Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

4. Darstellung der Methode

>> 4.1 Darstellung der Grundlagen der Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen
>> 4.1.1 Lösungsfokussierte Kurztherapie
>> 4.1.2 Systemische Strukturaufstellungen
>> 4.2 Kombinationsmöglichkeiten
>> 4.2.1 Sukzessive Kombination
>> 4.2.2 Die lösungsfokussierte Kurztherapie als Aufstellung
>> 4.3 Verschiedene Modelle im Bereich der Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen
>> 4.3.1 Neun- und Zwölffelderaufstellung
>> 4.3.2 Zielannäherungsaufstellung
>> 4.3.3 Lösungsaufstellung
>> 4.3.4 Lösungsgeometrisches Interview
>> 4.3.5 Übersicht über die vorgestellten Modelle

Die Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen (LFSySt) bauen auf den Systemischen Strukturaufstellungen auf und stellen die aktuellste Entwicklung des Instituts für systemische Ausbildung, Fortbildung und Forschung von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd dar. Aus diesem Grund möchten wir den Schwerpunkt der Darstellung der Methode der Systemaufstellungen auf diesen Bereich legen.

Wir werden den Fokus zunächst auf die Grundlagen der Methode der LFSySt (lösungs­fokussierte Kurztherapie sowie Systemische Strukturaufstellungen) richten. Im nächsten Schritt folgt die Darstellung der Kombinationsmöglichkeiten dieser Grundlagen sowie der aus diesen Möglichkeiten hervorgegangenen und von Insa Sparrer entwickelten Modelle.

4.1 Darstellung der Grundlagen der Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen

Wie der Name der Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen bereits verrät, setzt sich diese Methode aus zwei Ansätzen der systemischen Therapie und Beratung zusammen, die wir im Folgenden vorstellen möchten.

4.1.1 Lösungsfokussierte Kurztherapie

Die lösungsfokussierte Kurztherapie wurde wie der Name bereits verrät, im Bereich der Psychotherapie entwickelt, kann aber ebenso in der Beratung im Bereich der Schule, Weiterbildung oder in Organisationen eingesetzt werden. Aus diesem Grund werden wir die Begriffe des Therapeuten und Beraters synonym verwenden. Dieses Kapitel soll einen Überblick über Funktionen und Ziele, das Setting, den Ablauf und die Techniken der lösungsfokussierten Kurztherapie geben und somit die Grundlagen für das Ver­ständnis der Kombinationsmöglichkeiten mit den Systemischen Strukturaufstellun­gen erläutern. Insa Sparrer gibt in ihrem Buch „Wunder, Lösung und System“ eine gut strukturierte und umfassende Einführung in diesen Ansatz, den wir zur Einführung empfehlen können (vgl. Sparrer 2004, S. 27-98).

Funktionen und Ziele
Der Name der Methode lässt vermuten, dass es sich um einen zeitlich schnell wirkenden Ansatz zur Problemlösung handeln könnte. Tatsächlich bezieht sich die Bezeichnung „Kurztherapie“ auf die geringe Anzahl der benötigten Sitzungen, welche aber in einem größeren zeitlichen Abstand stattfinden können.
Der hier beschriebene Ansatz geht davon aus, dass es keinen linearen Zusammenhang zwischen einem Problem und seiner Lösung gibt, Probleme entstehen immer zirkulär. In der Therapie oder Beratung geht es dementsprechend nicht darum, einer Ursache der Probleme auf den Grund zugehen, sondern vielmehr darum neue Lösungswege zu erschließen. Dieses Konzept steht im Gegensatz zu so genannten Defizitkonzepten, da es davon ausgeht, dass der Klient alle zur Lösung seines Problems notwendigen Ressour­cen bereits in sich trägt (vgl. Schlippe/Schweitzer 2003, S. 124).
Der lösungsfokussierte Ansatz stellt dabei keine neue Therapieform dar: Zum einen baut er auf kein festes Menschenbild auf, des Weiteren ist er zu unspezifisch um auf bestimmte psychische Erkrankungen angemessen einzugehen und eine Genesung herbeizuführen. Es geht also nicht um eine Heilung, sondern um Veränderungen im Erleben hinsichtlich des individuellen Problemzustands. Handelt es sich um ein Beratungskonzept? Auch diese Frage muss mit „nein“ beantwortet werden, da der Berater dem Klienten keine Vorschläge unterbreitet oder versucht einen Weg vorzugeben. Das Ziel der Therapie/Beratung kann ausschließlich vom Klienten selbst gewählt werden, die Funktion des Beraters beschränkt sich auf die Unterstützung dieses Selbstheilungsprozesses. (Vgl. Sparrer 2004, S. 27 f)
Die lösungsfokussierte Kurztherapie besitzt aber auch Grenzen, beispielsweise kann sie den Klienten nicht beim Erlernen neuer Fähigkeiten unterstützen oder neue Kenntnisse und Informationen vermitteln. Diese These begründet sich auf der Annahme, dass der Klient alle Ressourcen, die er zur Lösung seiner Probleme benötigt, bereits in sich trägt.

Setting
Die lösungsfokussierte Kurztherapie nach Steve de Shazer gehört zu den Einzeltherapien; eine Sitzung besteht aus einem Gespräch zwischen Klient und Berater. Dieser kann durch ein Reflecting Team unterstützt werden, welches zu gegebenem Anlass die Sitzung unterbricht, um mit dem Berater sein bisheriges Vorgehen zu reflektieren und weitere Anregungen aus der Perspektive des Außenstehenden zu geben. Diese Unterbrechungen während des Interviews kommen allerdings eher selten vor, da sie den Arbeitsfluss beeinträchtigen können. Am Ende jeder Sitzung kann sich der Berater jedoch mit dem Reflecting Team über die Aufgabe, die er dem Klienten stellen möchte, austauschen und somit mehrere Perspektiven in diese Aufgabe einfließen lassen.

Standardaufgabe
Die erste Intervention findet bereits vor der ersten Sitzung statt. Der Berater gibt dem Klienten nach der Anmeldung die so genannte Standardaufgabe mit der Bitte, sie bis zur ersten Sitzung zu beantworten. Diese kann beispielsweise aus der Frage „Was ist im Moment gut?“ oder „Was kann so bleiben und sollte nicht durch unsere gemeinsame Arbeit verändert werden?“ bestehen. Die Standardaufgabe führt dazu, dass sich der Klient bereits im Vorfeld der Beratung/Therapie mit den positiven Aspekten, das heißt beispielsweise mit seinen Ressourcen, auseinandersetzt und sich zum eigentlichen Beratungsbeginn bereits Verbesserungen hinsichtlich des Problems einstellen können. Diese Tatsache weist darauf hin, dass der Berater das Problem des Klienten noch nicht einmal kennen muss, um über geschickt formulierte Fragen bereits Veränderungen hervorrufen zu können. (Vgl. Sparrer 2004, S. 30 f)

Lösungen in der Gegenwart
In der ersten Sitzung wird der Klient zunächst in das lösungsfokussierte Vorgehen eingeführt. Zudem hat er die Möglichkeit sein Problem darzustellen und die Antworten auf die Standardaufgabe zu besprechen. Diese Antworten verraten dem Berater bereits einiges über die so genannten „Lösungen in der Gegenwart“. Diese Lösungen stehen für Situationen in der Gegenwart, in denen das Problem nicht auftritt und die somit als Ressourcen genutzt werden können. Der Berater stellt dem Klienten wiederum eine Frage, die eine Antwort darauf geben kann, womit der Klient in seiner gegenwärtigen Situation zufrieden ist. Die Fragen mögen simpel erscheinen, geben aber einen sehr umfassenden Einblick in die Fähigkeiten und Erfolge, die der Klient trotz der Problembewältigung hat und die ihm meist gar nicht bewusst sind: „Womit beschäfti­gen Sie sich tagsüber“ oder „Was machen Sie beruflich?“ Der Klient erhält die Möglichkeit, in der von ihm negativ bewerteten Situation positive Aspekte zu finden und daraus neue Hoffnung und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu schöpfen. (Vgl. Sparrer 2004, S. 41 f)

Lösungen in der Zukunft/Wunderfrage
Ein Klient sucht eine Therapie auf, weil er ein bestimmtes Ziel vor Augen hat, das sich häufig als „Ausbleiben des Symptoms“ beschreiben lässt. Steve de Shazers Ansatz setzt im Gegensatz dazu auf die Anwesenheit von etwas Neuem als Lösung des Problems und somit die positive Formulierung des Zielzustandes. Die Frage würde also lauten: „Was wäre statt dessen da?“, wobei die Ziele weiterhin einer realistischen Form ent­sprechen und keine Phantasiegebilde darstellen sollten. Der Berater kann den Klienten anhand von Skalen bewerten lassen, wie wahrscheinlich das Erreichen des Ziels für ihn ist. Mit Hilfe der lösungsfokussierte Kurztherapie können ausschließlich persönliche Ziele bearbeitet werden (nicht die von Familienangehörigen oder Überweisenden), da der Klient zunächst nur für die Erreichung der eigenen Ziele genügend Kraft und Motivation aufbringen wird. (Vgl. Sparrer 2004, S. 43)
Nach der Zieldefinition kann die so genannte Wunderfrage dem Klienten ermöglichen, den Zielzustand nochmals aus einer neuen Perspektive, nämlich der des eingetretenen Lösungszustands, zu betrachten. Bei der Zieldefinition sieht der Klient die Lösung oft aus der Perspektive des Problemzustands, solange er sich in diesem Zustand befindet kann er die Wunderfrage nicht beantworten. Aus diesem Grund kann der Berater erst im Nachhinein feststellen, ob er die Wunderfrage nicht nur formuliert, sondern auch gestellt hat, denn nur im letzteren Fall würde der Lösungszustand eintreten, der den Weg zur Handlung ebnet.
Bei der Formulierung der Wunderfrage sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden: Der Berater sollte bereits am Anfang vorwegnehmen, dass die Beantwortung der Frage für den Klienten schwer sein könnte. Diese Aussage nimmt eine nachträgliche Beschwerde über die Frage von Seiten des Klienten vorweg. Der Berater weist darauf hin, dass der Klient seine Phantasie einsetzen muss, um die Frage beantworten zu können. Er läutet nun die Wunderfrage mit Hilfe einer kleinen Geschichte ein. Der Klient solle sich vorstellen, er gehe nach Hause, esse zu Abend, spreche mit seiner Familie und gehe dann zu Bett. Der Klient solle sich nun vorstellen, in dieser Nacht geschähe ein Wunder, welches darin bestünde, dass alle Probleme des Klienten, die ihn zu der Beratung/Therapie veranlasst haben, sich über Nacht gelöst haben. Die Frage ist nun, woran der Klient erkennen könnte, dass sich dieses Wunder ereignet hat, wenn es ihm niemand sagen würde. Bei der Formulierung der Frage kommt es stark auf die Nutzung des Konjunktivs und auf einzelne Begriffe an, die eine bestimmte Funktion erfüllen, zum Beispiel das Wunder „einleiten“ oder die Probleme spezifizieren (es sind ja nicht alle Probleme im Leben des Klienten gemeint). (Vgl. Sparrer 2004, S. 58)
Die Antworten auf die Wunderfrage geben Aufschluss darüber, wie sich das Leben des Klienten ändern könnte, wenn die Lösung eingetreten ist. Diese Veränderungen können sowohl positiv als auch negativ sein, da Probleme häufig eine bestimmte Funktion erfüllen, zum Beispiel Teil einer Routine sind, deren Aufgabe einen größeren Kraftauf­wand bedeuten würde als ihre Aufrechterhaltung. Dennoch führt die Beantwortung der Wunderfrage beim Klienten zur Gewissheit, dass es eine reale und umsetzbare Lösung des Problems gibt, die nur noch darauf wartet angegangen zu werden.

