Digitale Edition - Einige Thesen. Patrick Sahle

Digitale Edition (Historischer Quellen) - Einige Thesen
© Patrick Sahle 1997 - Stand: 20.7.97

Das Folgende ist ein Versuch zur Zusammenfassung und Systematisierung einiger Allgemeinplätze und Spekulationen. Der Entwurf entspringt einer Perspektive, die möglichst allgemein bleibt, aber durch die Beschäftigung mit historischen Fragestellungen und hierbei mit mittelalterlichen Quellen vorgeprägt sein mag.
Jede Art von Kritik ist willkommen.
Es handelt sich um einen ersten Entwurf. Viele Begriffe sind deshalb noch sehr unscharf verwendet!
Ansatz: Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit Digitalen Editionen (Ich verwende es als Eigenbegriff) muß zwei Ausgangspunkten Rechnung tragen: Den allgemeinen Anforderungen an und Möglichkeiten von Editionen einerseits, der Tradition der typographischen Edition und den Wirkungen dieser Tradition auf das allgemeine Editionsverständnis andererseits.
Wer lieber gedrucktes Papier liest: WinWord6.0-Version zum download.

1. Was sind Editionen?
2. Was sind Digitale Editionen?
3. Der Gegenstand von Editionen
4. Der Zweck von Editionen
5. Anforderungen an Editionen
6. Grundproblem: Quellennähe vs. Benutzernähe
7. Grundproblem: Vielfältigkeit und Unbekanntkeit der Benutzeranforderungen
8. Grundproblem: Einheitlichkeit vs. Spezialisierung

9. Prägekraft der etablierten Form Buchdruck
10. Aufgabe von Editionen
11. Typographische vs. Digitale Editionen
12. Entwicklungsstand Digitaler Editionen
13. Digitale Editionen und allgemeiner Medienwandel
14. Anforderungen an die Geisteswissenschaften
15. Rückwirkungen auf die Arbeit der Geisteswissenschaften

0.1. Die Informationressourcen bzw. Datengrundlage der Geschichtswissenschaft sind Quellen (Originale oder Überlieferungen) und deren erschließende Wiedergabe (in der Regel Editionen).
0.2. Quellen enthalten in der Regel Informationen auf drei Ebenen.

0.2.1. Quellen enthalten Texte.
0.2.2. Quellen haben einen materiellen Körper und eine optische Oberfläche.

0.2.3. Quellen stehen in inneren und äußeren Kontexten (formale Traditionen, Entstehungsbedingungen, Zwecke, etc.). Dadurch spiegeln sie diese aber auch wieder.
0.3. Auch bei Texten, die nicht mit einem bestimmten materiellen Körper verbunden sind (verlorenen und nur abschriftlich überlieferten Texten z.B.) spricht man von „Quellen". Ebenso gibt es Quellen, die keine Texte im engeren Sinne enthalten.

1. Editionen sind unter bestimmten methodischen Regeln erstellte Stellvertreter von Quellen. Editionen repräsentieren Quellen in einer vorher festgelegten inneren Struktur und äußeren Form, die sich an der erwarteten weiteren Benutzung der Edition orientiert.

1.1. Es gibt keine Editions- oder Transkriptionsform, die nicht durch eine bestimmte fachliche Perspektive bestimmt wäre. Es gibt keine „unabhängige" oder die eine „objektiv richtige" Editions- oder Transkriptionsform.
1.2. Es gibt höchst unterschiedliche Wiedergabeformen, die sich unter anderem durch ihre Nähe zur Vorlage bzw. auf der anderen Seite, durch ihre einfache Lesbarkeit unterscheiden. Je größer die „normalisierenden" Eingriffe in eine Quelle sind, umso leichter ist sie zugänglich, umso weiter entfernt die Wiedergabe sich aber auch vom Original.

2. Digitale Editionen sind Editionen, die in digitaler Form dargeboten werden. Digitale Editionen sind Editionen, die nicht ohne Informationsverluste in die Form eines Druckwerkes überführt werden können.

2.0.1. Die digitale Form ist die notwendige Bedingung, die Unmöglichkeit der Umformung in Druckwerke ist die hinreichende Bedingung für die Definition des Begriffes der „Digitalen Edition"
2.0.2. Gedruckte Editionen oder druckbare Editionen zu deren Erstellung Verfahren eingesetzt wurden, die digitale Daten verarbeiten, sind keine Digitalen Editionen.
2.0.3. Digitale Editionen werden nicht durch die Art ihrer Erstellung, sondern durch ihre innere Struktur und ihr Publikationsmedium definiert. Diese unterscheiden sich grundsätzlich von Struktur und Medium gedruckter Werke.
2.0.4. Es kann bei Editionen von einem Gegensatzpaar „digital" einerseits und „typographisch" andererseits gesprochen werden. In den zweiten Bereich fallen auch die Bezeichnungen „gedruckt", „buchförmig", „linear". Das Wortpaar „Hypertext"¹ - „linearer Text" bzw. „delinearisierter Text" - „linearisierter Text" erfüllt den o.g. Gegensatz. Sind in einer typographischen Edition mehrere lineare Texte theoretisch und örtlich miteinander verknüpft (wie bei den meisten „kritischen Editionen" der Fall), handelt es sich zwar der Idee nach um Hypertext, wegen der fehlenden tatsächlichen Verbindung aber nicht wirklich um Hypertext, sondern um die Simulation von Hypertext.

2.1. Träger (Medium) typographischer Editionen ist in der Regel das Speichermedium Buch. Träger (Medium) Digitaler Editionen können unterschiedliche Speichermedien (Disketten, CD-ROMs, Festplatten, Magnetbänder, etc) sowie Computernetze (z.B. Internet) sein. Das Speicher- und Verbreitungsmedium spielt für die Definition der Digitalen Edition keine Rolle. Auch die grundsätzlich digitale Form der Daten ist nur ein notwendiges, kein hinreichendes Kriterium. Entscheidend ist die Organistationsstruktur der Daten.

2.1.1. Eine digitalisierte typographische Edition auf CD-ROM ist keine Digitale Edition, wenn sie weiterhin aus einem oder mehreren linearen Texten besteht, obwohl allein schon durch ihre Digitalisierung erhebliche Veränderungen in den Möglichkeiten ihrer Benutzung eintreten.

2.2. Der Begriff der Digitalen Edition enthält einen weiten Editionsbegriff.

2.2.1. In der Ausdifferenzierung der Editionstechniken und Editionsverständnisse haben sich unterschiedliche Editionsbegriffe entwickelt. Für den Gegensatz zwischen typographischer und Digitaler Edition spielen diese Differenzierungen keine Rolle. Unter Digitale Edition kann alles fallen, was der Def. in (1.) genügt, der Einschränkung in (2.) unterliegt, aus dem Bereich von (3.) stammt und dem in (4.) genannten Zweck folgt.
2.2.2. Ein ausgrenzender Editionsbegriff, der z.B. nur die Rekonstruktion von „Texten" auf der Grundlage von Textzeugen meint, ist abzulehnen. Eine Unterscheidung zwischen kritischer Edition und Diplomatischer Abschrift ist für die grundsätzliche Entwicklung Digitaler Editionen ebenfalls wenig sinnvoll.

