel oder einen Spaziergang mit dem Team – irgendetwas Ungewöhnliches, Lustiges, Schräges, was man im Alltag sonst nie machen würde – kann man besonders kreative Denkprozesse fördern. Dazu gehört auch, dass man mit handlungsorientierten Methoden wieder lernt, offen und spielerisch an bestimmte Dinge heranzugehen. Man muss seine eigenen Konstruktionen von Welt kennen lernen, um dann spielerisch mit ihnen umzugehen, sie ggf. wieder aufzubrechen und Dinge auf ganz andere Weise betrachten zu können. Gerade die dynamischen und spielerischen Methoden der Ein- und Ausstiege könnten hier Wahrnehmungen schulen, ein gewisses Maß an Unvoreingenommenheit, Offenheit fördern und einen eher spielerischen Zugang zur Welt entwickeln helfen.

Stärkung von Multikulturalität und Diversität
Der konventionelle Druck in der Gesellschaft lässt Menschen immer wieder denken, dass nur ihre engen Konventionen im Rahmen vorherrschender Gruppennormen sinnvoll, begründet und wünschenswert seien. Im Zeitalter der Globalisierung wird dies jedoch schnell zu einer rückwärtsgewandten Kulturfalle, die den realistischen gesellschaftlichen Gegebenheiten kaum noch entspricht. Vielmehr ist heute das Multikulturelle und Diverse, auch das Widersprüchliche und Ambivalente stärker zu sehen und zu thematisieren, wenn Lernprozesse stattfinden. Bei Ein- und Ausstiegen sind dies verstärkt Fragen nach den Bedingungen des Lernens, die wir stellen müssen: Von wem ist das ausgegangen? Gilt das für alle Menschen? Wo gibt es Ausnahmen? Wie verbindlich kann dies sein? Warum sollten wir uns darauf einigen? Wer wird sich nicht darauf einlassen wollen? Usw.