Lösungen in der Vergangenheit
Bei diesen Lösungen geht es um Ausnahmen vom Problem. Manche Berater stellen die Frage nach den Ausnahmen direkt nach der Zielformulierung. Insa Sparrer bevorzugt die Möglichkeit, zunächst mit der Wunderfrage zu beginnen und die Frage nach den Ausnahmen vom Problem anzuschließen, da der Klient so die Möglichkeit hat, bei den Lösungen in der Vergangenheit bereits eingetretene Elemente des zuvor formulierten Wunders zu entdecken, welche dann über Skalierungsfragen sichtbar gemacht werden und somit direkt in den Alltag integriert werden können. (Vgl. Sparrer 2004, S. 65)
Insa Sparrer würde die Frage – hier sehr eng an Satir orientiert – z.B. folgendermaßen formulieren: „Gab es schon einmal eine Zeit, wo so etwas wie dieses Wunder eingetreten war?“ „Wenn 10 für das Wunder und 0 für den Zustand, als Sie mich anriefen und den Termin für diese Sitzung vereinbarten, wo auf dieser Skala würden Sie sich jetzt einschätzen?“ (Sparrer 2004, S. 65f). Wenn der Klient sich nun an Situationen in der Vergangenheit erinnern kann, in denen das Problem keine Rolle für ihn spielte und er unbelastet war, stellt diese Erkenntnis einen Beweis für die Lösbarkeit des Problems dar. Die Aufgabe von Berater und Klient ist es nun, herauszufinden, welche Unterschiede es zwischen der Situation damals und jetzt gibt und welche Faktoren zum Erhalt des Problems führen.

Stadien der Entwicklung des Klienten – Besucher, Klagende und Kunden
Eine Person, die einen Berater oder Therapeuten aufsucht, lässt sich im Rahmen der lösungsfokussierten Kurztherapie nach de Shazer einer der drei Kategorien „Besucher“, „Klagender“ oder „Kunde“ einordnen, wobei diese Klassifizierung keine Eigenschaftszuschreibungen sein sollen, sondern dazu dienen, die Beratung auf den individuellen Entwicklungsstand des Klienten (in Bezug auf sein Problem) anzupassen. Dieser Entwicklungsstand äußert sich beispielsweise in seinen Reaktionen auf die Fragen und Interventionen des Therapeuten. Jeder Klient kann alle drei Stadien durchlaufen, diese können unter­schiedlich lang ausfallen und zum Beispiel sogar innerhalb einer Sitzung komplett durchlaufen werden. Hier sollte man jedoch, so denken wir, keine schematischen Vorstellungen entwickeln und die Vereinfachung, die diese drei Rollen implizieren, beachten.
Im ersten Stadium des Besuchers weiß der Klient z.B. noch nicht genau, ob er etwas ändern möchte, er fühlt sich allerdings in seiner momentanen Lebenssituation vielleicht nicht mehr wohl. Das Stellen der Wunderfrage ist zu dieser Zeit noch nicht möglich, der Therapeut kann allenfalls über Lösungen in der Gegenwart an den Besucher herantreten. Durch die Erfahrung, dass Veränderungen möglich sein können, entwickelt sich der Besucher in Richtung des nächsten Stadiums.
Im zweiten Entwicklungsabschnitt des Klagenden hat der Klient z.B. bereits eine deutliche Vorstellung seines Ziels, er sieht sich aber in einer passiven Opferrolle und klagt über seinen Zustand, in dem er sich gefangen fühlt. Durch Fragen nach Lösungen in der Ver­gangenheit kann der Therapeut dem Klagenden aufzeigen, dass es bereits Situationen in seinem Leben gab, die er souverän und aktiv gemeistert hat. Auch die Wunderfrage kann in diesem Stadium gestellt werden, der Klient wird auf die Frage meist mit Wün­schen in Bezug auf Veränderungen hinsichtlich seiner Körper­empfindun­gen oder des Verhaltens anderer Personen antworten, dies stellt wiederum ein Zeichen für Passivität und Befangenheit dar.
Im dritten Stadium, dem des Kunden, kennt der Klient z.B. sein Ziel und äußert Überlegungen zur Erreichung. Ein Besucher kann zu einem Kunden werden, indem er Ideen zur Eigeninitiative entwickeln kann und sich somit seinem Ziel ein Stück weit nähert. Die Wunderfrage kann von einem Kunden ausführlich beantwortet werden, er hat eine differenzierte Vorstellung von einem Zielzustand und kann in diesem Zusam­men­hang neben Gefühlen auch Handlungen beschreiben. (Vgl. Sparrer 2004, S. 70 ff; De Shazer 1999, S. 104 ff)

Hausaufgaben
Am Ende der ersten Sitzung verschreibt der Berater dem Klienten (möglicherweise in Absprache mit seinem Reflecting Team) eine Hausaufgabe, mit der dieser sich in der Zeit bis zur nächsten Sitzung auseinandersetzen soll. Bei der Aufgabenstellung spielen die beiden Metaregeln nach Steve de Shazer eine entscheidende Rolle: „Wenn etwas funktioniert, mach weiter so. Wenn etwas nicht funktioniert, mach etwas anderes.“ (Sparrer 2004, S. 76).
De Shazer führt den Klienten über eine Reihe von Komplimenten zur Intervention hin. Diese Komplimente, die sich auf Aussagen oder Verhaltensweisen des Klienten während der Sitzung beziehen, dienen einerseits der Beziehungsfestigung und andererseits dem Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Berater und Klient. Der Klient wird die Aufgabe leichter annehmen, wenn er zuvor auch die Komplimente des Beraters angenommen hat. (Vgl. de Shazer 1999, S. 113 f)
Bei der Aufgabenkonstruktion geht der Berater ganz individuell vor, er muss vor allem das Entwicklungsstadium des Klienten berücksichtigen, da dieses Aufschluss über die aktuellen Handlungsmöglichkeiten des Klienten gibt: „BesucherInnen kann man maximal die Standardaufgabe verschreiben. Klagende erhalten eine Beobachtungsaufgabe. Kunden bekommen eine Handlungsaufgabe.“ (Sparrer 2004, S. 76).
Die Beobachtungsaufgabe für den Klagenden kann sich aus einer im Gespräch genannten Ausnahme vom Problem (Lösung in der Vergangenheit) ergeben: Der Klient kann in seinem Alltag diese Ausnahmen (oder Teile davon) beobachten und versuchen herauszufinden, was deren Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht. Eine weitere Möglichkeit wäre die Beobachtung des Verhaltens bestimmter Personen in diesen Ausnahmesituationen, um dann Vergleiche zum Verhalten der Personen in der Problemsituation ziehen zu können.
Die Handlungsaufgabe des Kunden kann sich einerseits auch an den Ausnahmen aus der Vergangenheit als auch an der Wunderfrage orientieren. Die Aufgabenstellung berücksichtigt (ebenso wie die Beobachtungsaufgabe) die erste Metaregel, da sie den Kunden dazu ermutigt bereits vollzogene Handlungen zu wiederholen und bereits Funktionierendes weiterzuführen. In diesem Fall könnte der Klient eine möglichst leichte Handlung zu zwei verschiedenen Zeitpunkten durchführen, um dann Unter­schiede zwischen den Tagen mit und ohne Handlung festzustellen. Auch Aufgaben nach der zweiten Metaregel können zum Einsatz kommen, indem der Therapeut dem Kunden aufträgt etwas anders zu machen als bisher. Der Berater kann dem Kunden verschiedene Handlungen zur Auswahl geben, die dieser dann in der Problemsituation durchführen soll. Handlungsaufgaben können auch mit Hilfe der Antworten zu Lösungen in der Zukunft konstruiert werden. Dazu führt der Kunde bestimmte dem Wunder zugehörige Handlungen an zwei Tagen der Woche durch, um dann im Anschluss Vergleiche zwischen den Tagen mit und ohne „Wunderhandlung“ ziehen zu können, beispielsweise inwieweit sich die neuen Handlungen auf die Tage ohne Handlung auswirken. Wenn der Kunde über eine ausgeprägte Vorstellungsgabe verfügt, kann der Berater ihm auch die Aufgabe geben, sich an zwei Tagen in der Woche so zu verhalten, als wäre das Wunder bereits geschehen und wiederum daraus resultierende Unterschiede für sein Befinden festzumachen. (Vgl. Sparrer 2004, S. 77 ff)
Da die lösungsfokussierte Kurztherapie ausschließlich mit der Wirklichkeit des Klienten arbeitet, steht die Verbindung zwischen der Vorstellung des Klienten und seiner Wirk­lichkeit im Vordergrund. „Die Als-Ob-Handlung bildet die Brücke zwischen gegenwär­tiger Situation und dem Zustand des Wunders. Über sie wird eine Möglichkeit zur Wirklichkeit. Die Veränderung vollzieht sich, wenn die Klientin beginnt, die im Wun­der vorkommenden Handlungen für sich selbst für möglich zu halten und in Erwägung zu ziehen.“ (Sparrer 2004, S. 80f)

Verlauf der weiteren Sitzungen
In der zweiten Sitzung erkundigt sich der Berater nach möglichen Verbesserungen (de Shazer) oder Veränderungen (Sparrer), um den Klienten nicht direkt nach der Erfüllung und den Erfahrungen mit den Hausaufgaben zu fragen. Die Klienten fühlen sich in der Folge nicht unter Druck gesetzt und werden über mögliche positive Erfahrungen bei der Aufgabenerfüllung von sich aus berichten. Der Berater kann den Klienten im Anschluss daran einschätzen lassen, auf welcher Stufe auf dem Weg zum Wunder er sich befindet. Aus diesen Einschätzungen können sich wiederum neue Aufgaben ergeben.
Wenn jedoch keine Veränderungen eingetreten sind, sollte der Berater zunächst von weiteren Aufgaben absehen, da die Beratung nicht von „der Suche nach der geeigneten Aufgabe“ geprägt sein sollte. Da der Klient aufgrund dieser für ihn negativen Erfahrung enttäuscht sein könnte, steht als nächstes die Betonung der bisherigen Leistung des Klienten im Vordergrund. Der Berater kann sich zudem erkundigen, was dazu beigetragen hat, das Problem nicht weiter zu verschlechtern. Diese Frage weist auf die Ressourcen des Klienten hin und auf seine Fähigkeit sie einzusetzen, um den Ist-Zustand zu erhalten. Des Weiteren kann der Klient so zu der Erkenntnis gelangen, dass er die Stagnation nicht als negativ sondern ebenso als neutral werten kann, da sich keine Verschlechterung eingestellt hat.
Auch die folgenden Sitzungen beginnen mit der Frage nach Veränderungen und gestal­ten sich dann ähnlich der oben beschriebenen. Wenn der Berater den Eindruck hat, dass der Klient der Lösung seines Problems bereits sehr nah gekommen sein könnte, kann er ihn fragen, woran er erkennen würde, dass er keine Sitzungen mehr brauche. Diese Frage führt beim Klienten zu einem direkten Vergleich seiner aktuellen Situation mit der des Wunders. Der Berater sollte allerdings darauf achten, diese Frage nicht zu voreilig zu stellen, damit der Klient nicht den Eindruck gewinnt er sei unerwünscht oder sein Problem bereits gelöst, obwohl er selbst nicht diesen Eindruck hat.

