4. Darstellung der Methode

Wer Fantasiereisen anbieten möchte, sollte bereits selbst Erfahrungen mit dieser Methode erworben haben. Sinnvoll ist auch ein Erfahrungsaustausch mit anderen. Es gibt bei Fantasie­reisen stets eine doppelte Gefahr:

  • Die Möglichkeit einer Tendenz zur Manipulation durch gezielte Beeinflussung und unreflektierte Übertragungen, wobei insbesondere bei Abhängigkeitsverhältnissen (z.B. Lehrer zu Schülern) die Imaginationen gelenkt werden.
  • Die Möglichkeit einer lächerlichen und peinlichen Situation, wenn die Fantasiereise nicht auf die Bezugsgruppe oder einzelne Teilnehmer passt.

Was kann man tun, um diese Fehler zu vermeiden? Um einer Manipulation vorzubeugen, ist eine anschließende offene Aussprache nötig, wobei das Gespräch nicht vom Leiter gelenkt werden sollte. Gegen die Lächerlichkeit wirkt eine Kontextsensibilität des Reiseleiters, der ggf. schon während des Vortragens die Geschichte variieren muss.

Ferner gilt es einige Regeln einzuhalten:

  • Zur Durchführung der Fantasiereise sollte ein Zeitpunkt gewählt werden, zu dem der Reisende seine Fantasie uneingeschränkt schweifen lassen kann.
  • Um den Teilnehmern die bestmöglichste Entspannung bieten zu können, sollten sie eine bequeme Haltung einnehmen. Die Geschichte sollte mit ruhiger Stimme vor­gelesen oder vorgetragen werden.
  • Wichtig ist bei der Auswahl der Bilder und Inhalte der Geschichte, dass ein Assoziations- und Vorstellungsraum angesprochen wird, der auf das Ziel hinführt, das Problem in neuer Weise sichtbar macht sowie andere Lösungen oder Wünsche usw. vorstellbar werden lässt. Die Fantasiereise sollte ein Ziel verfolgen, welches die „Reiseleitung“ klar vor Augen hat, um die Technik nicht zu einem undurchschaubaren Spiel werden zu lassen. Um Manipulationen auszuschließen, sollte dieses Ziel in einer späteren Reflexion mit der Gruppe immer auch thematisiert werden.

Die Inhalte der Fantasiereise können sehr vielfältig sein:

  • Fantasiereisen zur Entspannung bieten vorwiegend beruhigende Bilder an.
  • Fantasiereisen zur Lernförderung sprechen positive Lernerfahrungen an oder sie verbinden Lerninhalte mit Fantasiebildern.
  • Fantasiereisen zur Persönlichkeitsentwicklung zielen auf Situationen, in denen man sich konstruktiv mit der Innenwelt auseinander setzt.

 

4.1 Phasen von Fantasiereisen

Es gibt verschiedene Arten der Durchführung. So kann die Geschichte zum Beispiel von einem Tonband kommen oder von einer Person vorgelesen werden. Weiterhin kann durch ruhige Musik im Hintergrund die Entspannung gefördert werden. Erfahrene Fantasiereisende können auf diese Hilfestellungen auch verzichten, indem sie die Fantasiereise nur in ihrem Kopf stattfinden lassen.
Es empfiehlt sich, bei ungeübten Gruppen anfangs einfache Fantasiereisen anzubieten, die nicht zu lange dauern und die im Bereich „Entspannung“ liegen. Es sollten alle Sinne angesprochen werden, damit die Reisenden möglichst intensive Vorstellungen entwickeln können. Wichtig sind eine beruhigende Sprache sowie eine entspannende Atmosphäre. Es darf kein Zwang sein, an einer Fantasiereise teilzunehmen. Während der Fantasiereise sollte der Raum eine Insel der Ruhe sein. Dann kann die Fantasiereise, die in der Regel in drei Phasen eingeteilt ist, beginnen:

(1) Die Entspannungsphase
Damit sich die Teilnehmer vollständig entspannen können, sollten sie die Augen schließen und gleichmäßig tief ein- und ausatmen. Die Gedanken an den Alltag sollten losgelassen werden, damit man sich völlig auf die Reise in eine andere Welt einlassen kann.
Es eignen sich auch einfache Formen von Entspannungsübungen, wie man sie aus dem autogenen Training kennt.

(2) Die Reise
Sind diese Voraussetzungen geschaffen, wird dem Reisenden eine Geschichte vorgelesen. In dieser wird ein Ort beschrieben, an dem sich der Zuhörer besonders wohl fühlen soll. Der Reisende sollte versuchen, sich den Ort in seiner Fantasie so lebhaft auszumalen, dass er sich kleinste Details der Umgebung sowie seiner Gefühle und seines Verhaltens an diesem Fantasieort vorstellen kann. An diesem Platz wird der Reisende nun ermutigt, seine Vorstellungen zu assoziieren, zu entwickeln, ggf. Probleme zu lösen und seine Ziele zu erreichen.

