Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

6. Reflexion der Methode


>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz


6.1 Methodenkompetenz

Der Offene Unterricht ist weniger ein systematisches Konzept und auch keine umfassende Didaktik, die das methodische Handeln von Lehrenden und Lernenden umfassend reflektieren und durchführen helfen kann, sondern mehr ein praxisorientiertes Eingehen auf bestimmte, ausgewählte Methoden, die insbesondere eine höhere Lerner- und Handlungsorientierung im Unterricht erreichen sollen. Ein konzeptioneller Bezugspunkt ist hierbei ein reform­pädagogisch inspiriertes Denken vom Kinde aus, was jedoch zugleich zu mitunter stark ver­einfachten Argumentationsfiguren führt. Solche Vereinfachungen geschehen immer dann, wenn Kinder in ihrem Lernen idealisiert, als natürlich hingestellt werden, und der kulturelle Bezug und der Einfluss von Lernumgebungen als immer schon das Verhalten mit beeinflussende Kontexte unterschätzt bleiben. Es ist nicht sinnvoll ein natürliches gegen ein künstliches Lernen abzusetzen, weil Lernen immer in bestimmten Kontexten und Handlungen geschieht, die nicht aus naturalistischen Gründen besser oder schlechter sind, sondern allenfalls sinnvolle, passende, auf die Lebenswelt bezogene Leistungen für die einzelnen Lerner darstellen. Die Denkfiguren einer Pädagogik vom Kinde aus unterschätzen die in den Humanwissenschaften gemachten Forschungsfortschritte und beachten auch zu wenig, dass insbesondere bei John Dewey schon eine begründete Handlungs- und Kulturtheorie vorliegt, die hier herangezogen werden könnte. Methodenkompetenz aus der Sicht konstruktivistischer Didaktik muss breiter und tiefer begründet werden, als es die sehr heterogenen und oft zu­fällig erscheinenden Denkmodelle des Offenen Unterrichts zeigen. Ihnen fehlt insbesondere ein systematischer Zugang, was die Argumentationen oft als eher zufällig und exemplarisch erscheinen lässt. Insbesondere bleibt völlig uneinsichtig, weshalb nur bestimmte Methoden aus der Vielzahl möglicher Methoden ausgewählt, andere aber nicht beachtet werden. Hierfür gibt es kurzum gar keine Begründung, sondern nur die faktische Setzung.
Auch wenn die Begründungsfiguren des Offenen Unterrichts oft zu vereinfachend und der fehlende Anschluss an wissenschaftliche Konzepte in der Didaktik bedauernswert sind, so ist der Praxisbezug zumindest durch den Anschluss an bewährte Methoden gegeben und sinn­voll. Es bleibt allerdings die Frage, ob man ein Konzept der Addition bestimmter Methoden, die in anderen Kontexten entstanden sind, zu einem Setting, das dann Offener Unterricht genannt wird, als sinnvoll ansieht. Aus der Sicht konstruktivistischer Didaktik bevorzugen wir einen umfassender begründeten Ansatz, der nicht so eng methodisch argumentiert, sondern seine Herleitung in einer systematisch entwickelten Didaktik und Pädagogik sieht. Dies scheint uns auch für die Professionalisierung des Lehrerhandelns sinnvoller zu sein.
Aus dieser Sicht verwundert es schon, wenn Vertreter des Offenen Unterrichts als „Meisterlehrer“ mit ihren Praxiskonzepten so sehr eine Einarbeitung z.B. in die konstruk­tivistische Didaktik bisher verweigern, da sie hier viele Begründungen und Ergänzungen ihrer eigenen Sichtweisen finden könnten.
Den Konzepten Offenen Unterrichts geht es vor allem um den inneren Bezug des Lernenden zur Tätigkeit „selbst“. Ziel des Offenen Unterrichts ist es, dass der Lernende möglichst optimal lernen kann, indem man den für ihn besten Weg der (Stoff-) Aufnahme nicht blockiert. Es scheint die Grundaufgabe jeder Didaktik zu sein, die komplexe Lebens­wirklichkeit bzw. die schulisch relevanten Inhalte hierbei so zu transformieren, dass dem Lernenden ein einfacher und sicherer Zugang ermöglicht wird.
Die Erkenntnisse der veränderten Kindheit und der aktuellen Lernforschung verbunden mit einem Bildungsauftrag der Schule, welche nicht allein Unterrichtsstätte, sondern zugleich Lebens-, Lern- und Erfahrungsraum sein soll, in dem alle Kinder mit ihren unterschiedlichen Lernmöglichkeiten zusammen lernen können und wollen, führt auch zu erweiterten Zielen für einen Offenen Unterricht, die unter anderem in der Vermittlung so genannter Schlüssel-qualifikationen (Sachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz) liegen. Allerdings bleibt es oft bei der Betrachtung eines idealisierten, idealtypischen Kindes und die Diversität von Kindheit und ihren Differenzen wird sehr wenig beachtet. Dies fällt deutlich hinter den gegenwärtigen Erkenntnisstand von Lerntheorien zurück, die gerade in der Vielfalt der Lernzugänge Chancen zum Lernen sehen, aber weniger in einem reformpädagogisch gewünschten Setting, dessen Erfolg insbesondere bei mangelnder Strukturiertheit von Lernaufgaben auch als durchaus fragwürdig erscheinen muss. Dabei darf Struktur nicht mit Lehrerzentriertheit verwechselt werden.
Anders als beim Frontalunterricht dient das freie Arbeiten im Offenen Unterricht dazu, dass sich Schüler selbstständig Inhalte, Ziele und Gestaltung ihrer Aktivitäten wählen sollen. Ihre Kreativität, Selbstständigkeit, mentale Fähigkeiten, Kooperationsfähigkeit, Neugier und die Einstellung zu Schule und Lehrer sollen angeregt werden. Aber für die konstruktivistische Didaktik bedeutet dieser sinnvolle Ansatz auch, dass genauer geschaut werden muss, was tatsächlich anregend ist und inwieweit der konstruktive Lernvorgang so hinreichend erfasst wird. Hier ist insbesondere auch ein fachdidaktisches Denken zu entwickeln, das nicht hinreichend bloß mit einem methodischen Setting erreicht werden kann.

