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| Nachhaltigkeit, Forschung

Geowissenschaften

Langlebige Kondensstreifen entstehen meist in natürlichen Eiswolken

Wie sich Kondensstreifen auf das Klima auswirken, ist bislang wenig erforscht. Wissenschaftler*innen gehen von einem überwiegend wärmenden Effekt aus. Eine im Fachjournal Nature Communications veröffentlichte Studie liefert neue Anhaltspunkte und könnte künftig Einfluss auf die Planung klimaangepasster Flugrouten haben.
Foto: weiße Kondensstreifen am blauen Himmel

Foto: Andreas Petzold | Forschungszentrum Jülich

Forschende der Universität zu Köln sowie des Forschungszentrums Jülich und Universitäten Mainz und Wuppertal zeigen in einer neuen Studie, dass mehr als 80 Prozent aller langlebigen Kondensstreifen sich nicht im wolkenfreien Himmel, sondern innerhalb bereits bestehender natürlicher Eiswolken, so genannter Zirren, bilden. Welche Klimawirkung diese eingebetteten Kondensstreifen haben, ist bislang kaum erforscht. Die neue im Fachjournal Nature Communications unter dem Titel „Contrails inside cirrus clouds predominate with uncertain climate impact“ veröffentlichte Studie liefert neue Anhaltspunkte und könnte künftig Einfluss auf die Planung klimaangepasster Flugrouten haben.

Kondensstreifen entstehen, wenn sich das heiße Abgas der Flugzeugtriebwerke mit der kalten Luft in etwa zehn Kilometern Höhe vermischt. In trockener Luft lösen sich die meisten Kondensstreifen schnell wieder auf. In kalter, feuchter Luft können sie mehrere Stunden bestehen und sich zu ausgedehnten Zirren, entwickeln. Zirren sind hohe, dünne Eiswolken in etwa fünf bis zwölf Kilometern Höhe, die oft als zarte, faserige Schleier am Himmel erscheinen. Bisher ging die Forschung davon aus, dass sich langlebige Kondensstreifen vor allem im wolkenfreien Himmel bilden und dort ihre wärmende Wirkung entfalten. Die neue Studie zeigt jedoch, dass sie in den meisten Fällen innerhalb bereits vorhandener natürlicher Eiswolken entstehen – eine Situation, deren genaue Klimawirkung bislang kaum erforscht ist.

Was die Forschung weiß ist, dass diese aus Kondensstreifen entstandenen Zirren – so genannt Kondensstreifen-Zirren – sich insgesamt stärker auf das Klima auswirken als die direkten CO2-Emissionen des Luftverkehrs. Sie halten einen Teil der von der Erde abgestrahlten Wärme in der Atmosphäre zurück und tragen so zur Erwärmung bei.

Ob der Effekt tatsächlich wärmend oder in Einzelfällen leicht kühlend ist, hängt von den Umgebungsbedingungen ab. Bilden sich Kondensstreifen-Zirren im wolkenfreien Himmel oder in dünnen Eiswolken, verstärken sie meist den Treibhauseffekt: Das Sonnenlicht durchdringt die eher dünnen Eiswolken, wird von der Erde absorbiert und anschließend wird die Wärme von der Eiswolke wie ein Mantel eingeschlossen – die Atmosphäre erwärmt sich weiter. Treten sie dagegen in sehr dichten Wolken auf, sodass die Sonne kaum noch zu sehen ist, wird das Sonnenlicht von der Wolke reflektiert und erreicht die Erdoberfläche kaum – der kühlende Effekt überwiegt.

Die Prozesse, die bei der Überlagerung von Kondensstreifen und natürlichen Zirren ablaufen, und ihre Auswirkungen auf das Klima sind bislang nur unzureichend verstanden. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir die Klimawirkung von Kondensstreifen künftig differenzierter betrachten müssen“, sagt Prof. Andreas Petzold vom Institute of Climate and Energy Systems – Troposphäre (ICE-3) am Forschungszentrum Jülich. Prof. Martina Krämer aus dem Institutsbereich Stratosphäre (ICE-4) ergänzt: „Wenn die meisten langlebigen Kondensstreifen ohnehin in natürlichen Wolken auftreten, könnte es sinnvoller sein, klimaschonendere Flugrouten nicht nur nach wolkenfreiem Himmel, sondern auch nach bestehenden Eiswolkenstrukturen zu planen.“

„Die Idee zu dieser Publikation stammt aus der Masterarbeit von Neelam Khan, die ihren Master im Studiengang Physics of the Earth and Environment absolviert“, so Professorin Dr. Susanne Crewell vom Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln. „Gemeinsam mit den Jülicher Kollegen und Kolleginnen aus der Gruppe von Andreas Petzold ist Studie also unter besonderer Mitwirkung der Studierenden entstanden. Frau Khan führt dort die Arbeiten in ihrer Doktorarbeit weiter.“ Für die Studie nutzten die Forschenden Messdaten für Temperatur und Wasserdampf, die für den Zeitraum von 2014 bis 2021 über dem Nordatlantik von Verkehrsflugzeugen gesammelt wurden. Diese Flugzeuge sind Teil der Europäischen Forschungsinfrastruktur IAGOS (In-service Aircraft for a Global Observing System), die vom Forschungszentrum Jülich mitkoordiniert wird. IAGOS-Flugzeuge sind mit Messgeräten ausgestattet, die während des Linienbetriebs kontinuierlich Atmosphärendaten erfassen – weltweit einzigartig.

Die Ergebnisse der Studie fließen in laufende internationale Aktivitäten der Weltwetterorganisation (WMO), der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) sowie der Luftfahrtindustrie ein. Ziel ist eine tragfähige Flugplanungsstrategie, um klimawirksame Kondensstreifen künftig zu reduzieren, indem Flugrouten entsprechend klimaschonend geplant werden. Auch in Zukunft werden IAGOS-Flugzeuge eine zentrale Rolle bei der Bewertung solcher Strategien spielen.

Der deutsche Beitrag zu IAGOS wird seit vielen Jahren vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR, früher BMBF) unterstützt und von Prof. Andreas Petzold am Forschungszentrum Jülich koordiniert. Zu den deutschen Partnern zählen außerdem das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Max-Planck-Gesellschaft, das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) sowie das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS). Die Deutsche Lufthansa unterstützt IAGOS seit dessen Gründung.
 

Inhaltlicher Kontakt:
Professorin Dr. Susanne Crewell 
Institut für Geophysik und Meteorologie
+49 221 470 5286
susanne.crewell@uni-koeln.de

Presse and Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470 2356
j.voelkel@verw.uni-koeln.de

Zur Veröffentlichung:
https://www.researchsquare.com/article/rs-6837438/v1