4. Darstellung
der Methode
>>
4.1
Der psychodramatische Kontext
>> 4.2
Die Phasen des Psychodramas
>> 4.3
Die Technicken des Psychodramas
>> 4.4
Das pädagogische des Psychodramas
4.1. Der psychodramatische Kontext
Folgende
Grundbegriffe helfen, das psychodramatische Verfahren zu erläutern:
Die
Bühne
Die Bühne ist der Ort , an dem das psychodramatische Spiel
im Hier und Jetzt stattfindet. Jeder freie Platz oder ein Park ist
dazu geeignet, ein Spielort zu sein – das heißt, es
wird keine Bühne im herkömmlichen Sinne verlangt. So können
auch jegliche vorhandenen Gegenstände, wie Kleidung oder Stühle
als Requisiten benutzt werden. Auf der Bühne wird eine „Surplus-Realität“
geschaffen, in der die Trennung zwischen Fantasie und Realität
aufgehoben werden kann. Das bedeutet, dass eine relative Handlungsfreiheit
gegeben ist, in der Zukunftsprojektionen, Wünsche, Fantasien
und Imaginationen ausgelebt werden können. Gleichzeitig ist
es möglich, Geschichten erfahrbar zu machen und diese zu verändern
und gegebenenfalls neu zu inszenieren. „Der Bühnenraum
ist eine Erweiterung des Lebens über das wirkliche Leben hinaus.“
(Moreno 1959, 77) Die ethischen Grenzen werden hierbei durch den
Spielleiter gesetzt. Dabei erscheint aus heutiger Sicht aber auch
eine umfassende Einbeziehung der Teilnehmer als notwendig.
Der Protagonist
Der Protagonist bestimmt die Anfangsszene und Bühneneinrichtung
und sucht sich die Mitspieler aus. Kommt das Psychodrama zum Einsatz,
um Gruppenkonflikte zu lösen, gibt der Protagonist das Thema
vor, indem er seinen Konflikt darstellt. Durch das Spiel wird die
verbale Ebene erweitert, indem die Handlungsebene durch Bewegung,
Mimik und Gestik ergänzt wird. Der Protagonist hat hierbei
die Möglichkeit, in einer geschützten Atmosphäre
Emotionen zu leben und freizusetzen, sowie gegebenenfalls neue Handlungsstränge
zu entdecken. „Er soll frei handeln, wie es ihm gerade in
den Sinn kommt, darum muss ihm Freiheit des Ausdrucks >...>
gelassen werden.“ (ebd.,78)
Wird das Psychodrama eingesetzt, um sachliche Informationen erfahrbar
zu machen, ist der Protagonist gleichbedeutend mit dem Hauptdarstellenden
im Spiel. Hierbei kann der Protagonist gelernte Dinge selbst erfahren
und seine Rolle der eigenen Fantasie entsprechend ausfüllen.
Geschichten werden plastischer und anschaulicher und somit verständlicher
vermittelt.
Die
Antagonisten
Die Antagonisten werden auch als Gegenerzeuger, Mitspieler oder
„Hilfs-Iche“ bezeichnet und dienen dem Protagonisten
und dem Spielleiter zur Realisierung des Psychodramas. Sie können
Rollen von Personen aus dem Konfliktfeld des Protagonisten einnehmen.
Somit ermöglichen sie eine Vergegenwärtigung von konflikthaften
Ereignissen und die Realisierung von Vorstellungen und Fantasien
des Protagonisten. Die Antagonisten werden, sofern sie nicht selbst
an dem Konflikt beteiligt sind, in ihre Rollen von Protagonisten
eingeführt und füllen diese nach eigenem Ermessen im Spiel
aus (siehe auch Kapitel 4.3 Techniken, darin: das Programmieren).
Handelt es sich um eine rein sachliche Informationsvermittlung,
sind sie die Mitspieler in der Geschichte oder des jeweiligen sachlichen
Kontextes.
