Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

4. Darstellung der Methode

>> 4.1 Die Planung von Werkstattunterricht
>> 4.2 Die Durchführung von Werkstattunterricht
>> 4.3 Die Rolle des Lehrers
>> 4.4 Glossar

Nach Reichen (1991, S. 61) soll der Begriff „Werkstatt“ beim „Werkstattunterricht“ nicht etwa an Hammer und Hobel erinnern, sondern an die Arbeit in einer Werkstatt. Bei der Arbeit im Werkstattunterricht entspricht die Lernwerkstatt* einer Lernumwelt. Den Schülern stehen hier viele verschiedene Lernsituationen und -materialien, geeignet für unterschiedliche Sozial­formen, zur Verfügung. Sie wählen daraus ein Angebot aus, bearbeiten dieses selbstständig und kontrollieren es meist auch selbst. Auf diese Weise bestimmen sie weitgehend selbst über Zeitpunkt, Tempo, Sozialform und Rhythmus ihrer Arbeit und haben darüber hinaus die Möglichkeit, persönlichen Lerninteressen nachzugehen. Das Lernen findet nicht nach Lektionen, sondern in Zeitblöcken statt; es wird viel Fächer verbindend und individualisiert gearbeitet. Selbständigkeit, Initiative und Aktivität bestimmen das Lernen, wodurch die Motivation* entscheidend gefördert wird.
Dahinter steht die Grundüberzeugung, dass die meisten Kinder von sich aus wiss- und lernbegierig in die Schule kommen. Diese positive Neugier wird jedoch häufig durch die gängige frontale Schulpraxis* nach und nach zerstört. Lässt man das Kind dagegen unter Anleitung relativ frei, seinem eigenen Lerntempo gemäß und selbstständig lernen, so wird es die geforderten Ziele von selbst erreichen. Werkstattunterricht möchte dies verwirklichen.
Werkstattunterricht ist eine offene Form von Unterricht. Jürgen Reichen gibt eine Menge konkreter Hinweise für die Praxis, die spüren lassen, dass er dieses Konzept nicht nur theoretisch durchdacht, sondern auch in der Praxis durchgeführt hat.
Nachfolgend soll sein Konzept des Werkstattunterrichts in vier Unterpunkten näher erläutert werden. Als Grundlage dient insbesondere sein Buch „Sachunterricht und Sachbegegnung“ (Reichen 1991), dass er selbst als die entscheidende Literatur für den Werkstattunterricht bezeichnet und in dem er sein Konzept sehr anschaulich und detailliert erläutert.
Der erste Unterpunkt soll vor allem zur Begriffsklärung dienen und stellt als Einführung in die Thematik die wichtigsten Aspekte des Konzepts zusammen. Die genaue Vorbereitung und äußere Gestaltung von Werkstattunterricht spielt eine wichtige Rolle. So sollte beispielsweise das Klassenzimmer in verschiedene Bereiche, wie zum Beispiel eine Lese-, Mathe- oder Bastelecke aufgeteilt werden. Die Lernangebote und -materialien sollten ansprechend und den Kindern frei zugänglich sein.
Aspekte wie diese werden im zweiten Teil im Zusammenhang mit der Planung von Werkstattunterricht genauer besprochen.
Unter dem dritten Punkt werden dann verschiedene Aspekte der Durchführung von Werkstattunterricht ausgeführt. Es werden hierbei verschiedene Möglichkeiten dargestellt, die dieser Unterricht bietet, sowie eine Reihe von hilfreichen Hinweisen gegeben, was bei der Durchführung des Konzepts zu beachten ist bzw. zum Gelingen des Unterrichts beitragen kann.
Die Rolle der Lehrerin im Werkstattunterricht unterscheidet sich sehr von der traditionellen Lehrerrolle im Frontalunterricht. Diese Problematik wird im 4. Teil untersucht.
Beispielsweise ist es in dieser Unterrichtsform Aufgabe der Lehrerin, Lernprozesse anzuregen, Angebote und Material zu beschaffen und aufzustellen, zu beraten, organisieren, zu beobachten, einzelne Schüler zu betreuen und einfach da zu sein.

 

4.1 Die Planung von Werkstattunterricht

Bei der Planung von Werkstattunterricht ist einiges zu beachten, da der Verlauf und das Gelingen stark von einer gut durchdachten Planung abhängen. Grundlegend ist laut Reichen (1991, S. 65), dass handlungsbetonte Aufgaben und selbstlehrende Materialien zusammen­gestellt werden, mit denen die Schüler auf eigenen Wegen zu Wissen und Können gelangen. Oft tauchen besonders am Anfang Probleme bei der Planung dieser neuen Unterrichtsform auf. Es gibt dafür jedoch keine allgemeingültigen „Rezepte“, stattdessen muss sich jeder seine Kompetenz durch eigene Erfahrungen erarbeiten. Man sollte sich deshalb nicht durch auftretende Anfangsschwierigkeiten entmutigen lassen, sondern durch eigenes Ausprobieren dazu lernen und auf diese Weise seinen individuellen Weg finden.
Es ist schließlich auch eine ganz neue Art von Unterrichtsplanung, die völlig andere Anforderungen stellt (vgl. Kap 4.3: Die Rolle des Lehrers): Im Unterschied zum traditionellenInstruktionsunterricht* fordert der Werkstattunterricht beispielsweise die Bereitstellung problemhaltiger konkreter Materialien inklusive Alternativangeboten, die Planung flexibler Lernziele, sowie eine variable Methodenwahl.
Wenn es auch wie bereits erwähnt keine konkreten „Rezepte“ für die Planung geben kann, so gibt Reichen immerhin einige praktische Hinweise, die sich in der Praxis als hilfreich erwiesen haben.

 

4.1.1 Angebote und Materialien

Die Auswahl der Angebote und Materialien, sowie auch deren Umfang, Vielfalt und didaktische Präzision sind extrem wichtig:

  • „Der Lernerfolg [ist] abhängig von den Möglichkeiten, die ein Lerngegenstand eröffnet“ (Reichen 1991, S. 65). Die Lehrerin muss sich deshalb bemühen, Geeignetes zu finden und didaktisch geschickt zu arrangieren.
  • Sie sollte einen Ausgleich finden zwischen den Interessen der Schüler und den Anforderungen der Schule. Zu beachten ist hierbei auch, dass die Interessen der Schüler häufig nur bei ihnen bekannten Dingen liegen. Aufgabe der Lehrerin ist es nun, durch objektive Lernanforderungen den Horizont der Schüler zu erweitern.
  • Die Arbeitsaufträge sollen verständlich formuliert sein: bei der Aufgabenstellung muss klar sein: Was ist zu tun? Wann ist die Aufgabe gelöst? Dies ist oft nicht einfach, es fällt jedoch mit der Zeit immer leichter und auch die Kinder lernen das Verstehen von Arbeitsaufträgen.
  • Die Lehrerin sollte sich bemühen, den Schülern Selbstkontrolle* der Aufgaben zu ermöglichen, wenigstens bei einem Teil des Angebots. Die Kontrolle durch die Lehrerin sollte sich auf Stichproben und das Besprechen freier Texte beschränken.
  • Die Angebote sollen die Kinder fordern! Sie sollten außer Übungsaufgaben auch Neues enthalten. Ein Angebot sollte ein Kind mindestens 20 Minuten beschäftigen.
  • Das Schwierigkeitsniveau der Angebote sollte ausgeglichen sein. Gut ist es, wenn ein Angebot eine Steigerung enthält (Grundaufgabe, Anschlussaufgabe, Zusatzaufgabe für Spezialisten). Die Kinder können so ihr Schwierigkeitsniveau selbst wählen und lernen dadurch mit der Zeit, sich selbst besser einzuschätzen. Ebenso können individuelle Förderungsangebote für jeweils einen bestimmten Teil der Schüler angeboten werden.
  • Die Motivation sollte möglichst als primäre Motivation* vom Sachinteresse herstammen. Auch möglich, aber weniger erstrebenswert als die Sachmotivation, ist eine sekundäre Motivation* von Zuneigung, Prämien oder Noten her.
  • Die Angebote sollten nicht nur aus Arbeitsblättern bestehen, sondern auch einen handelnden Umgang mit Dingen ermöglichen. Einzelne Angebote sollten auch aus dem Klassenzimmer hinausführen.
  • Die Angebote sollten offen für die Interessen der Schüler sein. Die Anregung eines Leerangebots* ist besonders dafür geeignet: die Schüler denken sich dabei selbst eine Aufgabe aus. Dies sollte speziell am Anfang von der Lehrerin angeregt werden, da das Leerangebot am Anfang meist nur ansatzweise wahrgenommen wird. Viele Schüler haben zwar individuelle Interessen, doch die Fähigkeit, sich selbst eine passende Aufgabe zu stellen, muss erst mit der Zeit erlernt werden.
  • Als Angebote eignen sich beispielsweise
    -
    literarische Texte, die weiter ausgewertet werden
    - Arbeitsblätter zu Sprache, Mathematik,...