2.3. Digitale Editionen können eine sehr unterschiedliche Erschließungstiefe aufweisen. Es besteht aber ein Unterschied zwischen einer digitalen Bestandserschließung und einer Digitalen Edition.
2.4. Es kann zwischen „Dynamischen Digitalen Editionen" und „Statischen Digitalen Editionen" unterschieden werden.

2.4.1. Statische Digitale Editionen präsentieren ihre Inhalte ausschließlich in der Form, die der Editor angelegt hat.
2.4.2. Dynamische Digitale Editionen generieren in Interaktion mit dem Benutzer spezielle - nicht vorher festgelegte - Informationsausgaben. Sie verfügen über eine Schnittstelle, die es dem Benutzer erlaubt, eigene Anfragen an eine Datenbasis (z.B. eine Datenbank) zu stellen.

3. Gegenstand einer Editionen können sowohl geistige (Re-)Konstruktionen, als auch materielle Quellen sein. In der Regel fließt beides in eine Edition ein.

3.1. Gegenstand einer Edition kann z.B. ein Text sein, der nicht mehr in seiner Urform überliefert ist und aus der abschriftlichen Überlieferung rekonstruiert wird. Die materiellen Zeugen fließen in der Regel in die Edition ein, sind aber nicht der eigentliche Gegenstand der Edition. Man kann die materielle Überlieferung als Träger einer geistigen Überlieferung auffassen.
3.2. Gegenstand einer Edition kann eine konkrete Überlieferung sein, auch wenn diese weder „original" noch der einzige Beleg für einen Text sein sollte. Die in die Edition aufgrund ihres Zweckes (4.) einfließenden erschließenden Informationen haben aber in der Regel keine eindeutige materielle Grundlage.
3.3. Gegenstand einer Edition können auch nicht-schriftliche, sogar nicht-sprachliche Quellen sein. Auch Töne und Bilder können (wenigstens digital) ediert werden.

4. Der Zweck der Edition als Stellverteter der Quelle besteht in der Vermittlung von Informationen zwischen der Quelle und einem Publikum.

4.1. (Primär-)Quellen können geographischen oder anderen Zugriffsrestriktionen unterliegen, inhaltlich nicht ohne weiteres für jeden erschließbar oder schlicht nicht in einer gewünschten Form existent sein (siehe 3.1.).
4.2. Editionen rekonstruieren Quellen, sie erschließen Quellen (und ihr näheres Umfeld) inhaltlich, sie bereiten Quellen auf, sie schaffen für den Benutzer Zugänge zur Quelle, sie ermöglichen - einem Prinzip der Arbeitsteilung folgend - die weitere wissenschaftliche Auswertung der Quelle oder ihre Benutzung zu anderen Zwecken.
4.3. Nebenzwecke von Editionen können sein: Die materielle Sicherung der Quelle (durch ihre Aufnahme, aber auch durch die Verringerung der direkten Benutzung), die Sicherung der Quelle im geschichtlichen Bewußtsein² oder die Vorbereitung von einfacheren Wiedergaben der Quelle (Leseausgaben) für einen größeren Benutzerkreis.

5. Die Anforderungen an eine Edition ergeben sich einerseits aus den Besonderheiten der jeweiligen Quelle und andererseits aus den Wünschen der Adressaten der Edition.

5.1. Unterschiedliche Quellen erfordern unterschiedliche Editionsverfahren.
5.2. Editionen wenden sich an Benutzer. Folglich versuchen sie mit der Form der Wiedergabe und der Erschließung deren Wünsche und erwarteten Fragestellungen entgegenzukommen.
5.3. Adressaten von Editionen sind Personen mit höchst unterschiedlichen Voraussetzungen und Fragestellungen: Geisteswissenschaftler verschiedener Fächer und verschiedener Teilgebiete dieser Fächer, gleichzeitig aber auch interessierte Laien.

6. Grundproblem I: Editionen müssen einen Grundwiderspruch lösen, der zwischen der Nähe zum Original (Informationserhalt) und der Nähe zum Benutzer (möglichst einfacher Zugang) besteht.

6.1. Jede Edition bedeutet gegenüber der Quelle einen Informationsverlust, weil das Original nur näherungsweise wiedergegeben werden kann. Dieser Informationsverlust sollte möglichst klein gehalten werden.
6.2. Jede Edition bedeutet gegenüber der Quelle einen Informationsgewinn, weil der Editor die Quelle in ihren Bezügen darstellen kann. Die Quelle wird durch ihre Erläuterung und durch die Herausarbeitung der Bezüge (Bedingungen, Traditionen, Zwecke, etc) unter denen sie entstanden ist erst verständlich und auswertbar. Auch Hilfsmittel wie Register, Anmerkungsapparate u.ä. erleichtern die Auswertung. Diese Informationsgewinne sollten möglichst groß sein.
6.3. Je näher die Edition an der Quelle bleibt (z.B. bei der Wiedergabe des Textes), umso geringer sind die Informationsverluste; umso schwieriger ist aber auch die Benutzung der Edition.
6.4. Eine Vereinfachung der Benutzung ist oft nur unter Vergröberungen der Wiedergabe (z.B. des Textes: Interpunktion, Normalisierung, Übersetzung, etc.) möglich. Diese bedeutet dann größere Informationsverluste gegenüber der Quelle.
6.5. Es gibt unterschiedlich vorgebildete Benutzerkreise, denen eine Edition gerecht werden muß.

7. Grundproblem II: Die Anforderungen der Benutzer sind höchst vielfältig und teilweise sogar unbekannt.

7.1. Einzelne Editionen sind in der Regel nicht von allen Disziplinen gleich gut benutzbar, weil sie den jeweiligen speziellen Anforderungen zu entsprechen suchen. In der Regel ist z.B. eine Transkription, die für historische Auswertungen vorgenommen wurde, für philologische Fragestellungen nutzlos, wie eine philologische Transkription für den Historiker nur die Lesbarkeit des Textes beeinträchtigt.
7.2. Auch innerhalb der einzelnen Fächer werden von jeder Edition einzelne Teilgebiete „besser bedient", als andere. Selbst Register entsprechen immer bestimmten vorweggenommenen Fragestellungen.
7.3. Wissenschaftliche Fragestellungen unterliegen einem zeitlichen Wandel. Editionen sind wegen des mit ihrer Erstellung verbundenen hohen Aufwandes darauf angelegt, möglichst lange benutzbar zu bleiben (Zweiteditionen sind selten). Gleichzeitig entstehen sie vor dem Hintergrund eines spezifischen wissenschaftlichen Kenntnis- und Methodenstandes. Auch die Fragen, deren Beantwortung die Edition vorbereiten soll, sind zeitgebunden. Zukünftige Fragestellungen sind grundsätzlich unbekannt.
7.4. Jede Edition trifft bewußt oder unbewußt eine Auswahl, welche angenommenen Auswertungen sie ermöglichen will und wie eng der Rahmen sein soll, in dem sie dies tun will.
7.5. Jede Edition holt den Benutzer bei einem bestimmten Vorverständnis ab. Dem Spezialisten verringern überflüssige Informationen die Übersichtlichkeit der Edition. Dem Nicht-Spezialisten machen fehlende Grundinformationen die Edition unverständlich.