In der nach dem Spiel folgenden Gesprächsphase erfolgt ein
Austausch zwischen allen Teilnehmenden über das Gespielte und
Gesagte innerhalb des gegebenen Kontextes.
Der Spielleiter
Der Spielleiter hat die Aufgabe, in der Gruppe ein Klima herzustellen,
in dem sich psychodramatische Prozesse entwickeln können. Durch
das Anleiten kleiner Aufwärmübungen bereitet er die Spieler
auf das Psychodrama vor. Soweit es situativ erforderlich ist, kann
er bestimmte Methoden des Psychodramas (siehe Kapitel 4.3 Techniken)
einbringen, um den Prozess in Gang zu halten oder anzuregen. Er
ist weniger ein herkömmlicher Leiter, sondern eher ein Begleiter
und bringt sparsame Hinweise und Vorschläge an entsprechender
Stelle ein. Dennoch hat der Spielleiter die Verantwortung für
das Spielgeschehen und muss eingreifen, wenn z.B. ethische Grenzen
überschritten werden. Gleichzeitig sollte er den zeitlichen
Rahmen beachten.
Wenn es um sachliche Informationsvermittlung durch das Psychodrama
geht, ist der Spielleiter gleichzeitig Regisseur. Er verfügt
über die Informationen in Bezug auf das jeweilige Thema, die
er an die Spieler weitergibt.
Setting
Meistens findet das Psychodrama in einer Gruppe Anwendung, allerdings
ist es auch mit Einzelnen durchführbar, wenn der Protagonist
imaginäre Figuren benutzt. Bei einer Gruppe hat der Protagonist
eine leichtere Möglichkeit, sich entsprechend seines Konfliktes
passende Antagonisten zu suchen, beziehungsweise wird ein sachlicher
Inhalt umfangreicher gestaltet werden können. Es kann somit
eine direkte Interaktion mit anderen stattfinden, was auch eine
abschließende Reflexion erleichtert.
4.2
Die Phasen des Psychodramas
Das
klassische Psychodrama nach Moreno verläuft in drei Phasen
(triadisch). Es ist durch die Erwärmungsphase, die Spielphase
und durch die Abschlussphase gekennzeichnet.
In der ersten Phase – der Erwärmungsphase – obliegt
dem Spielleiter die Aufgabe, ein Kommunikationsfeld zu schaffen,
in dem eine offene und angenehme Atmosphäre besteht. Dies ist
auf der Gesprächsebene möglich oder durch ein Aufwärmspiel.
Im Verlauf dieser Phase zeichnet sich die Thematik des Spiels ab
und ein Protagonist bildet sich heraus.
Bei der Erarbeitung eines Sachthemas wird jedes Mitglied der Gruppe
so stark wie möglich in die Themenwahl mit einbezogen. Dies
soll einen persönlichen Bezug zum Thema schaffen.
Nun erfolgt der Aufbau der Szene, indem die Bühne hergerichtet
wird und Requisiten bereitgestellt werden. Dann werden die einzelnen
Rollen zugewiesen und gegebenenfalls werden die Antagonisten in
ihre Rollen eingewiesen.
In der zweiten Phase – der Spielphase – wird nun eine
gemeinsame Anfangsszene gesucht und die Thematik ins Spiel umgesetzt.
Alle Mitspielenden treten in eine Interaktion. In dieser Phase finden
verschiedene Techniken durch den Spielleiter Anwendung (siehe Kapitel
4.3 Techniken) und die Teilnehmenden erleben das Geschehen realitätsnah,
denn Vergangenes wird nun gegenwärtig und Zukünftiges
ins Hier und Jetzt geholt.
In der letzten Phase, der Abschluss- oder Reflexionsphase, ist das
Spiel beendet und alle Teilnehmenden kommen aus der Spielphase in
die Gruppensituation zurück. Jeder Mitspieler gibt nun die
eigenen Empfindungen und Erfahrungen, die sich während des
Spiels entwickelt haben, wieder.
