Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

>> 3.1. theoretische Begründung
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3.1. Theoretische Begründung

Planspiele sind Simulationen. Solche Simulationen werden durchgeführt, um auf die Komplexität einer praktischen Situation vorzubereiten, weil und insofern in der Ausbildung nicht direkt oder nur mit unabsehbaren Folgen in der Praxis gehandelt werden kann. Plan­spiele bieten, sofern sie sehr realistisch ausgelegt sind, den Vorteil, dass sie Probehandeln, Experimente, gewagte Aktionen erlauben, vor allem aber, dass Entscheidungen gefällt werden können, deren Konsequenzen in der Simulation zwar gespürt, aber ohne großen Schaden für beteiligte Personen „bloß“ gespielt werden. Dennoch kann gerade dieses Probehandeln eine nachhaltige Veränderung in der Bewertung von Inhalten und Verhalten erreichen.
Planspiele gehören zum notwendigen Inventar einer konstruktivistischen Didaktik. Sie bieten Raum für Re/De/Konstruktionen und ein prinzipiell experimentelles Handeln. Mit ihnen können sowohl Fach- als auch Methoden- und Sozialkompetenzen erlebnisnah, zeitlich dicht und diskussionsintensiv erfahren werden. Sie regen zu Dialogen und Nachdenklichkeit an.
 
Planspiele und deren Einsatz im Unterricht lassen sich auch durch die Zielsetzungen von Schule und die Anforderungen durch die Wirtschaft – also der zukünftigen Arbeitswelt –begründen. Denn gerade die  Wirtschaft verlangt von den Bewerbern in den letzten Jahren immer mehr so genannte „soft skills“ oder auch „Schlüsselqualifikationen“. Dazu gehören vor allem Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Verantwortungsbereitschaft, Kreativität, Flexibili­tät, Teamfähigkeit, Methodenbeherrschung und Kommunikationsfähigkeit. Diese Forderun­gen der Wirtschaft stehen auch im Einklang mit Zielen, die bei Planspielen verfolgt werden. Zwar sind die Forderungen der Wirtschaft mitunter eher funktional und vorrangig ökonomisch ausgerichtet (vgl. Klippert 2002, 31), aber die funktional-ökonomische Orien­tierung sollte sie nicht abwerten: Letztlich ist es diese Wirtschaft mit ihren Anforderungen, in der die Schüler/innen einmal eine geeignete Arbeitsstelle finden sollen und wollen. Zudem entsprechen diese Forderungen auch aktuellen Anforderungen der Lebenswelt, in der eine Orientierung gesucht wird. Hier haben ohnehin Simulationen in vielen Lebensbereichen zugenommen. Nicht immer wird bei solchen Simulationen – z.B. im PC-Bereich – hin­reichend darauf geachtet, dass die Simulation zu einer Erweiterung der Beobachter­fähigkeiten, einer Erweiterung von Horizonten und gesehenen Lösungen führt, was die konstruktivistische Didaktik grundsätzlich von Planspielen fordert. Kann diese Forderung nicht erfüllt werden, dann sollte von der Durchführung von Planspielen abgesehen werden (z.B. bei sehr engen, eindeutig reglementierten Abläufen, die kaum Handlungsalternativen zulassen).
Planspiele erfordern zudem eine hohe Partizipation aller Beteiligten. Sie sollten auf eine Erhöhung der Demokratiefähigkeit in dem Sinne zielen, dass sie Konsens und Dissens, Entscheidungsabläufe und Transparenz bei der Bildung von Gruppenmehrheiten und Mehr­heitsentscheidungen, aber auch Muster struktureller Macht und mögliche Abhängigkeiten auf­decken und diskutierbar werden lassen. Inwiefern Planspiele dem Erziehungsziel „Demo­kratie­fähigkeit“ und damit auch dem Erlangen der eingeforderten „Schlüsselqualifikationen“ dienen können, soll im Folgenden problematisiert werden.
Alle heute verlangten Fähigkeiten und Kompetenzen, die an ein nachhaltiges Lernen gestellt werden, müssen zuvor erlernt und eingeübt werden, und dies lässt sich nicht auf bloß abstrakten Wegen erreichen. So erwähnt Klippert zum Thema Verantwortungs­bereit­schaft, dass man diese nicht im Abstrakten lernen könne, sondern nur, indem man sie praktiziere. Diese Erkenntnis – die  am deutlichsten im Blick auf die Demokratiefähigkeit von John Dewey schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gefordert wurde – lässt sich auch auf das Erlernen aller für Planspiele relevanten „Schlüssel­qualifikationen“ übertragen. Sie lassen sich nicht bloß theoretisch erwerben, indem man über Planspiele spricht oder ein theoretisch denkbares handeln thematisiert, sondern nur darüber, dass tatsächlich in Entscheidungs- und Konfliktsituationen gehandelt wird, was Erlebnisse und Erfahrungen produziert, die dann unmittelbar reflektiert werden können.
Neben dieser handelnden Grundlegung gibt es bei Planspielen weitere Faktoren, die in theoretischer Begründung und praktischer Wirkung besonders zu beachten sind:

