Klausur – Zwischenprüfung im SS 2001

Thema:
Zeigen Sie, wo und wie in der ALICE-Vorlesung zur Pädagogischen Psychologie didaktische Module und Komponenten realisiert sind.

1) Einführung

Die Bezeichnung ALICE steht für „Adaptives Lernen – interaktiv, cooperativ, explorativ“. Sie ist die Multimedia-Vorlesung zur Pädagogischen Psychologie und skizziert die Inhalte des Fachbereichs, so wie er in Köln gelehrt wird.

Grundlage für die Entstehung war einerseits, dem Vorwurf des „trägen Wissens“ Rechnung zu tragen und zu zeigen, dass es auch kreativere didaktischere Herangehensweisen gibt und andererseits durch das ALICE-Projekt aufzuzeigen, wie kognitionspsychologische Erkenntnisse kreativ und erfolgreich in multimedialen Anwendungen umgesetzt werden können.

Im folgenden möchte ich kurz den Aufbau der ALICE CD-Rom und das didaktische Konzept skizzieren, um anschließend an Beispielen einige der verwendeten Didaktischen Module und Komponenten aufzuzeigen.

2) Aufbau der ALICE-CD-Rom

Entsprechend des Titels „interaktiv, cooperativ, explorativ“ können die Lernenden über drei Bereiche in die Thematik einsteigen: (1) Sach- oder (2) Personenregister, (3) Inhaltsblöcke.

Dies ermöglicht einen Einstieg je nach Interessenlage und Motivation, aber auch nach Vorwissen. Diese Strategie des individuellen und explorativen Lernens begleitet einen durch alle Ebenen. Der inhaltliche Einstieg erfolgt über die drei Themenbereiche Lehre, Training und Diagnostik. Schon die grafische Anordnung macht intuitiv klar, dass das die inhaltliche Struktur der Gesamtthematik ist. Von dort können sich die Lernenden immer tiefer in die Ebenen „hineinklicken“.

Benutzen sie den Link „"Lehre"“, so landen sie auf der nächsten Ebene, wo beispielsweise die Vertreter der klassischen Lerntheorien aufgeführt sind. Von dort kann man im Personenregister landen, um weiterführende Informationen zu der betreffenden Person zu erhalten.

Durch die Hypertextstruktur kann der Benutzer sich „bequem“ durch die Inhalte der Pädagogischen Psychologie klicken. Eine am rechten Rand angeordnete Navigationsleiste ermöglicht ein vor- und zurückblättern ebenso wie einen Ebenenwechsel.

Des weiteren hat man darüber immer Zugriff auf das Personen- und Sachregister und (falls zum Themenbereich vorhanden) auf das Glossar.


3) Didaktisches Konzept

Die ALICE CD-Rom ist als Hypermedium konzipiert. Unter Hypermedium versteht man eine mit multimedialen Darstellungs- und Übungsformen angereicherte Hypertextstruktur.

Der Lerntheorie „"Semantisches Netzwerk"“ zufolge sind Wissensstrukturen netzwerkartig in unserem Gedächtnis angelegt. Diese netzwerkartige Struktur lässt sich schwerer über das gängige Lernmedium Buch aufbauen, da Bücher ihren „Inhalt“ linear präsentieren. Das Hypermedium kommt dieser Struktur sehr nahe, da es durch seinen Aufbau zu dieser Form des Lernens geradezu herausfordert. Es provoziert sozusagen das Hin- und Herspringen und fördert so die Entstehung eines semantischen Netzwerkes. Natürlich bietet auch das Buch über Querverweise, Sach- und Personenregister Möglichkeiten der Vernetzung, doch bei weitem nicht so umfangreich und komfortabel.

Im Hypermedium liegt jede Information, jede Überraschung nur einen Klick entfernt.

Das entdeckende Lernen wird durch diese Art der Wissensvermittlung gefördert. Durch den Prozess „Surfen im Hypermedium“ wird die gewünschte Gedächtnisstruktur „Semantisches Netzwerk“ ausgelöst. Die Zuordnung von Lernprozessen zu Gedächtnisstrukturen bildet den lerntheoretischen Kern der Entwicklung multimedialer Anwendungen.

Allgemein setzt sich ein Lernsystem aus einer Reihe didaktischer Module zusammen. Diese wiederum setzen sich aus miteinander harmonisierten multimedialen Komponenten zusammen. Multimediale Komponenten sind Übungsformen, die unter Ausnutzung multimedialer Möglichkeiten die zuvor analysiaten kognitionspsychologischen Prozesse in Gang setzen.

4) Innerhalb des ALICE-Projekts sind eine Vielzahl Didaktischer Module und Multimedialer Komponenten entwickelt und angewandt worden. Nachfolgend möchte ich einige skizzieren und in den inhaltlichen Kontext der ALICE-CD-Rom einordnen.

Didaktisches Modul: Topologische Strukturen

Dieses Modul wird eingesetzt, um das Lernziel „Durchdenken eines komplexen Systems“ zu erreichen. Die dazugehörige Gedächtnisstruktur ist der Aufbau eines mentalen Modells. Der Lerntheorie „Mentale Modelle“ zufolge bauen Menschen interne Modelle ihrer inneren und äußeren Realität auf. Erst diese aufgebauten Modelle ermöglichen es, komplexere Systeme produktiv zu durchdenken. Der kognitive Prozess, der diese Gedächtnisstrukturen aufbaut, ist der Prozess des Envisionings.

Envisioning bedeutet das produktive Durchdenken eines Systems unter Vorgabe der beteiligten Komponenten, die allerdings in der richtigen topologischen Struktur angeordnet sein müssen.

