Kersten Reich: Die Ordnung der Blicke. Band 1: Kapitel II.4

   

>> zurück zum Inhaltsverzeichnis und zur Auswahl der Kapitel

4. Die Unschärferelation in der Beobachtungswirklichkeit oder:
    der Zirkel der Kränkungen

Ein Gedankengebäude als eine verwinkelte Stadt mit unzähligen Räumen von Kränkungen habe ich skizziert, aber es sind Kränkungen, die sich rekonstruktiv orientieren, konstruktiv gebärden und dekonstruktiv entwerten. Wir blicken umher, aber wie sicher sind unsere Blicke?
In den Rekonstruktionen sind die Räume, die Zeiten, die Vergegenständlichungen – alles, worauf wir blicken – schon vorgeordnet; es gibt immer schon eine Ordnung neben, vor und hinter den Blicken. In den Konstruktionen eröffnen sich uns neue Horizonte, wir rücken an die Position einer Selbstbemächtigung, die das, worauf gesehen werden kann, sich selbst erschafft. Dekonstruktiv entdecken wir aber in diesen beiden Bewegungen bei genauerem Hinsehen Risse in den Fassaden, Löcher in den Straßen und Ruinen in den Hinterhöfen. Ein Gedankengebäude dies alles, und dennoch verbunden mit materiellen und geistigen Ausgestaltungen, die als Gestalten in unseren Blicken zirkulieren.
Wenn wir die Ordnung der Blicke suchen, so suchen wir zugleich eine Perspektive, um über das Sehen die eigene Blindheit zu vermeiden. Wie aber sollen wir dies erreichen, wenn unser Sehen als Sehen uns schon blind gegenüber dem macht, was wir dabei nicht mehr sehen? Jeder, der sieht, hat einen blinden Fleck, der sich schon durch die Eigenart seines Sehens ergibt. In der Sichtbarmachung eines Blickes liegt immer die Blindheit dafür eingeschlossen, das Bild hinter dem Bild zu sehen, d.h. sich als Beobachter hinter den Beobachter zu stellen, so wie es Zerrspiegel durch die unendliche Vervielfältigung von Bildern aufweisen und damit nur in der Illusion des Unendlichen landen. Es ist und bleibt ein Paradox: Aus den verwinkelten Räumen der Kränkung sehe ich die Kränkungen der a/Anderen aus meiner Raum- und Zeitperspektive, und ich kann mir metatheoretisch nun ein Gedankengebäude errichten, das meint, alle – oder bescheidener möglichst viele dieser – Räume zu imaginieren, ohne damit meine Perspektive einer Konstruktion verlassen zu können, die dennoch ein Anderer mir zurückspiegeln wird.
Aus den jeweiligen Blickwinkeln von absolut und relativ, selbst und a/Anderen, bewusst und unbewusst, die in dieser Zusammenstellung auch nur Stadtteile in einem speziellen Konstrukt von Beobachtung sind, lassen sich unzählige Reihen spitz-erfinderischer Auseinandersetzungen jeweils gegen den anderen Bereich führen. Solche Spitz-Findigkeiten münden dann in unendliche Kontroversen, die beispielsweise für das Verhältnis von absolut und relativ die interaktionelle Kompetenz von Verständigungsgemeinschaften oder die Hintergründigkeit des Begehrens dramatisieren; die in den ausschließenden Blickwinkel von Interaktion das Absolute und Relative in Form von Zeichen und Symbolen auf Konstitutionen, Vergegenständlichungen und Verobjektivierungen zurückführen; die sich vielleicht mit der spekulativen Methode der Begründung eines Unbewussten bewusst durch Begrenzung auf objektivierbare Signifikanzen oder anerkannte Verständigungsgemeinschaften zurückziehen.
Es gehört zur Selbstbeschäf­tigungsmaßnahme von Wissenschaft, sich solche Kämpfe zu imaginieren und sie partiell auszutragen, um sich als ein symbolisch gesättigter Raum neben den Relativierungen des Alltags zu behaupten, um die Verständigungsgemeinschaft an Interaktionsregeln zu binden, die als verallgemeinerter Anderer in Form von Wissenschaftsspielen und -ritualen verbindlich wird. Solche Verbindlichkeit ist auf der Inhaltsebene situiert und existiert meist abgekoppelt von den alltäglichen Beziehungen und dem individuellen Begehren. Auch ich bin mit meiner Argumentation in diesen spielerischen Gang verstrickt, wenngleich ich einen Beobachter suggeriere, der wie auf einem spitzen Turm erfinderisch mit jenen Wirklichkeiten hantiert, die von bestimmten Spielarten von Wissenschaft als die ausschließlichen intendiert waren. Jener auf der Spitze imaginierte Beobachter mag wie ein letzter Erfinder erscheinen, obwohl er durch das Entdecken von Konstruktivität von Wirklichkeit sich nicht in einen Verwalter von Wirklichkeit oder in jemand verwandeln lässt, der die Wirklichkeit nur von sich aus bestimmt.
Aller Beobachtungsvorrat scheint nun in einer Realität angesiedelt zu sein, die ich Beobachtungswirklichkeit nenne. Diese Beobachtungswirklichkeit ist das Konstrukt eines jeden Beobachters, über die historische und darin sozialisationsbedingte Vermittlung von Beobachtungsleistungen aber auch das Konstrukt von Beobachtungstraditionen. Wenn die Beobachter handeln, dann sind sie Akteure. In ihren Vorverständigungen, Traditionen und (Vor-)Urteilen aber sind sie stets schon Teilnehmer bestimmter Verständigungen. Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte ist sehr aufschlussreich, um die Dialektik von Unschärfe und Schärfe in der Bestimmung dieser Verwicklungen einzugrenzen.
Die Naturwissenschaften haben diese Eingrenzung bis zur Perfektion betrieben. Sie haben aus einem kontemplativen Arsenal von Beobachtungen ein eingegrenztes Laboratorium gestaltet, in dem der passive Beobachter zwar noch eine Rolle spielt, aber durch die Anlage von Experimenten gezielt das zu beobachten sucht, was ihm Nutzen bringt und technisch möglich ist. Im Wechselspiel von Beobachtung und mikro- sowie makroskopischer Erweiterung des Beobachtungsrahmens wurden so Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und weitere Konstruktionen von Wirklichkeit durchführbar, deren empirischer Gehalt nach den Kriterien der Intersubjektivität, der Wiederholbarkeit des Ergebnisses, der Eindeutigkeit der Aussage usw. im Blick auf das eingegrenzte Feld (Systemimmanenz der Aussage) als hoch anzusehen ist, und die damit als wahrscheinlich gelten (als reduzierter Ausdruck einer Wahrheitstheorie). Zwar wird die gerechtfertigte Behauptbarkeit (Dewey) von solcher Wahrscheinlichkeit durch wissenschaftliche Neuentdeckungen erschüttert, aber dies hindert Beobachter in dieser Beobachtungsrealität nicht, sich jeweils das als „Wahrheit“ rauszusuchen, was für beide Seiten von Nutzen ist.1
Die eine Seite ist der äußere Fortschritt, das, was nach außen, in eine Öffentlichkeit hinein dokumentiert wird, und was sich im wissenschaftlich-technischen Fortschritt realisiert. Diese Seite ist insbesondere auf Verdinglichung, Vergegenständlichung angelegt, auf ein eindeutiges Sichtbarmachen und Genießen in den Blicken, auch wenn die späteren Folgen des Genusses meist wenig bedacht werden können. Und diese Seite ist wenig sensibel für Widersprüche oder Unzulänglichkeiten, solange alles nur irgendwie funktioniert. So hat zwar Einstein mit seiner Relativitätstheorie das Newtonsche Weltbild erschüttert, aber dies hindert keinen Naturwissenschaftler, Newton dort weiterhin anzuwenden, wo die Bedingungen der Newtonschen Experimente immer noch gelten – nämlich für mechanische Bewegungen innerhalb der systemimmanenten Begrenzungen dieser Theorie. Kaum deutlicher kann zum Ausdruck kommen, dass die Beobachtungsrealität ein Konstrukt des nach Zielen handelnden Konstrukteurs ist.
Die andere Seite ist die Verständigungsgemeinschaft von wissenschaftlichen Nutz­nießern, die den Fortschritt in eigene Vorteile umsetzen und daraus Macht, Status, Prestige und Einkommen gewinnen. Es gehört zu den größten Illusionen der Moderne, sich den Fortschritt als etwas vorzustellen, das für alle Denk- und Forschungsansätze gleichermaßen gilt. Die einzelnen Schritte in diesem illusionä­ren Gesamtkonzept sind vielmehr kein Miteinander, sondern ein Gegeneinander, ein Beharren auf altem und Vernichten von neuem Wissen, was auf der Beziehungsseite der Wissenschaftler stets deutlich hervortritt, aber in den Einzelergebnissen kaum mehr erscheint.
Heinz von Foerster hat in diesem Kontext zwei Theoreme aufgestellt, die die Position einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie verdeutlichen sollen. Sein Theorem Nr. 1 lautet: „Je tiefer das Problem, das ignoriert wird, desto größer die Chancen für Ruhm und Erfolg.“ (Foerster 1993, 161) Darin reflektiert er – ähnlich meinem Versuch der Kränkungsbewegungen – die Ausschließungsbedingungen von Wissenschaft, die erst zu wissenschaftlichem Ruhm und zu Anerkennung in wissenschaftlichen Verständigungsgemeinschaften führen. Auch wenn seine Bezugspunkte anderer Art als meine in der Darstellung solcher Kränkungen sind, so ist das Ergebnis an dieser Stelle ähnlich. Ergänzt wird diese Sicht durch das Theorem Nr. 2: „Die ‚hard sciences‘ sind erfolgreich, weil sie sich mit den ‚soft problems‘ beschäftigen, die ‚soft sciences‘ haben zu kämpfen, denn sie haben es mit den ‚hard problems‘ zu tun.“ (Ebd.) 
Die öfter vorgenommene Unterscheidung von harten und weichen Wissenschaften, von Natur- oder Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, verdeutlicht den Status einer empirisch abgesicherten Erkenntnis, die deutlich sichtbaren Nutzen für die Menschen bringt. Diese Deutlichkeit schlägt sich in Materialität nieder, die in der Welt- und Produktionsrealität erwartet wird. Sie drückt zugleich indirekt eine Erwartung an den Wahrscheinlichkeitsgrad der wissenschaftlichen Konstruktion aus und ist damit eine Aussage über die Unschärfe der Wissenschaft. Zwar haben die Naturwissenschaften dabei selbst an mehreren Stellen die eigene Unschärfe aufgrund der aktiven Beteiligung am Experiment gesehen und formuliert, gleichwohl durch die Begrenzung des Beobachtungsfeldes die Schärfe des Fokus und die Rückkopplung des Beobachteten auf Phänomene der technischen Herstellung soweit erreicht, dass der wahrscheinlichen Aussage (fast) schon wieder vom außenstehenden Beobachter die Geltung unumstößlicher Wahrheit zukommt.
Die sogenannten weichen Wissenschaften haben unter dem Druck solcher Geltungen vieles daran gesetzt, ihrerseits Schärfe zu erreichen, Unschärfe zu eliminieren und damit gesellschaftliche Anerkennung zu erstreben. Dabei haben sie sich an den Stellen selbst besiegt, wo sie versuchten, die höhere Komplexität von Beobachtungen zu beseitigen, die dort notwendigerweise auftritt, wo ich kein Labor mit begrenzten experimentellen Anordnungen schaffen kann, wo ich also den Beobachtungsvorrat nicht gezielt so begrenzen kann, dass die Komplexitätsreduktion mir zu möglichst eindeutigen Aussagen verhilft. Solche Beseitigungsversuche endeten und enden immer wieder im Feld der Naivität, der Vereinfachung, die kaum mehr das relevante Beobachtungsfeld in der Lebenswelt erfassen kann oder sich zum Selbstzweck gerät. Meist führt dies zu verallgemeinerten Aussagen sehr trivialer oder so allgemeiner Natur, dass kaum mehr die Spezifik der eigentlich zugrunde gelegten Beobachtungssituation erhalten bleiben kann.2
Gleichwohl werden auch die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften am Sog des materiellen Erfolges gemessen, was ihren Status in der Welt der Wissenschaften heikel macht. Da ihre Eindeutigkeitsbehauptung durch das Feld ihrer Beobachtungen notwendigerweise unschärfer ausfällt, was andererseits auch ausdrückt, dass die Naturwissenschaften sich wohl bisher zu blind gegenüber der selbst produzierten vermeintlichen Schärfe ihrer Aussagen verhalten und dort versagen, wo Komplexität folgenreich ist – also insbesondere im Blick auf die komplexen Umweltfolgen ihres Tuns blind geblieben sind –, sind die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften in einen ständigen Legitimationsdruck geraten, den sie zunächst mittels Spezialisierung ihrer Beobachtungen und Aufteilung der Beobachtungsvorräte wettzumachen bestrebt waren und sind.
Seit dem 19. Jahrhundert hat diese Spezialisierung an Universitäten soweit zugenommen, dass man mittlerweile um die Interdisziplinarität, um die Zusammenschau und Zusammensicht fürchten muss. Die Aufteilung des Beobachtungsvorrats und die Spezialisierung innerhalb des hier Aufgeteilten kompensiert scheinbar die Unschärfe, indem niemand mehr beurteilen kann, was der Andere eigentlich mit seinen Untersuchungen treibt, sie führt aber angesichts des darin liegenden Konstruktivismus auch notwendig zu einer beständigen Erhöhung von Komplexität, indem immer neue Varianten und Akzente im Beherrschungskampf um die Beobachtungsvorräte und Maximen der Beobachtung die Unschärfe erweitern, indem sie die Schärfe als Auseinandersetzung der Kontrahenten mehr um Ab­straktionen als um gemeinsame Begrenzung der Unschärfe in Feldern praktischer Anwendung artikulieren. Eine solche Gemeinsamkeit könnte aber auch sehr gefährlich werden, wenn sie in das Dogma der nur noch einen gültigen Beobachtungsschule verfällt, um darin zu erstarren.
Ich will später noch präzisieren, inwieweit die Entwicklung der Wissenschaften vielleicht selbst eine Art Falle darstellt, die uns in die Beobachtungsrealität fesselt, ohne hinreichend andere Formen der Beobachtung zu beachten (vgl. Band 2, Kapitel IV. 3.3.). Denn das Modell, dass nur ein reduzierter Beobachtungsvorrat und eine reduzierende Beobachtung wissenschaftliche Gültigkeit beanspruchen können, führt zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Je eindeutiger induktive, deduktive und abduktive Schlussfolgerungen reduzierend erreicht werden, um so wirklicher scheint die Wirklichkeit zu werden. Erst an den Krisen dieser konstruierten Wirklichkeit erkennt dann später der Beobachter, dass die Schärfe der Reduktion in die Unschärfe der Reaktion einer Wirklichkeit umschlägt, von der man zuvor nichts wusste, weil man die eigene, sich selbst auferlegte Unschärfe der Erkenntnis nicht reflektierte. Es ist dies eine Differenz zu dem, was man nicht wissen konnte, denn die Reduktion beschränkt sich bewusst und willentlich, um sich jene Härte an Wissen zu sichern, die anerkannt ist. Ein oberstes Gebot einer konstruktivistischen Theorie aber muss die umgekehrte Anerkennung sein, dass solche Schärfe blind gegenüber der notwendigen Unschärfe macht, die im Diskurs um weitere Entwicklungen der Zivilisation nicht ausgeblendet bleiben darf. Denn wenn ich in meinen Konstruktionen nicht mehr mitteile, warum ich wo und wie reduziere, dann täusche ich die Anderen und mich selbst um die Krise, deren Potenzialität ich mitteilen muss – soweit ich kann –, um nicht über die Aktualität des Reduzierten mir einen kurzfristigen Gewinn einzuhandeln, der auf Dauer unbezahlbar wird.
Allerdings macht die Verbindung von Kapitalismus und Wissenschaft hier wenig Mut auf eine radikale Änderung der Blickwinkel. Denn gerade unscharfe Untersuchungen erscheinen als unbezahlbar. Und die Kapitalisierung der Universitäten richtet ihre eigene Umverteilung zu Gunsten des vordergründig Nützlichen, des Ertragreichen ein, das immer mit dem Exzellenten verwechselt wird, um die schwierigen Grundlagenforschungen insbesondere in den Humanwissenschaften immer mehr zu verunmöglichen. Die Verunmöglichung wurzelt besonders intensiv darin, dass solche Forschung nicht mehr als begehrenswert erscheint und darum nur noch selten begehrt wird. Zugleich führt der Bologna-Prozess zu einer Verschulung des Studiums, so dass auch die Neuankömmlinge im Forschungssystem auf kleine Parzellen begrenzten, modulari­sierten Wissens geführt werden, so dass um ein zusammenhängendes, kritisches und komplexes Wissen und Argumentieren, das Zeit und kreatives Querdenken erfordert, ohnehin gefürchtet werden muss. Vertrauen können wir allenfalls auf eine Gegenbewegung, die grundsätzliche Fragen angesichts grundsätzlicher Krisen wieder begehrt.

Drei Mal wurde uns die Realität gekränkt. In drei Argumentationskreisen erschienen uns diese Kränkungen.
Zunächst wurde in der ersten Kränkungsbewegung deutlich, dass sich zumindest Konstruktivisten darüber einig sind, dass Realität, sofern sie denn etwas bezeichnen soll, was außerhalb unseres Bewusstseins, unserer Sprache und vor unseren Handlungen ist, sich nicht einfach in uns abbildet, in uns eingeboren ist oder von uns irgendwie nachgeahmt wird. Sie verweigern auch das, was Thomas Nagel (1999) als „Das letzte Wort“ bezeichnet, nämlich, dass es nicht relativistische, sondern universelle rationale Grundlagen unserer Beobachtungen, unseres Denkens und Handelns geben soll. Wenn Nagel dabei direkt den Konstruktivismus kritisiert (ebd.,11) und zugleich andere Autoren aus dem Kreis der gemäßigten Realisten oder Pragmatisten wie z.B. W.V. Quine, Nelson Goodman, Hilary Putnam und Richard Rorty auch anführt (ebd., 15), dann zeigt dies, dass Konstruktivisten in der neueren Erkenntniskritik nicht alleine stehen, sondern ein breites Bündnisfeld auch anderer Richtungen – mit vielen zumindest impliziten Gemeinsamkeiten mit dem Konstruktivismus – vorfinden. Diese Richtungen lehnen das ab, was von Nagel wie folgt vorgetragen wird: „Nach meiner Überzeugung ist es möglich, das Verlangen nach Ordnung als unmittelbare Konsequenz der Vorstellung von einer objektiven Realität zu begreifen, die unabhängig ist von speziellen Beobachtungen und Beobachtern ... Um wirklich bewusstseinsunabhängig zu sein, müssen die Gesetze – und nicht bloß die von ihnen bestimmten Ereignisse – perspektivenfrei sein und erklären, warum die Dinge so erscheinen, wie sie von verschiedenen Ausgangspunkten innerhalb der Welt tatsächlich erscheinen.“ (Ebd., 123)
Was Nagel äußert, das ist ein metaphysischer Realismus, der das Referenzproblem – wie kommen die äußeren, objektiven Tatsachen denn in die unterschiedlichen Beobachter alle gleichermaßen hinein? – auf einfache Abbildung, Widerspiegelung oder irgendeine Korrespondenz zurückführt, und die damit letztlich in eine unkritische Philosophie vor Kant mündet. Dies scheint dem „gesunden Menschenverstand“ einzuleuchten, aber es erzeugt Probleme, die nicht so einfach zu bewältigen sind, wie es sich Nagel und andere vorstellen. Ein Großteil der Erkenntniskritik des 20. Jahrhunderts kreist um den Tod der Metaphysik, und auch eine realistische Einstellung hat sich hieran zu messen. 
Erinnern wir uns nochmals aus der ersten Kränkungsbewegung an einige Gründe dieses Scheiterns und beschreiben wir zusammenfassend, welche Folgen dies für einen veränderten Realitätsbegriff hat. Gerade hier gibt es – auch unter Konstruktivisten – immer wieder (unnötige) Streitpunkte.
Ein wesentliches Problem, einer der wichtigsten Streitpunkte, liegt darin, dass wir zwar einerseits als Konstruktivisten behaupten, dass die Menschen die Erfinder ihrer Wirklichkeit sind, dass wir andererseits aber offenbar nicht alle Realität erfinden können. Wir sind zwar, um mit Nelson Goodman zu sprechen (1984), in der Lage, verschiedene Weisen der Welterzeugung zu konstruieren, also z.B. die Newtonsche Realität der mechanischen Bewegungen oder die Einsteinsche Welt der relativen Bewegungen usw., wobei wir verschiedene Versionen von Welt erzeugen, die jeweils unterschiedlich zu unseren Bedürfnissen und den dabei erfassten Kontexten passen. Aber wir müssen offensichtlich zugleich zugestehen, dass nicht immer alles passt. Es erscheint öfter als genug etwas aus der Realität, was wir zunächst nicht konstruiert haben – z.B. Naturkatastrophen, ungeahnte Folgen unserer Experimente und Techniken, etwas nicht Vorhergesehenes usw. –, das also außerhalb unserer konstruktiven Mächtigkeit steht und erst im Nachhinein von uns symbolisch bearbeitet und damit in Vorhersehbares verwandelt werden kann. Dies haben wir in der ersten Kränkungsbewegung umfangreich, wenngleich exemplarisch, diskutiert (vgl. z.B. ebenso Putnam 1993, Rorty 1991, 1992, Habermas 1992).
Auch Konstruktivisten haben durchaus theoretische Konzepte, dies einzugestehen. Ernst von Glasersfeld unterscheidet die von Menschen konstruierte Realität von einer ontischen Realität, um diesen Unterschied zu markieren.3 Friedrich Wallner nennt die unabhängig vom menschlichen Bewusstsein existierende Welt Realität im Unterschied zur konstruierten Wirklichkeit.4 Ich unterscheide Realität und Wirklichkeit, die für mich stets Konstruktionen des Menschen sind, vom Imaginären und Realen, das unabhängig auf uns wirkt, wie wir in den voraufgehenden teilen dieser Arbeit gesehen haben.
Bleiben wir zunächst in der ersten Kränkungsbewegung. Hier ist es wesentlich zu erkennen, dass der Konstruktivismus kein Realismus ist und sich davor hüten muss, naturalistische Ableitungen zu treffen. Dies soll nachfolgend noch einmal zusammenfassend verdeutlicht werden. In einem zweiten Schritt werde ich danach aufzuklären versuchen, auf Grund welcher Verwechslungen es immer wieder dazu kommt, dass die Realitätsauffassung von Konstruktivisten als beliebig, bloß subjektivistisch und methodologisch unbefriedigend, wenn nicht gar überhaupt unzureichend angesehen wird. Solche Verwechslungen, so werde ich auch darlegen, sind jedoch unnötig, wenn man die unterschiedlichen Standpunkte und Perspektiven, die im Konstruktivismus zusammentreffen, nach ihren Ansprüchen und Verwendungsweisen hinreichend reflektiert. Anschließend werde ich einen veränderten Gebrauch von Begriffen wie Realität, Wirklichkeit und Reales vorschlagen, wie er sich insbesondere im Blick auf die zweite und die im letzten Kapitel behandelte dritte Kränkungsbewegung darstellt.
 