  • Motivation zum Lernen,
  • Methodentraining/Methoden lernen,
  • soziale Fähigkeiten,
  • Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsbereitschaft.

Auf diese Faktoren soll nachfolgend eingegangen werden:

(1) Motivation zum Lernen

Ein wichtiger Motor des Lernens ist die Motivation, hier entfaltet die „intrinsische Motivation“ eine besonders effektive Wirksamkeit. Gerade die Abnahme der „intrinsischen Motivation“ in der traditionellen Lernkultur wird immer wieder beklagt. Hier können Planspiele Lerner wieder anregen, aus inneren Motiven angetrieben zu sein, insbesondere wenn es in dem Spiel gelingt, Identifikationen mit bestimmten Aufgaben oder Gruppen zu erreichen. Dabei kann es für die Teilnehmer durchaus zu „blöden“ Rollenverteilungen kommen, etwa wenn man eine Personengruppe spielen soll, die einem nicht liegt oder deren Verhalten als inakzeptabel erscheint. Hier muss dann das Interesse am Prozess und eine Bereitschaft, sich auch fremden Verhalten zu öffnen, motivierend wirken (was sich meist durch eine zufällige und damit gerecht erscheinende Verteilung der zur Verfügung stehenden Rollen erreichen lässt).
 Eine Kompetenz- oder Erfolgsmotivation gilt für Planspiele, wie sie z.B. Klippert aufzeigt, als wesentlich. Aus der konstruktivistischen Perspektive geht es aber auch besonders um die Erweiterung der Beobachterhorizonte, die Erfahrung von Fremd- und Andersheit in Beobachtungen, einer Erhöhung des Verständnisses von Handlungen verschiedener Personen und dabei erlebter Handlungszwänge. Vor allem der Unterschied der Inhalts- von der Beziehungsebene und einer bloß rationalen von einer emotionalen, einer symbolischen von einer imaginären Ebene des Handelns ist für das konstruktivistische Planspiel wesentlich.
Einen Erfolg erreicht ein Planspiel dann, wenn es ein Problem löst, selbst dann, wenn diese Lösung als nicht günstig in der Nachbesprechung angesehen wird. Das Spiel soll immer Anlass für eine Reflexion sein, keinesfalls bloß ein erfolgreiches Handeln schönreden oder zu harmonischer Einigung am Ende zu gelangen. Planspiele zielen weniger auf konvergentes, sondern eher auf divergentes Denken, was sie zu kreativen und produktiven Erfahrungen im Sinne einer Erschütterung bisher für sicher gehaltener Inhalte oder Verhaltensweisen werden lassen kann.

(2) Methodentraining und Methoden lernen

Generell geht es beim Lernen auch immer darum zu lernen, wie man etwas lernt. Auch in diesem Zusammenhang bietet das Planspiel ausgezeichnete Möglichkeiten. Nicht nur, dass der Lerner schon bekannte, zum Teil auch kleinere Lern-, Organisations- und Arbeits­techniken wie zum Beispiel Markieren, Exzerpieren, Nachschlagen und Protokollieren bis hin zu Leserbriefe schreiben, Flugblätter entwerfen oder Plakate gestalten wieder auffrischen oder umfassender entwickeln kann, er lernt auch noch das Planspiel selbst als eine Methode kennen, um Wissen zu vermitteln und zu erlernen.
Dabei üben und festigen die Schüler ihre methodische Kompetenz des selbstständigen Arbeitens durch den im hohen Maße selbst gesteuerten Arbeits- und Lernprozess. Zudem können in den Interaktions- und Konferenzphasen Erfahrungen im Bereich der Kommuni­kation und Kooperation gemacht werden. Damit eignet sich das Planspiel auch als Training für bekannte Methoden und als Möglichkeit, neue Methoden zu erlernen und praktisch weiter zu entwickeln.