In einer pädagogischen Lernsituation können an dieser
Stelle theoretische Hintergründe des Themas vom Leiter und
Teilnehmern eingebracht werden und mit den im Spiel eröffneten
Perspektiven verglichen werden.
4.3 Die Techniken des Psychodramas
Im
Psychodrama werden verschiedene Techniken eingesetzt. Sie dienen
der Ingangsetzung, Lenkung und Aufrechterhaltung des Spiels. Ziel
der Techniken ist es, die Möglichkeiten zur Einsicht und Katharsis
der Teilnehmer zu verstärken bzw. die Therapie- und Trainingseffekte
zu maximieren.
In der Regel setzt der Spielleiter die Techniken sparsam ein, um
die Spontaneität des Spiels nicht zu beeinträchtigen.
Die Rolle des Spielleiters kann – so entspricht es der konstruktivistischen
Deutung – auch von erfahrenen Teilnehmern eingenommen werden.
Der Spielleiter muss kompetent die Erfordernisse der Spielsituation
erkennen, im richtigen Moment die passenden Techniken einsetzen
und diese der Situation entsprechend modifizieren bzw. spontan neue
Techniken entwickeln.
In dem hier gegebenen Rahmen beschränken wir uns auf die Darstellung
einiger wesentlicher Basistechniken, weitere Techniken können
der angegebenen Literatur entnommen werden.
Techniken
für die Erwärmungsphase
Soziometrische
Übungen am Beispiel des Spektogramms
Moreno entwickelte verschiedene soziometrische Übungen [vgl.
als Anregung z.B. http://www.stangltaller.at/ARBEITSBLAETTER/FORSCHUNGSMETHODEN/Soziometrie.shtml],
die eine Positionierung der Gruppenmitglieder nach verschiedenen
Kriterien erfordern. Es handelt sich hierbei um eine Aktionssoziometrie,
mit deren Hilfe eine lebende Statistik entwickelt wird. Auf diese
Weise wird den Teilnehmern eine gegenseitige Annäherung und
ein erstes Kennenlernen ermöglicht. Soziometrische Übungen
dienen damit der Gruppenorientierung und Vertrauensbildung.
Beispiel für eine soziometrische Übung ist das Spektogramm.
Hierbei werden vom Spielleiter zwei Pole im Raum festgelegt, z.B.
linke Wand für Zustimmung und rechte Wand für Ablehnung
einer Aussage. Der Spielleiter macht dann Aussagen etwa zur Befindlichkeit,
Alter, Erfahrung mit psychodramatischer Arbeit usw. und die Teilnehmer
ordnen sich entsprechend ihrer Einschätzung im Raum zu.
Interview
Das Interview wird vom Spielleiter durchgeführt. Er bittet
den Protagonisten auf die Bühne und interviewt ihn. Durch diesen
Dialog bekommen die Gruppenmitglieder wichtige Grundinformationen
über den Protagonisten, seine Rolle und die Rollen der Antagonisten
im Spiel. Der Gedankenfluss kann durch langsames Auf- und Abschreiten
auf der Bühne verstärkt werden.
Das Interview wird oft zu Beginn des Psychodramas durchgeführt,
kann aber in allen Phasen des Psychodramas zur Anwendung kommen.
Es eignet sich auch gut zur Klärung von gespielten Situationen,
von denen der Spielleiter den Eindruck hat, dass der Protagonist
nicht mit ihnen übereinstimmt.
Eine Variante ist das Partnerinterview, bei denen sich jeweils zwei
Teilnehmer gegenseitig interviewen und anschließend ihren
Interviewpartner der Gruppe vorstellen.
Leerer
Stuhl
Die Technik des leeren Stuhls ist ein imaginatives und projektives
Verfahren. Der Spielleiter stellt einen leeren Stuhl vor die Gruppe
und fordert die Teilnehmer auf, sich eine Person auf diesem Stuhl
vorzustellen und mit dieser in Kommunikation zu treten. Nach einigen
Minuten befragt der Spielleiter die Gruppenmitglieder, wen sie sich
vorgestellt und was sie empfunden haben. Es gibt auch die Möglichkeit,
dass die Teilnehmer im Anschluss an die Imagination die Person auf
dem Stuhl doppeln bzw. im Rollentausch ihre Rolle spielen.