8. Grundproblem III: Es besteht hinsichtlich der Form der Editionen ein Widerspruch zwischen möglichst großer Einheitlichkeit (einfache Benutzung) und hoher Spezialisierung (Vorbereitung wissenschaftlicher Auswertung)

8.1. Unterschiedliche Quellen erfordern unterschiedliche Editionsformen³ (siehe 5.1.) und erschweren dadurch die Einheitlichkeit ihrer Edition.
8.2. Mehr noch als die unterschiedlichen Voraussetzungen der Quellen haben die unterschiedlichen Anforderungen an Editionen, die von den einzelnen Fächern oder ihren Teilgebieten gestellt werden, dazu geführt, daß es mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Editionsformen gibt. Sie sind die logische Folge der Differenzierung und Spezialisierung der Fragestellungen, die in den Editionen vorweggenommen werden müssen
8.3. Die Forderung nach möglichst großer Einheitlichkeit der Editionen bleibt bestehen. Die Differenzierung der Editionsformen kostet zusätzliche Ressourcen bei der Einarbeitung und erschwert sowohl die gleichzeitige Auswertung mehrer Editionen nach einer Fragestellung, wie auch interdisziplinäre Forschungen, die sich auf Editionen unterschiedlicher Fächer stützen müßten.

9. Etablierte Editionsmodelle und Editionstheorien, die Editionsrezeption und die Anforderungen an Editionen sind maßgeblich durch bestimmte technische und strukturelle Vorgaben, nämlich die Möglichkeiten und Beschränkungen des Buchdruckes, bestimmt.

9.1. Die etablierten Editionsmodelle sind nicht nur Ergebnis der Anforderungen der Quellen und der Editionsbenutzer, sondern vor allem durch die Grundstrukturen der typographischen Edition bestimmt. Das gedruckte Buch ist als Publikations- und Kommunikationsform aber historisch relativ und zeitgebunden.
9.2. Die lineare Form typographischer Editionen entspricht nicht den oben skizzierten Grundanforderungen an Editionen. Sowohl die Wiedergabe des Textes, als auch die Informationen, die zur Erschließung einer Quelle zusammengetragen werden, haben eher mehrschichtige und netzartige Strukturen. (ganz schlecht formuliert)
9.3. Die Dominanz des Textes (besonders des ideellen, rekonstruierten Textes) gegenüber anderen Informationsebenen in der Editionspraxis ist eine Folge der typographischen Tradition und ihrer Beschränkungen, historisch relativ und zeitgebunden.
9.4. Die Bedingungen des Buchdrucks haben zur Auffächerung der Editionstechniken beigetragen, weil sie die Entwicklung pluralistischer Edition verhindert haben. Die Aufsplitterung der Editionstechniken liegt auch an den Beschränkungen der typographischen Edition.

10. Die Aufgabe von Editionen: möglichst umfassende und heuristisch möglichst öffnende Erschließung der Quelle (äußere und innere Bezüge) und Wiedergabe der Quelle in einer oder mehreren Formen.

10.1. Jede Quelle ist Produkt vielfältiger Rahmenbedingungen. Diese sind zum Verständnis der Quelle unverzichtbar und in der Edition nach Möglichkeit aufzuhellen.
10.2. Der Erschließung von Quellen durch Register o.ä. sollte ein möglichst weites heuristisches Konzept zugrundeliegen.
10.3. Der Inhalt einer Quelle kann auf unterschiedlichen Ebenen bzw. in unterschiedlichen Formen wiedergegeben werden. Die Ebenen untescheiden sich in ihrer Nähe zum Original (in dem Maß ihrer Umformung in Richtung einfacher Lesbarkeit). Die Formen unterscheiden sich zusätzlich hinsichtlich ihrer Eignung als Grundlage zur Bearbeitung unterschiedlicher Fragestellungen.
10.4. Die Auswahl und Gestaltung der Inhalte einer Edition sind in jedem Fall subjektive Auswahl aus einer größeren Menge von Möglichkeiten und werden vom Editor mit Blick auf den Adressaten bestimmt. Trotzdem sollten sie nach Möglichkeit den Prinzipien der Offenheit, Vielfältigkeit und Einfachheit folgen.

11. Digitale Editionen sind im Vergleich zu typographischen besser geeignet, um die Grundanforderungen an Editionen zu erfüllen und die Grundprobleme von Editionen zu lösen.

11.1. Typographische Editionen sind für bestimmte Anforderungen eine sehr beschränkte und unpraktische Form der Edition.

11.1.1. Die typographische Edition ist keine „natürliche" Form der Edition. Sie ist nur diejenige, an die wir uns gewöhnt haben, weil sie den etablierten Traditionen und Lesegewohnheiten des Mediums Buch entsprechen.
11.1.2. Auch bislang haben sich z.B. kritische Editionen dem Prinzip des Hypertextes angenähert. Dieses Prinzip ist aber im Bereich des gedruckten Buches nicht zu verwirklichen, sondern allenfalls anzudeuten und zu simulieren.
11.1.3. Typographische Editionen erlauben aus praktischen Gründen nur eine begrenzte Erschließungstiefe (z.B. nur eine begrenzte Zahl von Registern oder anderen Erschließungsmitteln).
11.1.4. Typographische Editionen erlauben - ebenfalls aus praktischen Gründen - nur eine begrenzte Menge von Wiedergabeebenen (in der Regel nur eine).
11.1.5. Die Stellvertreterfunktion von typographischen Edition ist beschränkt, da sie in der Regel nur eine geringe Auflage haben (wodurch sie nicht ohne weiteres erreichbar sind), relativ teuer sind und nur für einige bestimmte Fragestellungen überhaupt als Stellvertreter zu gebrauchen sind.

11.2. Digitale Editionen sind eher geeignet die grundsätzlichen Anforderungen an Editionen zu erfüllen, als typographische Editionen.