(3) Soziale Fähigkeiten

Im Lernen geht es nie nur darum, Wissen und Fertigkeiten zu vermitteln, sondern immer auch um soziales Lernen. „Demokratiefähigkeit“ ist hier ein wichtiges Konstrukt, weil es Ver­ständigungs­prozesse in einer Verständigungsgesellschaft sichern soll, die grundsätzlich plural ist und in unterschiedliche – oft auch einander ausschließende – Verständigungs­gemein­schaften zerfällt. Bei Planspielen können insbesondere systemische Kompetenzen entwickelt werden, denn die Teilnehmer werden in solchen Simulationen immer mit einem System­ganzen und Einzelsystemen sowie Elementen von Systemen in ihrem Zusammenwirken konfrontiert. Bei der Planspielanlage ist deshalb besonders darauf zu achten, dass das Spiel nicht auf lineare, monokausale oder triviale Verhaltensweisen abzielt. So, wie das Soziale immer einen unberechenbaren Anteil hat (im Sinne des Konstruktivismus nach Reich das „Reale“), so sollten auch Planspiele dieser Unvorhersagbarkeit menschlichen Verhaltens durch entsprechende Freiräume in den Rollenzuschreibungen und durch die Offenheit von Situationen oder eingebrachten Ereigniskarten entsprechen.
Wo lässt sich Demokratie besser erlernen und einüben als in demokratischen Prozessen? Das Planspiel bietet hier ein hervorragendes soziales Lernfeld: Planspiele bestehen hauptsächlich aus Gruppenarbeiten, in denen es auch zu Kontroversen innerhalb der Gruppen oder den Gruppen untereinander kommt. Diese Kontroversen und dabei entstehender Konsens und Dissens müssen ausdiskutiert werden, so dass an dieser Stelle sowohl Toleranz als auch Grenzziehung geübt werden können, beides für Demokratien unverzichtbare Hand­lungs­weisen, die nicht immer einfach auszubalancieren sind. Zudem können solche Prozesse soziale Sensibilität, Konsensfähigkeit, aber auch Durchsetzungsfähigkeit und Kritikfähigkeit als wichtige Bestandteile der „Demokratiefähigkeit“ stärken.

(4) Verantwortungsbewusstsein und -bereitschaft

Eine nicht zu vergessende Fähigkeit, die zu einem demokratieorientierten Handeln gehört, ist das Bewusstsein und die Bereitschaft zur Verantwortung. In doppelter Hinsicht können im Planspiel Verantwortung gelernt und geübt werden. Die Lerner lernen Selbstverantwortung, indem sie eigenständig arbeiten, und sie üben Mitverantwortung für den Arbeitsprozess der Gruppe und im Blick auf das Ziel des Gesamtprozesses (inhaltlich wie beziehungsmäßig).
Da es immer wieder Teilnehmer geben wird, die durch dominantes Verhalten oder falsch verstandene Durchsetzungsfähigkeit Verantwortung einseitig aufnehmen, können solche Ereignisse am konkreten Fall aufgegriffen, mit allen diskutiert und lösungsorientiert verbessert oder entwickelt werden. So werden zum einen kommunikative Fähigkeiten geschult, und die Gruppe erkennt zum anderen auch die Verantwortung für solche Phänomene im eigenen, konkret erlebten Handeln.
Im Planspiel können auch realpolitische Entscheidungen, zum Beispiel die Organisation betreffend, in die die Beteiligten eingebunden sind, aber auch kommunal- oder global-politische Entscheidungen, von denen Teilnehmer direkt betroffen sein können, erörtert werden. Mitunter gibt es in solchen Szenarien auch Chancen, Simulationen durchzuführen, die im „realen“ Leben mehr oder minder direkt umgesetzt werden können.
Lernprozesse durch praktische Erfahrungen und die daraus gewonnenen Lernerfolge sind günstiger als ein Lernen anhand abstrakter Unterrichtseinheiten. Je ganzheitlicher ein Handeln inhaltlich und in Beziehungen in konkreten Situationen mit Entscheidungsnotwendigkeiten erlebt wird, desto intensiver werden auch Behaltensleistungen ausfallen und Verhaltensweisen sowie Einstellungen verändert werden können. In einer sozialen Gruppe kann der spätere Bezug auf diese real erlebten Ereignisse deutlich zu einer Verbesserung der gegenseitigen Verantwortung und zu einer reflektierten Werteorientierung führen.