Übertragung auf den Kontext der Schule
Die lösungsfokussierte Kurztherapie kann ebenso im Bereich der Schule oder auch Weiterbildung angewandt werden. Da es sich bei diesem Ansatz um eine Methode handelt, bei der bereits wenige Sitzungen (diese allerdings über einen längeren Zeitraum) zu einer Verbesserung des Problems führen können, besteht die Möglichkeit der Einbettung in den schulischen Alltag. Da der Berater das Problem des Schülers nicht kennen muss, um lösungsfokussiert arbeiten zu können, stellt diese Methode eine gute Möglichkeit zur Arbeit mit so genannten abhängigen Personen dar. Die Schüler stehen jedoch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Lehrer, da sie durch ihn in Form von Noten bewertet werden, was eine vertrauensvolle Öffnung erschweren kann.
Der Lehrer oder Schulpsychologe sollte über eine entsprechende Weiterbildung verfügen, die es ihm erlaubt, in einer systemisch ausgerichteten Einzelberatung mit dem Schüler zu arbeiten.
Die lösungsfokussierte Kurztherapie kann in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommen, beispielsweise bei Konflikten zwischen Schülern, Ausgrenzung aus der Klassengemeinschaft, Prüfungsangst oder Motivationsproblemen. Die Anwendbarkeit des Ansatzes wird allerdings durch die Tatsache, dass er meist methodisch auf eine Einzelberatung konzentriert wird, in den Beispielen in der Literatur oft begrenzt. Gleichwohl ist es sehr gut denkbar, dass auch Konflikte mit verschiedenen Protagonisten in einer Gruppe mit Aufstellungen durchgearbeitet werden können. Da die lösungsfokussierte Kurztherapie zu einem großen Teil mit verbalen Äußerungen der Klienten arbeitet, und den Wunsch, ein Problem bearbeiten zu wollen, voraussetzt, müssen jedoch beide Bedingungen bei den Schülern vorhanden sein, um eine sinnvolle und erfolgreiche Beratung durch­führen zu können.
Einzelne Elemente, wie beispielsweise die Frage nach Lösungen in der Vergangenheit oder Gegenwart sowie die Wunderfrage, können losgelöst vom Kontext einer Therapie auch im Rahmen einer Unterrichtsstunde zur Lösung von Konflikten eingesetzt werden, beispielsweise vor dem Hintergrund einer Phantasiereise. Das Problem wird auf diese Weise relativiert, da es bereits Lösungen in der Vergangenheit gab sowie Ausnahmen vom Problem bestehen und der Konflikt lösbar erscheint. Durch die Orien­tierung der Schüler „weg von den Defiziten, hin zu den Ressourcen“ können neue Lösungswege erschlossen werden.

 

4.1.2 Systemische Strukturaufstellungen

Aufstellungen in der Gruppe und Einzelaufstellungen
Systemische Strukturaufstellungen können sowohl in Gruppen als auch in der Einzeltherapie oder -beratung durchgeführt werden. Vor der eigentlichen Aufstellung befragt der Aufstellungsleiter den Klienten bezüglich seines Anliegens. Dabei gilt es zu beachten, dass nur so viele Informationen wie nötig erfragt werden, um die späteren Empfindungen der Repräsentanten nicht durch ihr Vorwissen und ein daraus resultierendes Meinungsbild zu beeinträchtigen. „Es reichen Angaben dazu aus, wer zum System gehört und wie…die Art der Beziehung der Personen untereinander ist.“ (Sparrer 2004, S. 100). Mithilfe dieser Informationen entscheidet sich der Berater für eine Systemebene und ein entsprechendes Aufstellungsverfahren (zum Beispiel Problemaufstellung, Zielannäherungsaufstellung, Tetralemma- oder Organisationsaufstellung). Berater und Klient besprechen, welche Elemente zum ausgewählten System gehören, die Auswahl der jeweiligen Repräsentanten erfolgt im Anschluss daran durch den Klienten.
In der Gruppe wird die Frage- oder Problemstellung des Klienten von ihm mithilfe von Repräsentanten (Personen), welche für die einzelnen Elemente im System stehen, im Raum aufgestellt. Es besteht die Möglichkeit neben menschlichen Beziehungssystemen auch Körper- oder Entscheidungssysteme, Ziele oder Ressourcen aufzustellen. Die Repräsentanten können ihrerseits sowohl für Personen als auch für Dinge, Orte oder auch Empfindungen (wie zum Beispiel Schmerzen) stehen. Nach der Aufstellung der Repräsentanten durch den Klienten überprüft dieser das Bild noch einmal abschließend und nimmt gegebenenfalls Korrekturen vor. Der Klient hat nun die Möglichkeit, sein Problem aus einem anderen Blickwinkel – von außen – zu betrachten. (Vgl. Varga von Kibéd 2003, S. 210 f) Während der Aufstellung nehmen die Repräsentanten an ihrem Platz im System mit Hilfe ihres gesamten Körpers verschiedene körperliche oder emotionale Empfindungen wahr, die vom Leiter anhand von Fragen nach Unterschieden zum Befinden vor der Aufstellung herausgestellt werden. Diese Empfindungen nennen sich „repräsentierende Wahrnehmung“ und stellen ein charakteristisches Phänomen der Aufstellungsarbeit dar. Das Besondere dieser Art der Fremdwahrnehmung besteht darin, dass Repräsentanten, die keine Informationen über die Personen, für die sie stehen, erhalten, trotzdem an deren Stelle Empfindungen wahrnehmen können, die in der Tat zu einem hohen Grad übereinstimmen. Die repräsentierende Wahrnehmung sollte allerdings nicht mit Hypothesen der Seelenwanderung, die zum Kontakt mit toten Ahnen führen kann, verwechselt werden (vgl. Sparrer 2004, S. 103).
Im Anschluss an eine solche Befragung der Repräsentanten durch den Berater hat der Klient erneut die Möglichkeit der Überprüfung des aufgestellten Bildes, allerdings können die Repräsentanten im Laufe der Aufstellung ausschließlich vom Leiter in ihrer Position hinsichtlich Standpunkt, Blickrichtung, Abständen oder Winkeln verändert werden (Stellungsarbeit). Der nächste Schritt besteht in der so genannten Prozessarbeit, welche sich entweder in einer erneuten Befragung der Repräsentanten nach von ihnen wahrgenommenen Unterschieden im Vergleich zum vorherigen Bild, bei der vorrangig zeitliche Aspekte berücksichtigt werden äußert, oder in therapeutischen Tests, die beispielsweise zur Hypothesenüberprüfung genutzt werden können. Das Ziel der Aufstellung ist ein Zustand des Systems, der für den Klienten neue Sichtweisen auf sein Problem oder seine Fragestellung eröffnet, der den Weg zur Nutzung der eigenen Ressourcen des Klienten ebnet. Am Ende der Aufstellung nimmt dieser dann auch den Platz seines Repräsentanten ein, um das System und das Lösungsbild auf sich wirken zu lassen. (Vgl. Varga von Kibéd 2003, S. 211)
In der Einzelberatung werden im Gegensatz zu Personen Hilfsmittel wie ein leerer Stuhl, Symbole (Püppchen, Figuren) oder Bodenanker als Repräsentanten eingesetzt. (Siehe auch unter „Verschiedene Aufstellungsformen“)
Am Schlusspunkt der Aufstellung steht das „Entrollen“, ein Prozess, bei dem die Reprä­sentanten ihre Rolle verlassen. Das Entrollen führt dazu, dass die Personen zu ihrer eigenen Identität zurückkommen und die übernommenen ablegen. Neben dem Nennen des eigenen Namens können auch Aktivitäten wie Ausschütteln der Gliedmaßen oder das Entlassen aus der Rolle durch den Klienten zur Entrollung genutzt werden. Auch Gegenstände, die als Bodenanker oder Symbole genutzt wurden, müssen zum Beispiel durch kurzes Schütteln oder bezeichnen („Das ist jetzt wieder ein normales Kissen“) entrollt werden. (Vgl. Varga von Kibéd 2003, S. 72 ff)

Verschiedene Aufstellungsformen in der Einzelarbeit
Am Beispiel der Einzelaufstellung lassen sich verschiedene Aufstellungsformen darstellen, die alle mit Hilfsmitteln anstelle von Personen als Repräsentanten arbeiten. Gruppenaufstellungen sind durch die körperliche Visualisierung des Problems für den Klienten auf eine konkrete Weise erfahrbar, die in der Einzelarbeit angewandten Hilfsmittel sind auf unterschiedlich starke Weise abstrakter, wobei dies keinen Einfluss auf ihre Intensität nimmt. Insa Sparrer erstellt in ihrem Buch „Wunder, Lösung und System“ eine Reihenfolge in Bezug auf die Abstraktion der Aufstellungsform, an der wir uns hier orientieren möchten:

  • Die Aufstellung mit symbolischen Bodenankern steht der mit Personen in der Skala des konkreten Erlebens am nächsten. Die so genannten Bodenanker werden vom Klienten in Form von Gegenständen (Schuhe, Kissen o.ä.) auf dem Boden positio­niert, später nimmt der Klient dann die Positionen aller Bodenanker nacheinander ein. Wichtig ist hierbei ein sorgfältiges Entrollen (siehe unten) nach jeder Rollen­übernahme, um sich von jeder Rolle zu lösen, da der Klient an den jeweiligen Stellen unterschiedliche Empfindungen wahrnimmt und diese verbalisiert. Das Umstellen wird bei dieser Form der Aufstellung vom Leiter übernommen, während die Aufgabe des Klienten darin besteht, Unterschiede in seinen Empfindungen auszumachen.
  • Auch Symbole können als nicht-personale Repräsentanten genutzt werden. Diese können beispielsweise kleine Puppen oder Figuren sein, die statt auf dem Boden auf einem Tisch aufgestellt werden. Der Klient berührt die Symbole mit dem Finger, um sich in ihre Position zu versetzen. Ein wichtiger Unterschied zur Aufstellung mit Personen besteht darin, dass der Klient seine Zuschauerperspektive zeitweise aufgeben und in die Rolle der Repräsentanten schlüpfen muss. Zur eigenen Perspektive sowie der von außen kommt folglich eine der anderen Systemmit­glieder hinzu. Die Arbeit mit Symbolen unterscheidet sich von der mit Bodenankern insofern, dass auch hier die Abstraktion steigt, da die Aufstellung nicht mehr im Raum stattfindet und der Klient Gefühle nicht mit seinem ganzen Körper wahrneh­men kann, sondern nur in abstrakterer Form durch die Berührung des Symbols mit dem Finger. Das so genannte „Hineinversetzen“ findet hier auf einer verbalen und sinnbildlichen statt körperlichen Ebene statt.
  • Vor allem bei Aufstellungen im nichttherapeutischen Bereich wird zudem mit Kärtchen gearbeitet, die unter Berücksichtung der Blickrichtung auf dem Tisch oder einem Blatt Papier aufgestellt werden und durch Berührung mit dem Finger vom Klienten „wahrgenommen“ werden. Der Berater kann Umstellungen vorschlagen, die wiederum vom Klienten anhand seines Fingers überprüft werden.
  • Die abstrakteste Form (neben Aufstellungen in Gedanken etc.) ist die auf Papier gezeichnete Aufstellung. Die Mitglieder des Problemsystems werden durch gemalte Kreise und Quadrate mit Pfeilen zur Richtungsangabe repräsentiert. Doch wie findet der Klient die „richtige“ Stelle für diese heraus? An diesem Punkt kommt der so genannte „kataleptische Finger“ zum Einsatz. Einen kataleptischen Finger zu haben bedeutet, dass der Finger durch ein bestimmtes Vorgehen weniger unter der bewussten Kontrolle der Person stehen soll. Empfindungen werden über diesen Finger wahrgenommen, während der Rest des Körpers unbeteiligt bleibt.

Kataleptischer Finger
Insa Sparrer beschreibt in ihrem Buch „Wunder, Lösung und System“ eine einfache Übung, in deren Verlauf der eigene Finger zu einem kataleptischen Finger werden kann. Dieser steht durch die Wandlung nicht mehr unter der direkten Kontrolle des Klienten, sondern wird von seiner Intuition und den Empfindungen im Finger geleitet. Neben dem Klienten kann auch der Berater mit dem kataleptischen Finger arbeiten, beispielsweise kann der Finger als Repräsentant in einer Aufstellung verwendet werden. (Vgl. Sparrer 2004, S. 110 f)
Der Begriff „Katalepsie“ steht für „Halbstarre“ oder “Starrsucht“ und stammt aus der Medizin. Die Starre bezieht sich auf die erhöhte Muskelspannung, in welcher der Patient über längere Zeit verweilt und die zu einer Verlangsamung der Bewegungen führt. Dieses mehr esoterisch als wissenschaftlich anmutendes Vorgehen in Aufstellungen wird von einigen Therapeuten und Beratern als problematisch kritisiert. Berater, die mit diesen Methoden arbeiten, sollten sich darüber bewusst werden, dass hier mit manipulativen Maßnahmen und Suggestionen gearbeitet wird, die im Prozess selbst wieder aufgelöst werden müssten, um sozialpsychologische Wirkmechanismen (wie z.B. massenhysterische Effekte) zu vermeiden oder durchschaubar zu machen. Es bleibt überhaupt die Frage an diesen „Finger“, welche Funktionen er in Bezug auf die Erhöhung der Kompetenz des Klienten haben soll und inwieweit er nicht bloß zur nicht hinterfragten Verstärkung der Macht des Therapeuten eingesetzt wird. Gerade hier scheint eine Art Hellinger-Effekt, der auf einen esoterischen Mechanismus verlagert wird, bewahrt zu werden, der eine reflektierte Beratung erschweren könnte.
Der kataleptische Finger lässt sich auf das Prinzip der Übertragung in der Psychoanaly­se zurückführen. Im ursprünglichen Sinn handelt es sich bei der Übertragung um einen so genannten Abwehrmechanismus, bei dem der Klient verdrängte (das heißt nicht erlaubte oder erwünschte) Triebe, Wünsche oder Erwartungen auf eine ähnliche Situation überträgt. Ebenso kann es zu einer Übertragung von einer zu einer anderen Person kommen, beispielsweise wenn der Klient durch eine Person A verletzt wurde, können diese negativen Gefühle und Erwartungen auf eine Person B übertragen werden. Beim kataleptischen Finger werden die Empfindungen, Wünsche und Erwartungen einer Per­son auf den Prozess der Arbeit mit dem Finger übertragen und können so wahrge­nommen werden. Das Prinzip der Übertragung gilt in der Psychologie als anerkannt, aber gerade bei Übertragungen geht es dann um die Auflösung der Übertragung, um Abhängigkeiten und Unterwerfungen zu vermeiden. Genau dies aber fehlt in der Konzeption des kataleptischen Fingers, da bei seiner Erzeugung offenbar ausschließlich die Suggestion eine entscheidende Rolle spielen soll. Deshalb sollte dieses Konzept aus unserer Sicht gründlich überarbeitet werden.

Symbolkategorien
Wie bereits beschrieben arbeiten die Systemischen Strukturaufstellungen mit Repräsen­tanten, die im Aufstellungsbild für Teile des aufgestellten Systems stehen. Im Gegen­satz zu den Familienaufstellungen lassen sich diese „Repräsentanten im weitesten Sinne“ in verschiedene Untergruppen unterteilen, die eine differenziertere Aufstellung ermöglichen. „Die Aufstellung wird so zu einer Art Sprache, in der analog zur verbalen Sprache mithilfe von Symbolen miteinander kommuniziert werden kann.“ (Sparrer 2004, S. 129).

Repräsentanten im weitesten Sinne

 

Textfeld: OrteTextfeld: Freie ElementeTextfeld: Repräsentanten im engeren Sinne

Zu den „Repräsentanten im weitesten Sinne“ zählen die „Repräsentanten im engeren Sinne“ in Form von Vertretern der Familien- oder personalen Systemmitglieder, aber auch Problem- oder Körperteile. Diese Repräsentanten dürfen, nachdem sie vom Klienten aufgestellt wurden, ausschließlich vom Aufstellungsleiter umgestellt werden. Eine weitere Symbolkategorie, welche ebenfalls zu den „Repräsentanten im weiteren Sinne“ zählt, sind die Orte, welche ihre Position während der gesamten Aufstellung bewahren. Diese Orte können beispielsweise bei der so genannten Tetralemmaaufstel­lung für die vier verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten stehen. Die letzte Symbol­kategorie im Bereich der „Repräsentanten im weitesten Sinne“ stellen die freien Elemente dar, welche sich während der Aufstellung aus der eigenen Intuition heraus umstellen können. Am Beispiel der Tetralemmaaufstellung wäre ein freies Element die vierfache Verneinung, eine Entscheidungsmöglichkeit gegen die Optionen der vier Orte. (Vgl. Sparrer 2004, S. 131)

Strukturebenenwechsel
Mit Hilfe der Systemischen Strukturaufstellungen können verschiedene Ebenen während einer Aufstellung berücksichtigt werden. Unter Strukturebenen werden die unterschiedlichen Systeme im Leben des Klienten verstanden, welche sowohl im privaten, beruflichen, gesundheitlichen oder einem anderen problembehafteten Bereich angesie­delt sein können. Die Systemischen Strukturaufstellungen ermöglichen einen Wechsel zwischen diesen Systemen, welcher sowohl explizit als auch implizit stattfinden kann. Bei einem expliziten Strukturebenenwechsel arbeiten Berater und Klient offen mit zwei unterschiedlichen Systemen, bei denen ein ähnliches Problem besteht, indem ein Problemteil des zuerst aufgestellten Systems entsprechend umbe­nannt wird. Vor allem im beruflichen Bereich wird bevorzugt mit dem impliziten Strukturebenenwechsel gearbeitet, um zum Beispiel private Probleme nicht in die Öffentlichkeit zu bringen. Bei diesem verdeckten Vorgehen können Probleme auf einer weiteren Ebene mit in die Aufstellung einbezogen werden. Der Therapeut nimmt keine Umbenennung durch, führt aber mit dem Systemteil ein Ritual durch, welches für beide Strukturebenen gilt. Eine weitere Option ist das Arbeiten auf mehreren Ebenen gleichzeitig; diese Ebenen können auch erst im Verlauf der systematisch ambigen (mehrdeutigen) Aufstellung hinzukommen und können dann implizit in die Arbeit mit einfließen. (Vgl. Sparrer 2004, S. 123 ff)

 

Darstellung und Kritik der Grundannahmen und Metaprinzipien (Kritik von Kersten Reich)

Insa Sparrer geht bei den von ihr und Matthias Varga von Kibéd entwickelten Systemischen Strukturaufstellungen von 2 Metaprinzipien und 4 Grundannahmen aus, die sich aus den von Bert Hellinger beobachteten Grundprinzipien entwickelt haben. Sparrer und Varga von Kibéd stellen im Gegensatz zu Hellinger einen systemtheoreti­schen Bezug her und erweitern die Prinzipien in diesem Sinne. (Vgl. Sparrer 2004, S. 114) Dies gelingt allerdings nicht überzeugend.
Die im Folgenden genannten und erläuterten Prinzipien sollen den Erhalt des Systems sichern und stellen sowohl Richtlinien für die Durchführung einer Aufstellung als auch Erklärungen für das Vorgehen des Beraters während der Aufstellung dar. Wir möchten zunächst auf die vier Grundannahmen und die in ihnen enthaltenen Prinzipien eingehen.