1) Konstruktivismus ist kein Realismus


Der Konstruktivismus, sofern er das Machen, Erfinden, die eigene menschliche Leistung im Prozess der Erzeugung von Wirklichkeiten betont, ist anti-naturalistisch angelegt, insofern er seine eigene Erkenntniskritik ernst nimmt. Dies bedeutet, dass für Konstruktivisten aus keiner Natur, auch nicht aus den Gegenständen oder Dingen selbst, aus einer Außenwelt direkt oder instruktiv abgeleitet oder abgebildet werden kann, was wir als Menschen mit bestimmter Sprache oder Zeichengebung, Deutung oder Handlung konstruieren.5 So sehr die Grenzen zum Naturalismus durch konstruktivistische Diskussionen der letzten Jahre deutlich geworden sein mögen, so sehr scheinen sie mir im Hinblick auf den Realismus noch offen zu sein. Dies liegt auch mit daran, dass wir sogar einen konstruktiven Ansatz haben, der sich als  Realismus bezeichnet. Um Probleme aufzuzeigen, die mit einer realistischen Position entstehen können, will ich auf John R. Searle zurückgreifen, der keinen konstruktivistischen, sondern einen reduktiv realistischen Erkenntnisanspruch entwickelt und damit nochmals exemplarisch Probleme der ersten Kränkungsbewegung verdeutlichen hilft. Die Kritik dieses Anspruches soll helfen, Abgrenzungen zum Konstruktivismus nochmals zusammenzufassen.
Searle (1997) geht von einer Theorie des gesunden Menschenverstandes aus, die er vehement gegen alle Gegner des Realismus aufstellt. Er arbeitet mit stark vereinfachenden Bildern, um z.B. folgende Grundannahmen zu begründen:
(1) Die Welt, die Wirklichkeit, das Universum, alles, was wir annehmen, dass es auch ohne uns vorhanden ist, existiert real, d.h. unabhängig von unseren Repräsentationen. Diese Ansicht nennt er externen Realismus (ebd., 160). 
(2) Andere Teile der Welt, objektive Tatsachen in der Welt, sind Produkte menschlicher Übereinkunft. Dazu gehören nach Searle Dinge wie Geld, Eigentum, Regierungen und Ehen (ebd., 11). In dieser symbolischen Ordnung, die unser Konstrukt ist, gibt es eine unsichtbare Struktur von Wirklichkeit, deren Muster wir uns über Sozialisation und Erziehung aneignen. 
Diese Unterscheidung nun führt zu einer Verdopplung unserer Wirklichkeit: 
Welt 1: Laut der Welt des externen Realismus leben wir in einer objektiven Welt, die wir nicht beeinflussen können. „Wir leben in einer Welt, die vollständig aus physischen Teilchen in Kraftfeldern besteht. Einige von ihnen sind in Systemen organisiert. Einige dieser Systeme sind lebende Systeme, und einige dieser lebenden Systeme haben Bewusstsein entwickelt. Mit Bewusstsein einher geht Intentionalität, die Fähigkeit des Organismus, sich Gegenstände und Sachverhalte zu repräsentieren.“ (Ebd., 17) Dieses Bewusstsein ist nun an die Bedingungen unter (1) und (2) gebunden. Objektiv in einem ontologischen Sinne kann es nur dann von immanenten Eigenschaften der wirklichen Welt sprechen, wenn es sich auf den externen Realismus bezieht. Dies ist die außerhalb unseres Bewusstseins existierende Welt, die auf Grund ihrer Unabhängigkeit auch Eigenschaften der Welt an sich aufweist. 
Welt 2: Dagegen steht eine epistemische Sicht, in der wir nur beobachterrelativ unsere Wirklichkeit konstruieren. Zwar kann diese zweite Welt auch objektiv sein, aber sie ist es in einem eingeschränkten Sinne, weil sie historisch, kulturell, sozial usw. konstruiert ist und hierbei auf menschliche Übereinkunft setzen muss (ebd., 19 ff.).
(3) Nachdem diese dualistische Weltauffassung als Grundlage gesetzt ist, wird eine Korrespondenztheorie der Wahrheit unterstellt, die auf der Annahme basiert, dass unsere Ideen und Aussagen dann wahr sind, wenn sie mit den Dingen (Tatsachen) in der wirklichen Welt übereinstimmen. 
Mit diesen drei Punkten scheint die Welt des Realisten hinreichend geklärt. Zumindest hat Searle durch seine Welt 2 Kritikern an der Naivität des realistischen Standpunktes Wind aus den Segeln genommen, indem es nun als möglich und notwendig erscheint, immer erst deutend zu interpretieren und zu prüfen, ob wir von einer immanenten, an-sich-seienden Welt da draußen oder einer von uns konstruierten sprechen. Die scheinbar an-sich-seiende Welt da draußen als eine immanente Welt zu bezeichnen, meint bei Searle offensichtlich, dass die Wahrheit dieser Welt in den Dingen selbst – und damit immanent – existiert. Wenn ich nachfolgend hingegen von einer systemimmanenten Position spreche, so ist damit immer ein Konstrukteur gemeint, der aus seiner Position heraus immanent – also von seinem Ansatz aus – solche Konstruktionen wie z.B. Searle trifft. Für den Konstruktivisten können die Dinge da draußen nicht immanent sein, denn sie selbst können nicht ihr Sein feststellen, das ihnen von uns zugeschrieben wird. Searle ist im Grunde in seiner Position 1 als Realist noch Metaphysiker geblieben, in der Position 2 wechselt er in einen Konstruktivismus. Eine solche Tendenz ist bei sehr vielen Wissenschaftlern der Gegenwart zu beobachten.
Für sie alle bleibt jedoch eine unangenehme Nachfrage, die im Blick auf die Welt 1 gestellt werden muss: „Was aber sind Tatsachen?“ 
In der Kritik Strawsons (1964) an der Korrespondenztheorie ist bereits darauf aufmerksam gemacht worden, dass auch Tatsachen Elemente von Diskursen, mithin Aussagen, sind. Dann aber gelangen wir zu der Feststellung, dass Aussagen dann wahr sind, wenn sie mit den vorangenommenen Aussagen auf der Basis von so gesehenen Tatsachen übereinstimmen – und die gesamte Korrespondenztheorie ist verloren.6 
Dieser Verlust ist für den harten Realisten (= Realist mit der Welt 1-Annahme) eine große Bedrohung. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten zu reagieren:
Strategie 1: Man ignoriere die Kritik überhaupt und verharre in seiner Deutung. In diesem Sinne argumentiert Nagel, wenn er „Ein letztes Wort“ findet und keine Zugeständnisse machen will. Diese Position ist klar und verspricht Sicherheiten im symbolischen Denken, allerdings mit Versprechen, die sie bei näherer Hinsicht nur um den Preis immer größerer Praxisferne, methodischer Rigidität und konstruktiver Einfalt halten kann.
Strategie 2: Man macht Zugeständnisse und weicht den paradigmatischen Kern so auf. Dieser Weg macht gegen Einwände weniger angreifbar. Searle geht ihn recht konsequent. Er will die Korrespondenztheorie methodisch retten, indem er Zusatzannahmen macht, die auf der Grundunterscheidung des externen Realismus zwischen einer Welt an sich (ohne Menschen) und einer menschlich konstruierten Wirklichkeit basieren. Es wird zur Aufgabe einer Interpretation, für welche Variante wir uns jeweils entscheiden. Finden wir nicht die Eindeutigkeit der Welt 1 als Tatsachen, dann müssen wir uns mit den menschlichen Konstruktionen der Welt 2 begnügen.
Wie aber gelangen wir zu den Tatsachen der Welt 1? Dazu trennt Searle Aussagen und Tatsachen. Im externen Realismus können Tatsachen durchaus nicht-sprach­licher Art sein, weil hier ja eine Realität unabhängig vom Menschen bezeichnet zu sein scheint. Dies ist der Kern der realistischen Behauptung. Der vermeintliche Witz besteht dann nach Searle darin, „einen Begriff für das zu haben, was außerhalb der Aussage besteht, sie aber wahr macht oder dank dessen sie wahr ist, wenn sie wahr ist“ (ebd., 219). Wann aber ist sie letztlich wahr? Aussagen sind aus dieser Sicht genau dann wahr, wenn sie den Tatsachen (bei einem Zugeständnis von gewissen Unschärfen, die sich nicht ganz vermeiden lassen) entsprechen. Und diese Entsprechung erbringt Erfolg oder Misserfolg, nach denen wir unsere Wahrheitssuche praktisch bemessen.
Was Searle hier als Theorie entwirft, erscheint – wie viele andere realistische Begründungen auch – als nicht hinreichend reflektiert, wenn wir konstruktivistisch argumentieren. Zwar sieht Searle zunächst ein Problem, das auch für den Konstruktivismus höchst relevant ist: Die Frage, inwieweit wir als konstruktive Entwickler und Erfinder unserer Wirklichkeiten nicht auch zugeben müssen, in einer Welt zu leben, die durchaus ohne uns existieren kann. Es wäre uneinsichtig, würden Menschen behaupten, sie hätten die gesamte Welt erschaffen und erfunden (auch wenn dieser Gedanke in den Religionen als Projektion an Götter durchaus auftaucht). Uneinsichtig wäre dies, weil wir von einer außermenschlichen Welt immer wieder überrascht wurden und werden: Sei es durch so genannte Naturkatastrophen, kosmische Ereignisse, nicht vom Menschen verursachte Erscheinungen. Aber auch hier entsteht sofort die Frage, wie wir als Menschen denn überhaupt von diesen realen Welten wissen? Hier sind wir an kulturelle Vor-Verständigung gebunden, die unsere Diskurse oder Ansichten über alle externen Realitäten steuern und begleiten. Schon sind wir in der Falle: Die Idee des Externen erscheint jetzt nur noch als Grenzbegriff, denn im Externen können wir nie verweilen, sofern wir es kommunizieren und uns hierüber verständigen. Unsere Ideen und symbolischen Ordnungssysteme haben nun ja gerade den Sinn, genau das nicht geschehen zu lassen, von dem Searle ausgeht: Eine externe Realität, die uns gegenüber tut, was sie will.7 
Nehmen wir ein Beispiel, das Searle mehrfach anführt: Die objektive, unstrittige Behauptung der außermenschlichen Existenz des Mt. Everest. 
Kein vernünftiger Mensch, so sagt der Realist, kann an der Tatsache vorbeisehen, dass dieser Berg nun tatsächlich existiert. Diese Tatsache ist nicht beobachterrelativ. Begründung: Der Berg existiert ja auch, wenn wir nicht existieren. 
Will ich hingegen nun menschliche Erfahrungen beschreiben, wie man am geschicktesten diesen Berg besteigen kann, so geraten wir allerdings in das Feld kultureller Anstrengungen und beobachterrelativer Beschreibungen, was auch Searle zugesteht.
Die Thesen sind damit klar: Hier der objektive Berg; dort der subjektive Mensch, der allerdings in all seinem Subjektivismus durch Regeln und Institutionen durchaus auch Objektives schaffen kann. Alles Objektive aber wird durch Tatsachen, von denen ein Teil auch nichtsprachlicher Art ist, gestützt und materiell untermauert.
Was Searle in seiner Argumentation verschweigt, das ist der Beobachter, der die objektive Welt nach (1) überhaupt feststellen kann. Nach (1) gibt es nur immanente Tatsachen, d.h. in den Dingen selbst liegt die Wahrheit wie ein eingeschweißter „Zettel“. Nach (2) erst ist zugestanden, dass wir diesen „Zettel“ gefertigt haben und über seine Bedeutung zumindest diskutieren und wohl auch streiten dürfen. 
Wer aber ist kompetent genug, die Tatsachen nach (1) zu erfassen? Wenn nicht ein Gott der Realisten, dann offenbar wir alle, d.h. alle Menschen. Denn die Menschen müssen hier gar keine Beobachter sein, weil die Tatsachen für sich zu sprechen scheinen (aber wo und wie: in den Sinnen und der Wahrnehmung? dem Verstand? der Vernunft?). Der Realist teilt zur Verdeutlichung die Wirklichkeit in zwei Sphären auf. Nach immanent oder beobachterrelativ entsteht so ein widersprüchliches Weltbild, das Searle folgendermaßen illustriert:
„1.a. immanent: Dieses Objekt ist ein Stein.
  1.b. beobachterrelativ: Dieses Objekt ist ein Briefbeschwerer.
  2.a. immanent: Der Mond verursacht die Gezeiten.
  2.b. beobachterrelativ: Der Mond ist heute Abend besonders schön.
  3.a. immanent: Erdbeben kommen häufig dann vor, wenn tektonische Platten   
         aufeinander treffen.
  3.b. beobachterrelativ: Erdbeben sind schlecht für den Wert von Grundstücken.”  (Ebd., 22)
Wer aber sind die Beobachter, die die a-Positionen feststellen? Von welchen kulturellen Rekonstruktionsleistungen ist dies abhängig? 
Searles Vorschlag übersieht, dass wir Menschen nicht spontan allen extern realen Tatsachen ins Auge sehen können. Warum sind wir hier nicht schlauer, wenn es doch so unhintergehbare, offensichtliche und reale Tatsachen sind? Was verstellt uns den Weg, zumindest bei den a-Positionen schnell zu einer Meinung über alle Kulturen und Interessen hinweg zu gelangen?
Die Gegenthese lautet, dass alle immanenten Vorstellungen immer beobachterrelativ sind. Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte und ein Vergleich unter-schiedlicher menschlicher Kulturen beweist dies sehr schnell. Allerdings ist dieser Beweis nicht extern real, sondern an Verständigung im Prozess solcher kulturellen Rekonstruktionen gebunden. Die Illusion, dass sich alle Steine objektiv als bewusst­seinsunabhängige gleichen, entsteht dadurch, dass Searle ein bestimmtes naturwissenschaftliches Weltbild methodisch begrenzt einführt und nicht mehr als Beobachterkonstrukt erkennen kann. Aus der Sicht enger methodischer Regeln scheinen alle Steine objektiv gleich beschreibbar zu sein. Doch hier müsste Searle genauer schauen: Objektivität ist ja an die Praxen gebunden, in denen wir in bestimmter Weise auf die Natur oder Umwelt schauen und in diese eingreifen. Hier gleichen sich die Steine keineswegs, sondern sind immer schon mit kulturellen Bedeutungen und Erfahrungen vermischt. Nur in sehr begrenzter naturwissenschaftlicher Fragestellung lässt sich hierbei eine Eindeutigkeit in der Übereinstimmung des Objektiven bestimmen und als Beobachtungskonstrukt (Wissenschaftsstandard bestimmter Fachgruppen) für eine bestimmte Zeit festschreiben.8
Ein wesentlicher Fehler Searles liegt für mich in der Enttemporalisierung (und damit auch Enthistorisierung) des bewusstseinsunabhängig Realen. So verleugnet er für einen Teil der Wirklichkeit den Beobachter, den er für einen anderen Teil durchaus zugestehen muss. Doch diese Spaltung ist unnötig, weil sie nicht die Konstruktivität oder Praktizität unserer Erkenntnis berührt, sondern allein an der Methodizität festgemacht wird. Sie bevorzugt ein methodisch enges Weltbild, das allein an den Naturwissenschaften und hier einem bloß engen Kern von Aussagen festgemacht werden kann, der so seinerseits nicht mehr hinreichend als kulturelles Produkt bestimmter Praxen gesehen wird. So wird eine erkenntniskritische Blindheit erzeugt, die wissenschaftshistorisch sehr problematisch ist. Der Realist steht ständig zumindest in der Gefahr, naiv wissenschaftsgläubig zu sein und ins Dogma des gesunden Menschenverstandes (eines intuitiven Vertrauens auf Tatsachenerkennung) zurückzufallen.
Was ist nun die konstruktivistische Alternative zu solch einem Realismus? Gewiss, auch als Konstruktivist komme ich nicht auf die Idee, eine bewusstseinsunabhängige Realität – ich nenne sie das Reale – zu bestreiten. Dies wäre vermessen und unklug, denn dann müsste ich unterstellen, dass wir Menschen gottgleich die gesamte Welt im Griff hätten. Dies ist nicht der Fall. Ungewissheiten, Wagnisse, Unvorhergesehenes, Ereignisse aller Art stehen uns ständig bevor. Das macht unser Leben gefährlich: Wir sind immer erst im Nachhinein symbolisch in der Lage, aus dem Unbekannten, Unvertrauten, Ungewissen zu lernen. Zum Glück, so werden viele sagen,  sind wir auf einer Menschheitsstufe, auf der wir es methodisch (dies ist in kultureller Verständigung weitgehend rekonstruierbar) gelernt haben, ein mögliches Reales zu antizipieren und in Teilen im Vorhinein gegen Gefährdungen von außen zu agieren (in der Regel aber wohl oft zu spät, d.h. nach Katastrophen belehrt zu werden). Das Erscheinen dieses Realen ist beobachterrelativ. Je erfahrener und gebildeter wir sind, desto weniger kann es uns vielleicht überraschen, aber gefeit sind wir nie gegen Ereignisse von außen.
Diese beobachterrelative Positionierung des Realen erscheint mir als viabler als die Searlesche Konstruktion eines externen Realismus, der immanent in den Dingen selbst liegt. Solche Dinge kann ich nicht sehen, denn sie sind stets mit meinen Beobachtungen vermischt. Ein externer Realismus macht kaum verständlich, warum menschliche Kulturen so unterschiedlich auf die angeblich reine Natur da draußen reagiert haben. Auch die hard sciences haben es nicht zu jener Weltabbildung bringen können, in der sie über Tatsachen einig wären. Sie sind sich allenfalls in einigen Fächern methodisch einiger als etwa die Kulturwissenschaften, die von vornherein ein größeres Spektrum an Unschärfen eingestehen müssen. Aber dieses Wagnis an eindeutiger Rekonstruktion folgt eben auch einer methodischen Enge, die ständig Risiken als Folgewirkung in anderen Bereichen produziert. Im 20. Jahrhundert sind diese Wirkungen deutlich erschienen: Je stärker der wissenschaftlich-technische Fortschritt entwickelt wurde, desto höher wurden die durch ihn erzeugten Risiken und Wahrnehmungen über Risiken (z.B. die Risiken der Atomenergie, von Atombomben und anderen Waffentechnologien, der Gentechnologien, komplexer ökologischer Krisen; hierunter fallen auch die Möglichkeiten des Massenmordes und der Vernichtung von Leben, die einen wissenschaftlich-technischen Hintergrund aufweisen). Nun gab es auch in früheren Zeiten immer Lebens-Risiken, aber die Ekstase der Fortschritts-Risiken kennzeichnet das 20. und 21. Jahrhundert und hinterlässt für gegenwärtige und nachfolgende Generationen Probleme, die nicht mehr nur nach den Bildern des Fortschritts gelöst werden können, weil dieser, wenn er bloß wissenschaftlich-technisch gedacht wird, bisher kein hinreichendes Instrumentarium über komplexe Folge-Wirkungen seiner überwiegend wie-orientierten Produktionen bereitstellen kann. 
Gehen wir nochmals auf die problematische Unterscheidung von Immanenz und Beobachterrelativität ein. Warum soll überhaupt die Feststellung „Dieses Objekt ist ein Stein“ eine immanente Aussage über die Wirklichkeit sein? Ein Stein wozu? Ein reiner Stein etwa? Ein Stein an sich, um die externe Realität zu beweisen? Also Searles Stein? Die Immanenz entschwindet immer dann, wenn wir nach den Bezügen fragen:

(1) Wer hat sich dies wozu konstruiert? Wer benötigt eine Natur oder externe Realität, um hierauf Wahrheiten zu gründen? Da nur bestimmte Beobachter und Akteure hierauf Bezug nehmen, zeigt bereits die Konstruktivität eine Schwäche jeglicher Immanenzvorstellungen: Menschen re/de/konstruieren eben selbst die Natur oder Realität (soweit sie überhaupt bewusstseinsunabhängig vorgestellt werden kann) niemals immanent, weil sie hierfür weder über eindeutige Instinkte noch rationale Argumente verfügen. Das stärkste Argument stammt hier übrigens von Kant: Abstrahieren wir von allen Eigenschaften eines Gegenstandes, so bleiben als apriorische Vorstellungen seiner selbst Raum und Zeit übrig – eine schöne These, aber eben auch nur eine mögliche These und kein vollständiges Gesetz der Immanenz. Je nach Beobachterrelevanz treten andere Sichtweisen hinzu oder entgegen. Raum und Zeit variieren als Konstrukte in den Kulturen stark. Kant spricht aus abendländischer Sicht ohnehin nur von einem stark abstrahierten Raum-Zeit-Konzept. Wenn andersherum sich die westliche Zeitvorstellung in alle Uhren der Welt eingeschrieben hat, so zeigt dies auch keine Immanenz, sondern eine kulturelle Dominanz. Ihre Wirksamkeit kann und soll nicht bestritten werden, aber ihr kultureller Hintergrund darf auch nicht einfach unterschlagen werden. Zudem verändert sich auch dieses Zeitkonstrukt dadurch, dass es je anders gelebt wird: Im Verhältnis z.B. von Eigen- und Fremdzeiten, Beschleunigungen, Arbeitszeitregelungen, verlängerten Lernzeiten usw.

(2) Methodisch sind Wissenschaftler gezwungen, Raffinesse in ihre Konstruktionen zu legen – allein schon, um in der Konkurrenz andere übertrumpfen zu können. Wollten sie jedoch eine Immanenz ergründen, dann wird jede Raffinesse überfordert, da ein anderer Beobachter (wie ich jetzt in meiner Kritik an Searle) die Systemimmanenz der einen Theorie durch Systemtranszendenz mittels einer anderen aufbrechen wird. Es ist leider bei Realisten ein gängiges Vorurteil, dass sich die Naturwissenschaftler recht einig in ihren Weltbeschreibungen seien. Dies wäre verheerend, denn es würde methodischen Stillstand und damit die Etablierung eines Dogmatismus bedeuten. Wir sollten methodisches Geschick und methodische Viabilität bei Re/Konstruktionen nicht überschätzen, denn wir werden damit keine Immanenz im Sinne Searles abbilden können. Wir können viable Lösungen finden, aber diese werden stets eine Kette weiterer Komplizierungen nach sich ziehen. So ist Einsteins Formel zur Relativität keine Weltformel, sondern eine präzise Beschreibung eines methodisch rekonstruierten Phänomenbereichs. Die Ableitungen aus dieser Formel haben nicht nur erkenntnistheoretischen Fortschritt gebracht, sondern auch große Risiken außerhalb der engeren Physik heraufbeschworen. Wir müssen als Beobachter bei der Rekonstruktion von methodischen Ketten stets entscheiden, wie weit wir die Begründungen verfolgen: Bleiben wir nur in der systemimmanenten Beschreibung der Formeln selbst, dann können wir Newton oder Einstein nehmen, mit beider Einsichten operieren, um methodisch eindeutig zu bleiben. Nun müssen auch Physiker akzeptieren, dass dies nur geht, wenn wir den Kontext beider Theorien mit bedenken und unsere Formeln auch nur in diesen viablen Konstrukträumen anwenden.

(3) Schließlich die Frage: Wozu überhaupt ein Realismus? Was gewinnen wir? Eigentlich, wie ich provokativ äußern möchte, vorrangig eine naive Rückspiegelung unserer vordergründigen Interessen: Seht, was wir alles machen können, es ist rein und gut, denn es ist die Natur selbst, die hier spricht. Dies hebt den Status der Wissenschaft und verleiht ihr ein Bild, das an eine übergreifende Vernunft, einen bloß guten Willen und die besten Gründe (Korrespondenz mit dem Unabänderlichen) appelliert. Die menschlichen Praktiken, Routinen und Institutionen zeigen meist das genaue Gegenteil: Interessen, Macht, Auslassungen, Förderung bestimmter Methoden auch dort, wo es um die vermeintliche Unabhängigkeit von Tatsachen geht. Es ist allerdings so, dass wir diese beobachterunabhängigen Tatsachen nur dann erfahren können, wenn sie nicht mehr bewusstseinsunabhängig sind, wenn sie ein symbolischer Teil unserer Erfahrungen werden: In diesem Moment staunen wir, sind wir erschrocken – und die Praktiken drängen uns, zur Tagesordnung überzugehen und dieses Reale als unsere (re/de/kon­struierte) Wirklichkeit überwiegend symbolisch anzueignen und damit beobachterrelativ zu beherrschen.