    - Kontrollgeräte* wie Lük, Profax, Sabefix,..
    - Gestalterisches Material, Bastelanleitungen
    - Material zur Herstellung von didaktischem Material
    - Spiele, eventuell zu Lernspielen abgeändert
    - Alltagsgegenstände, die didaktisch genutzt werden.
  • Die Anzahl der Angebote ist abhängig vom Zeitrahmen. Es sollte aber auf jeden Fall ein Überangebot von 30 – 50 % eingeplant werden. Für 10 Stunden sollten also 15 Stunden Programm geplant werden. Für eine Woche Werkstattunterricht sind 20 bis 30 Angebote ausreichend. Der hohe Arbeitsaufwand kann durch die Zusammenarbeit von Lehrern oder die Beteiligung der Kinder verringert werden.
  • Die Möglichkeit, manche Angebote als obligatorisch* zu erklären, sollte möglichst wenig genutzt werden. Auf keinen Fall darf es zu viele obligatorische Angebote geben, besser nur ganz wenige, da die Erfahrung gezeigt hat, dass sie meistens auch so bearbeitet werden.
  • Notfalls können auch gegen Ende der Werkstatt noch einzelne Kinder gezielt angesprochen werden, falls es nötig ist, dass alle Schüler das Angebot bearbeitet haben. Wichtig ist, dass auch Attraktives zu den obligatorischen Angeboten zählt.

Die Hilfe eines Strukturschemas*:

Die Ausgewogenheit des Angebots sollte gewährleistet sein. Eine Hilfe bietet hierbei die Erstellung eines Strukturschemas. Es gibt Aufschluss über Zeit, Sozialform, Fach und die Anzahl der Lektionen der einzelnen Angebote.

  R/Math
5 L.
L/Sp/SU
11 L.
Musisch
4 L.
Total
Einzelarbeit6,5 L.        
Partnerarbeit
7 L.
       
Gruppenarbeit6,5 L.        
Total        

Abbildung 2: Strukturschema (Reichen 1991, S.69)

Angewendet wird es folgenderweise: Die geplanten Angebote werden nummeriert und entsprechend ihrem Fach und ihrer Sozialform in das Schema eingetragen. Dann wird jeweils nach Ermessen die benötigte Zeit hinzugefügt. Anschließend kann zusätzlich noch der Schwierigkeitsgrad farbig gekennzeichnet werden. Am Ende werden die Sollzeiten verglichen und die Angebote bei Einseitigkeit der Werkstatt korrigiert. Eventuell kann auch durch eine andere Werkstatt ein Gegengewicht geschaffen werden.
Dieses Schema ist jedoch nur bei einer gemischten Werkstatt ausreichend. Bei einer thema­tischen Werkstatt müssen zusätzlich noch der Zusammenhang sowie die didaktische Struktur beachtet werden.


4.1.2 Das Klassenzimmer

Das Klassenzimmer sollte gemeinsam mit den Kindern gestaltet werden. Es sollten dabei verschiedene Einrichtungsmöglichkeiten ausprobiert werden. Wichtig ist, dass noch Platz für einen Stuhlkreis bleibt. Durch Bauteile (zum Beispiel Regale, Vorhänge, spanische Wände, Kisten,...) werden Ecken geschaffen, die verschiedene Lernzonen* darstellen: zum Beispiel eine Mathe-, Lese-, Bastelecke, usw. Auch der Flur kann mit einbezogen werden. Man sollte jedoch beim Einrichten auf jeden Fall auch die Ästhetik beachten: das Zimmer muss übersichtlich bleiben und man soll sich darin wohl fühlen können. Gut ist es, vorher mit dem Hausmeister die geplante Umräumaktion abzusprechen.


4.1.3 Die Präsentation der Angebote

Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen. Wichtig ist vor allem, dass die Angebote übersichtlich und ansprechend angeboten werden. Häufig stellt dies ein Platzproblem dar. In diesem Fall können Angebote auch auf Fensterbänken oder Stühlen ausgelegt werden.

Die Auftragskarten*:
Jedes Angebot sollte mit einer Auftragskarteversehen werden. Die Gestaltung der Karten kann je nach Werkstattart, Klassenstufe, Anzahl der Angebote, etc. variieren. Sie sollten jedoch immer mit Nummern, Bildsymbolen und einem kurzen Titel gekennzeichnet sein und über die vorgesehene Sozialform, den Verbindlichkeitsgrad, die Kontrollform und eventuell den Schwierigkeitsgrad informieren. Auftragskarten mit Unteraufträgen sollten mehrmals vorhanden sein, damit die Kinder sie mit an ihre Plätze nehmen können. Auch bereits bekannte Angebote oder solche, die sich von selbst verstehen, sollten eine Auftragskarte erhalten, da die Karte laut Reichen (1991, S. 71) „jedem Angebot in den Augen der Schüler gleichsam einen „amtlichen“ Anstrich [gibt]“.
Bei einer Serie von Aufträgen zum gleichen Thema ist es gut, statt der Karten einen kleinen Ordner, ein Heft, oder ein Karteikästchen einzurichten. Arbeitskarten mit mehreren Unteraufträgen sollten mehrmals vorhanden sein, damit die Schüler sie zum Nachlesen mit an ihren Platz nehmen können, bis sie die verschiedenen Anweisungen bearbeitet haben. Arbeitsblätter sollten zunächst nur sparsam ausgelegt und bei Bedarf nachkopiert werden.
Auch bei Erstklässlern sollte man schriftliche Arbeitsaufträge zu den Angeboten legen, jedoch nicht als Voraussetzung, sondern als Anreiz zum Lesen lernen. Auch sollten nicht alle Angebote gleichzeitig präsentiert werden, da bei zu vielen Möglichkeiten die Gefahr besteht, dass die Kinder den Überblick verlieren oder zu schnellem und flüchtigem Arbeiten verleitet werden. Pro Tag sollten deshalb nicht mehr als 15 bis 20 Angebote präsentiert werden. Es erzeugt zudem Spannung, wenn man die Angebote erst nach und nach vorstellt, und bietet daneben den Vorteil, dass man nötige Einführungen auf verschiedene Tage verteilen kann.

 

4.1.4 Formen und Varianten von Werkstattunterricht

Werkstattunterricht kann in unterschiedlichen Formen auftreten und bezüglich verschiedener Aspekte variiert werden:

Inhalt:

  • thematisch gebunden
  • thematisch ungebunden

Form:

  • rein
  • vermischt: mit Einschüben von gemeinsamen/Frontalunterricht
  • programmiert: mit einer bestimm­ten Reihenfolge
  • begleitend: als Ergänzung zum Frontalunterricht

Dauer:

hierbei sind viele Varianten möglich, z. B.

  • eine Stunde am Tag
  •  ein Tag in der Woche
  •  1- 2 Wochen lang

Selbstständig-
keitsgrad: 

  • Angebot zur Auswahl: die Schüler wählen aus einem                  bereitgestelltem Angebot aus
  • Freiarbeit: es gibt keine Vorgaben, die Planung erfolgt z.T. durch die Schüler.

Werkstattunterricht findet jedoch meist in einer Mischform der Selbständigkeitsgrade statt, was in Kap. 2.2: Begriffsklärung und Einordnung bereits genauer dargelegt wurde.


4.2 Die Durchführung von Werkstattunterricht

Wie bei der Planung gibt es auch für die Durchführung einige Ratschläge, die helfen können, gewisse Anfangsprobleme zu vermeiden. Ansonsten gilt auch hier: jeder muss seine eigenen Erfahrungen sammeln.