Die 1. Grundannahme setzt sich aus den „Prinzipien der Zugehörigkeit“ zusammen. Hier wird die Frage nach den Mitgliedern des Systems geklärt. Das dazugehörige „Prinzip des Nichtausschlusses“ besagt, dass alle Mitglieder das Recht haben, nicht von ihrem System ausgeschlossen zu werden. In der Praxis wird der Berater versuchen, ausgeschlossene oder tabuisierte Mitglieder zu finden und diese in die Aufstellung aufzunehmen. Die verwandtschaftlichen Beziehungen einer Familie, die durch Geburt entstehen, bleiben immer erhalten, so dass alle Mitglieder an den Prozessen innerhalb des Systems beteiligt sind. Auf der Unternehmensebene können Mitarbeiter auf die nicht gerechtfertigte Kündigung eines Kollegen verstört reagieren, da ein Teil ihres Systems entfernt und durch die Kündigung verstoßen wurde (dies gilt angeblich nicht bei berechtigten Kündigungen) (vgl. Sparrer 2004, S. 114 ff).
Das „Prinzip der Gleichwertigkeit der Zugehörigkeit“ geht auf die Daseinsberechtigung der Systemmitglieder ein. Dies Prinzip „sichert die Existenz des Systems, da sonst der Zugehörigkeitsbegriff und damit die Systemgrenze problematisch wird“ (Varga von Kibéd 2003, S. 183). Obwohl die Zugehörigkeit aller Systemmitglieder als gleichwertig betrachtet wird, sollte jedoch die zeitliche Reihenfolge ihres Eintritts berücksichtigt werden. Zwar wird mit dieser Grundannahme Hellinger ein wenig systemisch gewandelt, aber die Problematik der impliziten Zuschreibungen bleibt auch hier ebenso wie bei den Verwandtschaftsregeln unreflektiert. Es bleibt völlig unplausibel, weshalb überhaupt solche Allsätze und Normen als Grundlage verwendet werden sollen und weshalb nicht viel offener an die Kontexte und kulturellen Bedeutsamkeiten solcher Zuschreibungen herangegangen wird. Dies möchten wir als konstruktivistisches Defizit in diesem Ansatz markieren: Es gibt eine zu geringe Reflexion auf die Behauptung der eigenen Konstruktionen in ihren Kontexten, was sie als willkürlich und normativ unhergeleitet erscheinen lässt. Zwar lässt sich durchaus sinnvoll fragen, welche Ausschlüsse/Einschlüsse eine Gruppe motivieren, aber hier ist Vorsicht geboten, denn normative Vorurteile bestimmter ethnischer und kultureller Erwartungen schleichen sich an dieser Stelle gerne sehr schnell in die Allerweltssätze ein. Hier reicht es nicht aus, bloß systemisch zu denken, hier muss auch die dahinter liegende Wirklichkeits­konstruktion kritisch mit in den Blick geraten.

Die 2. Grundannahme besteht aus den „Prinzipien der zeitlichen Reihenfolge“, welche einerseits die Zeitfolge innerhalb eines Systems als auch zwischen Systemen regeln sollen. Das „Prinzip der systeminternen direkten Zeitfolge“ besagt, dass innerhalb eines Systems das ältere Mitglied Vorrang vor dem jüngeren hat. Ein Beispiel für dieses Prinzip wäre das Wachstum des Systems Familie durch die Geburt eines Kindes. Der Respekt vor der Leistung der früheren Mitglieder verhindert, dass diese sich vom neuen Mitglied eingeengt oder verdrängt fühlen. Das „Prinzip der inter­systemisch inversen Zeitfolge“ erklärt die Regeln für den Bereich der Fortpflanzung von Systemen. Wenn aus einem System zwei (oder mehr) werden, steht das neue System in der Reihenfolge vor dem alten. Ein Beispiel aus der Praxis wäre das Entstehen einer neuen Familie durch Heirat oder die Abspaltung einer Tochterfirma von einem Unter­nehmen. Diese neuen Systeme müssen besonders geschützt werden, damit sie die Chance haben, eine innere Stabilität aufzubauen (vgl. Sparrer 2004, S. 116 f).
Auch hier bleiben die schon bei Hellinger problematischen und unreflektierten kulturellen Vorannahmen erhalten. Zeitfolgen sind Konstruktionen und keine Natur­gesetze. Ihr Sinn wäre immer erst in konkreten Kontexten aufzuklären und nicht apriorisch zu setzen. Das vorgeschlagene Weltbild erscheint hier zudem als äußerst naiv, denn es führt eine nicht reflektierte Bewertung von Zeitfolgen als Wertung in die Beobachtung von Systemen ein. Reflektiert wird eine solche Bewertung erst dann, wenn sie eine Begründung aus den gedeuteten Kontexten (in all ihrer Widersprüchlichkeit) findet. Inwieweit hier neue Systeme geschützt werden müssen oder nicht, dies lässt sich doch niemals unabhängig von den konkreten Systemen als Norm aufstellen. Und für uns ist es erschreckend, wenn solche Naivität das therapeutische oder beraterische Handeln anleiten sollte, nur weil Therapeutinnen und Berater eine Orientierung für Interventionen in der sonst so offenen Welt unterschiedlicher Handlungen und Motive suchen, was manch einem offenbar zu viel Sorge oder Angst macht.

Die 3. Grundannahme besteht im „Prinzip des Vorrangs des höheren Einsatzes“, welches die so genannte Immunkraftbildung eines Systems zu fördern scheint. Systeme, in denen alle vorhandene Kraft in interne Konflikte fließt, können sich nicht stabilisieren. Das Prinzip regelt die Würdigung des Einsatzes des einzelnen System­mitglieds für das System. Die Energie kann bei Umsetzung des Prinzips frei fließen und den Systemerhalt sichern. (Vgl. Sparrer 2004, S. 118 f)
Auch hier wird ein Allsatz formuliert, der auf einige Fälle zutreffen mag, der aber als Allsatz problematisiert werden muss. Es gibt durchaus unterschiedliche Systeme mit sehr unterschiedlichen Wirkmechanismen, die nicht so einfach in ihren Energien zu erklären sind, wie es hier suggeriert wird.

Die 4. Grundannahme bezieht sich auf die „Förderung der individuellen Reifung von Systemmitgliedern“ (Sparrer 2004, S. 119). Das „Prinzip des Fähigkeitsvorrangs“ impliziert, dass die Fähigkeiten der einzelnen Systemmitglieder von den anderen gewürdigt werden und der Einzelne durch die so erfahrene Wertschätzung seine Fähig­keiten weiter ausbauen und individuieren kann. Die so entstehenden Unterschiede zwischen den Systemmitgliedern führen zu einem vielseitig ausgerichteten System, das angemessen und kompetent auf unterschiedliche Konflikte reagieren kann.
Diese Grundannahme ist allerdings als Norm eher eine Wunschvorstellung des Thera­peu­ten/der Beraterin als eine normative Größe. Wäre sie eine normative Größe, dann müsste man behaupten, dass es überhaupt hinreichend möglich sei, die individuelle Reifung von Menschen unmittelbar beeinflussen und instruieren zu können, was aber aus einer konstruktivistischen Sicht der dabei beanspruchten Viabilität äußerst problematisch ist. Hier müsste umgekehrt gefordert werden, dass allein der Klient für sich herausfinden kann, inwieweit er im Prozess der Beratung eine Individuierungs­chance erfährt.

Das 1. Metaprinzip besagt: „Das Gegebene muss anerkannt werden“ (Varga von Kibéd 2003, S. 181). Die Einhaltung dieses Prinzips erweist sich als besonders wichtig, da sich alle Grundannahmen von ihm ableiten lassen und eine Nichteinhaltung sich ebenfalls auf diese auswirken würde. In der Praxis steht dieses Metaprinzip für die Beachtung der vier Grundprinzipien, die den Systemerhalt sichern.

Das 2. Metaprinzip beinhaltet die „Regelung der Reihenfolge der Berücksichtigung der vier Grundprinzipien“ (vgl. Varga von Kibéd 2003, S. 181).

Die folgende Grafik verdeutlicht einerseits die Prioritäten, die sich die Mitglieder des Systems beim Systemerhalt setzen, denn „Systeme die zu sehr um ihre Existenz kämpfen müssen, können nicht ausreichend für Wachstum und Fortpflanzung sorgen bzw. haben keine Energie mehr dafür übrig.“ (Sparrer 2004, S. 122). Andererseits gibt die Reihenfolge auch eine Auskunft über die Relevanz der Einhaltung der Grundannahmen während einer Aufstellung. Hier wird sich der Berater zunächst mit der Frage befassen, welche Personen dem System angehören um dann festzustellen, welches Mitglied Vorrang vor einem anderen hat, etc.

 

        (frei erstellt nach Sparrer 2004, S. 123)

Wenn schon die Grundannahmen als problematisch erscheinen, dann wird dies durch die Metaprinzipien keinesfalls besser. Insgesamt wird wie bei Hellinger versucht, eine Ordnungstheorie aufzustellen, die sich hier durch eine sehr formale Betrachtungsweise darin tarnt, welche unhinterfragten Voraussetzungen in sie eingegangen sind. Was sollen wir mit einem Metaprinzip anfangen, dass (ähnlich wie bei Hegel) alles Gegebene oder Wirkliche als das Wirkliche oder Wahre uns darstellen will? Hier landen wir in nichtssagenden Allgemeinplätzen, die eine Reflexion auf das unterschiedlich Gegebene (in den unterschiedlichen Wirklichkeitskonstruktionen der Klienten und Therapeuten) eher verhindern als anleiten werden. Das zweite Metaprinzip setzt uns zudem in die problematische Situation, eine formale Ordnung mit Rangfolgen jenseits der spezifischen Kontexte zu errichten, was allein dem Zweck dient, dass der Therapeut/Berater sich eine Ordnung in seiner Herangehensweise verschaffen kann, um seinen Prozess nach einer Logik gezielt und sicher durchzuführen, was aber keiner Logik in den Situationen selbst entsprechen kann. Sonst müssten wir behaupten, dass es in der menschlichen Kommunikation eine entsprechende Logik von Reihenfolgen gibt, eine Denkweise, die gerade der systemische Konstruktivismus entschieden bekämpft. Sie kann auch nur unterstellt und keineswegs für alle Fälle der Kommunikation nach­gewiesen werden.
Wenn also dieser Ansatz in der Praxis eingesetzt wird, so empfehlen wir nachdrücklich, die Grundannahmen und Prinzipien als nur eine Form der Wirklichkeitskonstruktion zu sehen, die durch viele andere und auch gegensätzliche zu ergänzen und damit zu ersetzen wäre. Dann aber müssen sie ohnehin als Grundannahmen und Prinzipien aufgegeben werden, um damit auch konsequent den Restanteil von Hellinger bei Sparrer/von Kibed aufzugeben.