Ich fasse zusammen: Der Realismus, wie er bei Searle entwickelt wird, wird bei komplexen Fragen nicht weit genug schauen können, weil er bloß methodisch ausgelegt ist. Er verweigert einen Blick auf die Konstruktivität und Praktizität von objektivierenden Weltentwürfen und realisiert dies durch Vereinfachung. Der  Konstruktivismus, der hier vertreten wird, dringt hingegen darauf, Erkenntnis komplexer zu re/de/konstruieren. Dies gelingt nur dann, wenn wir die erste Kränkungsbewegung ernst nehmen und ihre Folgen weitreichend bedenken.

 

2) Konstruktion, Methode und Praxis im Blick auf Realität

Was aber gehört zu einer solchen komplexen Re/De/Konstruktion? Dazu schlage ich zunächst Unterscheidungen vor, die implizit in der bisherigen Argumentation in diesem Buch schon enthalten waren:
Konstruktion, Methode und Praxis sind Unterscheidungsformen, die wir bei unterschiedlichen Weisen der Welterzeugung anlegen können und sollten. Sie verhalten sich zueinander wie das Kinderspiel Schere, Stein und Papier: Die Schere schneidet das Papier, der Stein lässt die Schere abprallen, das Papier wickelt den Stein ein. Es gibt einen kurzfristigen Sieger im Kampf gegeneinander; auf Dauer haben alle drei Positionen in etwa gleiche Chancen als Sieger im Spiel gegeneinander hervorzugehen. Ganz ähnlich wird es auch mit den drei Perspektiven Konstruktion, Methode und Praxis sein. Wir können das erkenntniskritische Spiel nur mit allen Dreien betreiben, aber es kann allein aus einer Sicht nie einen Sieger geben. Es ist ein Spiel mit verschiedenen Perspektiven, das mir als Metapher besonders viabel erscheint, um ein grundlegendes Problem von Erkenntniskritik in der Gegenwart zu bezeichnen: Die Siege aus einer Perspektive gelten immer nur für einen kurzen Spieleinsatz. Das will ich nachfolgend begründen.9
Um was für ein erkenntniskritisches Spiel aber geht es überhaupt? Konstruktivisten sprechen oft davon, dass ein Beobachter, ein Teilnehmer oder Akteur sich seine Wirklichkeit erzeugt. Wenn sie dabei von Weisen der Welterzeugung sprechen, so denken wir sofort an Nelson Goodmans Buch „Weisen der Welterzeugung“ (1984). Er provoziert uns mit der doppelten These, dass wir nicht nur in einer Welt, sondern mehreren leben und dass diese Welten zudem von uns erzeugt sind. Dies können wir auch als eine anti-realistische Position markieren.
Goodman konkretisiert seine These, indem er davon spricht, dass der Verlust der einen Welt auch zu einem Verlust der einen richtigen Version von Welt führt. Dies hat auch die erste Kränkungsbewegung und gesteigert die zweite gezeigt: Wir müssen uns heutzutage darauf einlassen, dass es nach- und nebeneinander sogar mehrere „richtige Versionen“ von Welten gibt. Dies scheint mir eine berechtigte und konstruktivistische Aussage zu sein. Sie betont in meiner Metapher von Schere, Stein und Papier zunächst die Seite der Konstruktion, ja, sie wendet sich dieser Seite vorrangig zu: Ganz gleich welche Konstruktionen von Welten wir betrachten, wir entdecken und erfinden in ihnen unterschiedliche, aber zugleich für sich genommen durchaus richtige Lösungen. So mag der eine einen Stuhl als einen mehr oder minder bequemen Gegenstand zum Sitzen betrachten, ein anderer ihn als Objekt philosophischer oder ästhetischer Reflexion benutzen, wieder ein anderer ihn in seinen materiellen Eigenschaften entweder physikalisch oder chemisch oder atomistisch usw. analysieren; es gibt diesen Stuhl und den­noch sehr unterschiedliche Versionen, verschiedene Ausdrucksweisen über den Stuhl. Und es ist nicht möglich, diese Versionen auf bloß einen Nenner zu bringen, der nicht im allgemein Unverbindlichen endet. Die Folgerung, der wir zustimmen sollten, und die Hilary Putnam in seiner Analyse der Arbeit Goodmans festgehalten hat, lautet deshalb: „Jede dieser Ausdrucksweisen kann formalisiert werden, und jeder der so entstandenen Formalismen stellt eine vollkommen legitime Redeweise dar; Goodman würde aber sagen (und ich würde ihm zustimmen), dass keiner von diesen beanspruchen kann, so zu sein, ‚wie die Dinge unabhängig von Erfahrung sind‘. Es gibt nicht die einzige wahre Beschreibung der Wirklichkeit.“ (Putnam 1993, 254)
Nun hat Putnam den Aspekt ein wenig verschoben, indem er stillschweigend aus dem Feld der Konstruktion mit dem Hinweis auf die jeweilig unterschiedlich legitimierten Formalismen in den Bereich der Methode gewechselt ist.
Hier nun ist ein Zwischenschritt in unseren Überlegungen notwendig, den ich einführen will, um die weitere Diskussion zu systematisieren. Dazu wähle ich ein Schaubild, eine Denk- und Reflexionstafel, die aus zwei Richtungen her argumentiert:

Schaubild II.4 

 (1) Die eine Richtung sind die Weisen der Welterzeugung, aus denen wir wissenschaftliche Beobachtungs- und Handlungsperspektiven entwerfen. Im herkömmlichen Verständnis sind dies überwiegend symbolische Leistungen, die wir erbrin­gen müssen. Dazu zählen alle normativen, sinnhaften Intentionen und Deutungen von Verständigungsgemeinschaften, die sich sprachlich äußern, deren Welterzeugung zumindest eine Konstanz in Äußerung und Gebrauch aufweist, so dass sie beschreibbar, darstellbar, diskutierbar wird. Dies ist die Sphäre wissenschaftlicher Diskurse nach Konsens und Dissens. Aber es ist – und dies richtet sich gegen einen bloßen Rationalismus – keineswegs der einzige Zugang zu Weisen der Welterzeugung. Ich sehe zwei weitere Möglichkeiten, die ich als imaginäre und reale Seite bezeichne und die sich aus den Kränkungsbewegungen zwei und drei zu der ersten hinzugesellen. Deshalb ergeben sich die drei Perspektiven des Symbolischen, Imaginären und des Realen, die wir aus dieser ersten Perspektive einbringen.

(2) Als Wissenschaftler sollten wir, wenn wir die Tafel von oben betrachten, in einer zweiten Perspektive mindestens drei Unterscheidungen nach Konstruktion, Methode und Praxis treffen, wenn wir uns mit der Entstehung, der Begründung und Geltung, aber auch der Anwendung beliebiger Konstruktionen, sei es als Rekonstruktion ihrer Herkunft, sei es als Kritik und damit Dekonstruktion ihrer Abkunft, beschäftigen. 
Allerdings ist zu beachten, dass die Weisen der Welterzeugung und die wissenschaftlich orientierte Betrachtung und Analyse sich daraus ergebender Felder miteinander verschränkt und vermittelt sind; sie sind Unterscheidungsformen, die wir als Beobachter, Teilnehmer und Akteure benutzen, ohne immer sehr trennscharf die einzelnen Wirkungsbereiche abgrenzen zu können oder zu wollen. Daher ist die entworfene Tabelle idealtypisch und keinesfalls ausschließend gemeint. Alle Felder stehen in Abhängigkeit zueinander und unterliegen Verwerfungen und Verfremdungen, die ihrerseits von den Beobachtungen, der Teilnahme an bestimmten Interessen, den aktiven Handlungen in bestimmten Kontexten unterliegen. Gleichwohl sind die Zuordnungen auch nicht beliebig, sondern orientieren auf wesentliche Leistungen, deren Viabilität jeder Nutzer sich erschließen und für sich beurteilen mag.

Zur Verdeutlichung sollen die einzelnen Reihen und Felder nun näher betrachtet werden: 

(1) Die symbolische Reihe:
Schauen wir in den oberen Bereich der Tabelle in die Reihe des Symbolischen. Das erste Feld ist die symbolische Konstruktion. Für dieses Feld hat Goodman wohl Recht, denn hier scheint es so, als sei es möglich, verschiedene Versionen von Welten zu erzeugen. Jeder Beobachter, Teilnehmer, Akteur in wissenschaftlichen Diskursen hat zunächst die Möglichkeit, seine Konstruktionen als Versio­nen von Welten zu entwerfen, zu erfinden. Unabhängig vom Erfolg in einer Praxis oder der Begutachtung durch methodische Kontrollen, scheint dieses Recht kaum nehmbar zu sein, wenn wir die Freiheit nicht überhaupt in diesem Feld schon beschränken wollen (in anderen wird sie gleich ohnehin beschränkt). Und selbst wenn alle Konstruktionen in diesem Feld durchaus erfolgreich und methodisch begründet wären (je in ihrer Zeit oder für bestimmte wissenschaftliche Verständigungsgemeinschaften), in ihrem Nach- und Nebeneinander werden sie als Versionen und Welten zueinander relativ und so gesehen ist ein erkenntniskritischer Relativismus über längere historische Epochen gesehen unvermeidlich. Wir können dies im Sinne dekonstruktivistischer Denker wie Derrida auch noch erweitern: Als ebenso unvermeidlich erscheinen singuläre, lokale, ethnozentri­sche, kulturelle usw., insgesamt konstruktive Kontexte, die eine absolute Entscheidung für eine dominante Version subvertieren, die jeglichen Universalismus unterlaufen, die gegen Hegemonien und letzte Lösungen, gegen Dogmatismus und Stillstand stehen.10 Auch Wissenschaften sind in ihren Konstruktionen plural, sie benötigen Dissens und sie können sogar in ihren jeweils richtigen Versionen zu völlig entgegengesetzten Aussagen über ein und denselben Gegenstand geraten. Eine gewisse Ausnahme machen die technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen, sofern sie eine logische Kunstsprache entwickeln, deren Wissens- und Wahrheitsbestand selbst ihr Untersuchungsfeld maßgeblich definiert. Diese Festlegungen sind gegen Veränderungen weit resistenter als die kulturell-zeitbezogenen Deutungen anderer Disziplinen, aber auch sie sind nie frei von neuen Entdeckungen und Umbrüchen mit Folgen für die Logik der Sprachen dieser Disziplinen.
Ziehen wir aus diesem Aspekt eine erste Konsequenz: Selbst wenn wir im Grunde Realisten blieben und weiterhin auf Tatsachen beharrten, dann müssten wir für unsere Konstruktionen zugeben, dass Tatsachen zumindest im Feld der symbolischen Konstruktion mehrere Versionen erlauben. 
Methodisch könnte man aber immerhin einwenden – und dies würde Searle z.B. für den externen Realismus geltend machen –, dass die Begründung der Konstruktionen nicht hinreichend sein mag. Dann wäre auch die Geltung der verschiedenen „richtigen Versionen“ nicht wahr. Und unsere Verständigung hierüber wäre unwissenschaftlich. Die Tatsachen sind – „ein letztes Wort“, wie uns Thomas Nagel vorschlägt –, hier dann eben einfach nicht hinreichend methodisch begründet worden, es gibt noch verschiedene Beschreibungen der Tatsachen, aber in the long run wird die Wissenschaft dies bereinigen müssen und damit den externen Tatsachen Geltung in den Begründungen verschaffen; die Verständigung kann sich erst dann als wissenschaftliche bewähren. In unserem Schaubild sind wir nun in das Feld der Methode mit symbolischer Lösung gerückt. Damit verändern sich die Ausgangspunkte.
Nehmen wir den eben erinnerten Streit zwischen einem Relativisten wie Goodman und Universalisten wie Nagel oder Searle. In diesem Feld sehen wir aus den jeweils unterschiedlichen Begründungen mit bestimmten Geltungsansprüchen die Formulierung der methodischen Eckpunkte der streitenden Parteien. Die Universalisten speisen ihr Denken gerne aus der Metaphysik oder aus einem metaphysischen Realismus. Es muss für sie richtige Begründungen geben, die aus wahren Tatsachen eine Geltung gewinnen, um eine wissenschaftliche Verständigung überhaupt zu ermöglichen. Der Relativist Goodman ist an dieser Stelle jedoch anti-realistisch und radikal konstruktivistisch: Von irgendwelchen Tatsachen in der Begründung oder nach der Seite der Geltung hin auszugehen, die unabhängig von den konstruierten Versionen existieren sollen, erscheint ihm als inhaltsleer. Den Tatsachen entsprechen Welten. Den Welten Versionen. Unterschiedliche Versionen, die auf unterschiedlichen Begründungen basieren, umfassen damit notwendig auch unterschiedliche Geltungen für unterschiedliche Welten. Aber immerhin können wir uns darüber verständigen.
Doch machen wir uns damit die Sache nicht zu leicht? Müssen wir nicht anerkennen, um auf Searle zurückzukommen, dass der Mt. Everest als äußeres Objekt doch nicht ganz dem entsprechen kann, was an möglichen Deutungen über ihn geäußert wird? Gibt es nicht so etwas wie eine harte Realität, an die wir stoßen?
Gehen wir zurück zu Hilary Putnam. Auch er sieht hier eine übertriebene Subjektivität am Werk. Woher kommen die Welten, die Tatsachen? Sie sind von Menschen gemacht. Aber ist dies nicht zu einseitig bestimmt? 
Putnam diskutiert dies am Problem der Sterne, dem starmaking (vgl. Putnam 1993, 256 f.). Müssen wir mit Goodman sagen, dass wir die Sterne gemacht haben?
Goodmans eigene Antwort verkompliziert zunächst das Problem. Er zeigt eine Sternkonstellation, den Großen Wagen. Haben wir diesen gemacht? Hier fällt – wieder im Sinne von Searle – die Antwort wahrscheinlich leicht, wenn wir nicht nur einen harten Realismus der Welt 1, sondern auch einen der Welt 2 vertreten: Der Große Wagen erscheint zum Teil durchaus als diskursabhängig und beobachterrelativ. Aber doch nicht die Sterne, so würde Searle sagen, die auch dann noch existieren, wenn wir keine Diskurse im Sinne von Sternbildern führen. 
Eine Antwort ist hier schwierig. Zunächst ist auch der Begriff Stern durchaus diskursiv, denn die Definition, was denn nun genau ein Stern und was kein Stern ist, zeigt gewisse Unschärfen. Goodman jedoch hält sich mit solchen Zwischenüberlegungen nicht auf, er ist auch hier radikaler, indem er den Menschen zum Schöpfer auch der externen Welt macht: Alle Entdeckungen der vermeintlich äußeren Welt sind geistesabhängig und damit gemacht. Sie sind Versionen unseres Geistes – und nun müssten wir, wollten wir ihm widersprechen, ihm erst einmal etwas nachweisen, über das wir geistesunabhängig denken und sprechen können.
An dieser Stelle bemerken wir, dass wir Goodman im Feld der Konstruktion kaum schlagen können. Sofern wir menschliche Konstruktionen betrachten, erscheinen offenbar notwendig Versionen und Welten im Plural. 
Aber was wird aus der Differenz zwischen dem astronomisch georteten und registrierten Stern und der gedeuteten Sternengruppe, dem Großen Wagen? Sind es bloß zwei Versionen, die in ihrem jeweiligen Definitionsfeld richtig sind? 
Es ist völlig klar, dass Goodman uns insbesondere im methodischen Feld in ernsthafte Schwierigkeiten bringt. Astronomen und Astrologen mögen sich in ihren Versionen ja noch ignorieren, aber als Wissenschaftler werden wir den strengeren Methoden der Astronomen wohl eher vertrauen. Doch es kann auch hier noch schlimmer kommen. Was geschieht, wenn unterschiedliche Versionen in einem enger abgesteckten methodischen Feld einer Wissenschaft erscheinen? Die einfachste Gegenantwort auf Goodman ist hier von Donald Davidson vorgebracht worden: Es stimmt, was Goodman behauptet, wenn zwei Versionen unvereinbar auftauchen, dann würden zwei Welten existieren; da dies aber nicht hinnehmbar ist und beide nach der herkömmlichen Logik nicht wahr sein können, so muss eine unwahr sein und überwunden werden. Quine argumentiert ganz ähnlich, indem er fordert, dass ich mindestens angeben muss, wann ich jeweils welche Version für welche Umstände benutze (vgl. ebd., 259). 
Nun sind diese beiden Deutungen allerdings schon wieder bestimmte Versionen, wobei die von Quine auch noch darauf hält, dass die einfachsten und sparsamsten Erklärungen methodisch immer die besten sein sollen und damit am ehesten Wahrheit verbürgen.
Setzen wir auf das Feld der Methode, dann erkennen wir, dass wir in unendlichen Streit geraten können, denn die Formalisierungen unserer Ausdrucksweisen, die Logiken der Rekonstruktion können je nach den gesetzten Ausgangspunkten und aufgestellten Regeln wiederum unterschiedlichste Varianten von Geltungen und Begründungen erzeugen. Allein die Suche nach einer letzten, nicht mehr hintergehbaren Formel, einem letzten Wort, die will nicht mehr gelingen, wenn wir nicht die Sackgassen der Metaphysik in Kauf nehmen wollen. Aber nun droht eine gewisse Beliebigkeit. Allein die Drohgebärde des Beliebigen führt in den Wissenschaften dazu, dass sich der Realismus immer weiter halten kann. Hier wird auf die Konstruktion aus der Verengung durch bestimmte Vor-Versionen geschaut, die sich in der Verständigung der Wissenschaft etabliert haben und die als Begründungen und als bestimmte Geltungen nach dem Maßstab einer ausschließenden Richtigkeit gefertigt sind. Dies wird Goodman zwar kaum zufrieden stellen, aber es erzwingt eine Sicherheit immerhin der intendierten Versionen. Doch wie sollen wir Goodman widerlegen? Alle Versionen haben sich bisher in der Menschheitsgeschichte nur auf Zeit bewährt. Können wir heute wirklich glauben, dass dies seit der Moderne grundlegend geändert ist?
Nun ist es an der Zeit, in das dritte Feld zu wechseln, um einen pragmatischen Realismus erscheinen zu lassen, wie ihn Putnam vertritt. Aus der Sicht der Konstruktion hat uns Putnam ja schon zugestimmt, dass die metaphysische Position eines Abbildes der Dinge, wie sie „da draußen“ sind, nicht mehr geben kann. Dennoch gibt es heute noch sehr viele metaphysische Realisten. Sie bestehen darauf, „dass es eine mysteriöse Beziehung der ‚Entsprechung‘ gibt, die Referenz und Wahrheit ermöglicht“ (Putnam 1993, 213). Der pragmatische oder interne Realist, den Putnam verkörpert, ist dagegen bereit, „sich Referenz als intern zu ‚Texten‘ (oder Theorien) vorzustellen, vorausgesetzt, wir erkennen an, dass es bessere oder schlechtere ‚Texte‘ gibt.“ (Ebd.) 
Der interne Realist ist Pragmatiker, insofern er es an die Kon-Texte verweist, die in menschlichen Praktiken, Routinen und Institutionen stehen, was als besser oder schlechter erscheint. Dabei knüpft Putnam die Richtigkeit an mindestens zwei Bedingungen: 
(1) Richtigkeit ist nicht subjektiv, sie kann nicht durch bloße Meinungen erzwungen werden, sondern setzt ein methodisches Vorgehen voraus, das sich legitimiert und verobjektiviert. 
(2) Solche Legitimation und Verobjektivierung aber, das gesteht Putnam zu, kann nicht vollständig sein oder endgültig verifiziert werden. Ja, wir müssen uns sogar damit zufrieden geben, dass die Akzeptanz des richtigen Urteils eine „idealisierte rationale Akzeptiertheit“ darstellt (vgl. dazu Putnam 1982).
Wie aber können wir beide Bedingungen erfüllen? Wir „lernen sie, indem wir uns eine Praxis aneignen“ (Putnam 1993, 214).
Schauen wir aus dem Feld der Praxis auf die anderen Felder, dann erscheint die je unterschiedliche Viabilität, die Passungs- und Deutungsform, die wir in unseren Praktiken, Routinen und Institutionen immer schon eingenommen haben oder einnehmen, wenn wir Konstruktionen und ihre methodische Begründung und Geltung betrachten. Setzen wir nun Realisten in die anderen Felder, dann werden sie uns Fragen stellen. Aus dem Feld der Konstruktion tritt uns z.B. die Frage entgegen: „Sage mir, wer es zu dem gemacht hat, was es ist? Ist es von Natur aus da oder war ein Mensch der Urheber?“ Aus dem Feld der Methode ertönt die Frage: „Beweise, dass diese Redeweise über die Tatsachen und die Wirklichkeit tatsächlich mit der Wirklichkeit übereinstimmen; tun sie es nicht, dann müssen wir dich fragen: Kannst du uns die Wirklichkeit nennen, auf die du dich beziehst und wie eindeutig erscheint sie dir?“ Und können sich Realisten weder über den Urheber noch ihre Wirklichkeitsableitungen einigen, dann werden sie fragen: „Beschreibe die Urheber oder die Wirklichkeit so, wie sie sind, um unabhängig von den Redeweisen darüber sagen zu können, was ist.“
Konstruktivisten aber verweigern darauf die Antwort, weil solche Fragen bereits eine realistische Verallgemeinerung bestimmter Methoden und Praktiken bedeuten. Mit Putnam können wir daher so antworten: „Warum sollte man .. annehmen, dass die Wirklichkeit unabhängig von unseren Beschreibungen beschrieben werden kann? Und warum sollte die Tatsache, das die Wirklichkeit unabhängig von unseren Beschreibungen nicht beschrieben werden kann, zu der Annahme führen, dass es nur die Beschreibungen gibt?“ (Ebd., 264 f.)
Gehen wir aber auf die Beschreibungen näher ein, dann zerfallen sie, je wie wir es intendieren, in sehr unterschiedliche Weisen der Welterzeugung oder methodisch-konstruktive Unterscheidungen, wie es mein Schaubild andeuten soll. Dann erweitern sich die bisher genannten Positionen auch erheblich, wie ich nun kurz ausführen möchte, indem ich die Spalten der Konstruktion, Methode und Praxis  von oben nach unten jeweils kurz betrachte.
 