4.2.1 Verhaltensregeln

In der ersten Stunde sollte die Lehrerin gemeinsam mit den Schülern grundlegende Verhaltensmuster diskutieren und festlegen. Diese sollten auf einer Wandtafel oder einem Anschlagbrett so notiert werden, dass sie für alle jederzeit gut sichtbar sind.
Diese Regeln könnten zum Beispiel folgendermaßen aussehen:

Erlaubt ist:

nicht erlaubt ist:

  • sich leise besprechen
  • anderen etwas wegnehmen
  • sich etwas aussuchen
  • andere stören oder auslachen
  • vom Platz gehen
  • umher rennen
  • allein oder mit anderen arbeiten
  • nur einfache oder nur interessante Dinge machen

(vgl. Reichen 1991, S.72)
Die Regeln stellen natürlich keine Garantie dar, können aber zum Gelingen des Werkstattunterrichts beitragen.

 

4.2.2 Die Sozialformen*

Das Arbeiten in verschiedenen Sozialformen spielt im Werkstattunterricht eine bedeutende Rolle. Die Kinder haben hier oftmals die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie eine Arbeit in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit erledigen wollen. Auch bei vorgeschriebenen Sozialformen sollte ein Wechsel garantiert werden.
Die Schüler werden sich jedoch wahrscheinlich erst an das Arbeiten in verschiedenen Sozialformen gewöhnen müssen, weswegen eine richtige Einführung davon sehr wichtig ist.
Besonders am Anfang sollte den Schülern bei der Organisation noch geholfen werden: die Gruppenaufgaben sowie die dabei anfallenden Arbeiten sollten vorher abgesprochen werden, ebenso wie die Aufteilung von Einzelaufträgen oder auch Möglichkeiten zur Konfliktlösung. „Zuerst muss gelernt werden, sich etwas gemeinsam einzuteilen, sich aufzuteilen, sich zu verabreden, Kompromisse zu schließen, nachzugeben, auf andere zu warten, anderen weiterzuhelfen, andere um Hilfe zu bitten, etwas herzuborgen, sich etwas auszuborgen, usw.“ (Badegruber 1992, S. 56, zitiert nach Nuhn 1995, S.82).
Deshalb sollte man sich anfangs auf einfache Aufträge beschränken und erst später, wenn die elementaren Arbeitstechniken beherrscht werden, zu anspruchsvolleren Fragestellungen übergehen. Das Erlernen dieser Arbeitstechniken ist jedoch für die Sozialkompetenz der Schüler von höchster Bedeutung (vgl. Vettiger, Kobel & Kummer 1979. S. 10 ff.).
Bei der Partner- oder Gruppenbildung der Schüler sollte nur in Notfällen vom Lehrer eingegriffen werden, beispielsweise wenn ein Paar nur herumalbert. Zunächst können hierbei jedoch ruhig Freundschaftsbeziehungen genutzt werden.
Man sollte für die Paarbildung keine festen Regeln aufstellen. Die Erfahrung hat zwar gezeigt, dass Paare mit ähnlichem Leistungsniveau günstiger sind als Paare mit sehr unter­schiedlichem Leistungsniveau, ebenso zeigte sich jedoch auch, dass von den Schülern selbstgewählte Gruppierungen günstiger sind als von der Lehrerin zugewiesene.
Bei der Gruppenbildung ist beispielsweise ein Eingriff bei starker Rivalität innerhalb der Gruppe nötig, bei einer Ballung von besonders starken oder schwachen Schülern oder wenn bestimmte Expertengruppen benötigt werden. Die Zusammensetzung der Gruppen sollte auf jeden Fall immer wieder wechseln.
Eine Sonderform bietet der Helferunterricht*. Er ist die älteste Form der Partnerarbeit: Schon in mittelalterlichen Schulen wurde dieses Prinzip in einem systematischen Helferdienst entwickelt; auch die Reformationsschulen bedienten sich dieser Form. Die gleichberechtigte Partnerarbeit geht wahrscheinlich auf das Helfersystem des Mittelalters zurück (vgl. Nuhn 1995, S. 20). Hierbei übernimmt ein Schüler die Lehrerrolle. Dies bietet verschiedene Vorteile: Schwache Schüler erhalten so die Möglichkeit einer längeren Lernhilfe. Außerdem verstehen Schüler oft die kindgemäßen Erklärungen ihrer Mitschüler besser als die des Lehrers. Andererseits werden durch das Erklären auch die Kenntnisse des lehrenden Schülers gefestigt: man hat einen Sachverhalt nur richtig verstanden, wenn man ihn einem anderen erklären kann. Deshalb ist es wichtig, den Schülern immer wieder Gelegenheiten zum Erklären zu geben.
Daneben begünstigt der Helferunterricht die Kooperation zwischen den Schülern und stellt vor allem auch eine Entlastung für den Lehrer dar. Wichtig beim Helferunterricht ist eine gute Lernkultur der Klasse. Man sollte den Helfern, d.h. den leistungsstärkeren Schülern Tipps geben, wie sie ihren Mitschülern Lernhilfen geben können. Denn der leistungsschwächere Schüler erhält keine Lernhilfen, die ihm das Verstehen oder Erinnern erleichtern, wenn er nur vom anderen abschreibt (vgl. Nuhn 1995, S.17).
Wichtig ist jedoch, dass jedes Kind einmal Helfer sein darf! Die Lehrerin sollte deshalb darüber Buch führen. Schwache Schüler können eventuell auch vorher von der Lehrerin zu einem bestimmten Thema ausgebildet werden. Dies erhöht die Motivation und bringt ihnen bessere Erfolgserlebnisse.
Durch den Wechsel der Sozialformen wird das Von- und Miteinanderlernen im Werkstattunterricht begünstigt. Die Auseinandersetzung mit anderen ist wichtig für die Kinder und lernpsychologisch sehr wirkungsvoll. Die Kinder lernen dadurch mit der Zeit im Vergleich mit den anderen, sich selbst einzuschätzen, sie gewinnen Durchsetzungsvermögen und lernen auch Rücksicht zu nehmen. Sie erkennen ihre eigenen Stärken und Schwächen und darüber hinaus, dass jeder seine Stärken und Schwächen hat, in jeweils unterschiedlichen Gebieten. Daneben hat Gruppen- und besonders Partnerarbeit eine höhere Aktivierung der Schüler zum Vorteil: „Denn eine vom Lehrer methodisch noch so gut gebaute Schulstunde macht noch keine 32 intensiv mitarbeitende Schüler! Bei der Partnerarbeit aber arbeiten sie - freilich nach ihren Kräften – ausnahmslos und intensiv“ (Meyer 1974, S. 98, zitiert nach Nuhn 1995, S. 13).
Mag dieses Zitat die Vorteile auch etwas überschwänglich darstellen – denn sicher gibt es auch im Rahmen von Partnerarbeit immer wieder einzelne Paare, die nicht oder zumindest nicht so intensiv mitarbeiten – so ist es doch richtig, dass Partner- oder Gruppenarbeit in der Regel weit mehr Schüler zu intensiverem Arbeiten veranlasst.