3.2. Praktische Begründung

Die Forderung nach der Effektivität von Methoden ist ein Punkt, der in unserer öko­nomisierten und beschleunigten Welt viele Menschen immer wieder vom Spielen abhält. In der Erwachsenen­welt werden Spiele als Kindersache, zweckfrei und als zu spaßorientiert gehandelt. Und diese drei Attribute passen in der erwachsenen Welt oft nicht zu einem Verständnis des effektiven Lernens. Andererseits haben aber zugleich die Simulationen bis hin in die Profitbereiche der ökonomischen Welt zugenommen. Hier werden mittlerweile Kompetenzen im Abschätzen realer, virtueller, effektiver oder ineffektiver Spiele usw. in der Kultur immer bedeutender. Simulation als Kommunikation [vgl. Reich/Wild/Zimmermann: Simulation als Kommunikation. Münster (Waxmann) 2004] wird in immer mehr Praxisbereichen der Gesellschaft zu einer Voraussetzung für Lernvorgänge. Sofern diese Lernvorgänge einfach nur durch Tun – wie z.B. bei Computersimulationen – und nicht auch durch Reflexion – wie notwendig bei Planspielen – praktiziert werden, erscheint ein Mangel im Nachdenken über das, was getan wird. Da Simulationen uns leicht beeinflussen und manipulieren können, wird es zu einem wichtigen Lernziel gegenüber allen Simulationen, sich nicht nur als Akteur in Action zu erleben, sondern auch als Teilnehmer kritisch zu betrachten und in der Vielfalt von Beobachterpositionen gegenüber und in diesen Simulationen reflektieren zu lernen.
Eine praktische Begründung von Planspielen ergibt sich aus den vielfältig berichteten Lernerfolgen, die diese Art des Lernens erreichen kann. Bei Befragungen nach einem Planspiel  fallen den Schülern immer direkt die Konflikte, der Ärger, der Spaß und die Witze ein, die sie miteinander erlebt haben. Und mit diesen Erinnerungen sind ihnen später auch sehr viele der zu vermittelnden Sachverhalte und Verhaltensweisen, die Erfahrungen über erfolgreiche und erfolglose Strategien, die Bedeutungen der Handlungen für andere usw. im Gedächtnis geblieben. Die immer wieder berichtete Effektivität von spielerischer Wissens­vermittlung, wie sie im Planspiel möglich ist, ergibt sich daraus, dass die Lernsituation äußerst vielschichtig und mehrdimensional ist und damit die Lerner affektiv und intellektuell anspricht. Zudem ermöglicht und fördert die Prozessorientierung einen kreativen Umgang mit dem Fachwissen. Und kreativer Umgang heißt auch immer aktive Auseinandersetzung mit der Thematik. Zudem wird die soziale Komponente des Lernens nicht vernachlässigt, da in sozialen Einheiten, in Gruppen gelernt wird.
Durch die Anwendung der Methode werden äußerst effektive und langfristige Lernerfolge erzielt. Das Planspiel stellt zudem eine hervorragende Methode dar, um Lernen auf vielen Ebenen zu ermöglichen. Dennoch warnt z.B. Klippert davor, die Planspielmethode zu oft einzu­setzen, da sie dann an Exklusivität einbüßt und nicht mehr eine so starke Wirkung erzielt. Dies entspricht auch den Ergebnissen der konstruktivistischen Didaktik, in der seit vielen Jahren Planspielseminare in der Lehrer- und Pädagogenausbildung an der Universität zu Köln durchgeführt werden.
Es ist interessant zu sehen, dass sich Planspielmethoden in der wirtschaftlichen Ausbildung und in der Erwachsenenbildung schon viel stärker durchgesetzt haben als in der schulischen  Ausbildung. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Planspiele näher an der beruflichen Praxis als relevanter als im oft lebensfernen Schulsystem gesehen werden. Zudem ist der Vor­bereitungsaufwand für Planspiele sehr groß. Und auch die Durchführungszeit ist wenig geeignet, um im Fachstundensystem realisiert zu werden. Hier muss sich die Schule neu erfinden, um methodengerecht das Lernen zu verbessern und nicht bloß nach Gewohnheiten zu handeln. Für den schulischen Bereich bedeutet es auch, dass Lehrer noch mehr geschult werden müssten, um spielerisches Lernen und Planspiele mit in den Unterricht aufzunehmen, und zukünftige Lehrer in ihrer Ausbildung stärker praxisorientiert unterrichtet werden sollten.