11.2.1. Digitale Editionen können gegenüber typographischen Editionen eine vielfache Informationsmenge bereitstellen, bei gleichzeitig geringerem Platz- und Ressourcenbedarf. Bücher dürfen aus praktischen Gründen eine bestimmte Seitenzahl nicht überschreiten, während die Speicherkapazität digitaler Medien nahezu unbegrenzt ist.⁴ Digitale Medien (zumindest die CD-Rom) sind handlicher als dicke Bücher und beanspruchen weniger Platz bei der Aufbewahrung.
11.2.2. Die Inhalte Digitaler Editionen sind einer Weiterverarbeitung durch den Benutzer leichter zugänglich.
11.2.3. Digitale Editionen erlauben eine schnellere, treffsicherere und offenere Recherche ihrer Inhalte. Auf der praktischen Ebene entfällt das umständliche Suchen auf den Seiten, das Blättern und Wechseln der Bände, das selbst bei mit Registern erschlossenen Editionen nötig ist.
11.2.4. Register und andere Erschließungshilfsmittel sind einfacher und in beliebiger Menge zu generieren.
11.2.5. Obwohl Digitale Editionen erheblich mehr Informationen, unterschiedlichere Informationsformen und komplexere Informationsstrukturen enthalten, können sie so gestaltet werden, daß sie eine weniger fragmentierte Oberfläche bieten, als z.B. klassische kritische Editionen. Alle Informationen (Informationsebenen) außer der gerade gefragten können ausgeblendet werden.
11.2.6. In Digitalen Editionen sind eine Vielzahl von technischen Features zur besseren Benutzbarkeit möglich. Ein Beispiel: Es sind „personalisierte Arbeitseditionen" möglich, in denen der Benutzer eigene Anmerkungen, Ergänzungen, Verknüpfungen oder Lesezeichen einfügen kann.⁵
11.2.7. Digitale Publikationen können insgesamt inhaltlich komplexer angelegt werden, als typographische Editionen, ohne deshalb unleserlich oder unverständlich werden zu müssen. Auch der Autor muß sein Konzept nicht mehr einer linearen Form unterwerfen. „Eine elektronische Edition kann viel-perspektivisch angelegt werden."⁶
11.2.8. Das gleiche gilt für historische Quellen: Digitale Editionen erlauben die Wiedergabe der Quelle und ihres Umfeldes (ihrer inneren und äußeren Bezüge) in echten Hypertext-Strukturen. Bisherige Editionen können „delinearisiert" werden.
11.2.9. Die Digitale Edition „ermutigt und erleichtert das dezentralisierte Lesen."⁷ Dem Benutzer wird nicht mehr eine linearisierte Fassung eigentlich komplexerer Zusammenhänge vorgegeben.
11.2.10. Digitale Editionen erlauben umfassende und vielfältige Umfelderschließungen. Die Form des Hypertextes entspricht dabei eher dem Prinzip der vielschichtigen „Anlagerung" von Informationen zu inneren und äußeren Bezügen. (Digitale Editionen erlauben eine Erhöhung der Informationsgewinne - siehe 6.2.)
11.2.11. Digitale Editionen erlauben mehrstufige Wiedergabeformen. Damit ist der Gegensatz zwischen Quellennähe und Benutzernähe zu entschärfen. (Digitale Editionen erlauben eine Verringerung der Informationsverluste - siehe 6.1.)
11.2.12. Mehrstufige Digitale Editionen verbessern die Überprüfbarkeit der Inhalte. Digitale Editionen sind in dieser Hinsicht transparenter, wegen der möglichen Kontrolle anhand optischer Wiedergabeebenen, durch die Paralellisierung unterschiedlicher Wiedergabeebenen und durch die Vernetzung der Ebenen (auch mit weiteren Informationsfeldern).
11.2.13. Digitale Editionen sind offener für die Wiedergabe anderer Medienformen, weil sie nicht auf „Texte" beschränkt sind. Quellen liegen grundsätzlich in bildlicher Form vor und können auf einer sehr quellennahen Editionsstufe (Informationserhalt) auch so abgebildet werden. Es können aber auch Audio-Quellen ediert, oder Quellen in einer Audio-Editionsstufe wiedergegeben werden.⁸
11.2.14. Digitale Editionen sind leichter herzustellen, als typographische Editionen. In der Regel liefert der Editor eine unmittelbar publizierbare Fassung. Die Postproduction im Verlag entfällt. Der Verlag übernimmt nur noch den Vertrieb. Die Produktion von CD-ROMs ist kostengünstiger, als die von Büchern.
11.2.15. Digitalen Editionen stehen unterschiedliche Publikationswege und Vertriebswege offen. Neben den traditionellen Vertriebsformen der Verlage ist die Möglichkeit des Selbstverlags und -vertriebs, z.B. durch wissenschaftliche Institute leichter möglich. Als ganz neue Form kommt für Digitale Editionen die online-Publikation in Computernetzen hinzu.
11.2.16. Digitale Editionen sind von ihrer Produktion her weniger abgeschlossen als typographische Editionen. Letztere haben eine feste Form, die in der Regel einmal gedruckt wird und nicht verändert werden kann. Fehler können z.B. kaum behoben werden. Dagegen ist die Auflage Digitaler Editionen beliebig und flexibel dem Bedarf anzupassen. Verbesserungen können jederzeit vorgenommen werden und in aktualisierte Versionen einfließen. Digitale Editionen können als „work in progress" aufgefaßt werden: neue Erkenntnisse, weitere Arbeiten und neue Forschungsergebnisse können laufend eingeflochten werden. (Trotzdem sind Digitale Editionen zunächst nicht „dynamisch", sondern nur „offen" - Siehe wegen der Begriffe 2.4.)⁹
11.2.17. Ergebnisse können schneller publik gemacht werden. Auch Zwischenergebnisse können der interessierten wissenschaftlichen Gemeinde zur Verfügung gestellt werden.
11.2.18. Digitale Editionen können in einem permanenten Austauschprozess stehen, der ihre Weiterentwicklung fördert. Die Ergebnisse der Benutzung einer Edition kann unmittelbar wieder in diese einfließen.
11.2.19. Digitale Editione sind leicht in andere Formate zu überführen. Für bestimmte Zwecke sind „abgespeckte" Versionen zu generieren (z.B. auch gedruckte Leseausgaben). Einmal digitalisierte Daten müssen kein zweites mal erhoben werden. Die Informationen Digitaler Editionen können auch unter veränderten technischen Bedingungen ohne Probleme in neue Publikationen übernommen werden.
11.2.20. Digitale Editionen können wegen ihrer Veränderbarkeit und ihrer flexibleren Publikationsmöglichkeiten eher einen modularen Charakter haben, als typographische Editionen. Dies ermöglicht neue Herstellungsformen für sehr umfangreiche Editionen.
11.2.21. In Digitalen Editionen können Bestände erschlossen werden, die bisher als „unedierbar" galten, bzw. solche, denen eine typographische Edition überhaupt nicht gerecht werden konnte.¹⁰ Gründe für bisherige Unedierbarkeit konnte sein:

1. Zu umfangreiches Material, oder auch zu viele Textzeugen zur Rekonstruktion des Urtextes. Große Editionsprojekte können für Digitale Editionen eher modularisiert werden.
2. Bedeutung der optischen Struktur. Quellen, für die die optische Ebene und Struktur von maßgeblicher Bedeutung sind, wurden bislang vor allem aus praktischen Gründen kaum ediert.
3. Zu komplexe und disparate Bestände, die sich einer einfachen textlichen linearisierenden Umformung entziehen.

11.2.22. Edierbarkeit ist auch eine Frage der Finanzierbarkeit. Siehe 11.2.12.
11.2.23. Die Möglichkeit mehrstufiger, offener und modularer Editionen und die neuen Publikations- und Vertriebsformen können dazu beitragen, daß Editionen einen größeren Nutzerkreis erreichen. Digitale Editionen können - weil sie fachübergreifend nutzbar sein können zur Verbesserung der Interdisziplinarität der Forschung beitragen. Weil die Benutzerfreundlichkeit nicht mehr der wissenschaftlichen Nutzbarkeit geopfert werden muß, können sie auch die „Rückgewinnung von Öffentlichkeit"¹¹ für die geisteswissenschaftliche Forschung fördern. Insbesondere das Internet ist ein neues Publikationsforum, das der Fachwelt die Möglichkeit bietet, wissenschaftliche Forschungsergebnisse auch außerhalb des „Elfenbeinturmes" Universität zu präsentieren.
11.2.24. Die „Delokalisierung und Globalisierung von Forschungsressourcen"¹² wird durch Digitale Editionen (über den einfacheren und flexibleren Vertrieb, in extremer Weise durch die Computernetze) in höherem Maße verwirklicht, als durch typographische Editionen.
11.2.25. Digitale Editionen können einen Beitrag zur Materialsicherung leisten, weil sie auch die optische Ebene in einer sehr hohen Qualität wiedergeben, und dabei wegen ihrer beliebigen Vervielfältigung multipel aufbewahrt werden können. Sie leisten aber auch dadurch einen Beitrag zur Materialsicherung, daß sie die Benutzung der Originale verringern.