4.2.3 Kompetenzdelegation*

Die Einrichtung dieses Systems ist nicht nur im Werkstattunterricht möglich und eignet sich sehr gut, um die Selbständigkeit der Kinder zu fördern. Es werden hierbei sonst typische Lehrerkompetenzen an die Schüler abgegeben. Die Kompetenzdelegation wird häufig auch als „Chefsystem“ bezeichnet, da die Kinder einer Klasse dabei verschiedene Chefposten übernehmen. Wichtig ist, dass es sich dabei um echte Befugnisse handelt, also nicht etwa nur um das Tafelputzen oder Blumengießen, sondern um wirklich verantwortungsvolle Aufgaben wie beispielsweise die Anordnung, Kontrolle und Korrektur der Hausaufgaben. Auch wichtig ist, dass jeder Schüler einen Posten bekommt.
Im Werkstattunterricht kann zum Beispiel jeweils ein Schüler für ein Angebot zuständig sein. Seine Hauptaufgabe besteht nun nach wie vor darin, in der Werkstatt zu arbeiten; daneben hat er aber auch als Chef eines der Angebote zu betreuen, was bedeutet, dass er anderen Schülern bei Problemen hilft, das Material verwaltet, eine Liste darüber führt, wer das Angebot bereits gemacht hat und bei obligatorischen Angeboten gegebenenfalls noch fehlende Schüler ermahnt, dass er die Ergebnisse sammelt, sie korrigiert usw. Aber auch sonst gibt es im Unterricht viele Möglichkeiten, verschiedene Chefposten einzurichten. Denkbar sind beispielsweise Hausaufgabenchefs, Spiele-, Vorträge- oder Liederchefs, oder auch die Einrichtung eines Korrekturbüros*.
Prinzipiell sollte sich jeder Schüler für jeden Posten bewerben können; anschließend sollte dieser unter allen Bewerbern ausgelost werden. Keinesfalls sollte jemand davon ausge­schlossen werden!
Eine Ausnahme bilden lediglich die Chefposten, die bestimmte Qualifikationen voraussetzen, wie zum Beispiel das Korrekturbüro*. Solche Einschränkungen sind jedoch sachlich be­gründet und deshalb auch für die Schüler einsehbar.
Nach der Verlosung bekommt jeder Chef ein Pflichtenheft* und hat eine Besprechung mit der Lehrerin. Diese Besprechung bietet der Lehrerin die Möglichkeit, noch Einschränkungen oder Anpassungen des Postens an den Schüler vorzunehmen.
Das Chefsystem bietet viele Vorteile: Die Lehrerin wird von Routine- und Organisationsaufgaben entlastet. Daneben gewinnen die Schüler an Selbstvertrauen, Selbst­ständigkeit und Verantwortungsgefühl; der Austausch untereinander wird gefördert und die Beziehungen vertieft.
Besonders gut reagieren „schwierige“ Schüler darauf. Sie erhalten durch dieses System eine Möglichkeit zur Integration und erfahren von der Lehrerin ein Zutrauen in ihre Fähigkeiten. Allerdings ist es speziell für diese Schüler wichtig, dass nur echte Kompetenzen an alle Schüler abgegeben werden!
Die Einführung des Chefsystems ist natürlich nicht von heute auf morgen möglich, sondern ein langwieriger Prozess. Auf die Dauer lohnt es sich aber.

 

4.2.4 Die Übersicht über das Angebot*

Es ist ebenso nötig wie wichtig, den Schülern eine gute Übersicht über das Angebot zu geben, sowie darüber, wer für welches Angebot zuständig ist. Erleichtert wird dies durch Wochenpläne* oder Arbeitskarten*.
In den Wochenplan tragen die Schüler am Anfang der Woche ein, was sie sich vorgenommen haben und anschließend auch, was sie davon bewältigt haben. Eine Arbeitskarte funktioniert ähnlich: die Namen der geplanten Angebote werden eingetragen, der Beginn und Abschluss einer Arbeit werden markiert und teilweise auch eine Beurteilung des jeweiligen Angebots und der eigenen Leistung.

1
Abbildung 3: Arbeitskarte (Reichen 1991, S.76)

Die Arbeitskarte kann themengemäß gestaltet werden. Sie wird bei der Lehrerin hinterlegt, wodurch diese die Möglichkeit hat, eine Übersicht über die Leistungen der Schüler zu erhalten. Ebenso besteht eine Kontrollmöglichkeit, wenn als Belohnung beim Abschluss einer Arbeit ein Stempel vergeben wird.
Eine ähnliche Funktion können so genannte Kontrollblätter* erfüllen: Jeder Schüler erhält zu Beginn einer neuen Werkstatt ein solches Blatt, das eine Übersicht über alle Angebote gibt.
Die Unterschrift des jeweils zuständigen Chefs gibt im Folgenden Aufschluss darüber, welche Angebote der Schüler bereits erledigt hat. Dies erleichtert einerseits den Schülern den Überblick und beinhaltet andererseits auch wichtige Informationen für den Lehrer.
Weiterhin kann auch die beim Angebot liegende Auftragskarte* Auskunft über die Leistungen der Schüler geben: Werden am Rand die Initialen vermerkt, so kann jedes Kind nach Ab­schluss anstreichen, dass es das jeweilige Angebot bereits erledigt hat. Ebenso kann auch von dem Chef eines Angebots eine Liste darüber geführt werden.
Aus verschiedenen Gründen ist es jedoch sinnvoll, wenn die Schüler eine Vorauswahl* treffen. Dies unterstützt bewusste Entscheidungen, hilft Einseitigkeiten zu vermeiden und diszipliniert die Schüler. Natürlich muss es den Schülern auch möglich sein, zu ihrer Vorauswahl gegebenenfalls noch etwas dazu zu wählen oder im Notfall auch davon zurück zu treten.
Eine weitere gute Form solch einer Vorauswahl sind so genannte Lernverträge*: Hierbei setzen sich die Schüler ihre Arbeitsziele selbst, sie wählen gemeinsam mit dem Lehrer Schwerpunkte aus, legen fest, was sie in einer Woche leisten wollen und halten das alles schriftlich in einem Vertrag fest, den sie dann auch unterschreiben. Bei Einverständnis der Schüler können diese Lernverträge auch ausgehängt werden. Durch das Unterschreiben dieses Vertrages übernehmen die Schüler selbst Verantwortung für ihr Lernen und werden dadurch zu einem bewussteren Arbeiten angeleitet. Deshalb sind diese Lernverträge - wenn auch arbeitsaufwendig- doch sehr lohnend. Das Formulieren der Verträge kann in einer gemeinsamen Planungsstunde mit den Schülern als Teil des Unterrichts erfolgen. In dieser Stunde kann auch geklärt werden, welche der Angebote obligatorisch sind und warum.


4.2.5 Der Ablauf

Die Startphase ist sehr wichtig für ein gutes Gelingen des Werkstattunterrichts. Sie sollte deshalb gut organisiert sein. Am Anfang liegen die Angebote bereit. Die Kinder haben Zeit, sie sich anzuschauen und können sich einen groben Überblick verschaffen. Anschließend kommt die Klasse zusammen. In dieser Zeit werden Erklärungen zu Angeboten gegeben, die dies erfordern. Allerdings sollte nicht zuviel erklärt werden, da dies nur Unruhe und überflüssige Fragen zur Folge hat. Nachdem die Schüler eine Vorauswahl* getroffen haben, erfolgt nun die Arbeitsverteilung: sie tragen in ihre Arbeitskarten* ein, was sie tun wollen und mit wem. Hierfür sollten die Kinder genügend Zeit haben. Diese Phase ist sehr wichtig, um das Einschätzen der individuellen Lernentwicklung und der eigenen Stärken und Schwächen zu fördern.
Wollen zu viele Schüler gleichzeitig dasselbe Angebot bearbeiten, sollte durch Verhandeln, Abstimmen oder notfalls das Los entschieden werden.
Die Startphase kann entlastet werden durch eindeutige oder bekannte Aufgaben, klare schriftliche Anweisungen oder auch durch die Beschränkung auf ein Teilangebot, das dann am folgenden Tag ergänzt wird. Außerdem sollte die Lehrerin die Schüler immer wieder zum Selbst-Herausfinden ermuntern.
Die Arbeitsphasen im Werkstattunterricht sollten regelmäßig am Anfang, Schluss oder auch in der Mitte eines Unterrichtstages durch gemeinsame Phasen ergänzt werden. Diese können beispielsweise zum Singen oder Musizieren genutzt werden, für Konzentrationsübungen, zum Vorstellen von Ergebnissen oder auch zur Klärung von Problemen oder aktuellen Fragen. Sie sollten nicht länger als 10 Minuten dauern. Wird solch eine Phase zwischendurch abgehalten, sollte sie rechtzeitig angekündigt werden. Meist sind diese gemeinsamen Phasen sehr beliebt.
Beendet werden soll die Werkstatt in jedem Fall gemeinsam. Wenn die Zeit nicht ausreicht, können verschiedene Angebote noch als Hausaufgaben aufgegeben werden oder als Zusatz­arbeiten für die nächsten Wochen liegengelassen werden. Der Rest wird zusammen aufgeräumt.
Die Lehrerin sollte auf jeden Fall eine Zeitreserve für die gemeinsame Auswertung und Vertiefung der Werkstatt einplanen. Oft entsteht das Bedürfnis danach bei bestimmten Angeboten erst aus der Werkstatt heraus und kann dann in dieser Pufferzone weitergeführt werden.