 

Arten Systemischer Strukturaufstellungen

Die Systemischen Strukturaufstellungen, welche von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd entwickelt wurden, lassen sich in verschiedene Arten unterteilen, deren gemeinsame Basis die oben dargestellten und von uns abgelehnten Grundannahmen und Metaprinzipien sind. Im Folgenden möchten wir diese Aufstellungsarten vorstellen und dabei auf die Problem- und Tetralemmaaufstellung ausführlicher eingehen. Beide Typen lassen sich aus unserer Sicht auch ohne die Grundannahmen und Prinzipien stellen.
Bei der Problemaufstellung stehen der Fokus (der Träger des Problems) und das Ziel im Vordergrund, aber auch Hindernisse, Ressourcen und der Gewinn, den der Klient durch den Problembesitz erfährt, sowie künftige Aufgaben, die nach der Problemlösung auf ihn zukommen, werden in der Aufstellung berücksichtigt (vgl. Sparrer 2004, S. 143 ff). Diese Teile werden von Varga von Kibéd als „Grammatik des Worts „Problem“ im Kontext von Therapie und Beratung“ (Varga von Kibéd 2003, S. 240) bezeichnet, sie werden bei dieser Art der Aufstellung durch Repräsentanten im engeren Sinn dar­gestellt.
Die Tetralemmaaufstellung bezieht sich vor allem auf Gegensätze und das so genannte „Querdenken“ (vgl. Varga von Kibéd 2003, S. 23 ff, S. 75 f). Beim Tetralemma hat der Klient zunächst die Wahl zwischen vier Standpunkten, wobei jeweils einer für die eine oder die andere Möglichkeit steht, der dritte für beide gleichzeitig und der vierte für keine von beiden. Bei der Aufstellung werden die vier Positionen als Orte gestellt und durch eine fünfte Position, die so genannte „Nicht-Position“ ergänzt, welche als freies Element gestellt wird. Diese „Nicht-Position“ des „…und auch dies nicht – und selbst das nicht!“ (Varga von Kibéd 2003, S. 79) besteht im Vergleich zu den vier anderen aus einer Unterbrechung des rigiden Musters der Entscheidungsfindung. Der Klient wird in der Aufstellung durch einen Repräsentanten vertreten. Tetralemmaaufstellungen sind Prozessaufstellungen, sie ermöglichen dem Klienten eine Entwicklung entlang der Aufstellung, die vom Einnehmen neuer Positionen, dem Erkennen der erweiterten Möglichkeiten und daraus resultierenden Entscheidungen geprägt ist. (Vgl. Sparrer 2004, S. 147 f)
Einige weitere Arten Systemischer Strukturaufstellungen (für die wir ebenfalls nicht notwendig auf die Grundannahmen und Prinzipien zurückgreifen müssen) sind zum Beispiel die

  • Aufstellung des ausgeblendeten Themas, bei der der Fokus, das offizielle und das ausgeblendete Thema als Repräsentanten aufgestellt werden. Da es neben dem offenen Anliegen des Klienten (offizielles Thema) parallel um ein weiteres, ver­decktes Thema geht, lässt sich diese Aufstellung besonders gut im Organisationsbe­reich durchführen, da der Klient seine Privatsphäre wahren kann (vgl. Sparrer 2004, S. 146).
  • Glaubenspolaritätenaufstellung, die beispielsweise bei der Modifikation von Glaubenssätzen zum Einsatz kommen kann (vgl. Sparrer 2004, S. 150).
  • Körperaufstellungen.
  • Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen, die unter Beispielen ausführlich besprochen werden.

Typen Systemischer Strukturaufstellungen
Neben den oben beschriebenen Arten lassen sich die Systemischen Strukturaufstellungen verschiedenen Typen zuordnen, bei denen jeweils andere Aspekte im Vordergrund stehen. Insa Sparrer unterscheidet unter anderem zwischen

  • verdeckten Aufstellungen, bei denen ausschließlich mit abstrakten Repräsentanten im weiteren Sinn gearbeitet wird,
  • gemischt-symbolischen Aufstellungen, die mit verschiedenen Elementen aus den oben beschriebenen Aufstellungsarten arbeiten und diese innerhalb einer Aufstellung einsetzen,
  • multifokalen Aufstellungen, welche die Situation aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und sich somit vor allem für die Bearbeitung von Konflikten in Gruppen eignen.
  • Aufstellungen mit Strukturebenenwechsel, bei denen mehrere Systemebenen aufgestellt werden, welche erst im Laufe der Aufstellung deutlich werden. Dies geschieht entweder durch einen expliziten Strukturebenenwechsel, bei dem die betroffenen Teile umbenannt werden oder durch einen impliziten Wechsel, bei dem der Therapeut auf der ersten Ebene offen und auf der zweiten Systemebene verdeckt arbeitet, indem er auf beiden Ebenen die gleichen Rituale durchführt,
  • systematisch ambigen Aufstellungen, bei denen auf mehreren Strukturebenen gleich­zeitig gearbeitet wird, allerdings berücksichtigt der Therapeut die verschiedenen Ebenen von Anfang an und weist den Klienten in diesem Fall auf die ebenfalls in das Problem/die Aufstellung involvierten Systemebenen hin.
  • Supervisionsaufstellungen, bei denen immer mindestens zwei Systeme aufgestellt werden und das Thema der Aufstellung sich aus der Beziehung dieser beiden Systeme zueinander ergibt. Dieser Aufstellungstyp eignet sich besonders für die Reflexion der Beziehung zwischen Therapeut und Klient. (Vgl. Sparrer 2004, S. 155 ff)

Systemische Strukturaufstellungen im Bereich der Schule
Die Systemischen Strukturaufstellungen werden in verschiedenen Bereichen auch außerhalb der Therapie angewandt. Auf die Möglichkeit, eine Systemische Strukturaufstellung im Rahmen des Unterrichts oder der schulpsychologischen Beratung durchzuführen, möchten wir genauer eingehen.
Aufstellungen gehören zu den Methoden, bei denen die Geschicklichkeit im Bereich der Sprache nicht besonders gefordert wird, da es vorwiegend auf die körperliche oder räumliche Darstellung von Beziehungen ankommt. In der Schule eröffnet die Methode somit eine Chance, alle Mitglieder des Klassensystems mit einbeziehen zu können, da die sonst dominanten sprachlichen Kompetenzen zumindest relativiert werden. Der Lehrer oder Schulpsychologe sollte jedoch über eine entsprechende systemische Ausbildung verfügen und mit den Grundprinzipien der Aufstellungsarbeit vertraut sein, damit eventuell auftretende Konflikte professionell aufgefangen werden können.
Im Unterricht können Aufstellungen zur Lösung von Konflikten innerhalb der Klassengemeinschaft eingesetzt werden, da die Schüler eine weitere Perspektive einnehmen und somit neue Sichtweisen erfahren können. Systemische Strukturaufstellungen dienen einerseits dazu, Beziehungen zu visualisieren, aber auch dazu, verdeckte Konflikte und Unstimmigkeiten im System aufzudecken. Des Weiteren ermöglichen sie durch den Strukturebenenwechsel ein verdecktes Arbeiten, so dass beispielsweise auch familiäre Probleme, die sich auf einer anderen Systemebene befinden, geklärt werden können.
Einzelaufstellungen können vom Schulpsychologen als Methode zur Klärung von Konflikten verschiedenster Art genutzt werden. Der Schüler kann mit Hilfe der Re­präsentanten Schulängste, Motivationsprobleme oder zwischenmenschliche Konflik­te aufstellen und so zu neuen Perspektiven gelangen.


4.2 Kombinationsmöglichkeiten

Die von Insa Sparrer entwickelten Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen stellen eine Kombination von Elementen aus der lösungsfokussierten Kurzthera­pie und den Systemischen Strukturaufstellungen dar. Auch wenn die beiden Ansätze in einigen Punkten konträr erscheinen mögen (vgl. theoretische und praktische Begründung), gibt es doch einige Gemeinsamkeiten und auch Ergänzungen, die eine Verknüpfung zulassen und somit die Möglichkeit geben, eine Methode zu entwickeln, die die Vorzüge beider Ansätze vereint. Im Folgenden möchten wir zwei verschiedene Möglichkeiten der Kombination dieser beiden Ansätze vorstellen, wobei der Schwerpunkt auf der lösungsfokussierten Kurztherapie als Aufstellung liegen wird.

 

4.2.1 Sukzessive Kombination

Bei dieser Form der Kombination werden beide Ansätze nach und nach in der Therapie oder Beratung eingesetzt, dabei kann entweder das lösungsfokussierte Vorgehen oder die Aufstellung im Vordergrund stehen.

Integration der Systemischen Strukturaufstellungen in die lösungsfokussierte Kurztherapie
Bei dieser Kombinationsmöglichkeit wird die Methode der Aufstellung in den Ansatz der lösungsfokussierten Kurztherapie integriert. Die beiden Ansätze können entweder innerhalb einer Sitzung aber auch über den gesamten Verlauf der Therapie oder Beratung miteinander abgewechselt werden. Insa Sparrer gibt in ihrem Buch „Wunder, Lösung und System“ Beispiele sowohl für die erste als auch für die zweite Variante, welche wir im Folgenden erläutern werden.

1. Variante: Vorinterview
Im Rahmen des Vorinterviews, welches zu Beginn der lösungsfokussierten Kurztherapie durchgeführt wird, geht es vor allem um die Erfassung des Anliegens des Klienten. Der Berater hat die Möglichkeit beide Ansätze sukzessiv zu kombinieren, indem er zu­nächst mit Elementen der lösungsfokussierten Kurztherapie wie der Klärung des Kon­textes und des Ziels, sowie der Wunderfrage und der Frage nach Ausnahmen arbeitet. Im Anschluss folgt ein Element der Systemischen Strukturaufstellungen, die Frage nach Ausgeschlossenem, mit deren Hilfe nicht erwähnte Mitglieder des Systems ausgemacht werden können, welche ein neues Licht auf das Problem werfen können, da auch sie unter ähnlichen Symptomen leiden (was unter anderem auf eine Symptomverschiebung hindeuten könnte). (Vgl. Sparrer 2004, 188 ff)

2. Variante: Kombination im Therapie-/Beratungsverlauf
Bei dieser Kombination können verschiedene Aufstellungsarten in die lösungsfokussierte Kurztherapie integriert werden. Im Folgenden möchten wir ein Beispiel für einen möglichen Verlauf einer solchen Beratung geben, der Variation sind hierbei keine Grenzen gesetzt. Im Vorinterview können mit Hilfe der Elemente der Kurztherapie (Fokus, Ziel, Gewinn usw.) Informationen zum Problem oder Symptom erfragt werden, welche in dieser oder einer späteren Sitzung in eine Aufstellung einfließen. Die Repräsentanten können in diesem Fall sowohl aus Elementen der lösungsfokussierten Kurztherapie als auch aus Problemteilen bestehen. (Vgl. Sparrer 2004, S. 206 ff)

Integration der lösungsfokussierten Kurztherapie in die Systemischen Strukturaufstellungen
Bei dieser Kombinationsmöglichkeit führt der Berater zunächst eine Aufstellung durch, die im weiteren Verlauf der Beratung durch Methoden der lösungsfokussierten Kurztherapie ergänzt werden. Aufstellungen können emotional aufwühlend und belastend sein, so dass eine professionelle Unterstützung bei der Aufarbeitung für den Klienten unabdingbar ist. Dieses Vorgehen ermöglicht ein Aufgreifen von Erkenntnissen und Gefühlen, die der Klient während oder durch die Aufstellung erfahren konnte und bildet somit einen therapeutischen Rahmen, der dem Klienten Sicherheit und das Gefühl eines „Sich-aufgehoben-Fühlens“ vermittelt, das eine Grundlage einer vertrauensvollen Berater-Klient-Beziehung darstellt.