(2) Die Spalte der Konstruktion:

Konstruktionen sind symbolisch immer in einem Nach- und Nebeneinander. Als Einzelne sind sie singulär, aber ihre singuläre Ereignishaftigkeit verschwindet schon, wenn sie symbolisiert als Vorrat der Beobachtung, Ausdeutung, Handlung für andere bereit stehen. Es gibt keine Konstruktion, die wir alle auf Anhieb gleich wahrnehmen und deuten können. Es gibt Konstruktionen im Plural und in unterschiedlichen Bevorzugungen. Aber das Symbolische sichert doch immerhin, dass wir uns über sie verständigen können, indem wir sie rekonstruieren oder dekonstruieren. Und als Verständigungsgemeinschaften sind wir ihnen nicht bloß ausgeliefert, sondern beurteilen sie nach Methode und Praxis.
Ihre Vielfalt entspricht auf einer imaginären Ebene der Welterzeugung unseren vorstellenden Möglichkeiten, unseren Wünschen und unserem Begehren, mit dem wir um Anerkennung in diesen Welten ringen. Wir sind imaginär ständig in einer Ekstase des Erzeugens, indem wir uns Wirklichkeiten erträumen, indem unsere Wünsche Berge versetzen oder unsere Vorstellungen weit über die Realität hinausreichen. Solche Imagination beinhaltet auch eine emotionale Antriebskomponente für unsere symbolischen Leistungen, denn die Rationalität des symbolisch Erzeugten bleibt unserem Willen des Vorstellens, des neu Entwerfens, des Erfindens viel zu äußerlich, um die Bereitschaft nach Variation, Vielfalt und kreativer Umgestaltung zu erklären. Als Individuen finden wir hier den singulären Ort unserer Möglichkeiten, der stets schon die begehrten und gespiegelten Anerkennungen von anderen mit ausdrückt.
Real sind alle Konstruktionen unvollständig. Wären sie je vollständig, dann wäre ein Ende der Geschichte(n) gekommen. Real zirkulieren die Konstruktionen als Versionen von Welten, als erzeugte Welten, die andere überraschen. Erscheinen sie mir imaginär, dann habe ich eine Vorstellung ohne Worte und Sprache von ihnen; erscheinen sie symbolisch, dann habe ich Zeichen, Worte, Begriffe, bestenfalls Erklärungen und ein Verständnis für sie. Aber real, da sind sie zunächst nur und machen etwas mit mir: Erzeugen einen Eindruck, ein Bild, ein Staunen, einen Schrecken usw. Sie sind das Ungewisse, denn ich weiß ja noch nicht hinreichend von ihnen; sie sind das Unbekannte, denn ich kann nicht angeben, was sie bedeuten werden; sie sind in ihren Bedeutungen aber auch das Unsichtbare – in ihnen wirkt die „unsichtbare Hand“, das vermeintliche Schicksal, die unbekannte Macht oder wie auch immer Beobachter dies Reale für sich symbolisch verständlich zu machen versuchen –, weil ich immer erst später (wenn überhaupt) wissen kann, was sich ereignet hatte oder welchen Konstruktionen (welcher Art auch immer) ich ausgesetzt war. Dies reflektiere ich im Symbolischen.
 
(3) Die Spalte der Methode:
Methoden sind symbolisch Vergewisserungen, dass die Konstruktionen (als Beschreibungen über Wirklichkeiten in symbolischer, imaginärer oder realer Hinsicht) nicht zu subjektiv, zu willkürlich, beliebig, bloß einmalig, ungenau, uneindeutig, nicht wiederholbar, unverständlich, unlogisch usw. bleiben. Insoweit bekämpfen zumindest wissenschaftliche Methoden die offenen Aspekte der Kon­struk­tionen auf der symbolischen Seite mit mächtigen Instrumentarien:
Begründungen bedienen sich vor allem rekonstruktiver Logik, um möglichst eindeutig zu fixieren, was in den Redeweisen über Wirklichkeiten für möglichst große Menschengruppen auf möglichst lange Zeit wahr ausgesagt werden kann. Damit werden zugleich Geltungsansprüche  markiert, die für diese Begründungen aussagen, welche Geltung ich beanspruchen kann, um in Verständigungen mit anderen weitere Begründungen zu prüfen. Die hier entwickelten Fachsprachen, Fachlogiken, Prototheorien des Erfolgs und Misserfolgs usw. sind insbesondere in den Naturwissenschaften, im technisch-wissenschaftlichen Erfolg der Moderne manifestiert.11 Es ist dies ein Erfolg, der die imaginären Antriebe als bloße Träumereien begrenzt, wenn auch als zugestandene Intuitionen (als so genannten Erfindergeist) zulässt. Methodische Forschungserfolge stellen sich allerdings nicht von selbst ein, sie benötigen Imaginationen als intuitives Vorausschauen, als antizipierendes Vorstellen, ohne im Vorstellen allein zu verharren. Die Kombi­nation von Methode und Imagination zwingt die Vorstellungen ins Erfinden auf engeren Feldern, wenngleich auch z.B. alle ästhetischen Kunstwerke als Welten-Versionen gerade ein kreatives Spiel von Imaginationen und methodischen Vorgehen benötigen, um dann symbolisch interessant zu sein. Nun reden wir hier über das Imaginäre – wie über alle anderen Felder auch – immer aus dem Blick eines schon reflektierten Symbolischen. Dieser Angriff gilt auch dem Imaginären im Feld der Methode, wie die dritte Kränkungsbewegung zeigte.
Wer reflektiert wissenschaftlich auf das Imaginäre in diesem Feld? Es ist die Theorie des Unbewussten, die dem Imaginären Grenzen setzt, indem sie es interpretiert und damit ins Symbolische zwängt. Wir wollen und sollen dies Imaginäre wahrnehmen und deuten, es symbolisch begrenzen lernen, um bewusster mit ihm umzugehen, nicht all seinen Möglichkeiten und seinem Begehren willkürlich ausgesetzt zu sein, um nicht „verrückt“ zu werden. Hier hat die Psychoanalyse einen methodischen Weg gewiesen, der zahlreiche Nachahmer und dabei Variationen der Bearbeitung erfahren hat: Das Imaginäre wird so zusehends auch ein Gegenstand der Reflexion der Wissenschaften über ihre Voraussetzungen.
Wechseln wir mit der Methode (ganz gleich welcher Wissenschaft) ins Reale, dann müssen wir uns zunächst schon bemühen, auf dies Reale zu stoßen. Die Methoden erzwingen ja gerade das Erscheinen einer schon symbolisch fixierten Realität, weil ihre Modelle vorhersagen sollen, was wirklich geschieht. So verwandelt sich alles Geschehen in ein symbolisches Erklären, das nur an seinen Rändern noch etwas Reales erfahren kann: Ein Scheitern der Vorhersage, eine Unschärfe in den Aussagen, Bedingungen, die das Ergebnis verfälschen, willkürliche Ergebnisse oder gar Chaos, das die Methode nicht vorhergesehen hatte.
 
(4) Die Spalte der Praxis:

Praktiken, Routinen und Institutionen erscheinen als Praxis, die symbolisch die Viabilität unserer Konstruktionen und Methoden offenbart. Aus solcher Praxis wird die konstruktive Relativität, Singularität und Pluralität immer auf das begrenzt, was wir für uns (unsere Verständigungsgemeinschaft mit ihren Interessen, Ansprüchen, mit ihrer Macht und ihren Strukturen) gebrauchen können. Sehen wir kritisch auf die dabei benutzten Methoden, so lassen sie sich sogar meistens aus den Praxen rekonstruieren: Wir setzen jene Methoden der Begründung, jene Geltungsansprüche und Regeln der Verständigung ein, die für bestimmte Aufgaben in unseren Praxen von Nutzen sind, die Erfolg von Misserfolg, eine gelingende Technik von einer misslingenden, eine von Mehrheiten respektierte Deutung von Minderheitendeutungen usw. scheidet. Die Praxis hat zwar nicht die Macht, alle Konstruktionen zu steuern (es gibt zumindest seit Beginn der Moderne immer eine gewisse Freiheit des Konstruktiven gegen jeden Mainstream einer Praxis), sie hat auch nicht die schnelle Kraft, bisherige wissenschaftliche Methoden mit einem Zug zu erneuern oder umzustellen (sie kämpft also immer mit traditionellen Beharrungen), aber der Sog des Machbaren erzwingt zumindest eine Dynamisierung und Flexibilisierung der Konstruktionen und Methoden. Nehmen wir hier die kulturelle Beschreibung unserer gegenwärtigen Praxen, dann zeigt sich sowohl aus modernen als auch postmodernen Beschreibungen, dass es um eine rastlose, unlenkbare, rebellische Bewegung geht, die das Ziel der jeweiligen Viabilität für begrenzte Interessen, Bedürfnisse, Machtansprüche vor einen höchsten Abschluss der Kultur gestellt hat. Die Praktiken des 20. Jahrhun­derts haben ein Ende der großen Meta-Erzählungen erzwungen, die Kultur noch als rationales Handeln oder selbstzwangorientierte Vernunft zu einem glücklichen Ende führen wollten; dagegen stehen heute Entbettungsprozesse aus den Traditio-nen und überkommenen Werten, Normen, aus vermeintlich abgesicherten Einheiten logischer Vernunft, die sich nunmehr als bloß zeitbedingte Konstrukte und übergeneralisierte Methoden der Begründung und Geltung erweisen. Jene Kon­struktionen und neuen Methoden, die dies artikulierten, beschleunigten den Prozess der Postmoderne, wie umgekehrt die Postmoderne unsere gegenwärtigen Konstruktionen und Methoden mit neuen Versionen von Welten versieht und beschleunigt.
In der Postmoderne scheint die Ekstase des Imaginären so große Fortschritte zu machen, dass wir von den symbolisch geronnenen Resultaten unserer Imaginationen durch die Ekstase fiktiver Praktiken und Routinen eingeholt und imaginär begrenzt werden. Es gehört zu den Allgemeinplätzen der Gegenwart, dass wir Visionen benötigen, um voran zu kommen. Es gehört zu den multimedialen Alltagserfahrungen, dass Fiktionen immer mehr Zeit gegenüber tatsächlichen Erfahrungen verschlingen, wobei es uns immer schwerer wird, das Fiktionale und das „Tatsächliche“ noch nach herkömmlicher Denkungsart zu unterscheiden. Eben noch Fiktion wird eine Karikatur des Lebens auf Papier gebannt, in Filme gescannt, in Lichtgeschwindigkeit an entlegenste Orte der Welt übertragen, um simultan als neue Wirklichkeit realistisch und „tatsächlich“ zu erscheinen. Eine große Wunschtraummaschine scheint die Wirklichkeit immer mehr zu dominieren. Sie erweist sich bei näherer Betrachtung als bloß symbolische Konstruktion, deren Methode darin wurzelt, sich unserer Imaginationen meist vereinfachend und klischeeartig zu bedienen, um marktmäßigen und profitablen Erfolg in der Praxis zu erzielen. Dass dieser Erfolg überhaupt möglich ist, zeigt jedoch, wie sehr das Imaginäre eine treibende Kraft auch in der symbolischen Praxis fiktionaler oder virtueller Wirklichkeiten ist. Die Wissenschaften mit ihrer Bevorzugung der rationalen Felder unterschätzen diese Aspekte meist sehr. Ihre vielfach erkennbare Selbstvergessenheit der dritten Kränkungsbewegung gegenüber verstärkt diesen Effekt.
Das (oft unbewusste) Streben nach Anerkennung durch Spiegelung in anderen Menschen ist in den Praxen der Gegenwart aus einer relativ homogenen Viabilität mit klarem Ordnungs- oder Anerkennungsprofil, also mit bestimmten, allgemein verbindlichen Normen und Werten, klaren Wunschvorstellungen, scheinbar unveränderlichen und stabilen Zwängen und Kontrollen, also aus einer Anpassung in gesetzte und überkommene Ordnungen mit relativ geringer Beschleunigung, übergegangen in ein beschleunigtes Zeitalter der Ekstasen der Freiheit: Die selbst gewählten Freiheiten, die Arten eines selbst gewählten Lebens, die damit verbundenen Unsicherheiten, kurzfristigen Strategien, gefährlichen Lebensweisen, das Fragmentarische und die Stimmungsumschwünge, die aneinander gereihten Moden und der ständige Druck, Neues zu konsumieren, bestimmen zunehmend die Viabilität, die kulturellen Passungsformen, insbesondere im imaginären Beobachtungsfeld, immer mehr. In der symbolischen Praxis sind wir immer noch an langsamer beschleunigungsfähige Strukturen gefesselt, aber in den Freiheiten unserer Freizeiten, unserer Träume, selbst in den gespiegelten symbolischen Formen der Massenmedien, scheinen wir die Ekstase der Freiheit schneller und leichter ausleben zu können. Doch der Erfolg ist nicht durchschlagend positiv, wie wir vielleicht wünschen mögen: Die Ekstasen der Freiheit führen uns zu Ekstasen der Ambivalenz.
Dies ist auch für die Wissenschaften ein nunmehr hoch relevantes Feld. Die Freiheit der Konstruktionen, der Methoden und vielfältiger Praxen ist befriedigend und unbefriedigend zugleich. Das Begehren nach Anerkennung, nach Spiegelung der eigenen Wünsche und des eigenen Vorstellens in den a/Anderen, nach Verwirklichung in den imaginären und symbolischen Praxen, realisiert den Wunsch eigener Freiheiten, zerbricht aber zugleich an den Freiheiten a/Anderer. Das eigene Gelingen oder Misslingen steht nach dem Ende der großen Entwürfe für alle immer schon unter dem Vorbehalt, nur für einige oder sogar nur für mich zu sein. Zudem ist die Freiheit in ihren Ekstasen mit zunehmenden Unsicherheiten erkauft, denn Unsicherheiten, Ungewissheiten, Unvollständigkeit durchqueren bereits die Imaginationen, die sich so selbst zurücknehmen und kontrollieren. Auf dieser Grundlage geht auch die Wissenschaft in ein neues Zeitalter: Die Ambivalenz gegenüber ihrer eigenen Leistungsfähigkeit ist ihr in allen symbolischen Konstruktionen, Methoden oder Praxen nun deutlicher als zuvor eingeschrieben.
In der Praxis macht sich das Reale immer wieder geltend. Individuell erscheint es mir z.B. als Staunen, weil ich im Gegensatz zu meinen Imaginationen oder symbolischen Theorien etwas bemerke, was ich nicht erwartet habe. Es mag auch der Moment einer sinnlichen Gewissheit vor aller Wahrnehmung, vor dem Verstand und der Vernunft sein, die mir eine mir äußerliche Welt auf einem Schlag ganz klar, rein und erhaben, vielleicht auch schrecklich schön oder unverständlich gewaltig erscheinen lässt.12 Hier sprechen wir auch gerne von realen Ereignissen, die unser Leben verändern, auf einem Schlag unsere Sichtweisen verwandeln, unsere Welt neu gestalten. Da die Ekstasen des fiktional Symbolischen und des Imaginären solche Momente zum Gegenstand aller klischeehaften Durchspielungen (z.B. in Katastrophenfilmen, in romantischen Movies, in allen möglichen Szenarien) machen, werden mir diese Momente zunehmend mehr durch Erinnerungen an diese Vorerfahrungen vermittelt, gesteigert, verwandelt werden. Auf der Seite der gesellschaftlichen Praktiken erscheint dieses Reale, das wir als Grenze zu unseren Konstrukten und Methoden und Praktiken noch anerkennen müssen, gegenwärtig zunehmend mehr als Risiko. Es sind die Risiken unserer Praxen selbst, die durch das Reale immer wieder schonungslos aufgedeckt werden. Die Rede von der „Risikogesellschaft“ (Beck 1986) zeigt, dass unsere Erfindungen, Technologien, Strategien sehr oft nicht nur Effekte im engeren Beobachtungs- und Handlungsfeld erbringen, sondern Gegeneffekte in anderen Feldern erzeugen, die kaum zu kontrollieren sind. Je mehr wir auf die Viabilität unseres Fortschritts setzen, desto gefährlicher werden die Risiken, die wir als Rückkopplungen in der Realität erzeugen. Es ist dies keine von uns geplante und kontrollierte Realität, sondern sie kommt als Reales von außen und scheinbar unerwartet zu uns zurück. Die Theorie des Unerwarteten nennen wir dann z.B. die Theorie der Risikogesellschaft.
Wir erkennen Risiken in unterschiedlicher Weise an: als von Menschen konstruierte oder produzierte, als Unfälle, die auf Grund unterschiedlicher Faktoren zu Stande gekommen sind, als Katastrophen, die nicht vorhersehbar waren usw. Das Reale zeichnet sich in unseren Praxen eben dadurch aus, dass wir nicht wissen können, was alles geschehen wird. Immer erst im Nachhinein werden wir wissen, was wir nicht wussten oder vorstellen konnten. Das Reale wird in unseren Praxen mithin zu einem Grenzbereich, den wir von unseren übrigen Weisen der Welterzeugung, die uns als Realität bzw. Wirklichkeit erscheinen, deutlich unterscheiden müssen. In unseren imaginären und symbolischen Realitäten sind wir immerhin so weit sicher, wie es unsere Konstruktionen, Methoden und Praxen uns erlauben. Dies sind Bereiche, die Putnam z.B. als internen Realismus bezeichnet, also ein Realismus, der immer auch von uns abhängt. 
Wir können dies jetzt noch präziser sagen: Es ist ein Realismus, der von symboli­schen und imaginären Feldern der Konstruktion, der Methoden und Praxen abhängt. Es ist, wenn wir so wollen, ein menschlicher Realismus, der sich als Konstruktivismus entpuppt, denn wir können nicht von außen (durch Abbildung, Widerspiegelung, Tatsachen oder reine Wirklichkeit) das abholen, was unsere Redeweisen über Bilder, Äußeres, Tatsachen oder Wirklichkeiten auszeichnet. Wohl aber können wir insbesondere methodisch reflektieren, was wir unter welchen Voraussetzungen konstruieren, methodisch begrenzen, praktisch anwenden. Und dazu sollte auch gehören, dass wir zugestehen, dass es etwas außerhalb unserer Realität oder Wirklichkeiten gibt, die so konstruiert, methodisch organisiert und praktisch durchgeführt werden. Diesen Bereich nenne ich das Reale. Im Moment des Benennens, diese Pointe müssen wir hinnehmen, gehört es allerdings schon zu unserer mehr oder minder reflektierten Realität. Es markiert also bloß eine Grenze des Reflektierbaren.

Nachdem ich die Felder relativ isoliert voneinander beschrieben habe und hier auch nur sehr knapp auf die Verhältnisse der Reihen und Spalten zueinander und die Bedeutung der Wechselwirkungen zwischen den Feldern eingehen konnte, möchte ich nun zunächst einige allgemeine Schlussfolgerungen festhalten:

  1. Die gesamte Tafel ist eine symbolische Konstruktion, die versucht, über das Symbolische in seinen Bedeutungen für Weisen der wissenschaftlichen Welterzeugung und für Unterscheidungsmerkmale hierbei hinauszuweisen. Es handelt sich um ein Konstrukt mit bestimmter Methode, das aber nicht den Anspruch erhebt, universalistisch zu sein. Es ist ein Angebot an die wissenschaftliche Reflexion, dessen Viabilität sich in den Praxen der Wissenschaften beweisen muss. In die Tafel sind die Reflexionen über die drei Kränkungsbewegungen mit eingeschrieben.
  2. Jedes Feld enthält Begriffe, die nur in Annäherung wiedergeben können, welche wesentlichen Beobachter- und Handlungsperspektiven betroffen sind. Vollständige Listen erscheinen hier nicht als möglich; Präzisierungen können vorgenommen werden. Dies ist das Wesen der Kränkungsbewegungen: Wir haben das Universelle verloren, das Partikulare gewonnen, aber wir müssen uns zugleich vor dem Beliebigen immer wieder schützen.
  3. Wissenschaft heute zeichnet es aus, so eine zentrale These, dass von jedem Feld aus alle anderen interpretiert und herabgesetzt werden können. Daraus resultiert sehr viel Streit, der oft unergiebig ist, weil nicht aus einem Feld alle Probleme gedeutet werden können, da alle Felder bei wissenschaftlicher Arbeit, so eine weitere These, bei einer Öffnung von Perspektiven betroffen sind (= systemischer Aspekt). Und auch hier ist keine Vollständigkeit von Feldern zu erwarten, da das hier vorgestellte Konstrukt nur ein Vorschlag aus der Sicht meines Ansatzes sein kann, der in diesem Ansatz noch variiert und in anderen Ansätzen gänzlich anders konstruiert sein kann. Allein die Viabilität – aus meiner Ansicht in den Bereichen der Konstruktion, Methode und Praxis – sichert den Erfolg und Misserfolg von solchen Theorien im Vergleich und auf eine bestimmte Zeit für bestimmte – mehr oder minder große – Verständigungsgemeinschaften.
  4. Konstruktivistische Ansätze erweisen sich als besonders ergiebig, wenn es um ein interdisziplinäres Verständnis in den Wissenschaften geht. Dies liegt daran, dass sie insbesondere in der Variante sozialer Konstruktivismen Konstruktionen, Methoden und Praxen relativ frei von eng fixierten Vorgehensweisen sehen können, so dass die Widersprüchlichkeit wissenschaftlichen Beobachtens und Handelns nicht mehr als Schrecken (aus einer Überbetonung der Wichtigkeit der methodischen Felder) erscheint, sondern im Zusammenhang mit anderen Leistungen oder Fehlleistungen der Wissenschaften gesehen werden kann. In dieser Hinsicht eignet sich eine konstruktivistische Erkenntniskritik insbesondere für ein metatheoretisches Verständnis wissenschaftlicher Diskurse. (In diesem Sinne soll das Schaubild als Anregung auch für Nicht-Konstruktivisten verstanden sein.)
  5. Für den Realitäts- oder Wirklichkeitsbegriff im Konstruktivismus bedeutet mein Ansatz, dass wir Realität und Reales unterscheiden sollten. Erst so erhalten wir ein hinreichend plausibles Realitätskonzept, wie nachfolgend für den Konstruktivismus noch präzisiert werden soll.