(3) Rückkehr in die Realität
Am Ende einer Fantasiereise ist es wichtig, die Bilder langsam ausklingen zu lassen und die Beteiligten behutsam in die Alltagswelt zurück zu führen. Der „Reiseleiter“ hilft hier bei den langsamen Übergängen und gedanklichen Wegen. Hierbei muss auch der Körper den Weg zurück in die Realität finden. Dies kann durch tiefes Durchatmen und zum Beispiel mit Hilfe von Räkeln und Strecken des gesamten Körpers geschehen. Wenn der Teilnehmer die Augen wieder öffnet, sollte er mit Körper und Seele wieder in dem Raum, indem er sich befindet, ankommen.
Um nicht ganz allein mit seinen Empfindungen dazustehen, kann man sich mit den anderen Fantasiereisenden austauschen, sofern dies erwünscht ist. Gerade in pädagogischen Prozessen kann dieser Wunsch sinnvoll sein. Die Erfahrungen aus der Fantasiereise können auf­ge­schrieben und anschließend vorgelesen werden. Auch das Malen ist eine Form der Dar­stellung, wobei der Schwerpunkt nicht auf dem künstlerischen Ausdruck liegt. Dies gilt auch für das Modellieren wie auch für die körperliche Darstellung eines Aspektes aus der Fantasiereise.
Auch unterdrückte Gefühle und Bedürfnisse können durch Fantasiereisen intensiver erlebt und visualisiert werden. Durch eine obligatorische Nachbereitung besteht die Möglichkeit, die Bilder in die Gegenwart zu projizieren und später in den Alltag mit einfließen zu lassen.
Bei diesem Austausch ist aber zu beachten, dass die Fantasiereisen keinesfalls moralisch oder lenkend zu bewerten sind. In der Fantasie ist man oft mit verworrenen, irrational er­scheinenden, uneindeutigen Bildern konfrontiert, die man erst einmal auf sich wirken lassen sollten. Sofern dabei Ängste auftreten, sollte gefragt werden, was Angst bereitet und was gegen die Angst wirken mag. Auf keinen Fall aber sollten Erlebnisse und Bilder eines anderen bestritten oder bewertet werden, wenn über mögliche Fantasien gesprochen wird.

Einfache Auswertungsfragen können sein:

  • Wie hat dir die Fantasiereise gefallen?
  • Was hast du gesehen und erlebt?
  • Was hast du dabei gefühlt und gedacht?
  • Was war für dich wichtig, angenehm oder weniger gut?
  • Was hast du beim Zeichnen (Malen, Formen….) erlebt?
  • Erinnert dich etwas an dein wirkliches Leben?
  • Was lernst du aus dieser Erfahrung?

Auf Formen der Interpretation von außen im Sinne von „Du fühlst also offensichtlich …“ sollte verzichtet werden. Sinnvoller ist die Frage, was jeder Lerner für sich erlebt hat und welche Bedeutung es aus ihrer/seiner Sicht haben könnte. Möglichst alle Teilnehmer sollten über ihre Bilder der Fantasiereise berichten können.

 

4.2 Variationen von Fantasiereisen

Für Fantasiereisen, sowohl zur Lernförderung als auch zur Persönlichkeitsentwicklung, gilt, dass der Reisende vor Beginn, Probleme und Ziele, die er mit Hilfe der Fantasiereise ergründen möchte, formuliert. Sie geben den Rahmen vor, in dem der Reisende seine Fantasie schweifen lassen kann. Er hat die Möglichkeit, das von ihm erwünschte Verhalten zu festigen, um es später im Alltag zeigen zu können.
Einige Grundregeln gibt es für Eltern, Lehrer, Erzieher oder Gruppenleiter, wenn sie für Kinder Fantasiereisen anbieten. Grundsätzlich brauchen Kinder ein Gefühl des Vertrauens den Erwachsenen gegenüber. Erst in einer Atmosphäre des Verstehens und zwischen­menschlicher Wärme kann sich die entspannende, lernfördernde und persönlichkeitsbildende Wirkung von Fantasiereisen entfalten.
Wichtig ist auch, Kinder in den Umgang mit ihrer Fantasie einzuführen. Selbst das Schließen der Augen kann als Übung verstanden werden, da es für viele Kinder, z.B. in der Schulklasse oder Gruppe, ungewohnt oder unangenehm sein kann.
Darüber hinaus spielt die Körperhaltung während der Fantasiereise eine wichtige Rolle. Während längeren Fantasiereisen ist das Liegen auf einer Decke am günstigsten. In der Schule empfiehlt sich auch das entspannte Sitzen am Platz.
Für manche Kinder ist eine Vorinformation über den Wert von Fantasiereisen hilfreich. Es fällt ihnen leichter, sie als Methode zu akzeptieren, wenn sie erfahren, dass diese Übungen Stress verringern, ihre Lernleistungen steigern oder Kreativität fördern können.
Für die Dauer der Fantasiereise ist es wichtig, gemeinsam Regeln zu vereinbaren. Niemand soll in seiner Vertiefung gestört werden. Die Kinder sollen zuvor über Zielsetzung der Fantasiereise und Art der Durchführung informiert werden:

  • Was ist der Inhalt der Fantasiereise?
  • Warum machen wir die Fantasiereise?
  • Wie verläuft diese Fantasiereise?
  • Wie werten wir die Fantasiereise aus?