In ALICE ist das Modul beim Themenkomplex Stress, genauer gesagt, beim Modell des Stresskreislaufs gegeben ist. Unter dem Navigationspunkt Training und von dort weiter über den Link Aggressionen/Stress gelangt man auf eine Ebene, wo unterschiedlichste Themen zu dem Bereich gelistet sind. Durch den Link „Stresskreislauf nach Selye“ startet das Didaktische Modul. Ich möchte die Multimedialen Komponenten (insgesamt sieben) dieses umfangreichen Moduls kurz im einzelnen erläutern.

Das Modul startet mit zwei Komponenten, der Diashow und den A-Priori-Fragen, die sich den Begleitprozessen eines Moduls zuordnen lassen. Ein ausgewogenes Modul besteht zumeist aus Kern- und Begleitprozessen. Die Kernprozesse lösen die gewünschten Gedächtnisstrukturen aus und festigen sie. Während die Funktion der Begleitprozesse in den Bereich Motivation, Vorwissen aktivieren etc. fallen.

1) MMK: Diashow
In schneller Abfolge werden dem Lernen Bilder des Themenbereichs, hier Herz, Kreislauf, Hypothalamus usw. in unterschiedlichen Abstraktionsgraden präsentiert. Die Komponente dient der Motivierung, der Lenkung auf den kommenden Lernstoff und regt bereits vorhandene Wissensstrukturen an.

2) MMK: A-Priori-Fragen
Der Lerner bekommt eine ungeordnete Liste Fachtermini mit den deutschen Übersetzungen, ohne die Begriffe zuvor geübt zu haben, und muss sie nun einander zuordnen. Auch diese Komponente aktiviert bereits vorhandenes Vorwissen.

3) MMK: Envisioning
Der Lerner erhält nun die einzelnen Komponenten des Stresskreislaufs in der richtigen topologischen Anordnung. Er wird aufgefordert, sich Gedanken über die Relationen der Komponenten zu machen. Erst jetzt schreitet das Programm ein und bietet die richtigen Relationen an. Der Lernen kann sie mit seinen vergleichen und gegebenenfalls Korrekturen vornehmen.

4) MMK: Simulation
Durch den Prozess des Envisionings ist das Modell weitgehend aufgebaut und wird nun durch den Simulationsprozess gestützt. Der Stresskreislauf wird in Zeitlupentempo relativ realitätsnah simuliert. Gleichzeitig dient der Simulationsprozess als redundante Information.

5) MMK: Pattern-Matching
Die Abstraktion des Stresskreislaufs geschieht durch Pattern-Matching, indem per Analogie das System des Stresses auf ein bereits vertrautes System, in diesem Fall auf einen Beamtenapparat/ Diktatur, übertragen wird. Der Lernen kann sich die beiden Systeme anschauen und Vergleiche ziehen. Im anschließenden Test muss er dann die Komponenten per Analogie zuordnen. Beispielsweise wird die Komponente Stressor der Komponente Diktator zugeordnet.

6) MMK: Struktur-Lege-Test
Im Struktur-Lege-Test wird die Qualität des aufgebauten Modells diagnostiziert. Die Fehlversuche gelten als Qualitätskriterium. Der Lerner muss die Komponenten des Modells nebst Relationen rekonstruieren. Dadurch zeigt sich, ob das Mentale Modell vor dem „geistigen Auge“ aufgebaut ist und simuliert werden kann.

7) Abschließend kann der Lerner einen Kurzvortrag über den Stresskreislauf halten. Die Aufzeichnung in Kombination mit den drei Beispielvorträgen ermöglicht eine eigene Bewertung.

Das Didaktische Modul ist eines der umfangreichsten und bietet einen hervorragenden Einblick in die Konzeption selbiger. Nicht bei jedem Themengebiet sind solch umfangreiche Module entstanden. Doch zu jedem Bereich findet man Multimadiale Komponenten.

Beispielsweise findet sich unter „Lehre/ Klassische Lerntheorien“ zu jedem der Vertreter, wie Skinner, Gagne, Ausubel etc., ein Piktogramm, welches per Analogie die Hauptaussage ihrer Lerntheorie trifft. Später lassen sich die Piktogramme zu einer Kollage zusammenführen. Die dahinterstehende Komponente „Kollage“ ermöglicht es, bildliche Vorstellungen zu generieren, um diese später über assoziative Strukturen besser abrufen zu können.

Die Multimediale Komponente „Definitionspauker“, mit der auf effektive Weise Definitionen gelernt werden sollen, indem sich der Text von hinten Schritt für Schritt wegräumt, findet sich beim Themenbereich „Lernumwelten“.

Die Komponente „Behauptungen“ findet sich bei Bandura, dort muss der Lerner aufgestellten Behauptungen zustimmen oder sie ablehnen.

Größere Didaktische Module, nämlich Ex-Propos und Eidetik (teilweise noch im Aufbau) finden sich bei fast allen Texten auf der CD-Rom, egal ob Texte von Selye zum Stress oder Texte von Weidemann auf der Ebene „Multimedia“. Beide bieten Strategien zum effizienten Durcharbeiten von Texten an.

Das Didaktische Modul „Animierte Strukturen“ findet bei der Einführung in die Schema-Theorie Verwendung. Und das Modul „Primat (Progressive Integration mit alternativen Techniken)“ wird ansatzweise unter Training/ Fremdsprachenerwerb/Police verwendet.

Abschließend lässt sich sagen, dass in ALICE zu den Themenbereichen, die unterschiedlichsten Komponenten und Module angewandt werden, um dem obersten Lernziel der Überblicksvermittlung gerecht zu werden. Ein willkommener Nebeneffekt, vor allem in der Kombination mit Lemma, ist es, dass die eigene Kreativität angeregt wird und man beginnt, eigene Komponenten bzw. Module zu entwickeln oder sich Einsatzgebiete für die bestehenden zu überlegen.