11.3. Es gibt berechtigte Vorbehalte und Einwände gegen Digitale Editionen. Digitale Editionen haben auch Nachteile.

11.3.1. Zur Benutzung Digitaler Editionen bedarf es immer einer zusätzlichen Maschine. Obwohl sie leichter verfügbar sind, sind sie nicht unmittelbar und überall nutzbar.¹³
11.3.2. Das „Leseambiente" und die Leseoberfläche ist anders. Auf absehbare Zeit wird es Vorbehalte geben, gegen das Lesen größerer Textmengen auf dem Bildschirm.
11.3.3. Ein sinnlicher Aspekt geht verloren: „Das Buch mit seinem Einband und dem Schutzumschlag in der Hand zu halten, das Papier zwischen den Fingern zu spüren, Anmerkungen mit dem individuellen Schreibgerät vorzunehmen, in der evtl. altersabhängigen Schrift, der man Eile, Hektik oder auch die Liebe zum Text ansieht."¹⁴
11.3.4. Hard- und Softwaregrundlagen unliegen einem raschen Wandel, der Digitale Editionen von ihrer Präsentationsform her schnell veralten läßt. Die technische Aufbereitung der Editionsinhalte hat eine geringe Halbwertzeit. Die langfristige Sicherung der Benutzbarkeit digitaler Publikationen erfordert spätere Umformungen in neue technische und Software-Rahmen.
11.3.5. Es lassen sich leicht Inhalte aus Digitalen Editionen ausziehen, die dann manipuliert oder verfälscht werden können. Dies kann aber möglicherweise auch für die gesamte Edition gelten.¹⁵
11.3.6. Die stärkere Einbindung visueller Editionsebenen hat Vorbehalte rechtlicher Natur zur Folge: Dies betrifft das Problem des Copyright und die Frage der „Herrschaft über die Bestände", seitens der Eigentümer der Quellen.

11.3.6.1. Dies ist kein grundsätzliches Problem, sondern ein temporäres rechtliches und vor allem ein psychologisches.
11.3.6.2. Die bisherigen juristischen Lösungen für typographische Publikationen können mit geringen Modifikationen auf den Bereich der digitalen Publikationen übertragen werden.
11.3.6.3. Gegen die Vorbehalte wegen der Kopiermöglichkeiten digitalen Materials ist auf die Erfahrungen mit den auch bisher schon kopierbaren Medien (Bücher, Tonträger) zu verweisen.

11.3.7. Das Argument, daß die „Datenflut" (als negative Beschreibung umfangreicherer Informationsangebote) negative Auswirkungen auf die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit mit Editonen haben könnte, ist rational nicht zu begründen. Digitale Editionen stellen allerdings neue methodische Anforderungen. Mit den alten - an der Form der typographischen Edition entwickelten - Benutzungs- und Auswertungsstrategien sind sie nicht adäquat zu nutzen.
11.3.8. Digitale Editionen könnten bei mangelnder Reflektion eine Objektivität der Aufbereitung suggerieren, die es nicht gibt. Dies ist aber nur ein Rezeptionsproblem. Außerdem bedeutet eine höheres Angebot und vor allem eine verbesserte Überprüfbarkeit und Transparenz einen Schritt in Richtung Objektivierung.
11.3.9. Die „Leserführung" ist in einer Digitalen Edition weniger bestimmt. Sie erfordern vom Leser ein höheres Maß an Kreativität und eigener Gestaltung des Rezeptionsvorganges.
11.3.10. Bei Digitalen Edition besteht die Gefahr von Qualitätsverlusten, weil die praktische Hürde der Buchpublikation als „Kontrollinstanz" für einen gewissen Qualitätsstandard und für die Auswahl der Editoren wegfällt und weil das Verständnis Digitaler Editionen als „work in progress" die Arbeitsorganisation auch negativ beeinflussen könnte. Das erste Argument ist wegen der umfassenderen und rationaleren Recherchestrategien nicht stichhaltig. Aber auch für das zweite Argument gilt, daß eine Bedingung für die Qualität der Forschung die Quantität der aufbereiteten Informationsressourcen ist.

12. Form, Struktur und Inhalte Digitaler Editionen müssen erst noch entwickelt werden.

12.1. Digitale Editonen sollten nicht typographische Editionen adaptieren und sich nicht an den aus diesen hervorgegangenen Traditionen orientieren. Digitale Editionen sollten die Möglichkeiten der neuen Medien nutzen.

12.1.1. Es muß ein rationales, aber auch möglichst lesefreundliches Layout entwickelt werden, das möglichst einheitlich sein sollte, um die Benutzung unterschiedlicher elektronischer Publikationen zu erleichtern.
12.1.2. Digitale Editionen sollten nach Möglichkeit mulitimedial, pluralistisch, mehrschichtig und hypertextuell sein.
12.1.3. Digitale Editionen sollten die zusätzlichen technischen Hilfestellungen nutzen, die die neuen Medien ermöglichen. Dies gilt z.B. auch für die parallele Darstellung unterschiedlicher Editionsebenen oder Informationseinheiten.¹⁶
12.1.4. Die Einbeziehung neuer Medienformen sollte nicht Selbstzweck sondern immer inhaltlich oder durch die jeweiligen Eigenheiten der Quelle begründet sein.

12.2. Bei der Entwicklung Digitaler Editionen sollte das Grundziel der Einheitlichkeit beibehalten werden.

12.2.1. Mehrstufige, pluralistische Editionen ermöglichen Einheitlichkeit. Man könnte sich sich auf eine begrenzte Menge klar definierter unterschiedlicher Editionsstufen einigen.
12.2.2. Es kann ein Wiedergabeformat entwickelt werden, aus dem unterschiedliche Editionsstufen automatisch zu generieren sind. Dies kann z.B. auf der Ebene von Textauszeichnungssprachen geschehen.
12.2.3. Die Beigabe der optischen Wiedergabeebene kann allzu spezialistische Wiedergabeformen überflüssig machen.

12.3. Digitale Editionen sollten versuchen, die Kluft zwischen Spezialisierung und möglichst breiter Nutzbarkeit gering zu halten

12.3.1. Die Spannung zwischen speziellen Anforderungen und breiter Benutzbarkeit wird duch mehrstufige, offene, leicht zu bedienende Editionen verringert.

12.4. Datenformate und Softwareumgebungen sollten möglichst offen, einfach zu handhaben und weit verbreitet sein.

12.4.1. Spezialistisch beschränkte oder nur mit hohem Lernaufwand zu bedienende Digitale Editionen vertun die in 11.2.19. genannten Chancen (interdisziplinarität der Forschung; Rückgewinnung von Öffentlichkeit).
12.4.2. Spezialistische Datenformate oder Softwareumgebungen verringern die Wiederverwertbarkeit und die ohnehin geringe Zukunftssicherheit Digitaler Editionen. Als zugrundeliegende Grundformate sollten ASCII- oder SGML-Formate gewählt werden oder zumindest einfach aus der Edition zu generieren sein.
12.4.3. Dagegen können spezielle Softwarelösungen fachlich angemessener und leistungsfähiger sein. Diese sind nach Möglichkeit mit einem Interface zu versehen, das eine Benutzerfreundliche Bedienung und die Generierung leicht weiterzuverarbeitender Formate erlaubt.

