Literarische Praktiken in Skandinavien um 1900

DFG-Forschungsprojekt

Die Inszenierung von Autoren im Film 1905–1922

Teilprojekt 5 – Stephan Michael Schröder

Bild Autoreninszenierung

Zum Durchbruch der sekundären Medien um 1900 mit ihren analogen Speicherfähigkeiten gehört nicht nur der Phonograph, sondern auch der Kinematograph. Das neue Medium Film trat jedoch nicht nur, wie vor allem im zeitgenössischen Diskurs artikuliert, als lebensbedrohliche Konkurrenz zur Literatur und ihrer Autoren auf, sondern wurde auch schnell als synergetisches Medium entdeckt, um Autoren einerseits zu inszenieren und anderseits für ein Publikum außerhalb der bürgerlich-hegemonialen Kreise zu popularisieren. Da es bei der filmischen Insze­nierung eines Autors in Stummfilmzeiten per se nur um die Figur, die Autorenpersona, und nicht die literarischen Werke selbst gehen kann, ist eine Analyse dieser Inszenierung und ihrer Modi als spezifische literarische Praxis besonders geeignet, um Veränderungen in der Autorenkonstruktion, dem typischen Habitus des Autors zu erkennen.

Schon 1905 wird der dänische Nationaldichter Holger Drachmann aufs Zelluloid gebannt, wahrscheinlich die erste Filmaufnahme eines skandinavischen Dichters überhaupt. Den dänischen 'Autorenfilmen' der zehner Jahren wurden gerne emblematische Aufnahmen von Autoren vorausgeschickt, die sie angeblich bei der literarischen Arbeit am Schreibtisch zeigen (z.B. in den Filmen Ned med Vaabnene! 1914 oder Himmelskibet 1917) – ein Verfahren, das 1922 auch z.B. bei der norwegischen Hamsun-Verfilmung Markens grøde aufgegriffen wurde und das ebenso der kulturellen Nobilitierung des Filmes durch Transfer symbolischen Kapitals als auch der Überhöhung der Autorenpersona durch das präsentistische Filmmedium diente. Einzelne Filme porträtierten sogar ausschließlich Autoren; so ließen sich 1922 u. a. Sophus Michaëlis, Johannes V. Jensen und Henrik Pontoppidan für den Film Bogugens Forfattere in 'typischen' Milieus filmen. Solchermaßen leistete gerade der Film (wenn auch in bescheidenem Umfang) als eigentlich entauratisierendes Medium eines Zeitalters technischer Reproduzierbarkeit seinen Beitrag zur Re-Auratisierung der Autoren als Dichter. Zu untersuchen ist in diesem kleineren Teilprojekt nicht nur die Auswahl der gefilmten Autoren sowie die Verbreitung und Rezeption dieser Filme, sondern vor allem ihre durchaus unterschiedliche Inszenierung von Autorenrollen: In Bogugens Forfattere z.B. konkurriert Sophus Michaëlis’ klassizistische Selbstdarstellung mit einem ledergekleideten Johannes V. Jensen und seinem Motorrad.

 

Letzte Aktualisierung der Seite am: 08. April 2014
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