Der leere Stuhl eignet sich gut zum „warming up“. Er
ermöglicht den Teilnehmern sowie dem Spielleiter einen Einblick
in die Thematiken und Probleme der Gruppenmitglieder.
Eine Variante sind die „Hilfsstühle“. Ein Teilnehmer
verwendet dabei mehrere Stühle, die jeweils für eine Person
stehen. Die Stühle werden vom Teilnehmer in einem von ihm gewählten
Verhältnis aufgestellt. Anschließend wählt er die
Rolle einer Person und spielt eine Situation aus deren Perspektive.
Diese Variante fördert Empathie und Spontaneität. Sie
kann auch mit mehreren Spielern zu einem spontan gewählten
Thema improvisiert werden.
Der
Zauberladen
Mit dem Zauberladen wird eine imaginäre Situation geschaffen,
in der jeder Teilnehmer „Wirkliches und Phantastisches, Mögliches
und Unmögliches, Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges“
(Schützenberger-Ancelin 1979, 81) erwerben kann. Er bietet
dabei einen Teil eigener, von ihm positiv bewerteter Eigenschaften
und Kompetenzen seiner Persönlichkeit an und erhält im
Gegenzug neue, von ihm gewünschte Eigenschaften dazu. Auch
ist es dem Teilnehmer möglich, Dinge abzuladen und zurückzulassen,
die ihn stören oder die er nicht mehr wünscht. Je nach
Spielsituation können auf der Bühne ein oder mehrere imaginäre
Zauberläden errichtet werden, in denen spontan unterschiedliche,
den Teilnehmern wichtige Eigenschaften angeboten werden. Bei der
Wahl dieser „Waren“ werden die Wünsche und Schwierigkeiten
der Teilnehmer sichtbar. Zum Teil werden existenzielle Fragen aufgeworfen,
besonders wenn die Teilnehmer nur eine Sache erwerben dürfen,
die sie dringend brauchen oder die ihnen fehlt. Der Zauberladen
kann den weiteren Verlauf des Psychodramas beeinflussen, da sich
dort das Thema bzw. der Protagonist herauskristallisieren kann.
Zudem bietet er eine hervorragende Möglichkeit zur Entfaltung
von Spontaneität und Kreativität. Durch den Abstand zur
Realität wird den Teilnehmern der Zugang zu ihren Problemen
erleichtert. Persönliche Eigenschaften werden vergegenwärtigt
und die Teilnehmer erkennen, welche ihrer Persönlichkeitsmerkmale
sie am Erreichen ihrer Ziele hindern.
Techniken
für die Spielphase
Das
Doppeln
Beim Doppeln wird der Protagonist durch ein sogenanntes „Hilfs-Ich“
unterstützt. Seitlich hinter dem Protagonisten stehend, doppelt
das „Hilfs-Ich“ seine Körperhaltung, Mimik, Gestik,
Atemrhythmus usw. und versetzt sich so in ihn hinein. Dann spricht
es in der Ich-Form Gefühle und Gedanken aus, die dem Protagonisten
nicht bewusst sind, oder die er aus den unterschiedlichsten Gründen
nicht auszusprechen vermag. Der Protagonist erfährt auf diese
Weise Unterstützung und wird zu weiteren Produktionen und einer
präzisen Selbstexploration angeregt.
Das Doppeln erfordert vom „Hilfs-Ich“ ein hohes Einfühlungs-
und Identifikationsvermögen, was durch die Übernahme der
körperlichen Haltung des Protagonisten und möglichem Körperkontakt
(eine Hand auf der Schulter) erleichtert wird.
Die Technik des Doppelns hat sich besonders im therapeutischen Bereich
bewährt, findet ihre Anwendung aber auch im didaktischen Psychodrama
(vgl. Fallbeispiel 2).