12.5. Für die Phase der Entwicklung und Durchsetzung Digitaler Editionen gelten teilweise andere Bedingungen.

12.5.1. Die Punkte 13.1.1. und 13.1.2. sollten in der Entwicklungs- und Durchsetzungsphase weit ausgelegt, die Einschränkung 13.1.3. zurückgestellt werden.
12.5.2. Die Mißachtung von 13.4. gefährdet die Etablierung Digitaler Editionen.

13. Die zu entwickelnde Form Digitaler Editionen ist Teil eines umfassenden Wandels der Medienkultur.

13.1. Unsere Rezeptionskultur, unsere Rezeptionstechniken gegenüber Informationen im allgemeinen ist durch den Buchdruck geprägt. Die Konzentration auf geschriebenen Text als zentralem Informationsträger ist aber historisch relativ.
13.2. Lesekultur: Zum lesen literarischer Texte wird man auch weiterhin das gedruckte Buch bevorzugen. Für den Bereich der Wissensvermittlung und der Informationsbeschaffung werden sich aber zunehmend Digitale Publikationsformen durchsetzen. Es wird einen Wandel im Leseverhalten geben, der die Grenze zwischen dem literarischen und dem Informationssegment auch im Bereich ihrer Publikationsform deutlicher ziehen wird: „Sachbücher" (im weitesten Sinne) sind keine Romane und werden zukünftig nicht mehr als solche rezipiert werden. Sie sollten dann auch nicht mehr in der - literarischen Erzeugnissen weiterhin angemessenen - traditionellen Publikationsform hergestellt werden.

13.2.1. Die Veränderungen der allgemeinen Lese- und Sehgewohnheiten sind noch nicht absehbar. Eine Tendenz zur (Re-)Visualisierung bzw. zur stärkeren Nutzung von Audio-Elementen ist aber unverkennbar. Dies kommt in ergänzender Weise auch den Geisteswissenschaften zugute.¹⁷ Eine pluralistischere Quellenrezeption kann auch hier den Blick weiten.

13.3. Wir befinden uns in einer Phase des grundlegenden Medienwandels. Alle digitalen Medien und digitalen Publikationen haben derzeit noch einen Entwicklungsstatus, der mit den Inkunabeln des Buchdruckes zu vergleichen ist.¹⁸ Man kann nicht erwarten, daß Editionen, die jetzt vorgelegt werden, ein langfristig gültiges Layout-, Strukturierungs- oder Bedienungskonzept haben können.
13.4. Wir stehen - auch was Digitale Editionen betrifft - nicht am Anfang einer Epoche des permanenten Wandels und der Auflösung aller Standards, sondern mitten in einer Phase der Entwicklung neuer Standards. Dies betrifft sowohl die innere Strukturierung (Vernetzung) von digitalen Publikationen, als auch ihre Bedienung, als auch ihre Präsentationsform (Layout).
13.5. Auch in der Geschichtswissenschaft müssen jeweils die technisch der Zeit adäquaten Forschungsmethoden und Publikationsformen genutzt werden.
13.6. In den Geisteswissenschaften und speziell in der Geschichtswissenschaft bestehen Entwicklungs- und Wahrnehmungsrückstände im Bereich der Anwendung zeitgemäßer Techniken und Methoden, welche die Akzeptanz Digitaler Editionen verringert und ihre Durchsetzung behindert. Irrationale Vorbehalte und Beharrungspotentiale sowie der geringe technische Kenntnisstand vieler Historiker erschweren eine rationale Auseinandersetzung mit den Folgen des Medienwandels für die Geschichtswissenschaft.

13.6.1. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Verfügbarmachung von Zwischenergebnissen und der Akzeptanz digitaler Publikationen. Obwohl die höhere Transparenz der Arbeit und die höhere Geschwindigkeit der Bereitstellung von Ergebnissen gerade der wissenschaftlichen Gemeinde zugute kommen soll, könnte sie hier Vorbehalte wegen scheinbarer Qualitätsverluste provozieren - wegen der mangelhaften Einsicht in den vorläufigen Charakter solcher Publikationen (den man aus der Welt des Buchdrucks nicht gewohnt ist).
13.6.2. Es besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Öffnung von Editionen für einen größeren Benutzerkreis und ihre Akzeptanz in der wissenschaftlichen Gemeinde. Dies resultiert aus der Befürchtung, daß die Beigabe zusätzlicher Zugänge für Editionsbenutzer ohne hohe fachliche Vorkenntnisse zu Lasten der Wissenschaftlichkeit der Edition gehen könnte. Dieser Vorbehalt resultiert ebenfalls aus der Verinnerlichung der Bedingungen des Buchdrucks. Aus technischer Sicht ist er nicht berechtigt.
13.6.3. Zur Lösung des Akzeptanzproblems können mehrstufig präsentierte Editionen beitragen. Einer methodisch und fachlich hoch reflektierten Basiserschließung (z.B. in Form einer Datenbank als dynamischer Edition, die wissenschaftlichen Forschungsansprüchen entgegenkommt) können über ein Interface einfachere Ausgabeformate (Internet oder CD-ROM mit statischen Editionen) zur Seite gestellt werden.

14. Durch den Medienwandel ergeben sich im allgemeinen wie durch die Entwicklung Digitaler Editionen im speziellen neue Anforderungen und Aufgaben für die Geisteswissenschaften. (bzw. für die Archive).

14.0.1. Forschung und Wissenschaft müssen sich zeitgemäßer Untersuchungs- und Informations methoden bedienen.
14.0.2. Die Wissenschaft steht in einer Bringschuld gegenüber der Gesellschaft. Auch dies verpflichtet sie dazu, ihre Ergebnisse in einer zeitgemäßen Form zu präsentieren.

14.1. Es gibt eine Vielzahl möglicher Formen für diditale Editonen, wie für digitale Publikationen überhaupt. Für die Wissenschaften besteht die Alternative, zu warten, bis sich in den Bereichen Hardware, Software, Strukturierung, Bedienung und Layout Standards entwickelt haben, oder diese selbst mitzugestalten. Ersteres wäre fatal.

14.1.1. Die Wissenschaften müssen ihre eigenen Anforderungen in den o.g. Bereichen einbringen, um eine rationelle Forschung zu gewährleisten. Mit den Programmen, den Strukturierungs- und Bedienungsmodellen und mit den Oberflächengestaltungen populärer oder fachfremder Bereiche sind die spezifischen Aufgaben der Geschichtswissenschaft nicht zu erfüllen.
14.1.2. Auch die Geisteswissenschaften müssen unter ihren jeweiligen fachlichen Anforderungen Medienkompetenz erwerben und aktiv an der Entwicklung der neuen Medien teilnehmen. Dazu gehört auch die Einflußnahme auf die Entwicklung der zu verwendenden Software der kognitiven und der Layoutstrukturen. Letztere werden über die Seh- und Lesesgewohnheiten von morgen entscheiden und sollten deshalb nicht völlig an den Wissenschaften vorbeilaufen.
14.1.3. Die Päsenz der Wissenschaften ist wichtig zur Qualitätssicherung im Bereich der neuen Medien. Bereits heute haften Internet und CD-ROM ein negatives Image an - sind sie mit dem Odium des populären, unwissenschaftlichen behaftet. Ein Rückzug der Wissenschaften aus diesem Bereich bedeutet nicht nur die Verhinderung rationeller Forschungsmethoden, sondern auch eine weitere Entfernung der Wissenschaften aus der Gesellschaft.

