Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

6. Reflexion der Methode


>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz


6.1 Methodenkompetenz

Die Methode der Freien Arbeit hat das Ziel, die Schüler zu selbsttätigen Lernern werden zu lassen, indem sie die Steuerung der Lernprozesse in deren eigene Hände legt. Sie stellt hierfür den geeigneten Rahmen zur Verfügung. Freiarbeit kann diesem Anspruch jedoch nicht genügen, wenn sie nicht sorgfältig ein- und durchgeführt wird.
Die Einführung der Freien Arbeit kann zu „Kontraindikationen“ (vgl. Claussen in Quellen, S. 16) führen, wenn ohne den erforderlichen Vorbereitungsaufwand versucht wird, in ein hierarchisch und bürokratisch gegliedertes System wie die Schule eine Struktur zu implantieren, die diesem widerspricht. Die Aufnahme von „Freier Arbeit“ in hessische Grundschulen im Jahr 1986 (ebd., S. 16 ff) brachte eine Vielzahl von negativen Entwicklungen mit sich. Da es kein inhaltlich überzeugendes und praxisbezogenes Konzept gab, wurde der Begriff Freiarbeit für die Mehrheit der Lehrer zur „Leerformel“, er wurde vielfältig interpretiert und missdeutet, mal folgte der Unterricht dem Prinzip „mache, was du willst“, mal mutierte er zu einem strikt geleitetem Übungsunterricht.
Die Methode der Freien Arbeit findet man heute hauptsächlich im Primarschulbereich, obwohl sie prinzipiell in allen Jahrgangsstufen einsetzbar ist. Das liegt daran, dass die Bedingungen für den Einsatz günstiger sind (Klassenlehrerprinzip, flexibler Stundenplan, Rollenverständnis, System der Bewertung und Ergebniskontrolle usw.) als in weiterführenden Schulen. Hier ist die Umsetzung schwieriger als in der Primarstufe, da wichtige Voraus­setzungen (z.B. Flexibilität des Stundenplanes) für eine erfolgreiche Durchführung von Freier Arbeit nicht gegeben sind. Es müssen also u.U. andere Wege gefunden werden, die jedoch das Risiko tragen, dass die Hauptziele der Freien Arbeit nicht erreicht werden oder (zunächst?) ausbleibender Erfolg für Frustration beim Lehrendem und den Lernenden sorgt. Letztendlich liegt jedoch ein gelungener Einsatz dieser Methode, neben allen Problemen, die aus den Rahmenbedingungen erwachsen, zu großen Teilen in den Händen der Lehrenden. In ihrer Bereitwilligkeit, neue Möglichkeiten des Unterrichtens zu erproben und hierin Zeit und Energie zu investieren, in der Bereitschaft, sich mit anderen Lehrkräften zusammen zu schließen, abzusprechen und ggf. auch Kompromisse einzugehen und ihrem Ideenreichtum, trotz struktureller Schwierigkeiten Wege der Umsetzung zu finden, auch wenn diese vom Ablauf des von Freinet, Montessori usw. überlieferten Freien Arbeiten abweichen. Eine solche Abweichung begründet sich nicht nur aus den problematischen strukturellen Rahmen­bedingungen, auch Freinet betont grundsätzlich die Notwendigkeit der Anpassung des Lehrens an die Bedingungen der aktuellen Lebenswelt der Lerner. Von diesem Standpunkt aus muss überdacht werden, in welcher Weise Freiarbeit gegenwärtig praktiziert werden sollte, beispielsweise mit welchen Materialien gearbeitet wird oder auch, wie diese Methode über ihre Anwendung in der Grundschule hinaus eingesetzt werden kann. Gerade wenn die Schüler bereits durch den Primarunterricht im Freien Arbeiten geübt sind, bietet sich in weiterführenden Schulformen eine modifizierte anspruchsvolle, lernerorientierte Prakti­zierung dieser Methode an. Damit Freiarbeit gelingt, müssen nicht nur die Lehrenden gewillt sein, sich auf die Methode einzulassen, d.h. ihr Rollenverständnis zu überdenken, die Umsetzung zu planen und verwirklichen, Materialüberlegungen zu treffen usw., auch die Lernenden tragen für den Erfolg Verantwortung, indem sie ihre eher passiven Rolle gegen eine aktive, eigenverantwortliche einzutauschen bereit sind. Je früher (Primarstufe) sie sich in solcher Selbsttätigkeit erfahren bzw. an diese herangeführt werden, desto selbstverständlicher und sicherer werden sie auch später eigenständig arbeiten können und wollen.
Die Freiarbeit fördert die Kompetenz des eigenständigen Lernens, eine Fähigkeit, die in sämtlichen postschulischen Ausbildungen und Weiterbildungen gefragt ist, ein Studium etwa kann ohne diese Eigenständigkeit kaum bewältigt werden. Zudem ist der Einsatz vieler weiterer Methoden (z.B. Erkundung, Projektarbeit, Gruppenarbeit,…) davon abhängig, dass die Teilnehmenden/Lernenden nicht nur rezeptiv und konsumierend Lernstoff aufnehmen, sondern selber Möglichkeiten finden, sich Inhalte, Wissen, Lernstoff usw. anzueignen. Neben diese inhaltsorientierte Kompetenz muss freilich ebenso das beziehungsorientierte, soziale Vermögen treten, um wirklich erfolgreich mit solchen Methoden arbeiten zu können. Diese beidseitige Orientierung ist ebenso für das spätere Berufsleben von Bedeutung, in dem die Fähigkeit zur Kooperation und Teamarbeit eine ebenso große Rolle spielt wie das Fachwissen und dessen Aktualisierung gemäß den jeweiligen beruflichen Anforderungen.

