Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

6. Reflexion der Methode


>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz

Zum verantwortungsvollen Arbeiten gehört in allen Praxisfeldern der bewusste und reflektierte Umgang mit den ausgewählten und angewandten Methoden. Nicht jede Methode eignet sich für jeden Lernstoff beziehungsweise jeden Lernbereich oder die Lösung jedweder zwischenmenschlichen Konflikte. Wir möchten die Methode der Systemaufstellungen anhand der Kriterien der Methodenkompetenz, der Methodenviel­falt und der Methodeninterdependenz untersuchen und sie somit im Methodenpool positionieren.


6.1 Methodenkompetenz

Systemaufstellungen können der Klärung von Beziehungen innerhalb von Systemen dienen. Durch das Aufstellen der involvierten Personen, Problemaspekte, Körperteile oder abstrakten Sachverhalte und Situationen können die Strukturen und Verbindungen zwischen einzelnen Elementen aufgedeckt und anschließend durch Stellungs- oder Prozessarbeit verändert werden. Der Klient hat die Möglichkeit, über die Visualisierung seines Problems eine neue Perspektive einzunehmen, zum Beispiel über Bodenanker, die Betrachtung des Problems von außen oder die Äußerungen der Repräsentanten. Im Rahmen der Aufstellung kann der Klient die drei Schritte der Re-, De- und Konstruktion anschaulich dargestellt vollziehen. Die Visualisierung des Problems lässt sich mit der Rekonstruktion der eigenen Wirklichkeit gut verbinden. Der Klient erstellt ein Abbild seiner Perspektive, welches er zugleich in einer verfremdeten Situation mit all seinen Sinnen und in Interaktion mit anderen erfahren kann. Dieses Bild wird während der Aufstellung in Frage gestellt, Perspektiven oder Konflikte werden thematisiert, Strukturen des Systems aufgezeigt. Dieser Prozess lässt sich auch als Dekonstruktion der eigenen Wirklichkeitskonstruktion beschreiben, er geht der Konstruktion einer neuen Wirklichkeit voraus. Diese baut auf die vorhandenen Annahmen auf, erweitert sie aber hinsichtlich der neuen Erfahrungen.
Bei Systemaufstellungen ist es entscheidend, dass sowohl der systemische Bezug als auch die konstruktivistische Grundhaltung beachtet werden. In der vorliegenden Literatur wird heute noch einseitig der systemische Bezug entfaltet, aber die konstruktivistische Haltung sehr oft übersehen. Dies wird insbesondere dann heikel, wenn bestimmte Wirklichkeitskonstruktionen als Ordnungen und normative Vorlagen angeführt werden, von denen aus der Therapeut/die Beraterin vermeintlich sicher den Prozess lenken sollen. Hier muss entgegen der Literatur darauf bestanden werden, dass System­aufstellungen immer nur jene Ordnungen repräsentieren können, die ihnen im Moment der Konstruktion zufallen und zugeteilt werden. Da dies immer mit manipulativen Bevorzugungen und Macht auf Seiten der Berater verbunden ist (nicht unbedingt, weil diese dies wollen, sondern weil es so wahrgenommen werden kann), wird eine strikte Reflexion und kritische Einstellung zu den angenommenen Stellgrößen, den Werten und Normen, die in den Systemstellungsprozess eingebracht werden, vordringlich. Gerade wegen der dramaturgischen Art jeglicher Aufstellung und der Gefahr einer nicht bedachten Übertragung ist hier vor vorschnellen Ideen und Einfällen im Sinne von Ursachenzuschreibungen und schnellen Lösungen zu warnen. Wenn nicht in die Fehler Hellingers zurückgefallen werden soll, dann müssen sich auch die anderen Ansätze von ihren unbegründeten Grundannahmen und Metaprinzipien lösen, denn diese illusionieren die Systemaufstellungen im Sinne nachweisbarer universaler Kriterien, ohne dass solche Nachweise tatsächlich vorliegen. Hier sind deutlich mehr Kontextsensibilität und eine kritische methodische Einstellung nötig, als sie bisher in der Literatur über Systemaufstellungen für uns erkennbar ist. Dies ist bedauerlich, denn es diskreditiert eine Methode, die als gute Ergänzung zu anderen systemischen Methoden genutzt werden kann und sollte. Insoweit hoffen wir auf eine konstruktivistische Wende bei den Praktikern der Systemaufstellungen und wollen unsererseits in Zukunft zu einer solchen Wende mit beitragen.