Varianten sind der „Doppelgänger“, der den Protagonisten
das ganze Spiel hindurch doppelt oder die „multiple Doppelgängertechnik“,
in der die unterschiedlichen Gefühle bzw. Haltungen des Protagonisten
von mehreren Doppelgängern gespielt werden.
Der
Rollentausch
Beim Rollentausch wechselt der Protagonist die Rolle mit einem seiner
Mitspieler. Beide Spieler übernehmen die typischen Verhaltensweisen
des jeweils Anderen und verdeutlichen so ihre Wahrnehmung des Anderen.
Der Rollentausch wird vom Spielleiter vorgeschlagen, um dem Protagonisten
ein besseres Verständnis für die Schwierigkeiten und Probleme
des Antagonisten zu ermöglichen. Das Einfühlungsvermögen
wird durch den Rollenwechsel geschult. Des Weiteren kann der Protagonist
die Rolle des Anderen so spielen, wie er es sich wünscht, wenn
das Spiel des Antagonisten nicht seinem Rollenverständnis entspricht.
Die Rollenübernahme erhöht die Spontaneität des Spiels.
Sie ermöglicht es dem Protagonisten, sich selbst mit den Augen
des Anderen zu sehen und Differenzen zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung
zu erkennen. Das eigene Verhalten kann aus der Distanz der neuen
Rolle reflektiert, verdrängte Persönlichkeitsanteile können
angenommen und integriert werden.
Das
Spiegeln
Das Spiegeln ist eine Konfrontationstechnik, die auch beim Rollentausch
schon impliziert ist. Es kann starke emotionale Reaktionen des Gespiegelten
auslösen. Der Protagonist wird aufgefordert, für einige
Zeit seine Rolle zu verlassen, um sie aus der Distanz des Zuschauers
von außen betrachten zu können. Ein Mitspieler übernimmt
die Rolle des Protagonisten und imitiert seine Eigenheiten, Handlungsweisen
und Äußerungen verbal und nonverbal. Die Zuschauer reagieren
auf den Spieler wie sonst auf den Protagonisten. Dem Protagonisten
wird so ein sozialer Spiegel vorgehalten. Er erfährt, wie er
von den anderen Gruppenmitgliedern wahrgenommen wird und wie sein
Verhalten auf andere wirkt. Die Spiegelung fordert die Reaktion
des Protagonisten heraus und veranlasst ihn zur Selbstexploration.
Eine Variante der Spiegeltechnik ist der Verzerrspiegel. Hier wird
das Dargestellte in übertriebener Form wiedergegeben und wirkt
wie ein Vergrößerungsglas.
Die Erfahrung seines sozialen Spiegels kann für den Protagonisten
sehr schmerzhaft und schockierend sein. Die Erfahrung der Fremdwahrnehmung
soll ihn aber zur Reflexion seines Verhaltens veranlassen, um die
Entwicklung von Handlungsalternativen zu bewirken. Hier müssen
der Spielleiter bzw. Teilnehmer ggf. helfend und stützend zur
Seite stehen.
Der konfrontative Aspekt des Spiegelns kann durch räumliche
Hilfsmittel etwas gemildert werden, indem der Protagonist beispielsweise
eine der Szene gegenüber erhöhte Position einnimmt, oder
eine räumliche Distanz zur Szene hergestellt wird. Wichtig
ist immer eine bewusste Verarbeitung des Geschehens, um Ressourcen
zu erkennen und Lösungen gemeinsam zu erarbeiten.
Die Spiegeltechnik wird häufig im therapeutischen Kontext angewendet.
Sie sollte nur von erfahrenen Therapeuten oder ausgebildeten pädagogischen
Spielleitern und unter Berücksichtigung der Belastbarkeit des
Klienten angewandt werden.
Monolog
Der Monolog gibt dem Protagonisten die Möglichkeit der Selbstexploration.