Die Methode der Freien Arbeit bietet eine Möglichkeit, sich sowohl in der inhaltlichen Aneignung von Wissen wie auch in der rücksichtsvollen und konstruktiven Zusammenarbeit zu üben.

 

6.2 Methodenvielfalt

Da der Einsatz der Methode der Freien Arbeit in verschiedenen Jahrgangsstufen möglich ist, bietet sie einen großen Handlungsspielraum. Dieser kann die Arbeitsmaterialien als auch die Klassengestaltung betreffen. Die Grenzen werden allein durch die individuellen Interessen und Wünsche der Lerner gesetzt. Trotz der vermeintlichen Handlungsfreiheit, bedingt dieses Konzept eine hohe Methodenkompetenz seitens der LehrerInnen. Freiheit heißt jedoch nicht Verzicht auf die Einhaltung von Regeln. So ist es wichtig, dass die Lerner lernen, auf die anderen Lerner Rücksicht zu nehmen, indem sie sich an bestimmte Kommunikations­regeln halten. Ein Beispiel für die Vielfalt innerhalb der Freien Arbeit zeigt sich in der großen Zahl der denkbaren Sozialformen (Gruppenarbeit, Kleingruppen, Einzelarbeit oder Klassen­projekte), zudem wird hier auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Lernenden eingegangen, was eine Varietät an möglichen Lernwegen und Lernzielen erfordert. Der Vielfalt der Methoden sind praktisch keine Grenzen gesetzt. 

 


6.3 Methodeninterdependenz

Das Freiarbeiten stellt insbesondere eine Methode dar, bei der das Ziel des selbsttätigen Lernens im Vordergrund steht. Die Kompetenz des eigenständigen Lernens ist Grundlage vieler weiterer, vor allem handlungsorientierter Methoden. Insofern lassen sich diese Methoden einfacher anwenden, wenn die Lernenden bereits Erfahrungen mit offenen, weniger vom Lehrendem geleiteten Methoden haben. Die Freiarbeit bietet einen solchen Erfahrungs­raum, in dem sich auch jüngere Kinder erproben können. Phasen der Freien Arbeit können im Rahmen verschiedener handlungsorientierter Methoden eingesetzt werden, ebenso kann die Methode mit anderen Methoden sinnvoll verknüpft oder verzahnt werden, hier bietet sich auch der Wechsel mit geschlossenen Unterrichtsformen an. Zudem können andere Methoden, Elemente aus diesen oder didaktische Techniken Eingang in die Freiarbeit finden, so kann etwa das Clustering die Themenfindung der Schüler in der Schreibarbeit erleichtern. Die Methode der Freien Arbeit kann mit vielen anderen Methoden „in Zusammenhang gebracht werden“. An dieser Stelle werden nur einige Möglichkeiten genannt:
Freiarbeit wird oft mit der Methode des Wochenplans kombiniert. Es muss jedoch kritisch gefragt werden, wie hoch das Maß an Freiheit in der Arbeit mit einem Wochenplan wirklich ist. Viele Wochenpläne geben genaue Aufgaben vor, die der Schüler in diesem Zeitraum erledigen muss. Lediglich die Reihenfolge kann frei gewählt werden.
Eine Verbindung zur Methode der Projektarbeit ist dann gegeben, wenn sich Schüler innerhalb der Freien Arbeit Themen suchen, die sie projektartig bearbeiten und dies Projekt am Ende präsentieren. Umgekehrt findet sich Freiarbeit innerhalb der Projektarbeit wieder, wenn die Schüler ein Projekt zugewiesen bekommen, jedoch im Rahmen dieses Vorhabens frei arbeiten.
In die Freiarbeit kann auch die Methode der Korrespondenz mit einbezogen werden, sofern nicht Thema und Umfang vom Lehrer bestimmt werden.
Auf der anderen Seite können alle größeren handlungsorientierten Methoden umgekehrt immer auch Phasen der Freiarbeit einschließen. Dies erscheint als eine besondere Stärke dieser Methode.