14.2. Digitale Editionen können zwar eine höchst variable Oberfläche haben und bedürfen einiger technischer Vorkenntnisse. Dies enthebt aber den Editor nicht der Aufgabe, zu gestalten. Innere Organisation und äußere Gestaltung sind keine technischen Aspekte, sondern von fachlichen Überlegungen abhängig.

14.2.1. Solange die oben angesprochenen Standards noch nicht entwickelt sind, ist eine Arbeitsteilung Editor-"Setzer", bei der der „Wissenschaftler" dem technisch gebildeten „Gestalter" nur inhaltliche Informationen zur Verfügung stellt, nicht sinnvoll.

14.3. Die Forderung nach möglichst hoher Offenheit der Benutzung der Edition, die in Digitalen Editionen in höherem Maße als in typographischen gegeben sein kann, erfordert die Entwicklung neuer produktiver heuristischer Strategien. Grundlage dafür können möglichst offene, unspezialisierte oder wenigsens leicht konvertierbare Formate und eine Pluralistische Wiedergabe der Quelle sein.
14.4. Die Steigerung der Inhaltsmengen einer Edition und ihre Delinearisierung erfordern die Entwicklung neuer Ordnungskonzepte. Die Frage der „Benutzerführung" und der möglichst reibungslosen Vermittlung der Inhalte muß von wissenschaftlicher Seite gelöst werden. Die Entwicklung von Ordnungs- und Vermittlungskonzepten geht dabei mit der Gewöhnung an neue Rezeptionsformen Hand in Hand. Einen Beitrag zur leichteren „Lesbarkeit" leistet auch die Grundforderung nach Einheitlichkeit. Dies betrifft nicht nur das Layout. Es sollten z.B. auch möglichst einheitliche (und möglichst wenige) Editionsebenen definiert werden.
14.5. Die Geisteswissenschaften müssen für ihren Bereich neue Bearbeitungs- und Auswertungsstrategien für digitales Quellenmaterial entwickeln. Dies hat wieder Rückwirkungen auf die Gestaltung Digitaler Editionen.
14.6. Die Frage nach der Zitierung und nach der zitierbaren Menge muß im digitalen Umfeld neu gelöst werden. Ebenso die Frage des geistigen Eigentums und seines Schutzes.
14.7. Digitale Editionen tendieren dazu, die Quellen in einer direkten Weise zu vereinnahmen. Aus der Sicht der Archive ist dies eine Bedrohung für ihre „Herrschaft über die Bestände".

14.7.1. Daraus resultierende Blockaden können durch eine offensive Interpretation der Archivaufgaben bzw. durch eine modifizierte Arbeitsteilung zwischen Archivaren und Historikern gelöst werden
14.7.2. Aufgabe von Archiven ist es u.a. ihre Bestände zu erschließen und einer Erforschung zugänglich zu machen. Dies kann in einem digitalen Zeitalter auch bedeuten, eine digitale Erschließung vorzunehmen und die digitale Wiedergabe der Bestände vorzubereiten.
14.7.3. Eine neue Arbeitsteilung könnte den Archive (mit dem dort angesiedelten quellenkundlichen Wissen) eine flache Erschließung (Bestandserschließung, Digitalisierung von Schlüsselbeständen, „Präeditionen") und den Historikern die Tiefenerschließung zuweisen. Wo beides zusammenkommen kann wäre dann zu klären.¹⁹

15. Digitale Editionen haben Rückwirkungen auf die Form der Arbeit der Geisteswissenschaftler an Editionen und mit Editionen.

15.1. Es wird zu einer grundsätzlichen Veränderung der Arbeitsform kommen: Digitale Editionen haben eine Tendenz zum teamwork zur Folge. Dies liegt zum einen daran, daß sie tendenziell umfangreicher sind, zum anderen daran, daß ohnehin schon umfangreiche Editionen, die früher von einzelnen Editoren bearbeitet worden wären, mit neuen Techniken eher in Gemeinschaftsarbeit realisiert werden können. Diese Gemeinschaftsarbeit kann darüber hinaus dezentralisiert erfolgen.
15.2. Der Arbeitsaufwand und die Arbeitsorganisation bei Editionen kann flexibler gestaltet werden. Tendenziell steigt der Arbeitsaufwand, weil verbesserte Möglichkeiten auch erhöhte Anforderungen nach sich ziehen. Umfangreiche Editionen werden durch Modularisierung und Dezentralisierung möglich. Es gibt keine starres Konzept mehr, was eine Edition enthalten muß, da alle Editionsarbeit als Bausteine sehr umfassender Editionen aufgefaßt werden kann. Die Anforderungen an Editionsprojekte werden weniger absolut.
15.3. Die klassische Arbeitsteilung bzw. die Publikationskette Editor - Verlag (Lektor/Setzer/Drucker) - Buchhandel - Bibliothek - Nutzer löst sich auf.

15.3.1. Die Herstellung der Edition verlagert sich stärker zum Editor oder der betreuenden Institution. Die Arbeitsteilung Editor-Setzer(Layouter), die auch im Bereich des Buchdruckes immer mehr verschwindet, wird zunächst ganz verschwinden. Möglicherweise kommt sie aber wieder, wenn sich entsprechende Standards entwickelt haben, die den Editor von der fachlichen Reflektion über die Organsisation und Gestaltung seiner Arbeitsergebnisse auf der Publikationsebene entbinden könnten.
15.3.2. Der Vertrieb von Editionen verzweigt sich in unterschiedliche Kanäle. Neben die klassischen Vertriebswege über die Verlage tritt die direkte Verbreitung über CD-ROMs oder Computernetze.

15.4. Der traditionelle Editor könnte sich zum „Editionsmanager" entwickeln. Edieren bedeutet, eine Quelle zu erschließen, indem sie mit bestimmten Methoden umgeformt und mit jenen Informationen verknüpft wird, die zu ihrem Verständnis beitragen. Es geht bei Editionen nicht um die Interpretation oder Auswertung der Quelle, sondern um die Organisation der transparenten Anwendung bestimmter diskutierbarer Methoden und um die Zusammenführung und Nutzung von bereits vorhandenen Informationen.
15.5. Die Bedeutung von Institutionen für die Betreuung von Editionen wird wachsen. Wenn Editionen als work-in-progress, als modulares, dezentralisiertes, offenes System verstanden werden, bedarf es umso mehr eines koordinierenden, betreuenden Ortes, der die inhaltliche und zeitliche Stabilität sichert.
15.6. An die Stelle langer Einzelarbeiten mit der abschließenden (doppelter Wortsinn) Publikation der Arbeit tritt ein permanenter Austausch- und Erweiterungsprozess. Auf der einen Seite könnnen Zwischenergebnisse frühzeitig einer weiteren Auswertung zugänglich gemacht werden, auf der anderen Seite können neuere Forschungsergebnisse unmittelbar in die Grundlagenarbeit Edition einfließen oder eine Vernetzung dazu hergestellt werden.²⁰ Die Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Diskurses erhöht sich. Die Qualität der Edition erhöht sich durch die Transparenz und Überprüfbarkeit ihrer Erstellung.