 


6.2 Methodenvielfalt

Die ausgewählten Methoden in den Konzepten des offenen Unterrichts beziehen sich vor allem auf Freinet. Dies zeigt auch die Dominanz der Grundschulpraxis im Ansatz. Insbesondere in Deutschland, wo vielfach noch frontale Methoden dominieren, ist es durchaus verständlich, wenn bestimmte reformpädagogische Methoden in den Vordergrund rücken, aber dies reicht für die gegenwärtig notwendige Methodenvielfalt im Lernen nicht aus. Es ist insbesondere eine Schwäche der Ratgeberliteratur und praxisbezogener Meisterlehren, dass sie kein hinreichend theoretisches Verständnis für eine Didaktik entwickeln können, aus der heraus zu reflektieren und zu begründen ist, welche relevanten Methoden aus der bestehenden Vielfalt ausgewählt werden können und welche zu neuen methodischen Mischungen, Variationen oder Ergänzungen reizen. Lehrenden, die einen Einstieg zu handlungsorientierten Konzepten über den offenen Unterricht gefunden haben, empfehlen wir deshalb nach­drücklich, sich mit didaktischen Konzeptionen zu beschäftigen, wobei die konstruktivistische Didaktik uns besonders ergiebig erscheint.

 


6.3 Methodeninterdependenz

Die Konzepte des Offenen Unterrichts haben Methoden ausgewählt, die ihrerseits in einer guten Interdependenz stehen, weil sie sich gut ergänzen. Wird das theoretische Leitbild erweitert, dann ließen sich allerdings auch andere Methoden in die Umstellung auf eine handlungsorientierte Didaktik mit integrieren. Im Methodenpool werden hierzu zahlreiche weitere Methoden genannt.