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POLICE - Englisch für Polizisten
- ein multimediales Lernprogramm -

Abbildung 1: Die Eingangsseite von POLICE

POLICE ist ein multimediales Lernprogramm zur Erhöhung der funktionalen Sprachkompetenz und der interkulturellen Kompetenz deutscher Polizisten.
POLICE ist als Selbstlernprogramm mit dem Ziel konzipiert, es während und außerhalb der Arbeitszeit allein oder zu zweit zu benutzen. Es setzt "Realschul-Englisch" voraus.

Ausgangssituation
Die Ausgangsmotivation von seiten der Bildungsinstitute der Polizei ergab sich aus den steigenden Anforderungen an die sprachgrenzüberschreitende Kommunikation von Polizisten. Diese Motivation wurde durch die kommende Weltausstellung in Hannover aktuell verstärkt.
Die Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln ergab sich auf der Didacta, auf der sich Bildungsvertreter der Polizei von der besonderen lerntheoretischen Qualität der Multimediaprogramme der Universität zu Köln überzeugen konnten.

Ziele und Inhalte
Der Lerner soll in englischer Sprache (1) Dialoge in 16 polizeitypischen Situationen, z.B. Gefahrenabwehr, Verkehrsunfälle, Drogenprobleme flüssig beherrschen und (2) über Redewendungen für 32 Funktionen der sozialen Kommunikation, z.B. Information erfragen, Höflichkeitsformen, Begründungen verfügen können. Die Klassifikation und Auswahl der Redewendungen orientiert sich am Threshold Level 1990 des Council of Europe. Darüber hinaus soll der Lerner (3) die wichtigsten fachspezifischen Vokabeln parat haben und (4) ausgewählte polizeispezifische Erklärungen und Wegbeschreibungen geben können. Psycholinguistisch und kognitionspsychologisch wird begründet, dass mit dem sicheren Erreichen dieser Ziele ein Transfer verbunden ist, der den Anspruch einer allgemeinen Erhöhung der polizeispezifischen funktionalen Sprachkompetenz rechtfertigt.

Didaktisches Konzept
Das didaktische Konzept ist auf die zentralen Probleme der Erhöhung der funktionalen Sprachkompetenz bei ungeübten erwachsenen Lernern ausgerichtet. Dazu gehören die Probleme der niedrigen Eingangsvoraussetzungen in Verbindung mit ausgeprägten Sprachhemmungen, die Probleme des Transfers in Verbindung mit dem Problem des schnellen Vergessens und die spezielleren Probleme der Motivierung, Semantisierung, usw. Zur gezielten Bewältigung dieser Probleme wurde für jedes Lernziel auf der Basis der multimedialen Lernsystemtheorie LEMMA (http://www.uni-koeln.de/phil-fak/paedsem/psych/) ein didaktisch ausgefeiltes Modul, ein sogenanntes DIMO entwickelt. Ein DIdaktisches MOdul ist ein relativ autonomer lerntheoretisch optimierter Teil eines Lernsystems. Es ist der zufolge aus spezifischen MultiMedialen Komponenten zusammenzusetzen. Eine MMK ist eine spezielle Übungsform, die unter Ausnutzung der multimedialen Möglichkeiten definierte Lernprozesse auslöst. Die Lernprozesse ergeben sich aus einer kognitionspsychologischen Analyse der Lernziele. Aus dieser Perspektive wurden die folgenden DIMOs entwickelt:

VIP (Verstehen - Imitieren - Produzieren) - für die Wegbeschreibung
PRIMAT (Progressive Intregration mit alternativen Techniken) - für die Dialoge
ARA (Assoziieren - Reproduzieren - Automatisieren) - für die Redewendungen
SAVE (Sortieren, Akustisch-visuell Encodieren) - für die Fachvokabeln

VIP ist das Einstiegsmodul. Es ermöglicht den Beginn des Lernprozesses bei niedrigsten Eingangsvoraussetzungen und dient darüber hinaus gleichzeitig dem Abbau von Sprachhemmungen. Es ist als Instruktionspiel konzipiert, weil Spiele erwiesenermaßen die erwünschten didaktischen Funktionen haben und gleichzeitig die Erkenntnisse des "total physical response"- Ansatzes genutzt werden können. Diesem Ansatz zufolge soll der Lerner zunächst vertraute Handlungen aufgrund von fremdsprachlichen Befehlen und Instruktionen ausführen. Konkret soll in diesem Spiel gelernt werden, längere Wegbeschreibungen zu verstehen, zu geben und diese auch auszuführen, indem man ein Fahrzeug oder einen Fußgänger den Instruktionen zufolge durch Städte, Parkanlagen, usw. führt.

Das differenzierteste der vier didaktischen Module ist PRIMAT. Es ist auf das vergessensresistente "Überlernen" von längeren Dialogen ausgerichtet, weil nur ein Überlernen der Theorie zufolge zu den erwarteten Transfereffekten wie Analogiebildung, Rekombination, Generalisierung, Transposition, usw. führt. Die progressive Integration wird durch den speziellen Aufbau der Lernsequenz bestimmt. Diese beginnt mit dem Durcharbeiten einzelner Dialogabsätze. In einem zweiten Schritt werden je zwei Absätze zu einem Abschnitt zusammengefasst und mit einer anderen Lerntechnik bearbeitet. In einem dritten Schritt werden die Abschnitte zu Dialoghälften zusammengefügt und wiederum mit einer andere Lerntechnik durchgearbeitet, usw.  