Nun habe ich die Felder des Schaubildes bisher eher einführend und dabei recht offen voneinander abgegrenzt. Für Konstruktivisten ist sicherlich die Situierung bisheriger konstruktivistischer Ansätze in diesen Feldern interessant. Sie kann uns verdeutlichen, wo es Defizite in der eigenen Reflexion im Blick auf die Metapher von Schere, Stein und Papier gibt. Ich schicke meine provozierende These voraus: Manche meinten bisher vielleicht, überwiegend mit der Schere, dem Stein oder dem Papier gewinnen zu können. Wichtiger wäre es für mich jedoch, die Regeln des Spiels – also die Ordnung konstruktivistischer Diskurse – zu durchschauen (vgl. auch Reich 2001 a). Hierbei zeigen sich deutliche Stärken und Schwächen konstruktivistischer Ansätze, so wie sie in den Kränkungsbewegungen behandelt wurden:
Der radikale Konstruktivismus setzte, wenn wir als einen Ausgangspunkt Maturana nehmen, zunächst stark auf das symbolische Feld der Methode, von dem aus dann der Bereich der Konstruktionen gedeutet wurde. Dabei wurden Einzelerkenntnisse insbesondere aus der Biologie auf andere Bereiche modellhaft übertragen. So konnte der Anschein einer harten, faktischen Begründung aus evolutiven und natürlichen Vorgängen heraus entstehen, was mit zur Popularität des Ansatzes beigetragen hat. Der darin liegende Naturalismus und Realismus wurde dadurch verstärkt, dass der radikale Konstruktivismus in seiner Argumentation mit wenigen Ausnahmen in den symbolischen Feldern verblieb und auch immer wieder zu naturalistischen Ableitungen verführte, weil die Begründung aus einem Beobachterbereich, einer Biologie der Kognition, aus bloß einer Praxis, nämlich einer biologischen Viabilität, hergeleitet wurde. Dabei blieb selbst die Geltung umstritten, denn mit dem Blick auf Sprache und Kognition wurde der biologische Bereich überschritten und ein kultureller Bereich sehr oft naturalisiert, obwohl gerade Maturana z.B. gegen Luhmanns Ausweitung des Konzepts auf soziale Verhältnisse sich zu wehren versuchte. Analog wird oft auch in der Hirnforschung und Neurobiologie ein „realistischer Konstruktivismus“ entwickelt, der immer wieder mit naturalistischen Generalisierungen arbeitet und dabei in die Fallen der ersten Kränkungsbewegung tappt.
Andere radikale Konstruktivisten wie Heinz von Foerster suchten aus der Kybernetik oder wie Ernst von Glasersfeld aus der konstruktiven Psychologie Piagets Begründungen zu gewinnen, deren Geltungsansprüche sie vorrangig für die Seite der Konstruktion thematisierten. Ihre Stärke und Bedeutung in der Entwicklung des Konstruktivismus liegt sicherlich darin, dass sie die Relativität symbolischer Konstruktionen so vielfältig und anschaulich erläutern konnten. 
Eine Schwäche des radikalen Konstruktivismus ist neben seiner Tendenz, zu naturalistischen Fehlschlüssen zu neigen, insbesondere sein sehr allgemeines Verständnis von Viabilität in unterschiedlichen Praxen (vgl. auch Reich 2000 a): Wird die naturwissenschaftliche Herleitung sehr stark betont, dann besteht die Gefahr einer Verkürzung der Unschärfen der Lebenswelt und einer Übergeneralisierung sehr einfacher Modelle, die kaum für die Widersprüchlichkeit lebensweltlicher Vorgänge zur Erklärung taugen. Ebenfalls sind Bevorzugungen des Kognitivismus zu erkennen, die imaginäre, interaktionelle und emotionale Aspekte vernachlässigen und so methodisch sehr einseitig ausfallen.13 Abstraktes Systemdenken, wie es z.B. Luhmann anregt, entfernt sich von der Lebenspraxis und Subjektivität, auch von der Singularität und Pluralität von Konstruktionen, indem es eine vorwiegend methodische Betrachtung für alles intendiert, die als künstliche Welt immer erst in die konkreten Lebenswelten rückübersetzt werden muss. 
Der konstruktive Realismus, wie er von Wallner vertreten wird, setzt zunächst im symbolischen Feld der Konstruktion an. Er unterscheidet Realität als menschlich gemachte, die sich auf eine uns äußere Wirklichkeit bezieht.14 Diese für unsere Konstruktionen zunächst externe Wirklichkeit, sie erinnert an die externe Realität bei Searle, ist ein Bereich, den wir aber nun keineswegs immanent auffassen können, weil wir sie dann schon zu unserer Realität gemacht haben. Wallner bezeichnet mit Wirklichkeit einen Bereich, den wir nicht erfassen können, den wir auch nicht gewiss verorten oder in seinen Teilen deutlich sichtbar machen können. Die Wirklichkeit ist eine Grenze unserer Realitätsvorstellungen. Aber sie ist nicht durch Realitätsvorstellungen, die wir symbolisch generieren, zu beruhigen. Unterschiedliche Realitätsvorstellungen sind vielmehr immer durch sie beunruhigt. Und sowohl diese Unruhe als auch durch die unterschiedliche Unruhe, die die Realitätsvorstellungen verschiedener Fächer oder Herangehensweisen auszeichnen, sind wir gezwungen, wenn wir denn offen genug schauen, Verfremdungen anzuerkennen, die wir in unsere symbolische Realität irgendwie konstruktiv einbauen müssen und sollten. Verfremdungen treiben uns an, uns ständig neu zu orientieren und neue Lösungen zu finden. Insoweit hilft ein Realismus – ein durch verschiedene Beobachter vermittelter Blick auf das Nichtaufgehen von ihren Realitätsvorstellungen mit der Wirklichkeit – Wallner, die konstruktiven Lösungen nicht in eigener denkender oder erfindender Zirkularität aufgehen zu lassen, sondern Begründungen und empirische, experimentelle, verfremdende Zugänge aufeinander zu beziehen. In seinem Ansatz wird, so scheint es mir, primär vom Feld der Konstruktion auf das Feld der Methode geschlossen. Die praktische Viabilität bleibt den einzelwissenschaftlichen Forschungen auf dieser Basis überlassen.
Der methodische Konstruktivismus will streng von der Praxis ausgehen und methodisch strikt die Konstruktionen auf die in sie schon eingegangenen Voraussetzungen als Zweck-Mittel-Setzungen rekonstruieren. Dabei heißt Praxis zunächst Fachpraxis, d.h. der methodische Konstruktivist rekonstruiert im Grunde überwiegend im Feld der Methoden die logische Schlüssigkeit der Verfahren, indem er sie auf Merkmale der Konstruktivität hin strikt methodisch, logisch oder technisch rekonstruiert. In der neueren Variante des Kulturalismus will der Ansatz verstärkt die kulturelle Praxis einbeziehen, was aber bisher nur in Ansätzen gelungen ist. Dominant ist hier eine methodische Rekonstruktion, die als sehr interessant angesehen werden muss, weil sie methodische Präzisierungen oder Infragestellungen vornehmen kann, die aber zugleich einseitig ein Zweck-Mittel-Denken analysiert, das Prototypen von Wissenschaften zu rekonstruieren versucht. Dies läuft auf eine Dominanz der Methodendiskussion hinaus, für die dieser Ansatz im konstruktivistischen Spektrum die eindeutigsten und präzisesten Instrumente geliefert hat. Diese überzeugen vor allem im naturwissenschaftlichen und technischen Bereich, sofern Zweck-Mittel-Setzungen betrachtet werden; aber es scheint sehr schwierig zu sein, sie auf soziale und kulturelle Praktiken insgesamt auszudehnen, weil insbesondere das Ansetzen allein in den symbolischen Feldern und hier überwiegend im methodischen Bereich einseitig erscheint.
Der soziale Konstruktivismus tritt heute in vielfältigen Formen auf. Als postmodernes Denken dekonstruiert er vor allem die Übererwartungen im Feld der Methode und orientiert sich entweder schwerpunktmäßig im symbolischen Feld der Konstruktion oder der Praxis. Es finden sich aber auch Anklänge an die imaginären Felder. Aus der Sicht der Konstruktion radikalisieren soziale Konstruktivisten in der Regel die Relativität der Erkenntnis. Sie betonen nicht nur Singularität von Ereignissen und Pluralität von Aussagen, sondern sehen auch ethnozentrische Vor-Urteile, postmoderne Beliebigkeit und erhöhte Freiheitsgrade in der Beurteilung von Erfolg und Misserfolg. Sie dekonstruieren das methodische Denken, indem sie an allem zweifeln, was über den Tag hinauszureichen scheint. Dies ist mitunter übertrieben, sofern so Voraussetzungen auch methodischer Art übersehen werden, die selbst noch eine begründende und auf relativierende Geltung zielende Kritik beanspruchen muss, um sich verständlich zu machen. Und es ist dort übertrieben, wo aus der Sicht von Praktiken, Routinen und Institutionen strukturelle Kräfte und Bindungen, die auch in der Beschreibung der Postmoderne nicht einfach zum Verschwinden gebracht werden können (vgl. z.B. Bauman 1999), übersehen werden.
Aus der Sicht der Praxis werden hingegen Bevorzugungen von Konstruktionen und Methoden sichtbar, die gesellschaftliche Interessen, Macht, Strukturen erkennen lassen, die in einer engeren Sicht meist verborgen bleiben. Hier ist für die konstruktivistische Betrachtung immer auch eine soziale und politische Seite wesentlich.
Der interaktionistische Konstruktivismus versucht die hier gegebenen Felder als eine möglichst breite Betrachtung einzuführen und möglichst umfassenden Analyseaspekten gerecht zu werden. Er erwartet keinen Sieger aus der Sicht einzelner Felder heraus – so interessant im Einzelfall die Argumentationen aus einem Feld heraus auch sein mögen –, er erwartet auch nicht, dass die Dominanz einer Reihe von Feldforschungen oder Unterscheidungstiteln größten Erfolg bringen wird, sondern er setzt auf eine mehrperspektivische Schau und Reflexion, die zeigen hilft, dass der Konstruktivismus zunächst eine enorme Steigerung unserer Reflexionsbreite als auch Reflexionstiefe erforderlich macht. Der Konstruktivis­mus ist insoweit keine sparsame oder einfache Lösung in der Erkenntniskritik, er kann und will hier nicht mit den vielen Varianten des Realismus z.B. konkurrieren, die immer wieder auf Theorien des gesunden Menschenverstandes hinauslaufen. Aber er kann helfen, unsere Erkenntnisprobleme zumindest so vielschichtig zu betrachten, dass wir eingebaute Einseitigkeiten und Schwächen möglichst schon in den Anfängen unserer Argumentationen bemerken lernen, ohne jedoch je erwarten zu können, damit auch noch das Reale besiegen zu können.


3) Das Reale im Konstruktivismus

Die Reihe des Realen in meinem Schaubild markiert, dass wir in all der gesetzten symbolischen Realität, in unserer imaginären Realität, also sowohl in unseren kodifizierten Zeichen und Sprachen als auch in unseren Vorstellungen und Träumen, doch nie vollständig die Zukunft (oder Gegenwart oder Vergangenheit) voraussagen oder erkennen können. Dies wird zudem durch die Unterscheidung einer symbolischen Reflexion dieses Umstandes auf einer individuellen und gesellschaftlichen (wissenschaftlichen) Ebene verschärft.
Individuell ist die Sozialisation des Menschen ein Abarbeitungspotenzial an Erfahrungen (experience) mit dem Realen: Mein individuelles Wissen, meine Lebenserfahrung in meiner Biografie, meine Wahrnehmung und mein Vorstellen sind stets mit realen Ereignissen konfrontiert: Sie sind unvollständig und vervollständigen sich nach und nach immer mehr, ohne je voll werden zu können; sie sind ungewiss und werden doch nach und nach gewisser, ohne je Gewissheit erreichen zu können; sie sind unsichtbar miteinander verknüpft und erst im Nachhinein – wenn überhaupt – verstehe ich, was jenes Reale für mich damals verändert hat und hieraus rekonstruiere ich mir meine Biografie.
Gesellschaftlich ist das Reale eine andere Beobachtungsfigur als individuell. Die Mehrheit der Verstorbenen und gegenwärtig Lebenden weiß mehr als das Indivi­duum. Überall gibt es Wissensvorräte – mitunter vergessene –, die das schon als symbolische Realität für sich fixiert haben, was ich erst noch real erfahren muss. Es ist diese Differenz, die das Reale antreibt und zugleich so ungleich über die Menschen verteilt: Nach Wissen und Unwissen, Halbbildung und Unbildung, Macht und Ohnmacht usw. 
Und noch eine Unterscheidung scheint für das Reale maßgeblich zu sein. Das Reale erscheint zunächst immer als ein extern Reales, das oft als eine nicht vom Menschen gemachte Realität wirkt. Es erscheint in unseren Diskursen wie eine Mahnung an unsere Ohnmacht. Es ist extern und erscheint schicksalsbezogen, als jenes hereinbrechende Ereignis, das wir nicht im Voraus kontrollieren können. Zwar sind wir in der Lage, es symbolisch und imaginär zu bearbeiten, was dazu führt, dass es damit von all seinem Schrecken oder Staunen schon wieder viel verloren hat, aber eine vollständige Kontrolle dieses Realen gelingt uns nicht. Zugleich aber kann dieses reale durchaus auch von Menschen gemacht sein, denn auch menschliche Produkte und von Menschen erzeugte Ereignisse können für andere Menschen jenes Reale darstellen, dem sie plötzlich ausgeliefert sind: Macht, Gewalt, Terror, Krieg sind beispielsweise Facetten seines Erscheinens. 
Für uns als Beobachter sind beide Wirkungsweisen des Realen extern und zunächst nicht kontrollierbar. Für uns als Akteure sind die Wirkungen durchaus unterschiedlich, je nachdem auf welcher Seite wir stehen: Als Produzenten des Realen für andere organisieren wir es stets symbolisch und materiell, und es gehört zur Mächtigkeit unserer schlimmsten Waffen, dass ihre Grausamkeit so unvorstellbar erscheint. Alle humanistische Vernunft muss darauf drängen, dies Reale zu begrenzen und ins Humanitäre, ins Menschliche zurückzuführen. Aber hier ist es wie mit der Macht: Das Reale für a/Andere ist nicht durchgängig begrenzbar, denn die Interaktion von Menschen produziert und konstruiert es immer wieder notwendig.
Das äußere, vom Menschen nicht gemachte, Reale kommt aus dem, was wir Natur, Kosmos, Schicksal oder Zufall nennen. Oft übersehen wir leicht, dass diese vermeintlich externe Welt bereits vielfältig eine schon von uns gemachte Welt ist.
Insoweit ist die Unterscheidung der zwei Erscheinungsformen des Realen schon irreführend. Sie ist ein Ressentiment an Verständlichkeit: Wir übersehen nicht, dass insbesondere Realisten auf einfache Art verstehen wollen, was vom Menschen gemacht und was vorausgesetzt werden muss. Der Konstruktivismus ist andererseits aber eine Wissenschaftsauffassung, die sich aus solcher Einfachheit verabschieden muss.
Nehmen wir nochmals den Mt. Everest als vermeintlich externes Reales. Welcher Beobachter stellt fest, dass der Mt. Everest tatsächlich extern ist? Der Beobachter benötigt eine methodische Konstruktion darüber, was er als Übergang eines menschlich gemachten und eines natürlich externen Realen ansieht. Insoweit ist er schon immer in der Konstruktion von menschlicher, z.B. sprachlicher, Realität, bevor er ein extern Reales als Grenzpunkt eigenen Konstruierens ins Feld führen kann. So scheint es im Beobachten zwar eine äußere Natur zu geben, die wir jedoch bei einer wissenschaftlichen Re/De/Konstruktion immer in ein methodisches Reflektieren über die Abstufungen von zugeschriebener Externalität und Unverrückbarkeit stellen müssen, um uns Klarheit über die Perspektiven und Handlungsbezüge zu verschaffen. So kann also auch das Eingeständnis, dass es eine reale Welt hinter unserem Rücken, jenseits unserer Blicke oder Gewissheiten geben mag, nicht darüber trösten, dass wir zu dieser Welt methodisch nur einen vermittelten Weg finden können. Und diese Vermittlung zwingt uns, über unsere Konstruktionen zu reflektieren.
Es fällt uns schwer, die dualistische Redeweise von vorhandener und gemachter Welt aufzugeben. Aber längst wird in unseren Praktiken, Routinen und Institutionen, in unserer gesamten Umwelt und Lebenswelt deutlich, wie sehr sich eine zuvor äußerliche, dem Menschen nicht oder kaum zugängliche Welt mit einer von uns gemachten Welt vermischt. Dies ist der Erfolg unserer Zivilisation. Wo früher die externe Realität für sich zu stehen schien, da verwandelt sie sich immer häufiger in eine vom Menschen gemachte Realität, die für andere Menschen wie ein Reales wirken kann. Wir haben zunehmend erkennen können, wie sich unsere Beobachtungen und Handlungen immer schon mit dem mischen, was wir Realität nennen. Und dennoch müssen wir zugeben, dass unser Vermögen die Grenzen des Realen nicht vermeiden kann. Unser Problem und unsere Paradoxie ist es jedoch, dass schon die Behauptung eines rein externen Realen ein solcher Vermeidungsversuch sein kann. Putnam (1993, 246 ff.) spricht von einem kleinen oder großem Realismus, um Effekte einer solchen Vermeidung zu bezeichnen: Der große Realismus ist jener, der als metaphysischer Realismus aus einer externen Realität sich die Tatsachen gewinnen will, die auf die Wahrheit einwirken; da sollten wir besser kleine Realisten sein, die wissen, dass ihre idealisierten Redeweisen immer schon das mitbestimmen, was sie als Formalisierung ermöglichen können (ohne bloß Unsinn zu produzieren). Methodisch können Formalisierungen ins Endlose und in immer weiteren Un-Sinn getrieben werden, sofern ihnen nicht Grenzen durch die (uns begrenzende und dabei begrenzte) Praxis gesetzt sind.
Sehen wir dies nicht dualistisch, sondern als ein Problem unserer Erkenntnisoperationen, dann können und sollten wir stets Übergänge reflektieren. Zwischen die verschiedenen Erscheinungsweisen des Realen können wir alle formalisierten kleinen Unterschiede einfügen, die weitere Unterschiede machen. Es würde dies ein Empfinden befriedigen, das in der methodischen Suche nach härterer und weicherer Wirklichkeit eine Sicherheit der symbolischen Ordnung auf der Basis zugeschriebener Tatsachen sucht. Wir würden dann nach Grenzbedingungen suchen, wie es z.B. in Experimenten unter meist sehr kontrollierten Bedingungen geschieht. Es ist im Symbolischen und vermittelt mit dem Imaginären immer wieder die Suche nach der Grenze zum Realen. Aber als Gewissheit bleibt entgegen all dieser Suche, dass sich ein Reales immer gegen unsere Vorausschau geltend machen wird.
Insoweit müssen wir Realismus und Konstruktivismus deutlich unterscheiden. Haben wir mit der Unterscheidung von Realem und Realität (als symbolisch bereits erfasste Form des Realen) nicht bloß eine sehr traditionelle, aus dem Empirismus und Positivismus stammende, sich am empirischen Sinnkriterium oder einer metaphysisch gesetzten sinnlichen Gewissheit orientierende Theorie übernommen, die als Modell wenig aussagt?
Ich will diese Frage auf den Mt. Everest zurückbeziehen. Ist nun in der subjektiven Begegnung der Mt. Everest dann realer, wenn wir überraschend auf dem Berg erfrieren oder wenn wir bei einem Film über diesen Berg erkennen, wie unbekannt dieser Berg uns bisher war? Kehren wir mit dieser Frage zu unserer Tafel zurück, dann sind wir verstört: In welchem Feld sollen wir diese Frage einsetzen? Im symbolischen Feld der Methode müssten wir uns dezidiert nach Unterscheidungskriterien entscheiden. Im Feld der Konstruktion wäre die Antwort schon relativ im Blick auf das, wofür wir uns entschieden hätten. In der Praxis müssten wir schauen, was tatsächlich bei welchen Beobachtern, Teilnehmern und Akteuren geschieht. Hier hätten wir vermutlich bei der gewählten Fragekonstruktion den größten Erfolg, Unterschiede auszumachen. In der Imagination gibt es sehr unterschiedliche Varianten. Und real zählt nur das, was individuell oder hochgerechnet gesellschaftlich als Lücke, Begrenzung, Erfahrung usw. erlebt und dann in eine irgendwie konstruierte Realität umgeformt wird. Beide Erlebnisse können also sehr real sein, wenngleich nur derjenige symbolisch wird berichten können, der nicht beim Ereignis selbst verstorben ist.
Konstruktivisten können auf diese oder ähnliche Fragen also keine pauschale Antwort geben. Sie hüten sich, so hoffe ich, zu vorschnell zu sein. Wenn denn ein Ereignis Sinn macht, eine Unterscheidung zu treffen, nach der die Arten der Realität nach äußerlich-natürlich erscheinenden und menschlich-konstruierten methodisch differenziert werden, wenn dabei bedacht bleibt, dass diese ganze Operation ohnehin schon eine Konstruktion von Menschen ist bzw. eine methodische Entscheidung voraussetzt, dann kann sie für jene viabel sein, die dies tun. Solche Menschen sind Konstruktivisten und wir sollten ihre Position deutlich von dem unterscheiden, was Realisten tun: Realisten verharren im Dualismus einer Abbildung – in welchen groben oder subtilen Formen auch immer. 
In der Regel aber sind wir in unseren Zuschreibungen an eine äußere Welt zumindest in der Wissenschaft viel unfreier als wir denken. Es gibt andere Bereiche, wie z.B. die Kunst, wo sogar der bewusste Einsatz des Realen sehr viel umfassender, verstörender, direkter gelingen kann. Hier sagt ein Blick mehr als tausend Worte; wobei es ohnehin mehr als tausend Worte braucht, um in der Wissenschaft zu bestehen. Die wissenschaftlichen Methoden hingegen verzahnen Konstruktionen und Praxis, die Konstruktionen ermöglichen Methoden und Praxis, die Praxis lässt Konstruktionen und Methoden erst zur Anwendung kommen. In der noch so groß erscheinenden Freiheit sind wir immer schon in der Falle einer Methode, die uns nach berechtigt oder unberechtigt, bisher üblich oder unüblich, erfolgreich oder erfolglos usw. fragt. Diesen Umstand können Verständigungsgemeinschaften auch nur bedingt durch Mehrheitsabstimmungen aus der Welt schaffen.
Gewiss, es wäre möglich, dass eine Verständigungsgemeinschaft von Menschen bestimmte Konstruktionen von anderen negiert und bloß eigene zulässt. Aber sie wären immerhin gezwungen, dafür Regeln zu bilden, nach denen sie dies als symbolisches Verfahren tradieren und von den anderen Verfahren absetzen müssten. Sie wären zu Methoden gezwungen, die ihre Sicht der Ordnung aus dem Realen entfernt und lernbar (als möglichst vollständigen Kodex), gewiss (als abprüfbare oder zumindest rekonstruierbare Aussage) und sichtbar (als Thema, Stoff, Intention) macht.
Angesichts der Dominanz der westlichen Kulturen sind wir aber heutzutage allemal nicht frei, hier willkürlich zu wählen. Es gibt eine bestimmte rationalistische, empiristische und kulturelle Methodendominanz, die sich in wissenschaftlichen Karrieren und Kontrollverfahren nach wie vor – trotz Pluralisierung auch der Wissenschaften – zeigt. 
Nehmen wir an, der Konstruktivismus, der heute im Spektrum der Erkenntniskritiken wohl noch eine Minderheitenrichtung repräsentiert, wäre morgen in der Mehrheit vertreten. Dann wäre er nicht mehr Aufbruch von Begrenzungen, nicht mehr Einführung von Verfremdung und Offenlegung neuer Perspektiven, sondern selbst Einschränkung, Begrenzung, Auslassung usw. – also alles das, was er heute vornehmlich bekämpft. Doch hier steckt ein Trugschluss: Auch heute schon ist er all dies, was erst später noch spürbarer im Sinne eines Mainstream werden könnte. Aus diesem Teufelskreis komme ich auch mit meiner Tafel, so sehr sie auf eine Erweiterung unseres Verständnisses drängt, nicht heraus, denn die Tafel ist Konstruktion, Methode und Praxis in einem. Sie ist Normierung eines Blickens. Aber sie will dieses Konstrukt offen legen und kritisch reflektieren helfen – also diskursiv-kritisch vorgehen.
Fassen wir zusammen: Realität und Wirklichkeit lassen sich zwar methodisch differenzieren, indem wir mittels Formalisierungen eine größere Nähe oder Ferne hin zum Menschen feststellen – nach bestimmten Zwecken, Verfahren, Interessen, Perspektiven usw. –, aber interaktionistische Konstruktivisten verweigern hierbei eine eindeutige Ableitung aus einem externen Realismus, einer äußeren Ding-an-sich-Welt, die unvermittelt unsere Realitätskonstruktionen erfasst. Dabei gebrauchen wir Realität und Wirklichkeit synonym. Die Wirklichkeit kann auch eine Sonderbedeutung erhalten, die stärker auf das Wirken (Effekte), die Aktualität oder die Potenz abhebt. Eine Unterscheidung des Realen als externe oder vom Menschen gemachte, wird nur dann plausibel sein, wenn man eine methodische Re/De/Konstruktion solcher Setzungen voraussetzt, um nicht unreflektiert oder naiv abbildend zu verfahren.