15.6.1. Die Transparenz der Erstellung verbessert auch die Evaluierungsmöglichkeiten der Forschung. Digitale Editionen sind nicht zuletzt für die Finanzierungsorganisationen transparenter.

15.7. Die stärkere Einbeziehung anderer Medienformen, als des gedruckten linearen Textes erweitern den Blickwinkel de Geschichtswissenschaft. Die visuelle und akkustisch wahrnehmbare Informationsebene von Quellen wird nicht mehr im gleichen Maße wie bisher ausgeblendet.
15.8. Höhere Transparenz, schnellerer Informationsdurchsatz und einfachere Informationsverarbeitung bedeuten eine Rationalisierung der Forschung.

1. „Hypertext ist die nicht-lineare Darstellung von Texten mit Hilfe des Computers als Medium. Ein elektronischer Text also, der nicht konventionelll in Papierform gedruckt und sequentiell gelesen werden kann, da er aus Beziehungen zwischen Texten, Illustrationen, auch Ton und Videofilmen besteht; diese Bezeihungen werden über Aktionswörter und spezielle Schaltflächen per Mausklick verfolgt. >Dezentrales Lesen< von Text, Erläuterungen und im Extremfall von intertextuellen Subtexten ist die Folge." - Roland Kamzelak, Eine Editionsform im Aufwind: Hypertext, in: Jahrbuch der Schiller-Gesellschaft 40 (1996), S. 492f. Die Grundidee des Hypertextes stammt von Theodor H. Nelson, Getting it Out of Our System, in: Information Retrieval. A Critical Review, hg. von George Schecter, Washington 1967, S. 191-210. Stefan Freisler, Hypertext - Eine Begriffsbestimmung, in: Deutsche Sprache 22 (1994), S. 19-49. Zum Thema auch: Rainer Kuhlen, Hypertext. Ein nicht-lineares Medium zwischen Buch und Wissensbank, Berlin u.a. 1991; Olaf Krusche, The Art of Hypermedia (in deutscher Sprache), [URL: http://www.skynet-computers.de/~olove/beleg/hyper.htm].
2. Erich Meuthen, Der Methodenstand bei der Veröffentlichung mittelalterlichen Geschäftsschriftgutes, in: Der Archivar Jg. 28 (1975), H. 3, Sp. 274.
3. Erich Meuthen, Methodenstand (a.a.O.), Sp. 272: „Ohne Zweifel verlangt der Pluralismus der Quellen ein immer neues Ausprobieren."
4. Festplatten und Computernetze sind tatsächlich so gut wie unbeschränkt. Der Datenträger, der zur Zeit am ehesten für die traditionellen Vertriebswege von Publikationen geeignet ist, die CD-ROM nämlich, umfaßt zur Zeit ca 600 MB, das entspricht ca. 180.000 Schreibmaschinenseiten. Eine Verdoppelung dieser Kapazität ist für die allernächste Zeit zu erwarten.
5. Eine Notiz-Funktion enthält z.B. auch die Hypertext-Edition der Tagebücher Harry Graf Kesslers. Roland Kamzelak, Eine Editionsform im Aufwind: Hypertext, in: Jahrbuch der Schiller-Gesellschaft 40 (1996), S. 495.
6. Dierk O. Hoffmann, Transparente Edition, in: Verbergendes Enthüllen, Zur Theorie und Kunst dichterischen Verkleidens, Festschrift für Martin Stern, hg. von Wolfram Malte Fues und Wolfram Mauser, Würzburg 1995, S. 303.
7. Hoffmann, Transparente Edition (a.a.O.), S. 298-309.
8. (vgl. http://www.uni-passau.de/passau/stadtarchiv/urkunden/uebersicht.html)
9. Ich wende mich gegen die Bezeichnung von Elektronischen Publikationen als „dynamischen Dokumenten", z.B. in einem Positionspapier des Bibliotheksausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft [http://www.uni-karlsruhe.de/DFG/Publikation/epub.html] - Abschnitt 2.5.: „Elektronische Publikationen gewinnen als „lebende Dokumente" eine neue Dimension. Eine wesentliche Unterscheidung ist zu treffen zwischen abgeschlossenen (statischen) und weiter aktualisierbaren (dynamischen) Dokumenten."
10. Vgl. als Beispiel. Walter Fanta, Die Computer-Edition des Musil-Nachlasses. Bausteine einer Epochen-Datenbank der Moderne, Editio 8 (1994), S. 127-157.
11. Vgl z.B. die Ausführungen des DFG-Präsidenten Wolfgang Frühwald im Zeit-Interview „Altlasten des Geistes", Die Zeit, 19/1996 (3. Mai).
12. Stefan Aumann, Die Digitale Erschließung von Archivbeständen. [URL: http://www.geschichte.mpg.de/dud_proj.html]
13. Kamzelak, Editionsform (a.a.O.), S. 502, prognostiziert zwar, „tragbare Lesegeräte für CD-ROMs werden künftig analog zu Diskmen oder Gameboys verbreitet sein, so daß man für die Lektüre nicht an einen Arbeitsplatz gebunden sein wird"; dies wird aber wohl höchstens indirekt der Durchsetzung digitaler Editionen zugute kommen, da diese in der Regel große Monitore mit hoher Auflösung erfordern werden.
14. Kamzelak, Editionsform (a.a.O.), S. 502.
15. Positionspapier des Bibliotheksausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft [http://www.uni-karlsruhe.de/DFG/Publikation/epub.html] - Abschnitt 2.5.: „Aus dem dynamischen Charakter der elektronischen Medien folgt deren Flüchtigkeit und Manipulierbarkeit, die Vorkehrungen zur Autorisierung, Statuskennzeichnung und Langzeitsicherung erfordern."
16. Die Idee schon bei Brockbank, Philip: Towards a mobile text. In: The Theorie and Practice of Text-Editing. Hg. von I. Small / M. Walsh. Cambridge 1991, S. 90-106.
17. Die alleinige Beschränkung auf hochgradig formalisierte lineare Textkonstrukte kann z.B. historischen Gesellschaften und Epochen, in denen das Sehen und Hören einen anderen Stellenwert hatte, auch aus wissensachaftlicher Sicht nicht gerecht werden.
18. „Wir befinden uns grundsätzlich in einer Umbruchphase, die nur mit der Einführung des Buchdruckes und seinen Auswirkungen auf die Wissenschaft der frühen Neuzeit zu vergleichen ist" - Jürgen Renn, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.
19. Ein Entschädigungsmodell für die Archive (nach Auflage oder Nutzung) wäre ebenso denkbar (Archive sind auch Rechteverwertungsgesellschaften), wie die Ausweitung des Belegexemplar-Gedankens. Dabei würde eine Benutzererlaubnis mit dem Zwang zur Rücksendung der Forschungsergebnisse verbunden. In der Verknüpfung der Bearbeitungsschritte und Auswertungen würde eine umfassende Edition entstehen, und das Archiv zum „authentischen Ort der Edition" (Karl Josef Kreter) werden.
20. In der Praxis leisten inhaltliche Studien ja auch zusätzliche quellenerschließende Arbeit - gemäß ihrer speziellen Fragestellungen.

Patrick Sahle - 20.7.97. - Sahle@uni-koeln.de