Abbildung 2: Menü zur Steuerung des Lernprozesses

Die Abbildung zeigt das Menü zur Steuerung des Lernprozesses und veranschaulicht gleichzeitig das Prinzip der progressiven Integration. Dieses führt dazu, dass jeder einzelne Dialogabsatz in immer größer werdenden Zusammenhängen mit alternativen Lerntechniken bearbeitet wird. Die alternativen Lerntechniken werden durch einzelne MMK oder Kombinationen solcher Komponenten realisiert. Im Falle von PRIMAT werden insgesamt 8 MMK eingesetzt, die hier kurz beschrieben werden, weil sie die stringente Umsetzung der LEMMA-Theorie (http://www.uni-koeln.de/phil-fak/paedsem/psych/) zeigen:
Video, Scribble, A-Priori-Test, Elaborieren, Strichmustertest, Wortartentest, Stimuliertes Erinnerung und Coaching. Die ersten drei Komponenten - Video, Scribble und A-Priori-Test - dienen der Einführung, Orientierung und Voraktivierung. Sie lösen das Semantisierungsproblem, das darin besteht, dass Lerner oft keine genaue Vorstellung von der Situation haben, auf die sich die zu lernende Sprache bezieht. Die übrigen fünf Komponenten sichern den Lernprozess, indem sie durch alternative Lehrtechniken jeweils andere Lernprozesse auslösen. Beim Elaborieren hören die Lerner einen soeben gehörten prononciert und intoniert gesprochenen Absatz und bewerten unmittelbar danach, ob sie ihn auch so sprechen würden, ob es etwas Auffälliges gibt, usw. Diese Form der Elaboration hat sich in gedächtnispsychologischen Experimenten als äusserst effektiv erwiesen. Beim Strichmustertest muss ein gerade gehörter Abschnitt (zwei Absätze) gedanklich vollständig rekonstruiert werden, indem bestimmte Worte im Strichmuster des Abschnittes zu identifizieren sind. Durch diese Rekonstruktion entsteht genau die Gedächtnisspur, die die spätere Rekonstruktion ermöglicht. Beim Wortartentest muss der Lerner den halben Dialog (vier Absätze) partiell rekonstruieren, indem er nach und nach Verben, Substantive und Adjektive eingibt. Auf diese Weise entsteht ein Wortteppich, der eine ganzheitliche Vorstellung und gleichzeitig eine propositionale, d.h. nicht wörtliche Repräsentation des Dialoginhaltes erzeugt. Bei der Stimulierten Erinnerung ist der gesamte Dialog allein oder mit einem Partner unter Zeitdruck zu sprechen, wobei jeweils die Anfänge der Sätze als Anregung vorgegeben werden. Hierdurch wird der Abruf der Information aus dem Langzeitgedächtnis verbessert (tuning). Beim Coaching schließlich übernimmt ein Lerner die Rolle des Beraters, indem er dem Partner auf Englisch Anregungen beim freien Sprechen seiner Rolle gibt. Hierdurch werden dem Lerner die Probleme des Lernens auf einer übergeordneten Ebene deutlich - es entsteht metakognitives Wissen.

Die anderen Module wurden ebenfalls auf der Basis der LEMMA-Theorie entwickelt. Das ARA-Modul zur Vermittlung der Redewendungen nutzt vor dem Hintergrund der erwiesenen Wirkung der bildlichen Assoziationen die lernfördernde Wirkung von Bildern und der Vokabeltrainer SAVE verwendet neuartige Techniken zur akustischen und visuellen Kodierung.

Lernsequenz
Die Lernsequenz ist nach dem Prinzip einer Transfer-Hierarchie konzipiert, so dass vorangehende Lernergebnisse die nachfolgenden Lernprozesse durch Transfer erleichtern. Der Beginn dieser Lernsequenz ist wie eingangs betont das Instruktionsspiel "Wegbeschreibung". Es folgen in einem zweiten Schritt die allgemeinen und polizeispezifischen Redewendungen bevor kürzere und sprachlich einfachere Dialoge erlernt werden. Nach den anschließend längeren Dialogen folgt abschließend die Einübung komplexer Rechtsbelehrungen. Begleitend zu dieser Sequenz werden in kürzeren Einheiten die Fachvokabeln vermittelt.
Zur Erhöhung der interkulturellen Kompetenz wurden keine speziellen lerntheoretisch optimierten Module entwickelt, weil hier die traditionellen Multimedia-Techniken wie interaktives Video, Ton-Sprache-Bild-Präsentation, usw. als ausreichend angesehen wurden. Der Entwicklungsschwerpunkt lag hier auf der Auswahl interessanter Materialien aus den reichhaltigen Archiven der beteiligten Bildungsinstitute der Polizei.

Evaluation
Die Evaluation gliedert sich in den Effektnachweis, die Kontrolle der Implementation und den Akzeptanznachweis. Für den Effektnachweis wurde das Coach-Modul entwickelt. Dieses ermöglicht dem Evaluator, den Dialog mit verteilten Rollen mit dem Lerner durchzuspielen und die Qualität der sprachlichen Äußerungen des Lerners auf einer Skala zu bewerten. Integriert in das Coach-Modul ist ein Auffrischungsmodul für den Lerner, das er nutzen soll, wenn seine Lernergebnisse unter dem Kriterium liegen. Das Auffrischungsmodul nutzt Multimediakomponenten der bereits beschriebenen DIMOs. Bezüglich der Implementation sollen Beobachtungen vor Ort durchgeführt werden. Besonders interessant ist hier die Frage, ob während der Arbeitszeit lieber allein oder zu zweit im spielerischen Wettbewerb gelernt wird. Der Akzeptanznachweis geschieht mit Hilfe eines Fragebogens.

Kontakt
Prof. Dr. Hermann Rüppell (hermann.rueppell@uni-koeln.de)

Projektkoordination:
Dr. Karl Steffens (karl.steffens@uni-koeln.de)