4.2.2 Die lösungsfokussierte Kurztherapie als Aufstellung

Bei dieser Kombinationsmöglichkeit werden Elemente der lösungsfokussierten Kurztherapie wie beispielsweise der Fokus, das Ziel sowie das Wunder im Rahmen einer Aufstellung räumlich angeordnet. Die Aufgabe des Beraters besteht darin, durch Fragen aus dem Bereich der lösungsfokussierten Kurztherapie (Frage nach Ausnahmen, Wunderfrage) neue Entwicklungen und Prozesse in der Aufstellung hervorzurufen. Insa Sparrer entwickelte verschiedene Lösungsfokussierte Systemische Strukturaufste­lungen nach dieser Variante der Kombination, die im nachfolgenden Kapitel vorgestellt und erläutert werden.


4.3 Verschiedene Modelle im Bereich der Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen

Die im Folgenden vorgestellten Modelle der LFSySt basieren allesamt auf der zweiten Kombinationsmöglichkeit, der Aufstellung von Elementen aus der lösungsfokussierten Kurztherapie. Sie unterscheiden sich vor allem im Bereich der aufgestellten Repräse­tanten und in weiteren strukturellen Merkmalen. Die therapeutische Haltung, das syste­mische Vorgehen und die Fragestellung des Beraters basieren auf denen der Systemischen Strukturaufstellungen. Auf diese für alle Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen geltenden und bereits im vorangegangenen Unterkapitel beschrie­benen Merkmale werden wir an dieser Stelle nur am Rande eingehen.
Im Anschluss an die Darstellung der einzelnen Modelle möchten wir kurz auf die möglichen Anwendungsbereiche und dabei vor allem auf die Umsetzung von Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen in der Schule eingehen. Wie bei allen systemischen Methoden setzt die Durchführung eine spezielle Ausbildung bzw. Weiterbildung in diesem Bereich voraus, einerseits um sich im Vorfeld mit den Grundprinzipien der systemischen Therapie und Beratung auseinanderzusetzen, andererseits um mögliche Konflikte oder eine während der Aufstellung bei den Repräsentanten oder beim Klienten aufkommende psychische Labilität angemessen und professionell auffangen zu können.

4.3.1 Neun- und Zwölffelderaufstellung

Aufbau und Ablauf
Bei dieser Aufstellungsform werden Elemente aus der lösungsfokussierten Kurztherapie in einem Koordinatensystem aufgestellt, welches aus neun Feldern besteht. Die Y-Achse entspricht der Zeitachse, welche von der Vergangenheit über die Gegen­wart in die Zukunft reicht. Bei der Zwölffelderaufstellung unterteilt sich die Zukunft noch einmal in nahe und ferne Zukunft. Auf der X-Achse (Bereichsachse) finden sich drei verschiedene Bereiche wieder, in denen sich Lösungen zeigen können:

  • Der interne Kontext steht dabei für Kognitionen, Emotionen, Empfindungen und Funktionen des Körpers.
  • Die Grenze zwischen den beiden Kontexten symbolisiert die Person des Klienten.
  • Der externe Kontext steht für das Verhalten von Personen, Situationen und Inhaltliches.

(Vgl. Sparrer 2004, S. 241 ff)

 

Schema der Neunfeldertafel (frei erstellt nach Sparrer 2004, S. 242)

Zukunft

1

2

3

Gegenwart

4

5

6

Vergangenheit

7

8

9

 

interner Kontext

Grenze

externer Kontext

Die oben stehende Abbildung stellt ein Muster für eine Aufstellung dar, wie sie in der Praxis auf dem Boden markiert würde. In den 9 bzw. 12 Feldern werden zunächst die unterschiedlichen Lösungen aufgestellt, dabei handelt es sich um Abstrakta, nicht um konkrete Personen. Dem Therapeut stehen drei Fragen zur Verfügung, mit deren Hilfe er dem Klienten mögliche Lösungen aufzeigen kann.  

Fragestellungen zu den Zeitbereichen (frei erstellt nach Sparrer 2004, S. 243)

Zukunft (1-3)

Woran erkenne ich, dass das Problem gelöst ist?

(Zukünftige Lösungen)

Gegenwart (4-6)

Was bewährt sich gegenwärtig?

Vergangenheit (7-9)

Welche vergangenen erfolgreichen Lösungen gibt es? (Ausnahmen vom Problem)

Nach der Aufstellung besteht die Möglichkeit, Lösungen durch Prozess- oder Stellungsarbeit an einen anderen Platz zu stellen, beispielsweise wenn diese sich als Hindernisse herausstellen und den Blick auf ein anderes Element verdecken. Als nächstes stellt der Klient weitere Aspekte der lösungsfokussierten Kurztherapie auf:

  • Fokus (für sich selbst),
  • Ziel (im Bereich nahe Zukunft/Grenze),
  • Wunder (im Bereich Zukunft/Grenze, jedoch weiter vom Fokus entfernt, in der ferneren Zukunft)
  • Kontext des Wunders (steht für die Reaktionen der Personen im Umfeld des Klienten auf seine Veränderungen)

Diese stellen die so genannten „Repräsentanten im engeren Sinne“ dar. Sie können für Familien- oder personale Systemmitglieder, aber auch für Problem- oder Körperteile stehen und sollen, nachdem sie vom Klienten aufgestellt wurden, ausschließlich vom Aufstellungsleiter umgestellt werden. (Vgl. Sparrer 2004, S. 245 f)

Die nächste Abbildung stellt eine mögliche Variante einer Zwölffelderaufstellung dar:

 

 

ferne Zukunft

 

 

Wunder

 

 

nahe Zukunft

 

 

 

Ziel

           

 

 

Gegenwart

 

 

 

Fokus

               

 

 

Vergangenheit

 

 

 

 

 

vergangener Kontext des Wunders

Zeit/ Bereich

interner Kontext

Grenze

externer Kontext

(frei erstellt nach Sparrer 2004, S. 246)

Anwendungsbereiche
Die Neun- und Zwölffelderaufstellung baut auf einem sehr offen gehaltenen Grund­muster auf und eignet sich somit für Aufstellungen in den unterschiedlichsten Kontexten wie Schule, Familien- oder Organisationsberatung sowie Therapie (vgl. Sparrer 2004, S. 249 f). Sie kann sowohl als Gruppen- als auch als Einzelaufstellung durchgeführt werden. Da diese Aufstellung allerdings sowohl mit einer großen Zahl Repräsentanten als auch in verschiedenen Zeitbereichen und im inneren und äußeren Kontext arbeitet, muss der Klient ein gewisses Vorstellungsvermögen mitbringen, um sich in die Aufstellung einfinden zu können.
In der Therapie können Therapeut und Klient neue Lösungswege entdecken, indem Hindernisse aufgedeckt und neue Ressourcen erschlossen werden. Die abstrakten Elemente der lösungsfokussierten Kurztherapie erfahren durch ihre Aufstellung eine Konkretisierung, auf Grund derer der Klient eine genauere innere Vorstellung seines Problems entwickeln kann, da dies durch das Stellen für ihn auf dem Boden sichtbar wird.
Die Familienberatung arbeitet seit jeher mit Aufstellungen. Die Neun- und Zwölffelderaufstellung bietet dem Berater im Vergleich zu den herkömmlichen Familienaufstellungen, wie zum Beispiel nach Hellinger, einige Vorteile. Zum einen ermöglicht die Hinzunahme der zeitlichen Achse sowie der Elemente aus der lösungsfokussierten Kurztherapie ein weniger ursachenorientiertes und stattdessen lösungsorientiertes Arbeiten. Zum anderen stellen die lösungsfokussierten Interviews eine ebenso beraterisch sinnvolle als auch verantwortungsbewusste Ergänzung der Aufstellung dar, die dem Klienten ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit gibt.
In der Organisationsberatung ermöglicht diese Form der Aufstellung ein lösungs­orientiertes und somit effizientes Arbeiten mit den Klienten. Ein besonderer Vorteil besteht in der Aufstellung von Lösungen, Zielen und Wundern, weil der Klient neben seinen zwischenmenschlichen ebenso auf seine organisatorischen, kreativen oder motivationalen Probleme eingehen kann. Da die einzelnen Elemente nicht explizit genannt werden müssen, besteht die Möglichkeit des verdeckten Arbeitens, das vor allem im Kontext von Organisationen und Unternehmen für die Klienten ein angenehmes Vorgehen darstellt. Persönliche Probleme und Gedanken müssen nicht vor der Aufstellungsgruppe dargelegt werden, so dass jeder sein Gesicht wahren kann. (Vgl. Sparrer 2004, S. 254 ff)

Die Neun- und Zwölffelderaufstellung im schulischen Kontext
Da diese Form der Aufstellung zu den komplexeren Modellen zählt, setzt ihre Durchführung ein ausreichend abstraktes Vorstellungsvermögen voraus. Im Bereich der Schule ist demnach im Einzelfall über die Möglichkeit der Realisierung zu entscheiden. Eine Variante stellt die Einzelaufstellung im Rahmen der Schulpsychologie dar, bei der mit Hilfe von Symbolen oder Bodenankern gearbeitet werden kann.
Im Rahmen des Unterrichts kann die Neun- und Zwölffelderaufstellung zur Klärung von Problemen im Bereich des Lernens oder der Motivation eingesetzt werden, wobei in diesem Fall nur die Sicht eines Schülers aufgestellt werden kann, die anderen stehen als Repräsentanten für das Problem, das Ziel und das Wunder. Eine weniger komplexe Variante dieser Art der Aufstellung stellt die im Folgenden beschriebene Zielannäherungsaufstellung dar, die im schulischen Kontext aufgrund ihres übersichtlicheren Aufbaus einfacher durchgeführt werden kann.