Bei dieser Technik spielt der Protagonist allein und stellt alle
an der Handlung beteiligten Personen selbst dar. Er kann so seine
Wahrnehmung der Situation verdeutlichen und die Rollen der Antagonisten
verdeutlichen.
Beiseitereden
Während des Spiels wendet der Protagonist oder sein „Hilfs-Ich“
den Kopf zur Seite und spricht die Gefühle und Gedanken aus,
die ihn in diesem Augenblick bewegen. Dieses laute Denken wird durch
das Beiseitereden deutlich vom stattfindenden Dialog abgegrenzt.
Der Gesprächspartner berücksichtigt das Beiseitegeredete
grundsätzlich nicht, in Wirklichkeit realisiert er es aber
doch. Allen Beteiligten wird auf diese Weise vor Augen geführt,
was in der Beziehung tatsächlich abläuft. Der Protagonist
kann das Beiseitereden nicht nur nutzen, um seine Empfindungen in
der gespielten Rolle zum Ausdruck zu bringen, er kann auch seine
Gefühle und Gedanken in Bezug auf die gegenwärtige Gruppensituation
äußern.
Techniken
für die Abschlussphase
Das
Gruppengespräch
Das Psychodrama sollte immer mit einer Gesprächs- und Diskussionsphase
beendet werden. Es soll eine Metakommunikation über den Verlauf,
Abschluss und markante Szenen des Psychodramaspiels realisiert werden.
Es sollten alle Teilnehmer zu Wort kommen, um ihre im Spiel erlebten
Gedanken und Gefühle zu verbalisieren und gegebenenfalls zu
beruhigen.
Die Abschlussrunde sollte folgende Punkte beinhalten:
|
Im
„sharing“ teilen die Gruppenmitglieder dem Protagonisten
ihre spontanen Rückmeldungen über ihr Erleben im Spiel
und ihre damit verbundene Gefühlslage mit. Durch ihre Anteilnahme
entsteht in dieser Phase oft eine intensive Begegnung untereinander.
|
|
Anschließend
teilen die Antagonisten dem Protagonisten durch „Rollenfeedback“
ihre Gedanken und Gefühle in der von ihnen gespielten Rolle
mit. Dadurch erfährt der Protagonist die eigene Wirkung
auf seine Interaktionspartner. |
|
Das von
den Zuschauern als auch vom Spielleiter geäußerte
„Identifikationsfeedback“ verdeutlicht deren persönliche
Eindrücke und Identifikationen, und kann weitere Aspekte
erschließen. |
|
Zuletzt
kann in der „Prozessanalyse“ das Psychodrama unter
den Gesichtspunkten der Soziometrie und der Rollentheorie ausgewertet
werden. |
4.4 Das pädagogische Psychodrama
In
der pädagogischen Anwendung des Psychodramas soll es um die
Auseinandersetzung mit Sachinhalten gehen, sowie um emotionales
und soziales Lernen und die Erweiterung der Rollenerfahrungen.
Dabei werden Inhalte durch die Handlung im Spiel nachvollziehbar
und erfahrbar gemacht. Die obersten Lernziele sind dabei immer die
Förderung und Entwicklung von Spontaneität und Kreativität.
Bei der Themenwahl haben die Belange jedes Teilnehmers im Hier und
Jetzt Vorrang vor festgelegten Inhalten. Kognitive, emotionale und
soziale Inhalte stehen einander gleichberechtigt gegenüber.
Einem Inhalt soll sich zunächst immer erst durch Handlung genähert
werden. Erst danach folgt eine Analyse, eine kognitive Reflexion
(vgl. Kapitel 4.2 Phasen des Psychodramas).
Das in der Therapie am häufigsten vorkommende personenzentrierte
Psychodrama wird im pädagogischen Bereich seltener angewendet,
da es im pädagogischen Psychodramaspiel weniger darum geht,
die subjektive Perspektive eines Einzelnen und seine vergangenen
persönlichen Rollenerfahrungen zu bearbeiten, sondern vielmehr
den „Erfahrungsbereich der Menschheit“ und den der Gruppe
zum Thema zu machen. Das heißt jedoch nicht, dass die Bedürfnisse
und Belange des Einzelnen keinen Platz haben sollen. Im Gegenteil,
jeder Teilnehmer soll so viel wie möglich mit einbezogen werden.