Zusammenfassung


Meine Beschreibung der Kränkungsbewegungen nahm implizite und explizite konstruktivistische Denkweisen auf. Dabei wurde in mehrfacher Weise die Behauptung von Wahrheiten, wie sie naiverweise immer noch bis in die Gegenwart von der Wissenschaft erwartet werden, dekonstruiert. Drei Kränkungen standen dabei systematisch im Mittelpunkt der Überlegungen:

(1) Absoluter und relativer Diskurs:
Diskurse sind Ver-Handlungs-Bedingungen in menschlicher Verständigung, die in mehr oder minder großen Gemeinschaften mit mehr oder minder relevanten Geltungsansprüchen durchgeführt und symbolisch entschieden werden.15 In der ersten Kränkungsbewegung, die zugleich vom nachmetaphysischen Denken spricht, von sprachpragmatischer Wende und Kränkung der Wahrheitsansprüche, wird vorwiegend symbolisch die Beobachtung von Welt verhandelt. Diese Verhandlung endet im Paradox, dass alle Beobachtung von Welt in Beobachter von Welt zerfällt, dass sie sich damit als solche nach Interessenlagen, Raum- und Zeitvariablen differenziert, um sich selbst als relativ bewusst zu werden, zugleich jedoch das absolute Maß jener Zeichen (Signifikanten und Signifikate im Wechselspiel) benötigt, mit denen all ihr Sinn sich abspielt. Als letzter Maßstab bleibt diesem Diskurs nur die Verständigung selbst, weshalb die Festlegung einer Meta-Position als letzter großer Versuch einer Rettung erscheinen könnte. Doch selbst diese Rettungsversuche werden gekränkt, weil die Meta-Position einen Meta-Beobachter erfordert, den es im System des Wissens nicht geben kann.16
Die Relativierung vermeintlich absoluter Realität oder eingrenzbarer wirklicher Wahrheit ist keine Erfindung des Konstruktivismus, sondern aus dem Selbstreflexionsprozess der Wissenschaften, vornehmlich der Philosophie, klar hervorgegangen und in verschiedenen Richtungen vorbereitet und thematisiert worden. Der Rückgriff auf Kant, der sich z.B. bei expliziten Konstruktivisten wie Ernst von Glasersfeld oder Heinz von Foerster findet, charakterisiert dabei auch nur eine Seite des Problems. Andere Richtungen wie die Fichtes, Hegels, Schopenhauers, Nietzsches, dann vor allem aber die vielschichtigen erkenntnistheoretischen Bemühungen im 20. Jahrhundert, die ich in Teilen analysiert habe, er­weitern den Facettenreichtum und die Stringenz der Argumentation erheblich. Dabei zeigt sich, dass das Verhältnis von Absolutem und Relativem uns schon sprachphilosophisch vor ein ungeheures Problem stellt, wenn wir eine Beobachtertheorie konstruieren. Das Kind z.B., das seine Objektpermanenz dadurch zu sichern lernt, dass es Gegenstände mit Begriffen zu vermitteln weiß, mag durch falsche Analogie dem Irrtum erliegen, dass sich Dinge in Begriffen tatsächlich abbilden und einbilden lassen, dass die Differenz zwischen ihnen überbrückbar sein könnte. Wir finden das gleiche Phänomen auch bei Erwachsenen, die z.B. das geschriebene Wort in einem Buch für eine unabdingbare Wahrheit nehmen können oder die Nachrichten im Fernsehen in ihrem Aussagewert nicht mehr hinterfragen. Aber nehmen wir nun einmal umgekehrt an, dass die angesprochene Differenz überhaupt nicht überbrückbar wäre. Was wäre dann die Folge? Jedes Ich könnte setzen, was es wollte, ohne dass dabei etwas Konsensfähiges herauskäme. Genau dies ist zum Glück nicht unsere Alltagserfahrung. Vielmehr achten wir bei der Erziehung unserer Kinder tunlichst darauf, dass die Dinge den Begriffen und die Begriffe den Dingen gemäß den bei uns üblichen Konventionen zugeordnet werden. Assimilation und Akkommodation wirken hier nach dem Konstrukt von Piaget ständig zusammen, um über mehrere Stufen sich bis hin zu formal-logischen Operationen zu entfalten, die in diesem Rahmen mehr oder minder frei den Heranwachsenden ansozialisiert werden. Am Ende des 20. Jahrhunderts sind sich etliche Wissenschaftler unterschiedlicher Fach- und Blickrichtungen darüber einig, dass wir aufgrund der selbstreflexiven Kräfte der Vernunft lernen, und dass wir dabei selbst die Konstrukteure unserer Individualgeschichte als auch historisch-sozialer Gesellschafts- und Lebensformen sind. Dies darf uns aber nicht dazu verleiten, die Gattungs- oder Kulturgeschichte auf Individualgeschichte zu minimieren, auch wenn wir nur je subjektiv etwas dazu aussagen können. Das Ganze ist hier mehr als seine Teile, der gemeinsame Konsens und die Konvention mehr und anderes als die je individuelle Überzeugung. Um jedoch in der Vielfalt der möglichen Auchs eines Dings, eines Sachverhalts, einer oder mehrerer Personen uns das festzuhalten, was als Eins Anderen mitteilbar sein soll, um jenen Konsens, jene Konvention zu bezeichnen, müssen wir ver-all-gemeinern, ver-ein-fachen, wobei zwischen dem All und dem Eins kein Gegensatz besteht, sondern Gemeinsamkeit: der Begriff selbst gerinnt uns zu einer Größe, die Absolutes aussagt, um überhaupt relativ sprechen zu können. Wäre nämlich alles relativ, so atmete uns die Unendlichkeit an und wir müssten erschrocken schweigen. Uns überkäme eine Angst, die genauso grenzenlos wäre wie dies Unendliche selbst. Schon der erste Name, das erste Wort, der erste Begriff stellt sich dem entgegen, indem er fixiert, was allgemein gedacht und vereinfacht gesprochen werden kann. Am Anfang war und ist so gesehen das Wort. Was den individuellen Tod überdauert wird zur Schrift, zu Text, weshalb Derrida auf die Konstruktion verweist, die allen Ergänzungen von möglichen Begriffen – also allen möglichen De-Konstruktionen – zugrunde liegt. Und dies in einem absoluten, d.h. in einem nicht hintergehbaren Sinne, der absolut im Blick auf den Vorgang erscheinen muss, aber durch die Verflüssigung des Vorgangs selbst relativiert werden kann. Wenn ich in meiner Kultur einen Begriff nenne, den Andere auch kennen, dann haben wir jenes Absolutum, an dem wir unsere Relativität messen. Die Zeichen, Worte und Begriffe selbst sind Fixpunkte, die durch wechselseitige Beziehung aufgelöst werden können, denen aber immer auch die Grenze innewohnt, letzten Endes allgemein zu sein. Darin steckt eine Universalisierungstendenz, die, wenn sie in größeren Sachaussagen verallgemeinert wird, schon oft zum wissenschaftlichen Verhängnis wurde, weil sie ein Dogma entstehen lässt, das dem zeitgeschichtlichen Wandel der Konstruktionen nicht standhalten kann. Dies gilt auch für die einzelnen Begriffe, die im Wandel der Zeit ihren Sinn und ihre Bedeutung variieren mögen. Aber auf je erreichter Stufe haben sie den Hauch des Absoluten, tragen sie die lexikalische oder indexikalische Position der Unberührbarkeit, wenn denn Konsens überhaupt noch verhandelt werden soll. Zu den Sprechakten gehört dann, dass sich alle Teilnehmer an gemeinsam auszuhandelnde Regeln halten, was zwar zur Relativierung des Erkennens, zur Anerkennung des konstruktiven Gehalts von Erkenntnis führen kann, aber nicht das Maß der Absolutheit aus dem Prozess selbst entfernt.
In dieser sprachlichen Falle stecken wir, und sie wird immer wieder zur Ursache von Missverständnissen in den Beobachtungen, wenn der Blick in einem Winkel erstarrt und die Position nicht zur Verflüssigung des Vorgangs selbst gewechselt wird. Gerade hierfür wird der Faktor Zeit zu einer entscheidenden Stelle in der Bestimmung von Konstruktionen, die sich in Dekonstruktionen verwandeln. Nicht nur die je gegenwärtige subjektive Gegenwart, sondern deren Vergangenheit und mögliche Zukunft im Verbund mit den imaginierten, projizierten und erfahrenen Konsensbereichen anderer Menschen wird zur Zeitfalle aller abweichenden Konstruktionen, die ein reiner Solipsismus erbringen würde, der aber niemals, außer in den Köpfen von esoterischen Wissenschaftlern, eine umfassende Lebensform wird. Im Blick auf das dahinter sich verbergende Absolute benötigt auch der Konstruktivist zwei Spielarten seines Denkens:
Rekonstruktivismus müsste versuchen, den Zeitverhältnissen als Konstruktionen zwischen absolut und relativ nachzuspüren, um zu verdeutlichen, warum welche Begriffe entstehen, verschwinden, im Fluidum des Relativen schwimmen. Dies aber verweist auf die Fallen der anderen Kränkungsbewegungen. Rekonstruktionen halten sich aber immer noch das Allgemeine fest, um es als Lehre an uns zu vermitteln.
Dekonstruktivismus müsste beleuchten, mit welchen Ergänzungen dies geschieht und die Absolutheit durch den Rückbezug auf die Auchs im Eins wiederum relativieren, damit wir uns nicht doch wieder auf die Absolutheit fixieren, die auch Konstruktivisten dann gewinnen, wenn sie sich auf ihr Eins einigen.
Dabei sind Rekonstruktionen aber nicht als bloße Nachahmungen aufzufassen. Nimmt man die Kultur- und Lerntheorie John Deweys,17 dann lassen sich Lernvorstellungen drei Metaphern zuordnen. Früher gab es die Klöster, die das symbolische Wissen gefangen hielten, um es einerseits zu bewahren und in der darin liegenden Wahrheit zu differenzieren. Das Lernen erschien hier in einer Hierarchie, in einer Predigt und einem Besser-Wissen, das sich stets in seinem zugestandenen symbolischen Ordnungsraum zu legitimieren hatte. Zwar war dieser auch nur relativ, aber im Dogma der Inquisition und anderer Kontrollinstanzen über relativ lange Zeit auch durchaus konstant. Mit der modernen Gesellschaft und der Industrialisierung setzte ein neuer Lerntyp ein, den wir als Typ des Tausches, Ver-Handelns, des Waren- und Supermarktes bezeichnen können, für den das als symbolische Wahrheit gilt, was man nutzen, gebrauchen, verwenden kann. Für ihn sind Re-Konstruktionen wichtig, soweit und sofern sie die Tauschgesellschaft selbst befördern und in ihr jene Illusionen akkumulieren, die als Spiegelungseffekt die Mächtigkeit des Kapitalismus konstituieren: Freiheit und Leistung, Individualität und notwendige Sozialisation, Anerkennung von Gesetzen und Regelvarianz, Einsicht in den Gegensatz von Faktizität und Geltung kennzeichnen hier im besonderen Maße eine symbolische Welt, die zwischen klar und zeitbedingten Werten und deren Unübersichtlichkeit und Schwinden schwankt.
Die Lehrpläne für die Schulen sind der stets hilflose Versuch, hier reproduzierend im Sinne von Sicherung einer Tradition gegen das Chaos der selbst verhängten Innovationen der Tausch- und Produktionsmärkte einzugreifen, weil jedes Eingreifen immer schon an seiner Zeit vorbeigeht. Wird Schule als Ort der Reproduktion aufgefasst, so verfehlt sie nach Dewey aber den idealtypischen Labor-Charakter, der dem Lernen in der konstruktiven und selbstregulierenden Weise von Lernern gerecht werden müsste: Sich selbst ihre Welt zu erfinden, indem sie konkret das nacherfinden, was bereits erfunden wurde; konkret mitzubestimmen, was gelernt wird, um die Entwertung des Wissens voranzutreiben, das durch bloßen Rückzug auf symbolische Vorräte der Vergangenheit sinnlos und praxisfremd gehortet wird; also durch die Anerkennung der Konstruktivität von Lernen die Relativität von Wahrheit anzuerkennen und damit nachwachsende Genera­tionen vorzubereiten, ihre eigenen – allenfalls für Momente absolut geltenden – Perspektiven aufzubauen, ohne in den dogmatischen Schlummer, die Enge und Geborgenheit der Klöster und in die Naivität der Märkte und die Illusionen symbolischer Wahrheit in diesen zurückzufallen.   
Allerdings hat es die kapitalistische Gesellschaft mit solcher Reform hin auf Laborschulen schwer, weil sie an die Wurzeln ihrer Illusionen rührt.
Auch Deweys Bild ist wieder idealtypisch und unterliegt notwendiger Dekonstruktion. Das Labor erscheint wie eine Kunstwelt gegen die übrige Kultur, aus der heraus mit soziologischer Fantasie ein neues Absolutum von Wahrheit einer scheinbar selbstbestimmten, nachrückenden Generation entspringt, wenn man sich nur an die Regeln solcher Erziehung hält. Ein Wunsch erscheint, eine gut nachzuvollziehende Hoffnung in den Bildern zwischen einsperrendem Kloster und entfremdeter Bildung einer bloßen Buch- und Symbolschule, um als Wunsch dennoch dekonstruiert zu werden: Welches Begehren schlummert hinter dem Wunsch? Welche Interaktionen welcher Vorverständigung gehen in ihn ein? Welche unbewussten Sphären öffnen sich? Wir treten in die nächsten Kränkungsbewegungen ein.

(2) Selbst und Anderer im Diskurs:
Betrachten wir den Aufbau der kindlichen Ordnungs- und Gefühlswelt, dann unterstellen wir konstruktivistisch, dass Kinder sich aktiv ihrer Umwelt und sich selbst in ihrer Entwicklung stellen, dass sie sich in der Wechselwirkung ihres relativ zu Anderen autonomen Körpers und Geistes durch Assimilation und Akkommodation oder durch libidinöse Triebbesetzungen und deren Folgen für den psychischen Apparat entwickeln. Diese Entwicklung trägt viele Seiten: Kognitive, affektive, aber auch Unterschiede in den multiplen Intelligenzen, die wir dabei nach Gardner (1993 a,b) gestalten. Bei einem näheren Fokus auf die Inhalte dieser Entwicklung bemerken wir sofort den großen Anderen, den Erwachsenen und die Geschwister oder weitere Bezugspersonen, die gegen das Selbst in eigener Autonomie stehen und in Interaktion und Kommunikation treten. Diese Form und dieser Inhalt der Interaktion und Kom­munikation unterscheiden sich radikal von einer bloß gegenständlichen Vermittlung, weil sie menschliche Bedürfnisse (re)präsentieren, die durch Begriffe wie Nähe, Geborgenheit, Zärtlichkeit, aber auch durch Grenze, Abwehr, Versagen usw. ausgedrückt sind. Bereits Hegel hat die grundsätzliche Notwendigkeit formuliert, dass ein Selbstbewusstsein nur durch die Anerkennung eines anderen Selbstbewusstseins existieren kann, dass der Anerkennungskampf des autonomen Subjekts sich sein Selbst nur gewinnt, wenn es die Unterscheidung am Anderen erfährt und reflektiert (symbolisiert). Wie aber sollte sich nach einer solchen Entwicklung noch scharf und eindeutig auflösen lassen, was an diesem Selbst selbst und am Anderen anders ist?
Lacan, so haben wir gesehen, stellt heraus, dass die Menschen sich sehr wohl zweier Sprachen bewusst sind, wenn sie logische Probleme lösen wollen. Bateson, Watzlawick und andere nennen dies aus anderer Sicht die Unterscheidung von Inhalts- und Beziehungsebene. Diese Unterscheidungen sind dies für die Konstruktion einer Beobachter-, Akteurs- und Teilnehmertheorie wesentlich, weil sie eine Differenz zweier Beobachtungslogiken verdeutlicht.
Auf einer Logik erster Ordnung verfahren wir als Beobachter so, dass wir uns an kausale Leistungen halten, wie sie für die Entwicklung bisheriger Wissenschaft üblich geworden und standardisiert worden sind.18 Dies schließt auch die Formalisierung dieser Logik nach mathematischen Modellen ein. Solche Formalisierungen begrenzen unseren Akteursradius, sie schützen vor Willkür und legen uns als Teilnehmer auf bestimmte, vorverständigte Rollen fest. Diese Logik erster Ordnung entwickelt Traditionen, die jedoch auch immer wieder aufzugeben sind.
Die Logik zweiter Ordnung, die Beziehungslogik, die durch die Dialektik eines Selbst und eines Anderen entsteht, folgt nicht mehr der Logik erster Ordnung. Ihre Unschärfebedingungen sind andere, weil ihre grundlegende Definition der Beobachtungsleistung nicht mehr von Subjekt A gegen Subjekt B ohne Beteiligung und wechselseitige Vermittlung der Subjekte selbst im Beobachtungsprozess hinreichend unterschieden werden kann.19 Neben die inhaltlichen Vermittlungen, die noch nach den alten Beobachtungsmaximen erster Ordnung diskursfähig gemacht werden können, treten psychologische Aspekte der Interaktion und Kommunikation, die die Eindeutigkeit des Beobachteten soweit auflösen, dass wir als externer Beobachter nur erahnen können, was die scheinbar autonomen Subjekte A und B empfunden haben mögen, wenn sie in der Logik ihrer Beziehung Handlungsentscheidungen treffen. Da jede Handlung von A aber schon Wirkung auf B und Rückwirkung auf A ist, da sie somit von vornherein in ein zirkuläres Netz eingeschrieben ist, das A aus seiner vermeintlichen Autonomie in eine Beziehung versetzt, entstehen Wirkungen, die man systemisch, zirkulär oder rekursiv genannt hat. Diese erhöhen notwendig die Unschärfe von Beobachtungen. Sie machen unsere Rollen als Akteure unsicherer und sie lassen unsere Teilnahme an Vor-Verständigungen stets hinterfragen.
Systemisch arbeitende Familientherapeuten können uns mit Beispielen helfen, diese Dimension besser zu verstehen. Eine Familie mit einem magersüchtigen Kind ließe sich nach kausalen Beobachtungen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen und man könnte das Kind fragen, warum es keine Nahrung zu sich nehmen will. In der Logik erster Ordnung wäre dies vielleicht sinnvoll, weil man hier die Störquelle zunächst sucht und dann zu reparieren trachtet, damit das Gesamtsystem wieder funktioniert. Nun aber wissen Therapeuten recht gut, dass eine psychische Störung wie die Magersucht nicht allein dem Symptomträger überantwortet werden kann, dass in der Logik menschlicher Beziehungen Störquellen nicht ausschließlich auf einer kausal und linear zu beobachtenden Seite liegen, sondern im Wechselspiel von Selbst und Anderem in dieser Familie und ihrem Umfeld, im System dessen, was beobachtet wird, verankert sind und dabei den Rückkopplungsprozessen dieses Systems, seiner Entwicklung und seinen Bedingungen unterliegen.20 Therapeuten mussten dies in ihrer Praxis lernen, weil die Störquelle sich nicht einfach technisch oder mittels kausaler Attribuierung reparieren ließ. Die dynamische Seite solcher Systeme erzwingt in einer Logik, die dieses beobachtet, ein systemisches Denken, das die Wechselwirkungen nicht außer acht lässt. Watzlawick nennt es eine „Anleitung zum Unglücklichsein“, wenn sich Menschen auf dieser Seite der Logik darauf einlassen würden, nach Ursachen, nach Schuldigen, nach letztlich Verantwortlichen zu suchen. Wie sollte dies auch in der wechselseitigen Verbundenheit eines Paares oder einer Familie geschehen, deren Zusammenleben durch eine ständige Rückkopplung aller Beziehungsprozesse, durch die imaginierte Aufnahme des Einen in den a/Anderen und einer dabei je eigentümlichen Dynamik wechselseitiger Besetzungen und Triebbedürfnisse bestimmt ist?
Nun zeigte die Praxis der Familientherapie, die sich auf diese Arbeit einließ, einen bedeutenden Wandel, der mit unserem Thema der Unschärfe aufs Engste zusammenhängt. Zunächst war die erste Generation von Therapeuten noch daran interessiert, durch Beobachtung jenen Punkt auszumachen, an dem eine geschickte Intervention angebracht werden kann, weil der Therapeut das systemi­sche Spiel der Familie durchschaut hat und nun einen Kontrapunkt setzen kann, wo es der Familie möglich wird, ihr System zu ändern und als Ausdruck davon z.B. dem magersüchtigen Familienmitglied ein Ausstieg aus der Krankheit eröffnet wird. Zahlreiche Fallbeispiele belegten die Möglichkeit dieser Variante. Aber es wurde auch offenbar, dass dies therapeutische Verhalten die eben erst entdeckte andere Logik der Beziehungen wieder einschränkte, weil sie letztlich das Vertrauen in die Selbstregulationskräfte des Systems unterschätzte und die Macht des Therapeuten überschätzte. So kam eine zweite Generation von Familientherapeuten aus praktischen Erfahrungen zu der Ansicht, dass die Beziehungslogik anders als nach dem Modell der Logik erster Ordnung und der Zuschreibung kausaler Rollen der Teilnehmer oder intervenierender Funktionalität des Therapeuten gesehen werden kann.21 Das Familiensystem in seiner je unterschiedlichen Dialektik zwischen Selbst und Anderen bleibt auch nach der Therapie erhalten, es hat seine eigene Geschichte und Verantwortung, deren Durchschauen nach allen Beobachtungsseiten hin jeden Beobachter überfordert, übrigens auch schon die sich beobachtenden Familienmitglieder überfordert. Verwobenheit, Verstrickung usw. sind daher Ausdrücke, die in diesem Kontext oft gebraucht werden. Sie bedeuten eine Zurücknahme der Beobachtertheorie, eine Bescheidenheit, die in der Anerkennung der Unschärfe der Beobachtungen wurzelt. Kurzum, je mehr ich mich sozialen Beziehungen in ihrer konkreten Gestalt nähere, um so größer wird die Unschärfe dann, wenn ich die Dialektik von Selbst und Anderen nicht reduziere. Und genau an den Stellen, wo ich sie nicht reduzieren kann – hier: Wenn Familien in ihrem System mit psychischen Krankheiten fertig werden wollen –, benötige ich eine neue Logik, eine Logik zweiter Ordnung, die mich legitimiert, nicht nach kausaler Eindeutigkeit, nicht nach linearer empirischer Gültigkeit, nicht nach mechanistischen Erzeugungsansprüchen zu funktionalisieren, zu finalisieren oder wie auch immer meine Interventionen zuzuschreiben. Es hat einigen Mut gebraucht, darin eine auch wissenschaftlich akzeptable Lösung zu sehen, denn die Logik zweiter Ordnung bleibt auch noch Logik.22
Als Beziehungslogik jedoch stellt sie uns neue Aufgaben und Anforderungen, die gesellschaftlich brisant sind und bisher nur in den gewissen Schonräumen der Therapie oder anderer sozialer Momentaufnahmen zu direkten Erfolgen gelangen konnten: Wenn nämlich das jeweilige soziale System selbst die Verantwortung für alle Veränderungen in sich trägt, wenn der Beobachter diesem System allenfalls dabei neue Sichtweisen eröffnen kann, dann gelangt dieses System dort an die Grenzen seiner Anerkennung, wo es im gesellschaftlichen Herrschafts- und Interessenverständnis die konventionelle Normalität übersteigt. Durch das Gesetz mobilisierte Kräfte der Ordnung und Verwaltung treten auf den Plan, die Freiheit der Systeme dort einzuschränken, wo sie die allgemein gültigen Regeln verletzen. Die Logik zweiter Ordnung unterliegt der Logik erster Ordnung in gesellschaftlicher Gewalt, mitunter gewiss bevor sie sich überhaupt aussprechen konnte oder ihre eigene Sprache fand. Hierin erscheint, so meine ich, ein Grunddilemma konstruktivistischer Theoriebildung überhaupt, dem wir uns differenziert stellen müssen.23
Die Rekonstruktion einer „Ordnung der Blicke“ hat die Beziehungswelt in der zweiten Kränkungsbewegung in die Wissenschaft zurückgeholt. Die eigene Position, die sich autonom und frei in ihrer Konstruktion von Wirklichkeit meint, ist bereits der Diskurs des Anderen. Beide sind von vornherein im Diskurs, weshalb sie unbemerkt bleiben mögen. Dies radikalisiert den Bezug auf eine Verständigungsgemeinschaft, weil sie diese ins Nach- und Nebeneinander ihrer Interessen, ihres Raumes und ihrer Zeit rückt. Die Erwartungen an den absoluten und relativen Diskurs werden über die Interaktionen nochmals gekränkt, denn die Autonomie der freien und unbeschränkten Wahl erscheint mehr als Notwendigkeit, Regeln über Verständigung zur Sicherung einer möglichst großen Offenheit von Wahlmöglichkeiten nach Interessen überhaupt zu fordern, als dass diese in den Wahlmöglichkeiten bisheriger Verständigungsgemeinschaften nachgewiesen werden könnten. Die Interaktionen sind von Machtpraktiken durchzogen, weil sie in sich die Unterscheidung von sozialen Positionen selbst schon tragen.
Hierbei sind Beziehungen oft schon Teil auch wissenschaftlicher Diskurse. Aber die Vorrangigkeit des Symbolischen, einer verallgemeinerten und aus den Beziehungen abgezogenen Wahrheitsfindung, entdramatisiert die dabei auftretenden Problemlagen. Die erste Kränkungsbewegung bleibt in ihrer Beobachtungsfixierung mittels solcher Entdramatisierungen relativ statisch. Dies mag auf den ersten Blick erstaunen, weil ja immerhin versucht werden kann, Entwicklung zu re- oder dekonstruieren und die Dynamik dieser Prozesse ausführlich zu beschreiben und zu interpretieren. Jedoch im Blick auf die Interaktion der Subjekte in diesen Vorgängen selbst suchen die Beobachter solcher Positionen eine Schärfe ihrer Beobachtungen dadurch zu gewinnen, dass sie allein das forschende Subjekt zum Beobachtungspunkt machen. Alle Beziehungen, in denen ein solches Subjekt steht, sind allenfalls biografisch interessant, aber wissenschaftlich überwiegend irrelevant. Aus dem Blickwinkel der unauflöslichen Verbunden- und Verwobenheit von Selbst und Anderem jedoch eröffnet sich ein neues Verständnis von menschlichen Beziehungen, das uns einen symbolischen und imaginären Anderen präsentiert, den der symbolische Interaktionismus begrenzte und den in Erweiterung der Freudschen Position Jacques Lacan am radikalsten hervorhob. Auf einer ganz anderen Begründungsebene hat sich auch im konstruktivistischen Spektrum eine Beziehungslogik entfaltet, die besonders durch die Arbeiten von Bateson, Watzlawick und anderen als systemisches Denken begründet wurde.24 In der Soziologie hat Luhmann dazu ein eigenwilliges, aber letztlich subjektentleertes Theorienkonstrukt einer kognitivistischen Beziehungslogik entworfen. In der therapeutischen Praxis hat die psychologisch-systemische Richtung in letzter Zeit großen Zustrom erfahren, weil in ihr eine neue Beobachtungslogik enthalten ist, die die Unschärfe der Beobachtungen selbst zum Anlass für eine Befreiung des therapeutischen Handelns nimmt. Ich könnte viele solcher Entwicklungen aufzeigen, die besonders an den Nahtstellen von Wissenschaft und Lebenswelt in der Psychologie und Pädagogik ansetzen (vgl. auch Reich 2005, 2008). Wann immer wir mit der Lebenswelt zu tun bekommen, dann treten inhaltliche Prozesse in unmittelbarer Verschränkung mit Beziehungen auf. In den anderen Wissenschaften sind sie mittelbar allerdings auch enthalten. Unmittelbar kommen sie nur deshalb nicht vor, weil und insofern das wissenschaftliche Methodenkonstrukt dies gebietet.
Allerdings sind die Verständigungsgemeinschaften, mit denen wir uns stets befassen müssen, wenn wir Wahrheitsbedingungen reflektieren und diskutieren, immer auch Beziehungsgemeinschaften. Spätestens hier kehrt die Notwendigkeit einer Interaktionstheorie in die Wissenschaften zurück. Wer nicht über sie verfügt, der verfehlt immer einen wesentlichen Teil seiner wissenschaftlichen Begründungen.
Warum besteht diese Angst vor den Beziehungen in der Wissenschaft? Es ist die Angst vor Willkür, vor einer Spezifizierung und Subjektivierung der Erkenntnisse, die Sorge, nur noch singuläre Ereignisse mit nichtssagenden Schlussfolgerungen zu bearbeiten usw. In dieser Sorge wird eine tiefer gehende Reflexion der Verständigungsgemeinschaft selbst vermieden, was zu elementaren Widersprüchen führt. Der „Homo academicus”, wie Bourdieu (1992) ihn beschreibt, lernt so zu wenig zu begreifen, welchen Kontext und welche Bedeutsamkeit seine Kultur für sein scheinbar neutrales Schaffen bildet. Er bleibt dann jedoch naiv und ignorant gegenüber dieser Lebenswelt. Die Rache der Lebenswelt jedoch bekommt nicht nur dieser isolierte Forscher, sondern jeder in der Lebenswelt zu spüren, der mit Konsequenzen solcher Forschung zu tun bekommt. Insbesondere die Humanwissenschaften können sich solche Ignoranz nicht länger leisten. Aber auch die Naturwissenschaften sollten spätestens seit der Rückkehr ihrer lebensvernichtenden Produkte in die Lebenswelt – die Atombombe ist dafür ein Sinnbild im 20. Jahrhundert – aufgeschlossener gegenüber Fragen und Problemen der Lebenswelt und Beobachtertheorien werden.