Jede Methode stellt bestimmte Ansprüche an den Leiter und die Teilnehmer, bei­spielsweise in Bezug auf ihre Vorkenntnisse. Die Systemaufstellungen erfordern vom Leiter eine fundierte Weiterbildung im Bereich der systemischen Beratung oder Therapie und der Aufstellungspraxis. Zudem sollte sich der Leiter bereits im Vorfeld sehr kritisch mit den Grundannahmen und Metaprinzipien der systemischen Auf­stellungen auseinan­dersetzen, um nicht in die Fehler unhinterfragter Ordnungsvorstellungen zu verfallen. Er sollte sich klar und deutlich von allen Formen eines esoterischen Gebrauchs dieser Methode abwenden.
Die Methode eignet sich für sehr unterschiedliche Personengruppen. Neben einer entsprechenden Vorstellungsgabe sollten die Teilnehmer allerdings über Interesse an der Arbeit mit kreativen Methoden verfügen und sich der Verantwortung für ihre Konflikte bewusst sein. Besondere sprachliche Fähigkeiten oder ein bestimmtes Wissen sind hingegen nicht erforderlich. Aufstellungen sollten jedoch stets die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen und sein Selbstbewusstsein stärken, sie sollten von Ratschlägen oder gar Bevormundungen absehen. Dabei eignen sie sich hervorragend für die Arbeit mit Jugendlichen, die sich unverstanden fühlen und sich von der Welt der Erwachsenen isoliert haben.
Systemaufstellungen werden vorrangig auf der Beziehungsebene zur Klärung von zwischenmenschlichen oder innerpsychischen Problemen oder zur Entscheidungsfindung eingesetzt. Die Arbeit auf der inhaltlichen Ebene ist aber ebenso möglich, wie Kersten Reich für die Didaktik betont. Im schulischen Kontext z.B. können Schüler in die Rolle von historischen Personen oder litera­rischen Figuren schlüpfen und als deren Repräsentant an einer Aufstellung im Unterricht teilnehmen. Auf diese Weise ermöglichen Aufstellungen eine Erweiterung nicht nur des Verstehens-, sondern auch des Wissenshorizontes, da die Schüler Beziehungen und Verwicklungen der Personen auch inhaltlich nachvollziehen und die von ihnen getroffenen Entscheidungen verstehen können. Durch eine Befragung der Repräsentanten kann ein sehr lebhaftes Bild vergangener Situationen und Konflikte rekonstruiert werden. Auch im Bereich der Organisation können Mitarbeiter ihre Kenntnisse durch die Teilnahme an einer Aufstellung erweitern, beispielsweise durch das empathische Hineinversetzen in Kollegen und ihre Entscheidungen.
Systemaufstellungen, insbesondere die Lösungsfokussierten Systemischen Strukturaufstellungen, arbeiten mit den Ressourcen des Klienten, indem sie diese aufgreifen und erweitern. Er hat die Möglichkeit, sein Problem aus verschiedenen, ihm zuvor eventuell sogar unbekannten Blickwinkeln zu betrachten. Infolgedessen kann er die Beziehungen zwischen den Repräsentanten überblicken und versuchen sie zu verstehen. Das Schlussbild macht dem Klienten deutlich, dass es eine Lösungsmöglichkeit für sein Problem gibt und es an ihm liegt, diese Lösung zu probieren. Die Verbindung zu den beteiligten Personen oder Problemteilen, welche durch die Aufstellung bereits aufgenommen wurde, erleichtert dem Klienten, so hofft man, die Kontaktaufnahme zu den realen Personen in seinem Umfeld. Die Systemaufstellung kann somit ebenso den Abbau von Hemmungen, Schuldgefühlen und anderen Barrieren fördern sowie den Aufbau eines gesunden Selbstwerts, basierend auf den Ressourcen des Klienten, erleichtern.