 

4.3 Die Rolle der Lehrerin


4.3.1 Neue Anforderungen

Die Einstellung und das Verhalten der Lehrerin spielen im Werkstattunterricht eine grundlegende Rolle. In dieser Form von Unterricht werden völlig andere Anforderungen an sie gestellt als im traditionellen Unterricht. So werden nicht mehr die Vermittlung von Wissen, das Erklären und Darbieten gefordert, sondern statt dessen u.a. das Entwickeln und Bereitstellen von Material, Management im Klassenzimmer, das Unterrichten von kleinen Gruppen oder einzelnen Schülern, das Diagnostizieren von Fähigkeiten und Bedürfnissen Einzelner, das Anregen von Fragen, Aktivitäten und Überlegungen, partnerschaftliche Kontrolle und vieles mehr.
Die Lehrerin muss immer wieder ihre eigene Rolle überdenken und einen Ausgleich finden zwischen führen und gewähren lassen. Dies macht einerseits die Schwierigkeit, andererseits aber auch den Reiz eines solchen Unterrichts aus.
Im Werkstattunterricht stellen sich diese völlig anderen Anforderungen von Anfang an. Deshalb ist die Umstellung für die Lehrerin zunächst schwierig; sie muss in diese neue Rolle erst hineinwachsen. Da sie nicht mehr wie sonst die Aktive ist, sollte sie sich vor allem am Anfang vorher schon überlegen, was sie tun will. So bringt es zum Beispiel wenig, von Tisch zu Tisch zu pilgern. Besser ist es, am Pult etwas vorzubereiten, zu korrigieren oder gezielt zu beobachten. Sie kann auch einzelnen Schülern helfen oder bei einem schweren Angebot bleiben, um dort gegebenenfalls zu unterstützen.

 

4.3.2 Sprechzeiten*

Bei einer unselbstständigen Klasse oder Schulanfängern stellt sich häufig das Problem, dass die Lehrerin dauernd von sehr vielen Schülern mit Fragen bedrängt wird. Dem kann abgeholfen werden, indem weitestgehend die Selbstkontrolle der Aufgaben ermöglicht wird oder durch die Einführung von Sprechzeiten. Hierbei sollte man ein Zeichen ausmachen, wie zum Beispiel eine leuchtende Ampel: rot = bitte nicht stören, grün = Sprechzeit.
Außerdem sollte eine Reihenfolge festgelegt werden. So kann entweder eine Liste ausgelegt werden, in die sich die Schüler eintragen oder aber die Arbeitskarten werden auf dem Pult abgelegt und zeigen so die Reihenfolge an. Die wartenden Schüler müssen auch nicht untätig herumstehen, sondern können in der Werkstatt weiterarbeiten, bis sie an der Reihe sind.

 

4.3.3 Kontrollmöglichkeiten

Die Lehrerin sollte sich klarmachen, dass es nicht schlimm ist, wenn die Schüler zwischendurch auch mal nichts tun, denn auch im normalen Unterricht schalten die Schüler von Zeit zu Zeit ab und sind so ebenfalls des Öfteren eine Zeit lang untätig.
Die Schüler sollten jedoch am Ende jeder Phase in einem Heft notieren, was sie erarbeitet haben und sie sollten auch ihre Ziele über einen längeren Zeitraum kennen. Auf diese Weise merken sie selbst, wenn sie etwas vernachlässigt haben, und was.
Daneben sollte der Lehrer einen Beobachtungsbogen* zu jedem Schüler anlegen und regelmäßig ausfüllen, um so vor Fehlentwicklungen zu schützen.
Zum Großteil sollte den Schülern aber die Selbstkontrolle* ihrer Aufgaben ermöglicht werden. Schon bei der Vorbereitung sollte die Lehrerin eine rasche und einfache Kontrolle der Aufgaben mit einplanen. So können beispielsweise die Lösungen oder Korrektur­schablonen an einem bestimmten Ort deponiert werden, oder aber ein Schüler kennt die Lösungen jeweils eines Angebots und korrigiert die Arbeiten hierzu. In käuflichen Kontroll­geräten* wie LÜK oder Kontrollfix ist eine Selbstkontrolle inbegriffen.
Selbstbeurteilungen* bilden einen wichtigen Bestandteil des Werkstattunterrichts. Dennoch haben einige Schüler besonders anfangs noch wenig Selbstdisziplin. Regelmäßige Nach­kontrollen in Form von Stichproben sind daher unerlässlich. Eine andere Möglichkeit ist, dass sich die Schüler gegenseitig bewerten.

 

4.3.4 Drei wichtige Prinzipien

Die Lehrerin braucht für diesen Unterricht viel Mut und Selbstvertrauen, sowie Gelassenheit und Achtsamkeit. Sie sollte vor allem die folgenden drei Prinzipien beachten:

  1. Schülerbezogene Grundhaltung: sie sollte Vertrauen in ihre Schüler haben und sich von Vorurteilen frei machen.
  2. Sozial-integrativer Führungsstil*: das Verhältnis zu den Schülern sollte partnerschaftlich sein; sie sollte sich tolerant, hilfsbereit, offen und flexibel zeigen.
  3. Didaktische Zurückhaltung*: sie sollte Lernangelegenheiten anbieten und dann den Lernprozess nicht behindern, indem sie den Schülern selbstgesteuertes Lernen* ermöglicht. Hilfe kann auch kontraproduktiv wirken. Oft stellt Hilfe nur den Versuch dar, Probleme zu vereinfachen, den Umweg zum Ziel durch kleine Schritte oder die Vorzeichnung des Lernwegs. Solche Hilfe ist jedoch völlig ungeeignet. Schüler brauchen dagegen deutlich erlebte, aber überwindbare Lernwiderstände. Gut ist daher das Prinzip der minimalen Hilfe*. Hierbei wird dem Schüler nur dann geholfen, wenn der Lernprozess behindert ist; es wird ihm nur gerade so viel geholfen, um diesen wieder in Gang zu bringen.


4.4 Glossar

Angebot: →Lernangebo

Arbeitskarte: Eine Arbeitskarte ist eine mögliche Form eines →Arbeitsplans. Sie soll den Schülern die Übersicht über das Angebot erleichtern. Darin werden die Namen der geplanten Angebote eingetragen; der Beginn und Abschluss einer Arbeit werden markiert und teilweise auch eine Beurteilung des jeweiligen Angebots und der eigenen Leistung. Die Arbeitskarte kann themengemäß gestaltet werden. Sie wird bei der Lehrerin hinterlegt, wodurch diese die Möglichkeit hat, eine Übersicht über die Leistungen der Schüler zu erhalten. Ebenso besteht eine Kontrollmöglichkeit, wenn als Belohnung beim Abschluss einer Arbeit ein Stempel vergeben wird (vgl. Reichen 1991, S. 76).

Arbeitsplan: Ein Arbeitsplan strukturiert für jeden Schüler den Rahmen seines Lernens, stellt Minimalanforderungen, gibt Anregungen und dient als grobes diagnostisches Hilfsmittel, um Entwicklung und Leistungsstand des Schülers einzuschätzen. Formen von Arbeitsplänen sind →Arbeitskarten, →Wochenpläne oder →Lernverträge (vgl. Reichen 1988b, S. 32).

Auftragskarte: Jedes Angebot einer Werkstatt sollte mit einer Auftragskarteversehen werden. Die Gestaltung der Karte kann je nach Werkstattart, Klassenstufe, Anzahl der Angebote, etc. variieren. Sie sollte jedoch immer mit Nummern, Bildsymbolen und einem kurzen Titel gekennzeichnet sein und über die vorgesehene Sozialform, den Verbindlichkeitsgrad, die Kontrollform und eventuell den Schwierigkeitsgrad informieren. Auftragskarten mit Unteraufträgen sollten mehrmals vorhanden sein, damit die Kinder sie mit an ihre Plätze nehmen können (vgl. Reichen 1991, S. 71 f.).