(3) Bewusst und unbewusst als Diskurs:
Die Grenze der Verfügbarkeit von Diskursen wird zugleich durch das Unbewusste, das ihnen zugeschrieben werden kann, erweitert. Dieses Unbewusste ist eine schillernde Beobachter-Intention, unter die die unterschiedlichsten Mangelzustände für Beobachter fallen: Sei es, dass sie z.B. nicht wissen, was sie tun könnten; sei es, dass sie dies Wissen sich verbergen müssen, weil es als ungeheuerlich verdrängt wird; sei es, dass Ereignisse kommen, von denen niemand wissen kann. Die unendlichen Geschichten des Unbewussten verbergen sich dem Bewussten, um kategorial als Triebe, als Begehren aus der Sicht von Beobachtern für Beobachter oder als unvorhersehbare Ereignisse zurückzukehren. Was treibt das menschliche Tun an? Welche tiefen Impulse verspüren wir in uns? Was bestimmt letztlich alles menschliche Geschehen?
Auch hier mangelt es an letzten Antworten. Die Antworten verkomplizieren vielmehr die Erkenntnissuche, indem sie überhaupt das Unbewusste postulieren. Die Subjekte im Diskurs führen einen bewussten Diskurs in einer Als-ob-Situation: Als ob ich das Unbewusste kennen würde, so spreche ich darüber. Doch das symbolische Sprechen lässt das imaginäre Begehren schon vereinseitigt erscheinen, und es weiß sich des grundsätzlichen Mangels erst dann klarer, wenn es Symptome, Leiden, Ereignisse verspürt, deren Mitteilungscharakter von ihm entschlüsselt werden muss.
Das Tor zum Unbewussten wurde von Freud aufgestoßen. Behaupteten die beiden ersten Kränkungsbewegungen immer bewusste Vorgänge, dann wird in der Diskussion des Unbewussten eine schmerzliche Lücke sichtbar. Diese hat z.B. gerade ein Konstruktivist wie Piaget dort hinterlassen, wo er auch die kindliche Energie, die Motivation und Kraft für all die Assimilationen und Akkommodationen hätte beschreiben sollen, die dies sich selbst produzierende und konstruierende System antreiben. Wird dieser Antrieb zur black box, weil etwa nur mechanistische Erklärungen eines Erzeugungsmechanismus zählen, die äußere Beobachter sich festhalten, dann entgeht uns die Innerlichkeit des Subjekts, das keineswegs eine black box dort bleiben muss, wo es fühlt, träumt, vergisst, verfehlt, verdrängt. Freud relativierte den Vorrang der Kognition, der Bewusstheit und einer Bewusstseinsphilosophie, die Triebhaftigkeit, Eros, Aggression, Motivation als bloß dunkle Seiten der menschlichen Entwicklung verstand und fast ausschließlich durch Fremd- und Selbstbeherrschung, Verstand und Vernunft, Aufklärung und Abwehr zu bearbeiten suchte. So ist am Anfang eben doch nicht das Wort oder eine Schrift.25 Wo Piaget sich der helleren Seite der Entwicklung zuwandte, jener Seite, die ein äußerer Beobachter deutlicher beschreiben kann, da entwickelte Freud Deutungstheorien über die bis heute eher dunkle Seite menschlichen Innenlebens, die zwar nicht im Gegensatz zu den Konstruktionen des assimilierenden und akkommodierten Bewusstseins gesehen werden müssen, die jedoch die wesentliche Frage nach grundlegender Triebbezogenheit solcher Konstruktionen stellen. Es sollte deshalb – ähnlich wie bei Hans G. Furth (1990) – ein wesentliches Ziel weiterer Argumentationen sein, die mögliche wechselseitige Bereicherung von Freud und Piaget genau an dieser notwendigen Stelle der Ergänzung zu diskutieren.
Der Vorgang des sprachlich vermittelten Absoluten und Relativen wird durch diese neue Sichtweise komplizierter, als er bis hierher ohnehin schon ist. Das Bewusstsein der Subjekte ist nicht bloß bewusster Sprechakt, einfach aushandelbarer Diskurs, der ein eindeutiges Maß an Wissen und Aufklärung benötigt, um alle Menschen gleich zu erreichen. Blicken wir ins Innere dieses Menschen, dann erkennen wir Leidenschaften, die nicht dem Diskurs der Aufklärung folgen, deren Energien nicht nach fortschreitenden Zirkeln größerer Vernunftwerdung geordnet werden können, deren Unschärfe für einen Beobachter schon darin wurzeln muss, dass er ohne die Beobachtungen des zu beobachtenden Subjekts an sich selbst keinerlei Maß wird finden können, hinreichend begründete Aussagen zu treffen. Es ist damit der klassische Fall einer Beobachtungssituation, in der der äußere Beobachter durch Hineintreten in die Beobachtung das zu beobachtende Subjekt bereits durch sein Dasein verändert, beeinflusst, verstört.
Freud nennt solche Bedingungen in der Therapie Übertragung, weil hier im Energiefluss triebbezogener Besetzungen des behandelten Subjekts ebenso wie des behandelnden Therapeuten unbewusste Kräfte frei werden, die als Ängste, Krankheitssymptome, Abwehrstrategien des Ichs usw. erscheinen. Erst die Deutun­gen dieses Scheins lassen das Unbewusste konstruieren.
Lacan hat dies entscheidend differenziert, wenn er das Begehren in möglichen Beobachtungen beschreibt und dabei die Interaktion in das Unbewusste zurückholt. Nicht nur das Bewusste stellt sich dem Diskurs des Anderen, sondern auch das Unbewusste ist der Diskurs des a/Anderen.
Nun haben wir einen Diskurs, der sich verkompliziert, weil er auf sehr unterschiedliche Beobachterperspektiven angewiesen ist. Der a/Andere zerfällt in eine Beobachtung mit kleinem a und mit großem A.
Als großer Anderer ist er der Erkenntnistheorie und ihren Kränkungen bekannt, sofern sie das Symbolische in seinen Re- und Dekonstruktionen thematisieren. Es ist stets der symbolisch Andere, den wir schon vorfinden oder der von uns modifiziert, ergänzt, bestritten wird, wenn wir wissenschaftliche Diskurse betreiben. Als Agens und Produkt solcher Diskurse benötigen wir ihn immer wieder: Beginnend vom Zeichen bis hin zu den symbolischen Ordnungen. In der Lebenswelt tritt er uns in persönlichen Formen gegenüber: Als Mutter oder Vater, als Beziehungsperson, als Rolle (und Ausdruck bestimmter Institutionen). In unseren Konstruktionen zirkuliert dieser Andere, und als Beobachter können wir ihn nie vermeiden. Wann immer sich eine Verständigungsgemeinschaft auf ihren großen Anderen zurückzieht, soll die Zirkulation – und damit Veränderlichkeit von Beobachtern und Beobachtung – angehalten werden, um zu einem glücklichen Ende zu gelangen. Solches Glück kann aber nur von begrenzter Dauer sein, solange die Lebensform selbst nicht zu ihrem Ende gekommen ist.
Als kleiner anderer verweist er uns als Beobachter auf die imaginäre Achse der Beziehungen. Er verdeutlicht uns, dass unsere symbolischen Lösungen immer problematisch und unzureichend sind. Die Motivation, das Begehren und die Lust, das Verlangen und Sehnsüchte, Gefühle und Träume mischen sich ein, um den großen Anderen zu subvertieren. Der rationalisierende Ausschluss solcher Subversion mag gerade für Wissenschaftler ein großes, reduzierendes Begehren darstellen, aber schon in dieser Reduktion wirkt damit die Subversion.
Damit erreicht die Unschärfe ein neues Niveau, das uns einerseits zögern lässt, weil es der Suche nach wissenschaftlicher Eindeutigkeit schadet, das andererseits aber nun auch den Raum frei macht für eine komplexere Beobachtung menschlichen Verhaltens, menschlicher Reflexion im Spannungsfeld von Imagination, Symbolik und Wirklichkeiten. Als Konstrukteure erkennen wir große Reichweiten der von uns imaginierten und mehr noch der symbolisierten Realitäten. Zugleich kränkt uns das weitere Eingeständnis des Realen: Denn alle unsere noch so realistischen Konstruktionen reichen nie aus, die Inhalte oder Beziehungen der Lebenswelt vollständig zu kontrollieren.
Der wissenschaftliche Diskurs, wenn er sich denn auf die Schärfe seiner Rationalität und seines Empirismus im Sinne der Annäherung an naturwissenschaftliche Reduktionsideale orientiert, schreckt vor der psychoanalytischen Unschärfe zurück. Der Vorwurf der Spekulation trifft Freud mit aller Macht und teilweise – wie ich anzudeuten versuchte – zurecht. Aber sollen wir deshalb jene Dimension ausblenden, weil sie nicht in das Konzept moderner Wissenschaft zu passen scheint? Sollen wir Phänomene ignorieren, nach dem Maßstab der Ver-ein-fachung abdrängen, weil die naturwissenschaftliche Fiktion des Gütekriteriums der einfachsten Erklärung uns am besten die Komplexität vom Halse schafft und solche Techniken gesellschaftlich äußerst anerkannt sind?
Einer Beobachtertheorie steht es allgemein frei, ihre Blickwinkel zu wählen. Eine konstruktivistisch begründete Beobachtertheorie hat sich jedoch durch die Einsicht in die Konstruktivität des Beobachtens und damit der Erkenntnis eine Grenze gesetzt, die sie dazu zwingt, immer breiter und offener als Andere zu schauen: Sie muss immer andere Möglichkeiten zulassen und aufweisen, als die, die ihr vielleicht die zunächst liebsten (und diese Liebschaft wird meist durch Gewohnheiten gebildet und tradiert) sind. Dort, wo dem Konstruktivisten – im beschränkten Erkenntnisstand der Zeitepoche – gezielte wissenschaftliche Beobachtungen nur nach einer Maxime als sinnvoll erscheinen, da muss er schon stutzig werden. Warum soll die Beobachtung an bestimmte Perspektiven gefesselt werden?
In diesem Sinne ist nochmals zu überdenken, wenn bisher für den Konstruktivismus zwar Piaget entdeckt wurde, aber Freud im wesentlichen ausgeklammert blieb. Für mich scheint es unumgänglich zu sein, jene Unschärfe der Beobachtung näher zu bestimmen, die die Kategorie des Unbewussten uns eröffnet, wenn die Hintergründigkeiten menschlicher Interessen, sprachlicher Setzungen als absolute und relative, als Eins und Auchs, als Ordnung und Chaos in den Konstruktionen, als Selbst und Anderer, nicht bloß wegreduziert und verdrängt werden sollen.

Die drei von mir genannten Gesichtspunkte bedeuten eine Eskalation der Unschärferelation in allen Wissenschaften, aber vor allem in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, die direkt mit der sozialen Lebenswelt verknüpft sind.26 Alle drei Aspekte repräsentieren eine Kränkungsbewegung wissenschaftlicher Wahr­heitserwartung, die wir nicht der Fiktion absoluter Wahrheit entgegenstellen sollten, sondern die auch für eine heute in den Wissenschaften bereits breit anerkannte relative Wahrheit gilt. Auch die konstruktivistisch zugestandene Relativität der Wahrheit unterliegt, so meine These, noch unterschiedlichen Unschärfegraden, die durch die hier aufgezeigten drei Dimensionen in der Konsti­tuierung von Beobachtungsrealität bestimmt werden können.
Ich habe in mehrfacher Hinsicht Kränkungsbewegungen nachgezeichnet. Zunächst zeigten sich Zeichen, Symbole und Realität als konventionelle Gebilde, die durch Übereinkunft von Menschen, also interaktiv erzeugt werden, nicht aber als Konstrukte einer Wahrheit, die dinghaft, an Objekten oder bestimmten Konstanten, ablesbar wären. Jeder Maßstab trägt als Konstrukt die Konvention in sich. Der konventionelle Rahmen relativiert die Schärfe des eindeutigen Konstrukts, das in der Symbolisierung der Wissenschaft die Wahrheit gefangen nehmen soll. Insbesondere die Sprachphilosophie zeigt den Ernüchterungsvorgang, der durch die Konventionalität hergestellt wird, zeigt aber auch zugleich die neuen Möglichkeiten, die durch rigide Verständigungsgemeinschaften produziert werden können. So ist der Positivismus eine dieser rigiden Formen, die sich Eindeutigkeit durch Ausschließungsbedingungen sichert.
Ziehen wir allerdings die Verständigungsgemeinschaften selbst zu Rate, dann erscheint besonders in der Kränkung von Selbst und Anderem eine Verkomplizierung der symbolisch vermeintlich eindeutigen Welten. Die wechselseitige Beeinflussung eines Ichs durch ein alter Ego erschien uns schon bei Hegel. Dessen Forderung, dass sich ein Ich mit einem Anderen immer über „etwas“ vermittelt, erwies sich als schwerwiegende Behauptung, die über die Konstruktion von Beobachtern leicht in einen Ethnozentrismus verfällt, der die „Wahrheit“ dieses „Etwas“ benennt. Darin steckt eine Machtfantasie des „Erblicktwerdens“, wobei uns Sartre half, symbolische und imaginäre Wirkungen zu unterscheiden, die aber auch zu einer Versuchung des stets Selben führt, mit der nach Levinas das Abendland alle übrige Welt sich kolonialisiert. So kehrt die erste Kränkungsbewegung in die zweite zurück, indem sie auch den Anderen als Absolutum einführt, um ihn so zu relativieren. Denn der je Andere bin ich, wenn die Beobachterposition wechselt. Dies bleibt als eine unterstellte Gewissheit einer konstruktivistischen Sicht, die sich aber dann im Umherblicken schon wieder verunsichert sieht, weil die Verständigung über dieses Blicken im Rück-Blick auf je Andere verunsichert ist.
Gibt es Grenzen der Verunsicherung? Gibt es nicht den Wunsch, sich einen generalisierten Anderen zu imaginieren, der uns die dekonstruktiven Anteile wieder zurückweist? Deshalb haben wir den symbolischen Interaktionismus als eine Kränkungsbewegung eingeführt, die die Konventionalität des Symbolismus überwindet, ohne zugleich die Radikalität der Theorien des Unbewussten mit ihren Stolpersteinen aufzunehmen. In diesem Denken konnten Grenzbedingungen der Unschärfe auf der symbolischen Ebene markiert werden, zugleich wurden gesellschaftliche Prozesse dabei nicht wie in der Psychoanalyse minimiert. Diese Kränkungsbewegung holt Postulate der Aufklärung ein, ohne sich allerdings hinreichend vom Kognitivismus distanzieren zu können. Mit Lacan könnten wir sagen, dass der symbolische Interaktionismus die Ebene des imaginären Fokus, d.h. die Spiegelung mit a/Anderen nur an der Oberfläche berührt, weil er das Begehren selbst außer Acht lässt.27 Eben dies führt aber dazu, dass der symbolische Interaktionismus sich eine Schärfe der Beobachtung erhält, die im wissenschaftlichen Diskurs nach den herkömmlichen Normen noch Anerkennung finden kann. Grenze, Verbindung und Lücke sind grundsätzliche Blickrichtungen einer Beziehungswirklichkeit, die im psychischen Beobachter Perspektiven schauen will. Aber es sind zugleich symbolische Konstrukte, deren Allgemeingültigkeit nur durch die Konvention jener Beobachter hergestellt werden kann, die es für nützlich und sinnvoll erachten, einen solchen Fokus anzulegen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns als Beobachter in unseren Verständigungsgemeinschaften vorrangig darüber verständigen, was wir mit dieser relativen Freiheit anfangen wollen.
Die dritte Kränkungsbewegung ist ungleich komplizierter, da sie sich in der Hinwendung zum Unbewussten von vornherein einen Rahmen und ein Ziel setzt, das an den Rändern des Bewusstseins situiert ist. Auch wenn Freud das Unbewusste in ein biologisches und ein kulturelles Zusammenwirken aufgespaltet sah, so überbrückte er doch mit seiner Triebtheorie die Grenzen beider Bereiche, um aus dem interaktiven Geschehen der frühen Kindheit heraus sich Aufbaugesetzmäßigkeiten des psychischen Apparates zu erschließen. Allerdings fand Freud nicht das eine Gesetz, das zu einer Beschreibung dieses Apparates taugen würde, sondern Modifikationen, die als Unterschiede in seiner Theorie die Unterschiede des Unbewussten manifestierten. Eben diesen Punkt radikalisierte Lacan, der das Unbewusste als Diskurs des a/Anderen entdeckte und vor allem in seinen sprachlichen Komponenten fixierte. Allerdings werden weder bei Freud noch bei Lacan die strukturellen Bestimmungen, die sie geben, als Konstrukte von Beobachtern gefasst, sondern sie scheinen vielmehr einer äußeren Wahrheit selbst und damit einer stets notwendigen Teilnahmebedingung zu entsprechen.
Gleichwohl ist besonders Lacan immer im Übergang, diese Wahrheit zu dekonstruieren und den konstruktiven Teil der Unterscheidungen, die Unterschiede produzieren, zu betonen. Eben weil er das Unbewusste an die Sprache bindet, gelingt es ihm, deutlich herauszuarbeiten, dass in dem interaktiven Modus wechselseitig ein Unterschied gesetzt wird, der als Diskurs des a/Anderen für einen a/Anderen das Unbewusste herstellt.
Dann jedoch bleibt die Frage nach der Triebkraft, der Triebfeder allen solchen Begehrens, das aus psychoanalytischer Sicht letztlich in den Erfahrungen von Patienten gesucht wird, die Unterschiede be­schreiben, um mit ihnen immer wieder auf ein gleiches „es spricht“ zurückzukommen. An dieser Stelle täuscht die Rede von den Registern des Symbolischen, Imaginären und Realen, weil ein Register ein feststehender Bereich ist, eine Struktur, die die Dinge bloß noch zu ordnen hat. Aus konstruktivistischer Sicht aber ist es der Beobachter, der einen Fokus, der eine Perspektive, der damit sein interagierendes Wahrnehmen an diesem Maßstab vollzieht. Es ist der Akteur, der unterschiedliche Handlungen ausführt. Und es ist der Teilnehmer, der auf Vorverständigungen aufbaut und eigene entwickelt. Fassen wir Lacans Register in diesem Rahmen als fokussierende Konstrukte auf, dann eröffnet sich ein Beobachtungsfeld eines Konstruktivismus, das nicht in der Begrenztheit eines bloß kognitiven Bewusstseinssystems bleibt, wie es für die Konstruktivismen der Gegenwart meist noch typisch ist. Lacan ermöglicht es uns nämlich, über die Ebene des symbolischen Konstruktivismus hinauszugehen und zu beobachten, dass im imaginären Spiegeln, d.h. im interaktiven Konstruk­tivismus der Menschen untereinander, Grundlagen ihres Begehrens entstehen, die die Oberfläche ihrer Kommunikationen – und damit auch das oft nur vordergründig gesehene Spiegeln – in einem anderen Licht erscheinen lassen (vgl. weiterführend Band 2, Kapitel III.).
Die drei Kränkungen wirken zirkulär ineinander. Dies gilt zunächst im ausschließenden Bezug: Aus der Sicht der ersten Kränkung relativiert sich durchaus das, was z.B. bei Freud als Absolutum einer biologischen Anlage erscheint; aus der Sicht der zweiten Kränkung erscheint eine soziale Welt, die z.B. den Objektivismus einer monologisierenden Weltsicht durch Dialogizität kritisiert; mit der dritten Kränkung werden alle Versuche der Reduzierung auf das Kognitive, das Bewusste und nur in inhaltlicher Verständigung Ausgehandelte kritisierbar. Dieses zirkuläre Ineinanderwirken markiert sich in zahlreichen Diskussionsbeiträgen, die über die Grenzen der drei Problematisierungsfelder geführt werden und deren Reichtum ich hier nur erwähnen kann. Abgrenzung, Ausschließung, Kritik bedeutet hier zugleich eine Klärung der eigenen Positionen. Die Zirkularität erweist sich aber auch in der wechselseitigen Bereicherung, mit der diese Positionen integriert werden können: Die Relativität der ersten Bewegung lässt, z.B. auf Verständigungsgemeinschaften angewandt, ihre eigene Zeitgebundenheit und die Fragwürdigkeit universeller Lösungen erkennen; die Interaktivität als Vorgängigkeit lässt z.B. genauer schauen, inwieweit Wissenschaftsgemeinschaften sich strukturieren, um sich selbst zu erhalten; die Unterscheidung von Begehren und symbolischen Ordnungen lässt z.B. tiefer nach den Motiven für die Errichtung absolut-relativer Welt-Bilder fragen oder Interaktionsgemeinschaften auch von der begehrenden oder gefühlsmäßigen Seite her genauer beschreiben. Der Blick aus einer anderen Perspektive erweist sich immer als bereichernd und wird die Positionen erweitern helfen.
Auch der Konstruktivismus als eine Theorie, die aus dem Konzept des kulturellen Machens hervorgegangen ist, ist noch im Sog der Vergegenständlichungen der Moderne situiert. Hier scheint das je Gemachte stets erfolgreicher als ein Abwarten, ein Zögern oder ein Verzicht, aber auch als eine Vision, ein Wünschen und Hoffen zu sein. Doch wir dekonstruieren den darin steckenden glücklichen Positivismus der materiellen Erfolge schnell, wenn wir nicht nur Inhalte und Gegenstände, nicht nur Dinge und Sachen, sondern auch Menschen und Lebensformen, Beziehungen und Kultur reflektieren. Wenn wir hierbei den prinzipiellen interaktiven Charakter menschlicher Erkenntnis, ihren Sinn und ihre Geltung, betonen, dann verlieren wir zugleich unsere Naivität eines spontanen Blickens. Wenn unsere Ordnung der Blicke die Interaktionen, in denen diese Blicke schon situiert sind, berücksichtigt, dann treten wir von vornherein in den Zirkel von Beziehungen, von vermittelten Blicken mit a/Anderen ein, die sich bis hin zu Perspektiven eines Begehrens fortspinnen, um so aus symbolischer Ausschließlichkeit in Subjekt-Objekt-Verhältnissen herauszutreten. Wird der Konstruktivismus interaktionistisch gedacht, dann relativiert sich das wissenschaftlich ausschließende Anliegen selbst. Diese Relativierung aber ist radikaler, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Ich will sie noch einmal kurz im Zirkel der Kränkungen reflektieren. Zwei Bewegungen erscheinen hier als wesentlich:

(1) Innerhalb der wissenschaftlichen Diskurse um Erkenntnis und die Kon­struktion von Erkenntnis gibt es eine Relativierung, die ich als Kränkungsbewegung an der Herleitung unserer Wahrheits-, Sinn- und Geltungsansprüche verstehe. An die Stelle der „Dinge da draußen“, von denen Wahrheit herkommt, rücken die Verständigungsgemeinschaften, die solche Wahrheit erst im Prozess ihrer Verständigung konstruieren. Dies löst Wahrheit keineswegs auf, sondern verwandelt sie in die Wahrheiten, über die wir uns noch verständigen können. Der interaktionistische Konstruktivismus ist dabei eine der konkurrierenden Theorien, der die Hintergründigkeit solcher Verständigung nicht nur für die Ergebnisse, sondern auch für den Prozess des Verständigens thematisieren will.

(2) Dabei rückt für den interaktionistischen Konstruktivismus die Beziehungswirklichkeit jener, die sich verständigen, in den Vordergrund. Dies sind die Verständigungsgemeinschaften ebenso wie jene Gemeinschaften in der Lebenswelt, denen die wissenschaftliche Verständigung als „wahre“ vorgesetzt wird. Dieses Vorgesetztsein, die Ordnung der wissenschaftlichen Blickrichtungen, erweist sich als zunehmendes Problem, weil und insofern es sich zirkulär mit den Interessen der Lebenswelt verbunden erkennen muss. Wie wirkt die Beziehungswirklichkeit auf die wahrgenommenen wissenschaftlichen Verstän­digun­gen ein? Wie wirken die Wissenschaften in ihren Wahr-Nehmungen zurück? Der damit verbundene Relativismus wird uns zu beschäftigen haben, wenn wir konstruktivistisch nicht bloß bei einer erkenntniskritisch-skeptischen Haltung stehen bleiben wollen. Sie wird uns insbesondere auch zu beschäftigen haben, um konstruktivistisch in die Kultur mit ihren Fragen nach Macht, Interessen, Ethik und Ästhetik zurückzukehren. Konstruktivismus wäre sonst nur ein Vollstrecker der von mir herausgearbeiteten Kränkungen, aber nicht eine Theorie, die aus den Kränkungen zu kulturell vorantreibenden Setzungen (Konstruktionen) gelangt. Dieser Reflexion wird der Band 2: „Beziehungen und Lebenswelt“ gewidmet sein.

Aus dieser Problematisierung erwachsen Ansprüche. Zunächst sollten wir uns festhalten, dass wir innerhalb der Beobachtungsrealität noch näher bestimmen könnten, welche Folgen die Kränkungen im einzelnen haben. Es ist dies eine unendliche Aufgabe der konkreten Bestimmung von Unschärfe, wie sie bei jeder einzelnen wissenschaftlichen Untersuchung sich immer wieder stellen sollte. Auf diesen Bereich will ich nicht weiter eingehen, da er durch das Grundmodell der Kränkung bereits angedeutet wurde und sich doch immer nur in spezifischen Analysen nach Reichweite und Geltung wird entwickeln und beurteilen lassen.28 Andere konstruktivistisch orientierte Autoren haben dies in anderer symbolischer Ordnung und Systematik als hier geschehen auch schon unternommen. Ich habe weiter oben auch bereits darauf hingewiesen, dass sich die Rede von der Unschärfe aus der Sicht der dritten Kränkungsbewegung geradezu umkehrt: Es ist ja gerade die Schärfe, die einen Grenzfall zu unseren Alltagserfahrungen bildet und die der Imagination (dem Begehren) von Wissenschaftlern entspringt, die Welt möglichst eindeutig zu beschreiben, um ihr reduziertes Kalkül in Form von Technik und Ausschluss von Komplexität auf das Normmaß von industrieller oder institutioneller Produktion durchzusetzen. Dann ließen sich aber auch weitere metatheoretische Analysen von Einzelpositionen im Wechselspiel dieser Kränkungen durchführen, um den einen oder anderen Ansatz näher im Blick auf diese Bewegungen zu spezifizieren. Es ist dies ja das fortlaufende Spiel der Wissenschaft, ihren Diskurs durch Unterscheidungen immer weiter zu treiben. Aber diesem Treiben will ich nicht folgen. Nach der Durchsicht möglicher Kränkungen stehen für mich zwei andere Aufgaben nunmehr im Vordergrund:
Erstens will ich die Grenzen der Beobachtungsrealität in menschlichen Beziehungen näher erfassen (Band 2, Kapitel III.). Zwar ist die Beobachtungsrealität immer jenes Konstrukt von Bildern und Aussagen eines Subjekts, die zum Aufbau konsensuell anerkannter Wirklichkeit führt, ein unumgänglicher Teil unserer Wahrnehmung, unseres Verstandes und unserer Vernunft, aber es wäre zu eingrenzend, nicht zu erkennen, dass die Beobachtungsleistungen der Subjekte in ihrem Miteinander von Beziehungen selbst Resultate tätigen und im zirkulären, systemischen Wechsel zu solchen Resultaten stehen, die andersartige Beobachtungsdimensionen erfordern. Eine solche ist durch die zweite und dritte Kränkungsbewegung insbesondere vorgezeichnet, denn die Beziehungslogik folgt nie allein den Normen der Beobachtungslogik im herkömmlichen Sinne. Die Kränkung ist so stark geworden, die Unschärfe so bedeutsam, dass wir sie kaum noch nach dem Muster linear-kausaler wissenschaftlicher Beobachtungslogik, aber auch nicht bloß nach einem unterstellten und doch eher fiktiven Muster eines gesunden Menschenverstands der Alltagslogik betrachten können. Ich widme ihr einen eigenen Beobachtungsstatus, den ich Beziehungswirklichkeit nennen möchte. Allerdings ist dies auch nur ein konstruierter Zustand, der den Fokus der Beobachtung auf die Interaktionen und Kommunikationen in Beziehungen lenkt und darauf konzentriert.
Zweitens will ich, nachdem ich Aspekte der Beziehungswirklichkeit erarbeitet habe, diese wieder auf die objektivierten Beobachtungswelten zurückbeziehen und im Blickwinkel erweitern (Band 2, Kapitel IV.). Hier situiert sich das Dilemma, dass der Konstruktivismus aus der Sicht des ontogenetischen Subjekts immer als Erfindung dieses Subjekts erscheint, dass aus der Sicht dieses Subjekts aber vieles zu entdecken ist, was andere Subjekte bereits erfunden haben. Die Bewegung der Rekonstruktion nimmt immer ungeheurere Ausmaße gegenüber der Möglichkeit eigener Selbstkonstruktion an. Damit kein Missverständnis aufkommt, muss ich erklären, dass ich damit nicht meine, dass irgendein Subjekt dadurch von seiner eigenen konstruktiven Aneignung von Wirklichkeit enthoben wird. Insoweit bleibt Erfinden. Aber dieses Erfinden ist nicht Chaos. Ich erinnere nochmals an Piaget. Er nimmt an, dass jedes Subjekt, jeder biologische Organismus ein offenes, aktives, sich selbst-regulierendes System ist. Es ist ein System, das sich mit seiner Umwelt durch fortlaufende Veränderungen auseinandersetzt, sich an diese und diese an sich anpasst. Daraus entsteht Ordnung, was für ihn darauf hindeutet, dass selbst-regulierende Prozesse auf ein Gleichgewicht – dies kann gleichwohl immer nur ein relativ stabil konstruiertes sein – hinführen. Ein einmal etabliertes System solcher Ordnung – etwa abgebildet in den kulturell geformten Leistungen formaler Operationen –, wirkt dann seinerseits als Voraussetzung für die zukünftige Ontogenese jener Subjekte, die in diese Kultur hineingeboren werden. An dieser Stelle stellt sich die Entdeckung im Rahmen der subjektiven Konstruktion. Hierin liegt auch ein enormes Gleichschaltungspotenzial, was die Entdeckungsleistungen z.B. angesichts der Massenmedien bieten, um die Vielfalt erfinderischer Konstruktionen auf die Klischees der Waren­gesellschaft zu reduzieren. Die Welt- und Produktionswirklichkeit weist dabei viele Ebenen auf, wobei sich Neukonstruktionen mit Re- und Dekonstruktionen ergänzen. Hegel sprach von der List der Vernunft, die hinter dem Rücken wirke, um auszudrücken, dass sich ohne je subjektives Wollen etwas durch bloßes Handeln ergeben mag, was den Spielraum der Subjekte begrenzt. Marx bezog diese List der Vernunft direkt auf den ökonomischen Sektor der Produktion von Waren, die hinter dem Rücken von Produzenten und Konsumenten eine Vernunft schaffen, einen Fetischcharakter und Tauschabstraktionen und -masken entstehen lassen, die alle Beobachtungen durchdringen. Es wird zu prüfen sein, inwieweit die Beobachtung solcher Systeme uns zwingt, die Beobachtungswelt der Kränkungsbewegungen und die Beziehungswirklichkeit nochmals im Wechselspiel zu reflektieren. Dabei will der interaktionistische Konstruktivismus weder einem Subjektivismus erliegen, aber auch nicht in Abbildmodelle einer objektivistischen Gesellschaftstheorie zurückzufallen, die alle Beobachter durch Vorschriften der Beobachtung in ihren widersprüchlichen Blicken in der Illusion des Blicks auf eine gemeinsame Zukunft vereinnahmt.
Als Frage bleibt im Anschluss an diese Reflexionen, warum verschiedene Welten der Beobachtung im Sinne der gekränkten Beobachtung, der Beziehungswirklichkeit und einer Lebenswelt als Welt- und Produktionswirklichkeit überhaupt unterschieden wurden. Die Antwort liegt in der unterschiedlichen Reichweite von Beobachtern und den von ihnen fixierten Beobachtungen, im spezifischen Blickwinkel, der soweit eine Breite gewinnt, dass die Unterscheidung einen Sinn macht, mehr Sinn macht, als diese drei Dimensionen in einer zusammenfallen zu lassen. Aber es bedeutet keine Trennung, sondern Unterscheidung besagt hier, dass alle drei Dimensionen zirkulär zusammenwirken, dass es nur mein Beobachterfeld ist, das die Unterscheidung bedingt und mir und meiner Verständigungsgemeinschaft hilft, den Status von Beobachtungen zu klären. Deshalb verbindet alle drei Dimensionen der Name der Wirkung in ihrer Wirklichkeit, ihrer Realität, die jeweils eine Konstruktion der Beobachtenden ist (vgl. Band 2, Kapitel V.).

Die „Ordnung der Blicke“, dies war das grundsätzliche Thema dieses Bandes, versucht Annahmen zur Beobachtertheorie in den Kränkungsbewegungen des wissenschaftlichen Denkens zu besprechen. Im Ergebnis zeigt sich, dass es jedoch nie das Beobachten allein ist, dass wir konstruktivistisch zu beachten haben. Eine reine Beobachtertheorie wäre blind gegen die Akteure, die als Beobachter immer handeln und in Handlungskontexte eingebunden sind, die zugleich jedoch durch Handlungen auch Ereignisse herstellen, die wiederum neue Beobachtungen ermöglichen. Zudem zeigen sich alle Beobachter als Teilnehmer, denn sie nehmen an gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen, kulturellen usw. Kontexten teil und erzeugen diese mit. Insoweit erweitern sich die „Ordnungen der Blicke“ immer zu „Ordnungen des Handelns“ und „Ordnungen der Teilnahme“. Nur weil die Beobachterrolle in der Moderne und mehr noch der Postmoderne immer bedeutsamer wurde, dürfen wir diese anderen Seiten nicht vergessen.

Fußnoten

1 Es ist das besondere Verdienst des Pragmatismus nach Dewey (vgl. Kapitel II.1.2) und des methodischen Konstruktivismus, die wissenschaftlichen Bedingungen solcher Eingrenzung zumindest ansatzweise zu rekonstruieren. Vgl. nochmals Kapitel II.1.4.2.

2 Ein sehr instruktives negatives Beispiel bietet in dieser Hinsicht der Behaviorismus. Vgl. dazu z.B. Devereux (1967).

3 Vgl. dazu z.B. von Glasersfeld (1996, 96 f.; 1998, 510).

4 Vgl. dazu einführend z.B. Wallner (1992 a, b); Wallner u.a. (1993); Slunecko (1997).

5 Vgl. dazu z.B. Hartmann/Janich (1996, 1998).

6 Zu einer ähnlichen Kritik kommt man, wenn man wie im methodischen Konstruktivismus systemimmanente und systemtranszendente Argumente bei der Begründung oder Überwindung von Realitätsannahmen unterscheidet. Vgl. dazu weiter oben Kapitel II.1.5.2.

7 Bereits der Pragmatismus, wie wir in Kapitel II.1.2 gesehen haben, wirft die Frage nach der Realität kritisch auf. Auch wenn Dewey nicht frei von naturalistischen Annahmen ist, so ist die von ihm gerechtfertigte Behauptbarkeit nicht in eine Welt 1 oder 2 unterschieden, weil alle Ereignisse stets in unseren Handlungen zu prüfen sind. Hieran kann der Konstruktivismus direkt anschließen.

8 Eine ähnliche Diskussion führe ich mit Larry Hickman über die Frage wie objektiv naturwissenschaftliche Gesetze sind. Vgl. Hickman/Neubert/Reich (2004, 2009).

9 Zur Unterscheidung von Konstruktivität, Methodizität und Praktizität im Kulturalismus, der diese drei Unterscheidungen eingeführt hat, vgl. Janich (2001 a).

10 Vgl. dazu einführend z.B. auch Mouffe (1999), die dieses Thema ins Politische wendet.

11 Insbesondere der methodische Konstruktivismus versuchte die Praktiken der Wissenschaft so zu rekonstruieren, dass Prototheorien als kulturalistische Konstruktionen entdeckt werden konnten. Vgl. dazu z.B. Kamlah/Lorenzen (1967), Lorenzen (1974), Lorenzen/Schwemmer (1975), Gethmann (1979), Mittelstraß (1974); für die neuere Diskussion insbesondere Janich (1996, 2001 b), Hartmann/Janich (1996, 1998).

12 Bereits Hegel betonte die Differenz zwischen der sinnlichen Gewissheit als reichster „Erkenntnis“ und der abstrakten Wahrheit des Symbolischen.

13 Dies gilt auch für Arbeiten, die im Anschluss an Piaget sozialisationstheoretisch argumentieren. Sie weisen aber immerhin teilweise eine Öffnung zum Interaktionellen auf. Vgl. einführend Grundmann (1999).

14 Vgl. dazu z.B. einführend Wallner (1992 a, b); mit Diskussionsbeiträgen z.B. Wallner u.a. (1993); Slunecko (1997).

15 Genauer zum Diskursbegriff und zu Bedingungen einer konstruktivistischen Diskurstheorie vgl. Band 2, Kapitel IV.4.

16 Gott als Meta-Position ist die Verschiebung dieses Dilemmas auf den Glauben. Dies ist aus der Sicht der Wissenschaft und ihrer Diskurse aber notwendig ein irrationaler Versuch.

17 Vgl. Reich (2005, 256 ff.), Neubert (1998).

18 Dies ist wissenschaftliche Logik im herkömmlichen Sinne. Eigentlich ist sie eine zweite Logik, die auf einer Alltagslogik aufbaut. Doch gerade sie ist der Ort geworden, der sich logisch gegen die vermeintliche Un-Logik des Alltags und gemeinen Menschenverstandes abgrenzt. Wissenschaftliche Logik erscheint daher als Logik erster Ordnung.

19 Heinz von Foerster nennt dies die Kybernetik zweiter Ordnung (1993 a, 60 ff.); ihre zirkulären Schlüsse sind für die Logik erster Ordnung eine Unmöglichkeit: A impliziert B, B impliziert C, und - das ist die Unmöglichkeit - C impliziert A; oder A impliziert B und B impliziert A; schließlich die Selbstreferenz: A impliziert A. Beziehungswirklichkeiten, so werde ich in Band 2, Kapitel III. darlegen, folgen als Psycho-Logik einer anderen Logik des Beobachters als die traditionelle Logik.

20 Eine instruktive Beschreibung eines solchen Falles findet sich bei Weber/Stierlin (1989).

21  Der Wandel dieser Bezugssysteme wird z.B. anschaulich beschrieben bei Dell (1990).

22 Die Logik bezeichnet Perspektiven und Fixpunkte eines Beobachters, die seinen Beobachtungen zugrunde liegen. Die Logik erster Ordnung hat uns hierüber wissenschaftlich konsensfähige Angebote unterbreitet, deren Schärfe und Eindeutigkeit jedoch oft schon an den Grenzen der eigenen Logik scheitert. Ich werde später (Band 2, Kapitel III. 1.) zu diskutieren haben, inwieweit sich die Psycho-Logik von der Wissenschafts-Logik unterscheidet.

23 Vgl. dazu die weitergehenden Analysen in Band 2, Kapitel IV.3.

24 Einer interaktionistisch-konstruktiven Beziehungslogik als Beobachtungsmodell gehe ich ausführlich in Band 2, Kapitel III.2 nach.

25 Wenn Derrida vor allem Argumente für die Beachtung der Schrift aufführte, so zeigt die Zusammenfassung seines Werkes im Dialog mit Bennington (1994) gerade in den dekonstruktiven Worten Derridas die Unzulänglichkeit der symbolischen Sprache, wenn es um lebendige Ereignisse - wie den Tod der Mutter oder die eigene Beschneidung - geht.

26 Von diesen Wissenschaften müsste zunehmender Druck auch auf die Naturwissenschaften ausgehen, ihre Sichtweisen zu erweitern. Doch solcher Druck wirkt heute noch eher umgekehrt. Eher die Krisen und Risiken in den Lebenswelten sorgen dann dafür, dass auch Wissenschaftler als Beteiligte in diesen Welten Zweifel an ihren Reduktionen erfahren.

27 Und darin eine ständige Quelle von Missverständnissen wird. Wenn z.B. Joas (1992, 265), der auf dem Pragmatismus und symbolischen Interaktionismus aufbauend eine Theorie der Kreativität des Handelns konstruieren will und hierbei hervorragend Argumente sammelt, ausgerechnet Lacan vorwirft, dass dieser durch die Betonung der Spiegelung das Sehen einseitig bevorzuge und empirisch „nachweislich“ damit scheitere (aber welche Nachweise sollen das zeigen?), zudem affektive Beziehungen zum Anderen vernachlässige, dann frage ich mich, was er von Lacan rezipiert hat. Ebenso unerfreulich ist es, wenn Joas (ebd., 12) behauptet, dass der Behaviorismus in der Psychologie zur dominanten Strömung für Handlung wurde, ohne die eigentliche Revolutionierung der Psychologie durch Freud dagegenzusetzen. So beraubt er sich selbst der Chancen, Kreativität umfassender zu beschreiben.

28 Einige Analysen haben wir in verschiedenen Buchreihen wie „Pädagogik und Konstruktivismus“ (Beltz) oder der Reihe „Interaktionistischer Konstruktivismus“ vorgelegt. Vgl. dazu
http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/reich_works/herausgeber/index.html

>> zurück zum Inhaltsverzeichnis und zur Auswahl der Kapitel

Powercounter