6.2 Methodenvielfalt

Die Methode der Systemaufstellung zeichnet sich durch eine breite Vielfalt an Anwendungsbereichen aus. Ursprünglich in der Familientherapie entwickelt, werden Aufstellungen heute auch in Schulen, Organisationen oder im kreativen Bereich zur Klärung von Beziehungen oder auch Inhalten durchgeführt.
In Organisationen stellen die Aufstellungen eine Methode der Systemischen Organisationsberatung dar und können zur Klärung von zwischenmenschlichen Beziehungen, zum Beispiel bei Problemen mit den Kollegen oder dem Vorgesetzen, genutzt werden. Ein weiteres Feld ist die Aufstellung von Organisationsstrukturen oder die Klärung weiterer, die Organisation des Betriebes bestreffenden Probleme, wie beispielsweise Personalfragen oder Umstrukturierungsmaßnahmen. Auch in diesen Fällen handelt es sich bei der Aufstellung um ein Element der Beratung.
In der Therapie oder Beratung können Aufstellungen als Eingangsmethode genutzt werden, um eine Visualisierung des Problems zu erstellen, die als Ausgangslage für weitere Interventionen dienen kann. Vor allem die lösungsfokussierten Methoden der Schule von Milwaukee bieten sich an dieser Stelle zur Kombination an. Die Klienten erhalten durch die Systemaufstellung eine erweiterte Perspektive und können sich auf eine aus dieser neuen Sicht entstandene Weise ihrem Problem nähern.
Systemische Methoden werden vorrangig im Bereich der Beziehungen eingesetzt, können aber ebenso zur inhaltlichen Arbeit genutzt werden, indem sie die gewählte Lernmethode durch den Beziehungsaspekt ergänzen und sie um eine Perspektive erweitern. Im schulischen Kontext bietet sich die Möglichkeit, die Beziehungen historischer Perso­nen den Schülern mit Hilfe einer Systemaufstellung zu verdeutlichen. Die Schüler werden nach einer Einweisung in ihre Rolle als Repräsentanten aufgestellt und können durch die repräsentierende Wahrnehmung die Empfindungen der Menschen in der Geschichte nachempfinden. Hier ist es sinnvoll, die Systemaufstellungen als Einstieg, Zwischenreflexion oder Abschlussbild jeweils mit anderen Methoden zu kombinieren, da ein alleiniger Einsatz im inhaltlichen Bereich als wenig sinnvoll erscheinen wird, weil diese Methode stark beziehungsorientiert ist. In diesem Fall wird die Aufstellung in Kombination mit anderen Methoden genutzt. Die Schüler können ihren Beziehungs- als auch Inhaltshorizont erweitern, da sie einerseits den Beziehungsaspekt des geschicht­lichen Inhalts kennen lernen, aber auch ihre persönliche Beziehungs­fähigkeit erweitern („Kriterium der Erweiterung des Beziehungs- und Inhaltshorizonts“ nach Reichs „Konstruktivistischer Didaktik“). Weitere Kriterien, die den Einsatz systemischer Methoden als Ergänzung zu den herkömmlichen Lernmethoden fordern, sind z.B. das „Kriterium der Erhöhung des Selbstwerts“ und das „Kriterium der Verbesserung der Beziehungen“, was mit Systemaufstellungen ebenfalls gut realisiert werden kann. Eine Systemaufstellung kann z.B. dazu genutzt werden, einen Außenseiter in eine Gruppe zu integrieren, indem zunächst die Beziehungen der Gruppenmitglieder aufgezeigt werden und anschließend eine Lösung gefunden wird. Die Repräsentanten lernen eine neue Perspektive kennen und können sich so in andere Personen hineinversetzen, während dem vorherigen Außenseiter die Verstrickungen im System deutlich werden. In der Folge entsteht durch den reflektierten Umgang der Gruppenmitglieder miteinander eine neue Beziehungsqualität.


