Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

7. Praxiserfahrungen

In dem Buch von Jörg Knoll: „ Kurs- und Seminarmethoden“ findet sich ein ausführliches Praxisbeispiel innerhalb der Erwachsenbildung, das die Durchführung von Ein- und Ausstiegen praktisch veranschaulicht. In Grundzügen sei dieses Praxisbeispiel im Folgenden dargestellt:
Das Praxisbeispiel stammt von Lisa Babisch aus Markt Schwaben. Sie hat das Projekt mit dem Titel: „ Fernsehen- Hilfe oder Heimsuchung?“ ehrenamtlich durchgeführt. Es handelt sich um eine Abendveranstaltung für Eltern und erwuchs aus der Elternbeiratssitzung eines Kindergartens, bei welcher mehrere Beiräte den Wunsch geäußert hatten, zum Thema „Fernsehen“ einen Elternabend durchzuführen. Er sollte nicht nur die Fernsehgewohnheiten der Kinder beleuchten, sondern vor allem die Erwachsenen dazu anregen, ihr Verhalten zu überprüfen.
Lisa Babisch, die Leiterin dieser Veranstaltung, ging in ihren Vorüberlegungen davon aus, dass das Fernsehen als Tatsache alle betrifft. Vor diesem Hintergrund wollte sie den Eltern Impulse geben, sich die Auswirkungen des Fernsehens bewusst zu machen und den Gebrauch des Mediums eigenverantwortlich zu gestalten. Im Einzelnen sollten die Mütter und Väter:

  • erkennen, dass es wichtig ist, dem Fernsehen kritisch gegenüberzustehen,
  • Anregungen gewinnen, um diese Einstellung auch den Kindern zu vermitteln,
  • Motivation entwickeln, die eigenen Fernsehgewohnheiten zu überprüfen,
  • gemeinsame Lösungen für bestehende Probleme finden zu können.

An dem ersten Abend begrüßt die Leiterin die Gruppe der Teilnehmenden und fordert diese auf, sich einzeln vorzustellen und dazu jeweils den Namen ihres Kindergartenkindes zu nennen. Anschließend leitet sie kurz in das Thema ein. Begrüßung, Vorstellung und Einführung dauern insgesamt knapp 15 Minuten.
Danach bittet die Leiterin die Gruppe, sich nun über die Frage auszutauschen: „Ist Fernsehen für mich wichtig? Warum sehe ich fern?“ Nachdem sie die Frage ausgesprochen hat, hängt sie ein Plakat mit dieser Formulierung an die Wand und bittet darum, das Gespräch hierüber jeweils zu zweit zu führen.
Die Zweiergruppen werden nach einem Zufallsprinzip gebildet. Dafür hält die Leiterin ein Bündel Wollfäden (vorher abgezählt) in die Mitte. Jeder Teilnehmer soll ein Fadenende nehmen und versuchen, durch Ziehen herauszubekommen, wer das andere Ende „seines“ Fadens in der Hand hat. Die Partner, die sich durch das Zufallsprinzip gefunden haben, setzen sich nun zum Gespräch über das genannte Thema zusammen. Nach rund 10 Minuten unterbricht die Leiterin die Zweiergespräche und bittet, sich einer neuen Frage zuzuwenden: „Warum und in welcher Situation will mein Kind fernsehen?“ Parallel zur Ansage wird wiederum ein Plakat mit der Formulierung aufgehängt. Zum Gespräch hierüber sollen jeweils zwei Zweiergruppen zusammenrücken und eine Vierergruppe bilden.
Um die Situation in der Familie noch stärker bewusst zu machen, wird nach rund 20 Minuten Gespräch in der Vierergruppe der Film: „Fernsehen- Hilfe oder Heimsuchung?“ aus der Serie „Elternschule“ von Wolfgang Glück gezeigt (Dauer: 10 Minuten).
Im Anschluss an den Film werden die Teilnehmenden von der Leiterin gebeten, sich im großen Kreis (Plenum) mit den Aussagen des Films auseinander zu setzen. Hierzu dient als Fragestellung: „Wie hat mir der Film gefallen? Ist er realistisch? Was ist bei uns anders?“.
Danach sollen sie durch folgende Fragen angeregt werden, im Gespräch noch einen Schritt weiter zu gehen: „Gibt es – außer den im Film gezeigten – noch andere Möglichkeiten im Umgang mit dem Fernsehen? Gibt es akzeptable Alternativen?“ (Beide Fragen werden wiederum bei der Ansage durch ein Plakat sichtbar gemacht).
Ergebnisse zur zweiten Fragestellung: Die im Film gezeigte Möglichkeit des Rundgesprächs und der Diskussion über eine Sendung wird allgemein gutgeheißen, aber als oft zeitraubend bezeichnet. Es wird an diesem Punkt eine gewisse Unsicherheit festgestellt. Daraus wird der Schluss gezogen, dass eigene Sicherheit im Umgang mit dem Fernsehen mit der Zeit auch die Kinder in ihren Entscheidungen sicherer werden lässt. Als akzeptable Alternativen für die ganze Familie werden aus der Erfahrung folgende genannt:

  • Sendungen des Rundfunks stärker einbeziehen
  • Selber musizieren
  • Basteln (z.B.: Weihnachten, Ostern, Familienfest)
  • Spiele (Gesellschaftsspiele und Spiele im Freien)
  • Ausflüge (Besuch im Museum, baden gehen usw.)
  • Lesen, vorlesen.

Für das Gespräch im Anschluss an den Film sind insgesamt 50 Minuten vorgesehen. Es dauert jedoch 10 Minuten länger, da der Austausch über Lösungsmöglichkeiten mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Im Lauf des Gesprächs hat die Leiterin sich die einzelnen Punkte, die genannt werden, notiert. Zum Abschluss liest sie diese nochmals vor.
Zum Ausstieg sollte jeder Teilnehmender einen Zettel mit folgenden Aufforderungen ausfüllen:
„Versuchen Sie nun Ihren bisherigen Gesamteindruck festzuhalten:
 
Was hat mich als Teilnehmer/in insgesamt angesprochen?
Was hat mir Schwierigkeiten gemacht?“
Die Leiterin kommt in ihrem Bericht zur folgenden Grundeinschätzung: Die vorgesehenen Methoden konnten angewendet werden und wurden von den Teilnehmern akzeptiert. Ein Teilnehmer (der sich öfters an Seitengesprächen beteiligte) hatte einen Vortrag erwartet und in den Kleingruppen, aber nicht im Plenum mitdiskutiert. Insgesamt war die Mitarbeit gut und das Interesse die ganze Zeit über deutlich. Die meisten waren bei der Zusammenfassung über die Vielzahl der erarbeiteten Punkte überrascht. Nach dem offiziellen Schluss wollte niemand gehen. Es bildeten sich Gruppen, die sich zusammensetzten und heftig weiterdiskutierten.
Die Kindergartenleiterin war positiv überrascht, dass diese Art von Elternarbeit „angekommen“ ist. Sie selbst hatte es noch nicht gewagt, die Vorstellungen der Eltern („ein Vortrag und sonst nichts“) zu übergehen und etwas anderes auszuprobieren.
Gefreut hatte sie auch, dass die Teilnehmenden bereit waren, sich auf den „neuen Weg“ einzulassen und selbst aktiv mitzuarbeiten. Es ist also durchaus möglich, neue Methoden zu riskieren. Bewährt hat sich insbesondere die Bildung der Zweiergruppen durch Wollfäden (Zufallsprinzip), der Einstieg ins Thema durch kleine Gruppen, das Aufschreiben der Fragen auf Plakate zur besseren Auswertung und die Erarbeitung weiterführender Gesichtspunkte durch die Teilnehmenden.


