Eine normative Ethik kann nur als handlungssteurende Grundlage moralischer Entscheidungen fungieren, so lange die Folgen des Handelns absehbar sind. Dies ist in der postmodernen (Risiko-) Gesellschaft nicht mehr der Fall: Handlungen und Folgen bilden längst keinen linearen Verlauf mehr. Technischisierung, Globalisierung, Komplexitätssteigerung sind die wichtigsten praktischen Dimensionen der moralischen Krise. "Was wir und andere tun, kann tief- und weitreichende, dauerhafte Folgen haben, die wir weder unmittelbar sehen noch präzise voraussagen können. Zwischen den Taten und ihren Folgen besteht eine große zeitliche wie räumliche Distanz, die für unsere angeborenen, normalen Wahrnehmungsvermögen nicht faßbar ist.
Unsere ethischen Instrumentarien - der Code des moralischen Verhaltens oder sämtliche Daumenregeln, denen wir folgen - sind für unsere gegenwärtigen Fähigkeiten schlichtweg nicht maßgeschneidert" (Baumann 1995:33f.). Infolgedessen "kann man das moralische Selbst an seiner Unsicherheit erkennen" (Bauman 1995:25). Diese Unsicherheit kann leicht in Gleichgültigkeit oder Beliebigkeit enden, wenn die gesellschaftlichen Veränderungen nicht zugleich als Bedingungen eines neuen Ethikverständnisses begriffen werden. " Die großen Anliegen der Ethik - wie Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Balance zwischen freidlicher Kooperation und individueller Selbstbehauptung, Synchronisierung von individuellem Verhalten und kollektivem Wohl - haben nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Sie müssen nur anders gesehen und behandelt werden" (Baumann 1995:13).
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