6.3 Methodeninterdependenz

Systemaufstellungen können in der Praxis mit den verschiedensten Methoden kombiniert werden, um ein für die Teilnehmer und die individuelle Situation passendes Setting zu erzeugen. Die Methoden sollten jedoch sorgfältig ausgewählt werden, so dass bei ihrer Kombination von einer beiderseitigen Ergänzung und Bereicherung ausgegangen werden kann, die sich einerseits auf die Lernkompetenz, aber auch auf die Beziehungskompetenz auswirkt. Vor allem die systemischen Methoden müssen hinsichtlich ihrer Kompetenz zur allgemeinen Förderung des methodischen Vorgehens im Methodenrepertoire gestärkt werden, was einer Reduzierung allein auf den Bereich der Beziehungen auch entgegenwirken könnte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Ziel der Kombination systemischer Methoden vorrangig darin liegt, „den methodischen Horizont [des Teilnehmers] durchgehend im Blick auf die Förderung eines offenen Beobachtungs-, Kommunika­tions- und Beziehungsstils erweitern zu können“ (Reich: Konstruktivistische Didaktik).
Systemaufstellungen können dabei interdependent zu vielen Methoden genutzt werden, um dem Klienten neue Perspektiven zu eröffnen und ihm zu ermöglichen, sich empathisch in andere Menschen hineinversetzen zu können. Erst dieser „offene Beobachtungsstil“ ermöglicht ihm nach Reich eine nicht wertende Betrachtung des Verhaltens anderer im Kontext der Situation.
Diese Förderung der Kompetenz führt zur Entwicklung eines Kommunikationsstils, der sich durch hohe metakommunikative Anteile auszeichnet. Zuletzt entsteht auf der Basis der bereits erworbenen Kompetenzen ein Beziehungsstil, der sich durch „Achtung, Wertschätzung und Unterstützung für andere Lerner“ in einer konstruktivistischen Didaktik entwickeln soll.
Bei der Kombination der Systemaufstellungen mit anderen Methoden gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einerseits können sie wie alle systemischen Methoden in Verbindung mit den klassischen Lernmethoden zur Verbesserung der Beziehungsebene eingesetzt werden, beispielsweise wenn ein zwischenmenschliches Problem das Klima in der Lerngruppe stört. Aufstellungen können andererseits auch als Lernmethode eingesetzt werden, beispielsweise zur Erläuterung von Beziehungen zwischen historischen Personen. In diesem Fall könnte die Aufstellung als ein Element z.B. in das Stationenlernen oder andere größere handlungsorientierte Methoden integriert werden. Die Lerner könnten dort mit Hilfe des Lehrers eine Aufstellung erleben, die ihren Blick für historische Konflikte erweitern und somit ihr Verstehen des gesamtgeschichtlichen Zusammenhangs vertiefen würde. Auch eine Integration der Systemaufstellung in die Biographiearbeit bietet sich an, wenn Probleme aus der persönlichen Vergangenheit aufgedeckt werden und nach Lösungen gesucht wird.
Die Interdependenz zwischen Systemaufstellungen und anderen systemischen Methoden ist naturgemäß hoch, da diese ebenfalls auf den systemischen Grundannahmen basierend vor allem auf der Beziehungsebene arbeiten.
Wir möchten an dieser Stelle nur einige mögliche Kombinationen nennen: Methoden wie Feedback oder Reflecting Team können im Anschluss an die Aufstellung weitere Perspektiven eröffnen und so die Persönlichkeitsentwicklung des Klienten fördern. Das zirkuläre Fragen lässt sich bereits während der Aufstellung als Fragtechnik anwenden, die ebenfalls zur Entwicklung neuer Sichtweisen führt und das Einfühlungsvermögen des Klienten und der Repräsentanten stärkt.