Gehen wir jetzt zur Verdeutlichung noch einmal dieses Beispiel in einer methodisch-kritischen Analyse durch:

Die Leiterin begrüßt die Teilnehmenden: Die Anwesenden sollen wissen, wer bei dieser Veranstaltung Gesprächspartner/in, bzw. Fachmann/-frau ist. Jede Anfangssituation ist schwierig, ein vertrautes Stilmittel wie die „Begrüßung“ kann beim Teilnehmer mehr Sicherheit schaffen.

Jede Person stellt sich selbst vor und sagt dazu den Namen ihres Kindergartenkindes: Jede Person soll zu Beginn schon etwas sagen. Die Nennung des Kindernamens bedeutet eine gewisse Erleichterung („nicht über sich sprechen zu müssen“) und bietet zugleich Anknüpfungspunkte für die Kontaktaufnahme.

Die Leiterin nennt Gesichtspunkte, die für das Thema des Abends von Bedeutung sind: Die Teilnehmenden sollen wenigstens ansatzweise einen Anschluss an die Vorüberlegungen im Elternbeirat gewinnen. Sie sollen den inhaltlichen Horizont wahrnehmen, innerhalb dessen sich die Veranstaltung bewegt.

Die Leiterin nennt eine Fragestellung für einen Austausch zwischen den Vätern und Müttern: Die Teilnehmenden sollen erst einmal selbst Zugang zum Thema finden. Sie sollen sich ihre persönlichen Gewohnheiten, Einstellungen und Erfahrungen bewusst machen. Das bereits vorhandene Vorwissen zum Thema soll also aktiviert werden. Außerdem sollen sie miteinander ins Gespräch kommen.

Es wird ein Plakat mit der zuvor ausgesprochenen Fragestellung an die Wand gehängt: Arbeitsaufträge geraten bei einer bloßen mündlichen Erwähnung leicht in Vergessenheit. Das Plakat mit der Formulierung soll später beim Gespräch die Erinnerung an den Arbeitsauftrag erleichtern.

Die Leiterin bittet darum, das Gespräch jeweils zu zweit zu führen: Die Teilnehmenden sollen miteinander ins Gespräch kommen können. Die überschaubare Zweiergruppe erleichtert den Austausch. Ein Plenum-Gespräch wäre am Beginn einer Veranstaltung zu schwierig.
Zufallsprinzip mit „Wollfäden“: Die Teilnehmenden sollen jemand fürs Zweiergespräch ohne große Schwierigkeiten finden können. Bei der Bildung von Gruppen durch Wahl taucht das Problem auf : „Auf wen gehe ich zu?“ Gerade in der Anfangssituation neigt jede(r) dazu, abzuwarten oder ganz einfach den Nachbarn zu wählen. Auf diese Weise sind womöglich gerade die beisammen, die sich zuvor schon kannten und deshalb auch zusammensetzten. Beim Zufallsprinzip wird die Wahl abgenommen. Außerdem kommt Bewegung in die Gruppe, denn jede(r) muss aufstehen und sich danach mit dem Partner/der Partnerin einen neuen Platz suchen.

Der Film: Durch das Medium Film werden noch mal andere Gesichtspunkte und Gedankenwege angeregt und können so in das abschließende Plenum-Gespräch einfließen.

Fragen auf den Plakaten/ Ergebnissicherung beim Ausstieg: Das Festhalten der unterschiedlichen Fragestellungen hilft bei der abschließenden Diskussion um die Lernergebnisse und die Frage nach dem, was man als neue Erkenntnis mit nach Hause nimmt.

Fragebogen: Hilft der Selbstklärung und fördert die Reflexion über das Seminar und die eigenen Gedanken und Eindrücke, die man gewonnen hat. Bereitet zu einem angemessenen Abschluss und Abschied vom Seminar vor.