 

Beobachtungsbogen: Da die Kontrolle und Übersicht über die Schüler im Werkstattunterricht sehr erschwert sind, empfiehlt Reichen, der Lehrer sollte zu jedem Schüler einen Beobachtungsbogen anlegen, in dem er einträgt, was er im Unterricht bemerkt. Das kann ihm helfen, den Schüler vor allfälligen Fehlentwicklungen in seinem Lernen zu schützen (vgl. Reichen 1991, S. 81)

Chefsystem: Dies ist das organisatorische Kernstück des Werkstattunterrichts und laut Reichen eine Bedingung für seine erfolgreiche Durchführung. Die Einrichtung des Chefsystems, auch als Kompetenzdelegation bezeichnet, ist nicht nur im Werkstattunterricht möglich. Es eignet sich sehr gut, um die Selbständigkeit der Kinder zu fördern. Hierbei werden sonst typische Lehrerkompetenzen an die Schüler abgegeben; die Kinder einer Klasse übernehmen dabei verschiedene Chefposten.
Wichtig ist, dass es sich dabei um echte Befugnisse handelt, um wirklich verantwortungsvolle Aufgaben. Auch wichtig ist, dass jeder Schüler einen Posten bekommt. Die speziellen Aufgaben eines Chefs werden in speziellen →Pflichtenheften festgehalten.
Im Werkstattunterricht kann jeder Schüler für ein →Angebot zuständig sein.
Der Lehrer wird durch dieses System von Routine- und Organisationsaufgaben entlastet. Daneben gewinnen die Schüler an Selbstvertrauen, Selbständigkeit und Verantwortungs­gefühl; der Austausch untereinander wird gefördert und die Beziehungen vertieft.

Didaktisches Schwedenbuffet: Mit dieser Formulierung beschreibt Reichen (1996, S. 9) das System des Werkstattunterrichts: die Kinder können aus einem großen Lernangebot frei auswählen, wobei die Wahl des Zeitpunktes und teilweise die Wahl der Übungsstoffe ihnen überlassen bleibt. Das Angebot sollte ansprechend sein und vielfältige Aufgaben verschiedener Bereiche beinhalten.

Didaktische Zurückhaltung: Dies ist beim Lehrer eine ganz entscheidende Voraussetzung, um den Schülern ein selbst gesteuertes Lernen zu ermöglichen. Der Lehrer soll nach Reichen (1991, S. 82 f.) im Werkstattunterricht eine Art didaktischer Bescheidenheit zeigen, indem er sich primär als Organisator von günstigen Lernbedingungen versteht und weniger als didaktischer Helfer. Er soll den Schülern Lerngelegenheiten anbieten und sie dann in ihrem Lernprozess nicht behindern. Didaktische Zurückhaltung soll der Mittelweg zwischen Nichtstun und Übereifer sein und dem Prinzip der →minimalen Hilfe folgen.

Extrinsische Motivation: →Motivation

Fächerverbindendes Lernen: Werkstattunterricht bietet sich zur Verwirklichung von Fächer verbindenden Unterricht an: Ein Thema, beispielsweise aus dem Sachunterricht bildet den Rahmen einer Werkstatt; zu diesem werden dann verschiedenen Angebote aus allen Fächern zusammengestellt.

Fehler: Die Einstellung des Lehrers zu Fehlern ist bedeutsam für die Lernentwicklung der Schüler. Reichen (1993, S.21) bezieht entschieden Stellung gegen die „Rotstift-Kultur in den Schulen“ und fordert, „auf die Wörter „falsch“ bzw. „Fehler“ zu verzichten. „Falsch“ gibt es nicht, höchstens „noch nicht richtig““ (Reichen 1993, S.22). Fehler sind notwendige Bestandteile des Lernprozesses. Daneben ruft er dazu auf, mehr darauf zu achten, was ein Kind bereits kann und geleistet hat, als darauf, was es noch nicht kann oder eben noch nicht richtig gemacht hat.

Helferunterricht: Hierbei übernimmt ein Schüler die Lehrerrolle. Dies bietet verschiedene Vorteile: Schwache Schüler erhalten so die Möglichkeit einer längeren Lernhilfe. Außerdem verstehen Schüler oft die kindgemäßen Erklärungen ihrer Mitschüler besser als die des Lehrers. Andererseits werden durch das Erklären auch die Kenntnisse des lehrenden Schülers gefestigt: man hat etwas nur richtig verstanden, wenn man es einem anderen erklären kann.
Daneben begünstigt der Helferunterricht die Kooperation zwischen den Schülern und stellt vor allem auch eine Entlastung für den Lehrer dar (vgl. Reichen 1991, S. 73 f.).

Instruktionsunterricht: Damit wird nach Reichen (1991, S. 56 ff.) jener Teil des herkömmlichen Frontalunterrichts bezeichnet, in dem es um Einführungen, Orientierungen etc. geht. Instruktionsunterricht dient der Vermittlung systematischer Informationen.

Intrinsische Motivation: →Motivation

Kontrollblatt: Zu Beginn einer neuen Werkstatt erhält jeder Schüler ein solches Blatt, das, meist in Form von einer Tabelle, eine Übersicht über alle Angebote gibt. Die Unterschrift des jeweils zuständigen Chefs gibt im Folgenden Aufschluss darüber, welche Angebote der Schüler bereits erledigt hat. Dies erleichtert einerseits den Schülern den Überblick über ihren Fortschritt und beinhaltet andererseits auch wichtige Informationen für den Lehrer.

Kontrollgeräte: Zu diesen zählen u.a. Profax, Kontrollfix, Sabefix, oder auch LÜK. Es handelt sich dabei um käuflich erwerbbare Lernprogramme, die nach der Art eines Zusammensetzspiels funktionieren: Sie bestehen meist aus verschiedenen Plastikplättchen, die einzeln je nach Lösung der Aufgabe auf einem austauschbaren Aufgabenblatt in einem vorgefertigtem Rahmen abgelegt werden. Gemeinsames Merkmal der Geräte ist vor allem die Ermöglichung von →Selbstkontrolle, die beispielsweise durch das Zustandekommen bestimmter Muster auf der Rückseite der Plättchen oder nach dem Puzzleprinzip erfolgt. Kompetenz- und Aufgabendelegation: →Chefsystem  

Korrekturbüro: Das Korrekturbüro nimmt eine Sonderstellung im Rahmen des →Chefsystems ein. Prinzipiell sollte sich jeder Schüler für jeden Posten bewerben können; keinesfalls sollte jemand ausgeschlossen werden. Der Posten des Korrekturbüros setzt jedoch bestimmte Qualifikationen voraus, deshalb sind hierbei Einschränkungen nötig, die auch von den Schülern akzeptiert werden, da sie sachlich begründet sind.
Dieses Amt ist zwar nicht sonderlich beliebt, aber von besonderer, vor allem auch langfristiger Lernwirksamkeit. Das Korrekturbüro wird von den vier bis sechs besten Rechtschreibern der Klasse gebildet, die den Auftrag haben, alle von den Schülern frei formulierten Texte erst durchzusehen, ehe sie dem Lehrer zur Schlusskorrektur gegeben werden. Dadurch können sich Kinder entspannen, die gerade bei freien Texten Hemmungen wegen ihrer Rechtschreibung haben. Daneben kommt es innerhalb des Korrekturbüros immer wieder zu Diskussionen mit den Textschreibern über orthographische Unsicherheiten, was zu einer Vertiefung des Problembewusstseins auf dieser Ebene führt (vgl. Reichen 1991, S. 87)

.Leerangebot: Jede Werkstatt sollte ein solches nicht festgelegtes Angebot enthalten. Dieses weist den Schüler an, sich selber eine Aufgabe zu stellen, die er nach Beratung mit dem Lehrer selbständig bearbeitet. Die Wahrnehmung des Leerangebots sollte besonders am Anfang von der Lehrerin angeregt werden, da es meist zunächst nur ansatzweise wahrgenommen wird. Viele Schüler haben zwar individuelle Interessen, doch die Fähigkeit, sich selbst eine passende Aufgabe zu stellen, muss erst mit der Zeit erlernt werden (vgl. Reichen 1991, S. 67).

Lernangebot: Eine →Werkstatt nach Reichen besteht aus verschiedenen Lernangeboten, d.h. Lernsituationen und –materialien, unter denen die Schüler wählen können. Umfang, Vielfalt und didaktische Präzision der Lernangebote sind entscheidend für das Gelingen von Werkstattunterricht. Sie sollten ein hohes Maß an Selbsttätigkeit fordern, nicht nur „aus Papier“ bestehen, sondern Möglichkeiten zum handelndem Umgang mit Dingen eröffnen; darüber hinaus sollten sie Selbstkontrolle ermöglichen und den Schüler möglichst vom Sachinteresse her motivieren (→intrinsische Motivation). Ein Lernangebot soll vom Schüler etwas fordern und ihn wenigstens 20 Minuten lang beschäftigen. Das Gesamtlernangebot sollte nicht nur aus Übungs- und Wiederholungsaufgaben bestehen, sondern auch Möglichkeiten enthalten, etwa Neues zu lernen; es sollte in einzelnen Angeboten aus dem Klassenzimmer hinausführen, es kann auch individuelle Förderungsangebote für nur einen Teil der Klasse enthalten und muss für eigene Interessen der Schüler offen bleiben, weshalb jede Werkstatt ein →Leerangebot enthalten sollte (vgl. Reichen 1991, S. 66 f.)