Auch persönlichen Themen soll Raum gegeben werden, da sie ein
Teil der Entwicklung und des Lernens sind (vgl. Springer 1995, 169).
Eine therapeutische Bearbeitung der persönlicher Konflikte
liegt allerdings außerhalb des Bereiches der Pädagogik.
(Springer 1995, 211 f)
Die Methode des Psychodramas kann aus konstruktivistischer Sicht
besonders dabei helfen, bei allen Inhaltsaspekten stets die Beziehungsseite
mit zu beachten. Bei entsprechender Ausbildung können Lehrende
auch die Beziehungsseite – insbesondere im Blick auf das Gruppenverhalten
– durch psychodramatische Übungen lösungsorientiert
positiv verbessern.
Voraussetzungen
bei Teilnehmern und Leiter
Teilnehmer:
Die Teilnehmer müssen ein Mindestmaß an Vorstellungsvermögen,
Ausdrucksfähigkeit und Einfühlungsvermögen mitbringen.
Sie sollten gruppen- und beziehungsfähig sein (Springer 1995,
184).
Leiter:
Neben Fachwissen und didaktischen Fähigkeiten muss der Psychodramapädagoge
ein hohes Maß an Flexibilität mitbringen, um auf die
Bedürfnisse der Teilnehmer im Hier und Jetzt eingehen zu können
(vgl. Springer 1995, 170). Weiterhin sollte er fähig sein,
eine gute Beziehung zu jedem Teilnehmer aufzubauen und auf Wünsche
und Bedürfnisse zu achten. Sein Selbstverständnis als
Leiter einer Gruppe folgt dem Prinzip der Hilfe zu Selbsthilfe,
d.h. dass der Psychodramapädagoge eine unterstützende
Position einnimmt und die Autonomie und Selbstverantwortung des
Einzelnen fördert, so dass er sich selbst schließlich
entbehrlich macht (ebd., 172).
Zu keiner Zeit sollen vom Psychodramapädagogen Bewertungen
vorgenommen werden. Alle Beteiligten, also auch der Leiter, haben
stattdessen die Möglichkeit, sich in Form eines Feedbacks zu
äußern und ihr Erleben in einer Situation zu schildern
(ebd., 173).
Schließlich ist eine weitere, sehr entscheidende Vorraussetzung,
dass der Psychodramapädagoge hinter dem steht, was er tut.
Dabei soll das Menschenbild und die Weltauffassung Morenos ausgedrückt
werden, was jedoch aus unserer Sicht nicht unkritisch geschehen
sollte. Vom Begründer her gesehen ist Psychodramapädagogik
mehr eine Haltung als die Anwendung von Techniken, aber jeder Leiter
und jede Gruppe hat immer wieder die Viabilität dieser Methode
für sich kritisch zu reflektieren. Auf der Basis der konstruktivistischen
Theorie werden Morenos Deutungen vor allem stärker kulturtheoretisch
reflektierbar und als spezifische Konstrukte für einen bestimmten
Kontext erkennbar.
Um mit dem Psychodrama arbeiten zu können, bedarf es einer
fundierten praxisbezogenen Ausbildung, denn in diesem komplexen
Prozess ist viel Können gefordert und der Leiter trägt
eine große Verantwortung. Das Psychodrama geht über eine
Methode, die „mal eben so“ angewendet werden kann, weit
hinaus. Andererseits ist die Methode aber in der Praxis auch sehr
gut durchführbar und es ist – jenseits eines zu orthodoxen
Verständnisses – möglich, mit einzelnen Elementen
und Methoden des Psychodramas zu arbeiten, auch wenn man keine langfristige,
sondern nur eine workshopbezogene Ausbildung absolviert hat. |