 

4.3.2 Zielannäherungsaufstellung

Aufbau und Ablauf
Bei der Zielannäherungsaufstellung handelt es sich um eine verkürzte Form der Neun- und Zwölffelderaufstellung, da sie im Unterschied zu diesen nicht mit den verschiede­nen Zeitbereichen, sondern mit einer Zeitlinie arbeitet und auch der innere und äußere Kontext sowie die Grenze nicht in die Aufstellung eingehen. Neben der Zeitlinie als nichtpersonalem Ort beinhaltet diese Aufstellung den Fokus und das Ziel in Form eines Repräsentanten. Es besteht die Option, zusätzlich das Wunder und den Kontext des Wunders hinzuzunehmen. (Vgl. Sparrer 2004, S. 282)
Der erste Schritt besteht in der Festlegung der Zeitlinie in Form einer Markierung auf dem Boden entweder durch den Berater, den Klienten oder den Repräsentanten des Klienten; letzteres geschieht aus der Aufstellung heraus. Auch bei dieser Aufstellung muss sich der Klient zunächst darüber klar werden, was sein Ziel sein soll. Das Wunder kann ebenfalls gestellt werden und als Ergänzung des Ziels in der ferneren Zukunft dienen. Der Kontext des Wunders besteht auch bei dieser Aufstellung aus den Reaktionen der Personen im Umfeld des Klienten auf seine Veränderung sowie aus möglichen ausgeschlossenen Personen. (Vgl. Sparrer 2004, S. 285 f)
Die Abbildung zeigt eine Zielannäherungsaufstellung unter Einbezug ausgeschlossener/ verstorbener Personen:

Zukunft Ziel
Gegenwart Fokus
Vergangenheit

Urgroßmutter

 

Ururgroßmutter

(frei erstellt nach Sparrer 2004, S. 297)

Anwendungsbereiche
Die Zielannäherungsaufstellung eignet sich hervorragend dazu, mit anderen Aufstellun­gen kombiniert oder zu einer Neunfelderaufstellung erweitert zu werden, da sie in ihrer Basisform nur sehr wenige feste Bestandteile aufweist und somit einen großen Spielraum bietet (vgl. Sparrer 2004, S. 282).
Eine Kombinationsmöglichkeit besteht darin, die Familienaufstellung in die Zielannähe­rungsaufstellung zu integrieren und so einerseits mit verschiedenen ausgeschlossenen Personen als auch mit der Zeitlinie arbeiten zu können.
Neben einer solchen Integration kann die Zielannäherungsaufstellung auch mit verschiedenen anderen Aufstellungen innerhalb einer Beratung oder Therapie abgewechselt werden. Dieses Vorgehen ermöglicht ein genau auf den jeweiligen Klienten und seine Probleme zugeschnittenes Arbeiten, das spontan und kreativ gestaltet werden kann.

Die Zielannäherungsaufstellung im schulischen Kontext
Die Zielannäherungsaufstellung lässt sich im Bereich der Schule durch die geringere Komplexität einfacher durchführen als die oben beschriebene Neun- und Zwölffelderaufstellung. Auch bei dieser Aufstellung besteht die Möglichkeit Themen wie Motivation, Schulängste oder Lernprobleme aufzustellen, allerdings vorrangig aus der Perspektive eines Schülers und eher selten aus der Sicht der gesamten Gruppe. Jedoch können auch die Repräsentanten oder auch die nicht teilnehmenden Schüler Erfahrungen aus der Aufstellung ziehen: Zum einen ermöglicht sie eine Perspektiv­übernahme und wirkt sich somit fördernd auf das empathische Verhalten unter den Schülern aus, zum anderen können Schüler mit ähnlichen Problemen ebenso Anhaltspunkte für die eigene Verhaltensänderung finden.

4.3.3 Lösungsaufstellung

Aufbau und Ablauf

In der Lösungsaufstellung werden ebenfalls Elemente des lösungsfokussierten Inter­views wie der Fokus, das Ziel, die Ausnahmen, das Wunder und der Kontext des Wunders als Repräsentanten im engeren Sinn aufgestellt und zeigen dem Klienten die Beziehungen zwischen den Teilen des Problems auf. Diese Aufstellungsform stellt im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Aufstellungen eine weitere Komplexitäts­reduktion dar: Neben dem inneren und äußeren Kontext und der Grenze fällt bei der Lösungsaufstellung auch die feste Zeitlinie weg, so dass die Aufstellung (ähnlich dem Vorgehen bei einer Familienaufstellung) frei im Raum durchgeführt wird. Der Berater kann durch spätere Fragen allerdings indirekt auf die zeitliche Dimension der Lösung eingehen, dies würde infolgedessen einen Strukturebenenwechsel zur Zielannäherungsaufstellung erlauben. Da die Zeitlinie keine explizite Rolle spielt, wird die Reihenfolge der aufgestellten Ereignisse in der Lösungsaufstellung irrelevant. (Vgl. Sparrer 2004, S. 324 f)

Auch wenn der Name eine direkte Aufstellung einer Lösung verspricht, können wir zunächst nur mit vorläufigen Lösungsideen rechnen, die allerdings noch problembehaf­tet sind und sich erst im Laufe der Prozess- und Stellungsarbeit zu einer Lösung ent­wickeln können. Insa Sparrers Gedanke bei der Entwicklung der Lösungsaufstellung war in erster Linie die Suche nach einer Möglichkeit, Elemente aus der lösungsfokussierten Kurztherapie direkt in einer Aufstellung übertragen zu können. Die dabei entstandene Aufstellung lässt sich in der Praxis ausgezeichnet mit dem lösungs­fokussierten Interview verbinden, da die Fragestellung des Interviews dem Klienten bereits im Vorfeld der Aufstellung Aufschluss über die Repräsentanten gibt, anderer­seits kann die Aufstellung Prozesse, die sich während des Interviews ergeben haben, weiter vertiefen. (Vgl. Sparrer 2004, S. 323)

Die Abbildung zeigt ein Beispiel zur Lösungsaufstellung. Der Klient möchte bei seiner Arbeit erfolgreicher sein. „Schlaf“ und „Natur“ und „Erinnerung“ stehen in dieser Auf­stellung für Ausnahmen vom Problem.

 

 (frei erstellt nach Sparrer 2004, S. 329)

Anwendungsbereiche
Insa Sparrer beschreibt die Lösungsaufstellung als Ressourcenfeld, da der Klient durch die Beschäftigung mit den Ausnahmen vom Problem mit seinen sich darin befindlichen Ressourcen in Kontakt treten kann (vgl. Sparrer 2004, S. 326 f).
In der Organisationsberatung kann der Klient mit Hilfe dieser Aufstellung Zugang zu seinen noch nicht entdeckten Ressourcen finden und somit seine Arbeit oder seine Beziehungen innerhalb des Teams verbessern. Durch die Vernachlässigung der zeitlichen Achse besteht zudem die Möglichkeit eines impliziten, das heißt verdeckten Stuktur-Ebenenwechsels hin zu einer Familienaufstellung, bei der Lösungen für Proble­me aus dem privaten Bereich gefunden werden können.

Die Lösungsaufstellung im schulischen Kontext
Durch die weitere Komplexitätsreduktion eröffnet die Lösungsaufstellung eine im Bereich der Schule und des Unterrichts weniger aufwändig durchzuführende Form der Aufstellung, die sich aber sowohl durch Hinzunahme der zeitlichen Dimension zu einer Zielannäherungsaufstellung als auch zu einer Familienaufstellung erweitern lässt.
Neben den möglichen Themen der Motivation, der Schulangst oder der Außenseiter­problematik lassen sich mit Hilfe dieser Aufstellung ebenfalls Lösungen für familiäre Probleme finden – durch den verdeckten Strukturebenenwechsel wird die Privatsphäre des Schülers gesichert.


4.3.4 Lösungsgeometrisches Interview

Aufbau und Ablauf
Das lösungsgeometrische Interview stellt die direkte Verbindung zwischen Systemischer Strukturaufstellung und lösungsfokussiertem Interview dar. Auch in den vorangegangenen Modellen wurden Elemente der lösungsfokussierten Kurztherapie in der Aufstellung verwandt. Die Besonderheit dieses Modells liegt in der Tatsache, dass die Repräsentanten für Personen stehen (im Gegensatz zum Fokus, Ziel und Wunder bei den vorherigen), sowie das Interview nicht nur mit dem Klienten selbst, sondern auch mit den Repräsentanten geführt wird. Damit eine Gesprächsrunde im Rahmen der Aufstellung zustande kommen kann, wird zunächst die Aufstellung durchgeführt, bei welcher der Leiter darauf achtet, dass auch die ausgeschlossenen Personen sowie die zeitliche Reihenfolge und andere systemische Grundprinzipien berücksichtigt werden. Nach einigen Umstellungen, die dem Aufbau einer Gesprächsrunde dienen, kann der Leiter mit dem Interview der Repräsentanten beginnen, welche mit Hilfe der repräsentierenden Wahrnehmung für die von ihnen dargestellten Personen sprechen. Bei diesen Äußerungen geht es weniger um Inhalte, als viel mehr um die Klärung von Beziehungen und Verstrickungen innerhalb des Systems. (Vgl. Sparrer 2004, S. 345 f)

Anwendungsbereiche
Durch die Möglichkeit das Interview ausschließlich mit den Repräsentanten durchzuführen, kann das lösungsgeometrische Interview vorzugsweise bei der Aufstellung des abwesenden Teams, zum Beispiel in der Organisationsberatung durchgeführt werden. Häufig entziehen sich einzelne Kollegen der Beratung und können mit Hilfe der Repräsentanten wieder in das Team integriert werden. Auch wenn sie nicht persönlich an Aufstellung und Interview teilnehmen, hilft ihre Anwesenheit in Form des Repräsentanten den anderen Kollegen bei der Suche nach Lösungen, da die Perspektive des nicht körperlich Anwesenden dennoch berücksichtigt wird (vgl. Sparrer 2004, S. 346 ff). Diese Einbeziehung stellt eine relevante Komponente für den Fortbestand und die Entwicklung des Systems dar.

Das lösungsgeometrische Interview im schulischen Kontext
Das lösungsgeometrische Interview lässt sich als eins der gegenständlichsten Modelle im Bereich der Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen bezeichnen, da zum einen die Repräsentanten für konkrete Personen stehen, zum anderen wird das Vorgehen durch das Interview für den Klienten und die Repräsentanten greifbarer. In der Schule kann das lösungsgeometrische Interview z.B. besonders gut im Bereich der Streitschlichtung zum Einsatz kommen, wobei es noch nicht einmal erforderlich ist, dass alle Betroffenen an ihm teilnehmen. Auch andere Konflikte oder Unstimmigkeiten in der Klassengemeinschaft können mit Hilfe dieses Modells aufgestellt werden. Die Schüler lernen sich in ihre Mitschüler hineinzuversetzen, sich empathisch mit den Konflikten auseinanderzusetzen und mehrere Sichtweisen bei der Lösung zu berücksichtigen. Des Weiteren erkennen sie, dass Probleme nicht nur eine Ursache haben, sondern zirkulär zu erklären sind. Aufgrund dieser Erkenntnis haben Stigmatisierungen und Mobbing weniger Chancen.

 

4.3.5 Übersicht über die vorgestellten Modelle

Im Folgenden möchten wir eine kurze Übersicht über die oben vorgestellten Modelle der Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen geben. Die Darstellung soll noch einmal die Komplexitätsunterschiede sowie die verschiedenen Herangehens­weisen verdeutlichen.

 

 

Neun- und Zwölffelderaufstellung

Zielannäherungsaufstellung

Lösungsaufstellung

Lösungsgeometrisches Interview

Repräsentanten

Fokus

Ziel

Wunder

Kontext des Wunders

Fokus

Ziel

optional:

Wunder

Kontext des Wunders

Fokus

Ziel

Ausnahmen

Wunder

Kontext des Wunders

Fokus

weitere Personen

Zeitlinie

3 bzw. 4 Zeitzonen

 

optional: Zeitlinie

keine Zeitlinie

keine Zeitlinie

Bereiche

interner Kontext

Grenze

Abnahme der Komplexität

externer Kontext

keine Bereiche

keine Bereiche

keine Bereiche