.Lernvertrag: Wenn die Schüler eine →Vorauswahl treffen, können sie diese in einem Lernvertrag festhalten. Hierbei setzen sich die Schüler ihre Arbeitsziele selbst, sie setzen gemeinsam mit dem Lehrer Schwerpunkte, legen fest, was sie in einer Woche leisten wollen und halten das alles schriftlich in einem Vertrag fest, den sie dann auch unterschreiben.
Durch das Unterschreiben dieses Vertrages übernehmen die Schüler Selbstverantwortung für ihr Lernen und kommen dadurch zu einem bewussteren Arbeiten. Deshalb sind diese Lernverträge - wenn auch arbeitsaufwendig- doch sehr lohnend (vgl. Reichen 1991, S. 77 f.).

Lernwerkstatt: Im allgemeinen auch unter anderen Konzepten bekannt (Vgl. 2. Begriffliche Klärung und Einordnung von „Werkstattunterricht“), bezeichnet Reichen im Werkstattunterricht mit „Lernwerkstatt“ oder „Werkstatt“ die Gesamtheit der →Lernan­gebote: Eine Lernwerkstatt ist eine Lernumgebung; sie besteht aus einer bestimmten Anzahl von Lernangeboten, aus denen die Schüler auswählen können und die von ihnen bearbeitet werden. Die Werkstatt wird nach einer festgesetzten Zeit abgeschlossen. Sie kann thematisch festgelegt oder ungebunden sein (vgl. Reichen 1991, S. 61).

Lernzonen: Reichen empfiehlt, das Klassenzimmer durch Raumteiler in verschiedene Arbeitsbereiche bzw. Lernzonen aufzuteilen. Zu den üblichen Lernzonen zählen beispielsweise eine Malecke, eine Lesenische oder ein Mathematiktisch (vgl. Reichen 1991, S. 62).

Minimale Hilfe (Prinzip der minimalen Hilfe): Dieses Prinzip bildet die Grundlage, auf der die →didaktische Zurückhaltung des Lehrers beruhen soll. Es beinhaltet den Grundsatz, dass der Lehrer dem Schüler nur dann helfen sollte, wenn dieser in seinem Lernprozess blockiert ist, und dann auch nur gerade soviel, als unbedingt erforderlich ist, um den Lernprozess wieder in Gang zu bringen. Das richtige Minimum muss dabei im Einzelfall abgeklärt werden. Reichen weist jedoch darauf hin, dass Lehrer im Allgemeinen eher zu viel und zu schnell helfen als zu wenig und zu spät (vgl. Reichen 1991, S. 83).Motivation:    Man unterscheidet - intrinsische/ primäre Motivation: Damit wird ein Antrieb, der von dem Schüler selbst ausgeht, bezeichnet oder eine Lernmotivation, die durch den Aufforderungscharakter des Gegenstandes entsteht. Diese Motivation vom Sachinteresse her ist anzustreben und vorzuziehen.

Ebenfalls sehr mächtig und niemals ausschaltbar ist jedoch auch die - extrinsische/ sekundäre Motivation: Diese wird vom Lehrer oder anderen außerhalb der Schule tätigen Personen oder Strukturen bewirkt. Zu den sekundären Motivationen zählen beispielsweise: die Zuneigung des Lehrers, Prämien, gute Noten, Wettbewerbsanreize (vgl. Reichen 1991, S. 66).
Nach Heckhausen stammt hohe Lernmotivation aus der phantasierenden Vorwegnahme des Erfolgserlebnisses. Nach Guyer wirkt der deutlich erlebte, aber nicht unüberwindbare Lernwiderstand stark motivierend (Guyer 1956, S.139 ff., zitiert nach Reichen 1988a, S. 38). Deshalb sind der mittlere Schwierigkeitsgrad von Aufgaben sowie ein individualisiertes Lernangebot ganz entscheidend für die Motivation (vgl. Reichen 1996, S. 9).

Obligatorisches Angebot: Ein als obligatorisch ausgezeichnetes Angebot muss von allen Kindern bearbeitet werden. Reichen warnt jedoch davor, zu viele Angebote einer Werkstatt als obligatorisch zu erklären, da dies die Wahlfreiheit unnötig einschränkt.

Pflichtenheft: Dies spielt im Zusammenhang mit dem →Chefsystem eine Rolle: Nachdem die verschiedenen Chefposten verteilt wurden, erhält jeder Chef ein solches Pflichtenheft, in das die speziellen Aufgaben des jeweiligen Chefpostens eingetragen wurden. Der Lehrer hat die Möglichkeit, die Pflichtenhefte an den jeweiligen Schüler individuell anzupassen und so gegebenenfalls noch Einschränkungen des Postens vorzunehmen.

Präfigurationsprozesse: Die Präfigurationstheorie geht von der Annahme aus, dass es während eines Lernprozesses zwischen dem Anfangspunkt, an dem der Lernende noch nichts von dem Lerngegenstand weiß, und dem Endpunkt, an dem der Lernprozess erfolgreich abgeschlossen ist, eine so genannte Präfigurationsphase gibt, in der der Lernende die zu lernende Sache „halb“ oder „teilweise“ kann. Diese Zwischenzone entzieht sich weitgehend einem methodisch-didaktischen Direktzugriff. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass ein Kind nicht unbedingt eine bestimmte Leistung vollständig beherrschen muss, bevor mit der Erarbeitung der nächst höheren Stufe begonnen werden kann. Im Gegenteil unterstützt eine bestimmte Menge an Lernlücken bzw. noch offenen Lernprozessen den Gesamtlernprozess in positiver Weise. Wichtig ist jedoch, dass man dabei auf jeglichen Leistungsdruck verzichtet und die gewollte Überforderung richtig dosiert: die Menge der Lernlücken sollte nicht zu groß werden, da es in diesen Fällen zu Lernstörungen oder –versagen kommen kann (vgl. Reichen 1988a, S. 40).

Programmierte Lernwerkstatt: Diese stellt einen Sonderfall der Werkstätten dar. Ihr Lernangebot bietet strukturell zusammenhängende Lern- und Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Lernbereich und ist in einer bestimmten Abfolge zu bearbeiten. Der →Arbeitskarte kommt in diesem Fall eine besondere Bedeutung zu: sie stellt dem Schüler ein Netz möglicher Lernwege vor, auf denen er nach eigener Wahl vorankommen kann (vgl. Reichen 1991, S. 64).

Projektunterricht: Nach Reichen bezeichnet der Begriff „Projektunterricht“ unterrichtliche Vorhaben, bei denen die Schüler an Planung und Vorbereitung mitbeteiligt sind oder sogar die ganze Verantwortung übernehmen. Projektunterricht schafft ein Maximum an Freiraum für eigenes Handeln der Schüler (vgl. Reichen 1991, S. 56 ff.).

Schlüsselqualifikationen: Darunter versteht man Qualifikationen, die neuerdings vor allem in der Wirtschaft gefordert werden. Es handelt sich dabei um Fähigkeiten, die einen kompetenten Umgang mit Wissen sowie die Anpassung an sich rasch verändernde Rahmenbedingungen ermöglichen (vgl. Belz 1997, S.12). Zu den Schlüsselqualifikationen zählen u.a.: Entscheidungsfähigkeit, Selbständigkeit, Kritikfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Fähigkeit zum autonomen Lernen, Kooperationsfähigkeit, Teamgeist, Kommunikationsfähigkeit, Organisationsfähigkeit, Fähigkeit zum vernetzen Denken. Die Förderung dieser Fähigkeiten kann im Werkstattunterricht gut verwirklicht werden (vgl. 3.3 Zur Aktualität reformpädagogischer Forderungen).

Selbstbeurteilungen: Selbstbeurteilungen bilden einen wichtigen Bestandteil des Werkstattunterrichts. Die Schüler sollen selbst Verantwortung für ihr Lernen übernehmen. Sie sollen lernen, sich und ihre eigenen Stärken und Schwächen einzuschätzen. Dies wird bereits durch die Ermöglichung von →Selbstkontrolle angebahnt, durch Selbstbeurteilungen der Schüler jedoch noch verstärkt. Dennoch haben einige Schüler besonders anfangs noch wenig Selbstdisziplin. Regelmäßige Nachkontrollen in Form von Stichproben sind daher unerlässlich. Eine andere Möglichkeit ist, dass sich die Schüler gegenseitig bewerten.

Selbstgesteuertes Lernen: Der Schüler übernimmt dabei zugleich die Rolle des sich selbst Lehrenden; er plant den Lernvorgang, beschafft notwendige Informationen, wählt geeignete Methoden aus, überprüft schließlich auch den eigenen Lernfortschritt und übernimmt auf diese Weise →Selbstverantwortung für sein Lernen.
Prototypen des selbst gesteuerten Lernens sind die Lernprozesse des Alltags; hierbei zeigt sich, dass der Mensch offensichtlich dann am effektivsten lernt, wenn das Lernen selbst gesteuert ist. Selbststeuerung bildet den Kern jedes Lernprozesses. Reichen folgert daraus: „Ein ausreichendes Ausmaß an Selbststeuerung durch den Lernenden ist eine kritische Bedingung für erfolgreiches Lernen. [...] Je mehr Möglichkeiten der Schüler zur selbständigen, aktiven Arbeit hat, um so größer wird sein Lernerfolg“ (Reichen 1988a, S. 36 f.). Ein Grund für den Erfolg des selbst gesteuerten Lernens ist wahrscheinlich, dass es auf →Präfigurationsprozessen aufbaut.

Selbstkontrolle: Die Schüler sollen im Werkstattunterricht selbst gesteuert lernen und Verantwortung für ihr Leben übernehmen. Dazu gehört auch, dass sie ihre Ergebnisse größtenteils selbst kontrollieren. Schon bei der Vorbereitung sollte der Lehrer deshalb eine rasche und einfache Kontrolle der Aufgaben durch die Schüler miteinplanen. So können beispielsweise die Lösungen oder Korrekturschablonen an einem bestimmten Ort deponiert werden, oder aber ein Schüler kennt die Lösungen jeweils eines Angebots und korrigiert (siehe auch Kompetenzdelegation). In käuflichen →Kontrollgeräten ist eine Selbstkontrolle inbegriffen.

Selbstverantwortung: Werkstattunterricht verfolgt u.a. das Ziel, die Schüler zu mehr Selbstverantwortung zu erziehen. So sollen sie insbesondere auch Selbstverantwortung für ihr eigenes Lernen übernehmen, was durch bewusste →Vorentscheidungen bei der Auswahl der Angebote, sowie durch die Ermöglichung von →Selbstkontrolle und →Selbstbeurteilungen unterstützt wird.

Sozialformen: Die Sozialformen im Werkstattunterricht sind vor allem Gruppenarbeit, Partnerarbeit und Einzelarbeit. Die Schüler werden sich jedoch erst an das Arbeiten in den verschiedenen Sozialformen gewöhnen müssen, daher ist eine richtige Einführung dieser sehr wichtig. Bei der Partner- oder Gruppenbildung der Schüler sollte nur in Notfällen vom Lehrer eingegriffen werden.
Durch den Wechsel der Sozialformen wird das Von- und Miteinanderlernen im Werkstattunterricht begünstigt und die →Sozialkompetenz der Schüler gefördert. Die Auseinandersetzung mit anderen ist wichtig für die Kinder und lernpsychologisch sehr wirkungsvoll. Daneben hat Gruppen- und besonders Partnerarbeit eine höhere Aktivierung der Schüler zum Vorteil (vgl. Nuhn 1995, S. 12 ff.).

Sozial-integrativer Führungsstil: Darunter ist ein partnerschaftlicher Führungsstil zu verstehen, der einer humanistisch-christlichen Grundhaltung entspricht. Merkmale des sozial-integrativen Führungsstils sind beispielsweise, dass der Lehrer sein Vorgehen begründet, selbst Alternativen gibt, Kritik akzeptiert und sich selbst in Frage stellt, dass er hilfsbereit ist, die Schüler emotional unterstützt, Leistungszwang vermindert oder auch bei Konflikten nach Kompromissen sucht. Ein solcher Führungsstil ist eine Grundlage des Werkstattunterrichts (vgl. Reichen 1992, S. 82).

Sozialkompetenz: Diese wird in der didaktischen und öffentlichen Diskussion zunehmend höher gewertet. Sie gilt als ein Lernziel der Schule und wird darüber hinaus im Zusammenhang mit anderen →Schlüsselqualifikationen von der Wirtschaft vorausgesetzt. Wichtige Indikatoren für Sozialkompetenzen sind beispielsweise, wenn trotz verschiedener Meinungen, Lernvoraussetzungen, biographischer Erfahrungen und Fähigkeiten in einer Schulklasse ein tolerantes Klima vorherrscht, bei dem zwar Meinungsverschiedenheiten thematisiert werden, aber Minderheiten nicht diskriminiert werden. Des weiteren zählen zu den Kennzeichen von Sozialkompetenz das Verfügen über kommunikative Konflikt­lösungsstrategien, ein kooperatives, nicht-konkurrierendes Lernverhalten, Sorgsamkeit im Umgang mit Dingen und Empathie, die Fähigkeit, Hilfe zu geben und anzunehmen. (Kaiser 1997, S. 199) Im Werkstattunterricht wird Sozialkompetenz gefördert durch das Arbeiten in verschiedenen →Sozialformen, durch die Einrichtung des →Chefsystems oder auch durch den →Helferunterricht.

Sprechzeiten: Die Einführung von Sprechzeiten kann eingesetzt werden, um den Lehrer davon zu entlasten, dauernd von sehr vielen Schülern mit Fragen bedrängt zu werden.
Es sollte ein Zeichen ausgemacht werden, wann die Sprechzeiten sind sowie Regeln für eine Reihenfolge dabei festgelegt werden.
Eine weitere Möglichkeit zur Entlastung des Lehrers besteht darin, weitestgehend →Selbstkontrolle der Aufgaben zu ermöglichen.

Strukturschema: Die Ausgewogenheit des Angebots sollte gewährleistet sein. Eine Hilfe bietet hierbei die Erstellung eines Strukturschemas. Es gibt Aufschluss über Zeit, Sozialform, Fach und die Anzahl der Lektionen der einzelnen Angebote. Dabei nummeriert der Lehrer die geplanten Angebote und trägt sie entsprechend ihrem Fach und ihrer Sozialform in das Schema ein. Jeweils nach Ermessen wird die benötigte Zeit hinzugefügt und anschließend kann zusätzlich noch der Schwierigkeitsgrad farbig gekennzeichnet werden. Am Ende werden die Sollzeiten verglichen und die Angebote bei Einseitigkeit der Werkstatt korrigiert. Eventuell kann auch durch eine andere Werkstatt ein Gegengewicht geschaffen werden.

Verbindlichkeitsgrad: Reichen unterscheidet dem Verbindlichkeitsgrad nach innerhalb einer →Werkstatt freie Angebote, deren Bearbeitung den Schülern freisteht und →obligatorische Angebote, die bearbeitet werden müssen.

Vorauswahl: Es ist eine sinnvolle Maßnahme, die Schüler im Werkstattunterricht eine Vorauswahl treffen zu lassen: Die Schüler sollen, bevor sie mit der Arbeit beginnen, entscheiden, was sie bearbeiten wollen. Diese Vorauswahl sollten sie festhalten, beispielsweise durch →Arbeitskarten oder →Lernverträge. Eine Vorauswahl unterstützt das bewusste Entscheiden, hilft Einseitigkeiten zu vermeiden und diszipliniert die Schüler. Natürlich muss es den Schülern auch möglich sein, zu ihrer Vorauswahl gegebenenfalls noch etwas dazu zu wählen oder im Notfall auch davon zurück zu treten.

Werkstatt: →Lernwerkstatt

Wochenplan: Die Schüler sollten eine grobe Übersicht über das Gesamtlernangebot haben, was ihnen durch Wochenpläne oder →Arbeitskarten erleichtert wird. In den Wochenplan tragen die Schüler am Anfang der Woche ein, was sie sich vorgenommen haben und anschließend auch, was sie davon bewältigt haben.