LS 2002 Drucksache 6
Vorlage der Kirchenleitung an die Landessynode
Schulseelsorge
in der Evangelischen Kirche im Rheinland
http://www.ekir.de/ekir/dokumente/DS06-Schulseelsorge.htm
A
BESCHLUSSANTRAG
I. Schulseelsorge in der Evangelischen Kirche im Rheinland
Schulseelsorge ist das vom christlichen Glauben getragene offene Angebot an alle in der Schule Tätigen, sie in ihren jeweiligen Lebenssituationen religiös-ethisch zu begleiten und ihnen Räume für spirituelle Erfahrungen zu eröffnen.
Dies geschieht u.a. durch:
- persönliche Seelsorge, Begleitung und Beratung,
- schulnahe Jugendarbeit sowie religiöse Freizeiten (Tagungen),
- gottesdienstliche Angebote.
Über den zeitlichen Rahmen des Religionsunterrichtes hinaus kann evangelische Schulseelsorge durch die lebens- und erfahrungsmäßige Vertiefung der biblischen Botschaft, religiöse Bildung, Beratung und Begleitung christliche Verantwortung für die am Lebensbereich und am Lernfeld Schule Beteiligten wahrnehmen und verwirklichen. Diese vielgestaltige Kommunikation des Evangeliums trägt dazu bei, Schulseelsorge als einen wichtigen Beitrag zum Schulleben und zur schulischen Gemeinschaftsbildung zu verstehen.
Die Landessynode dankt allen in der Schulseelsorge engagierten Personen für ihren Dienst. Zugleich sieht sie, gestützt auf die Beratungsergebnisse der beiden durchgeführten Konsultationen, einen grösser werdenden Bedarf an Schulseelsorge und spricht sich für eine intensivere persönliche und fachliche Begleitung und Unterstützung der in der Schulseelsorge tätigen Personen aus.
II. Die Landessynode beschließt im einzelnen:
1. Das Pädagogisch-Theologische-Institut der Evangelischen Kirche im Rheinland wird beauftragt, unter Beteiligung von Fachkräften einen „Qualifizierungskurs: Schulseelsorge“ für Lehrerinnen und Lehrer, Pfarrerinnen und Pfarrer, die sich in der Schulseelsorge engagieren und entsprechend fortbilden wollen, zu entwickeln und im Rahmen eines Pilotprojektes umzusetzen.
Hierzu liegen „Eckpunkte für ein Qualifizierungsprogramm Schulseelsorge“ bereits vor (s. Anlage 4). Der Umfang des Qualifizierungskurses beträgt 3 Studientage (mit Übernachtung), 5 Kurswochenenden und eine Kurswoche. Er ist für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Pilotmaßnahme kostenfrei. Nach erfolgreichem Abschluss erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Angebot einer kostenfreien berufsbegleitenden Supervision für den Zeitraum von drei Jahren. Die Bestellung der Supervisorinnen bzw. Supervisoren erfolgt in Absprache mit dem zuständigen Dezernat im Landeskirchenamt.
2. Die Koordination des Qualifizierungsprogramms, der Zulassung zur Maßnahme, der Supervision, des Erfahrungsaustausches und der Evaluation des Pilotprojektes liegt bei der Abteilung IV des Landeskirchenamtes.
3. Die Finanzierung des Pilotprojektes erfolgt aus Haushaltsmitteln der Abteilung IV des Landeskirchenamtes.
4. Die Schulen der Evangelischen Kirche im Rheinland haben einen besonderen Auftrag zur Schulseelsorge. Zur Wahrnehmung dieses Auftrages werden sie beauftragt, auf der Grundlage der Konsultationsergebnisse ein eigenes Konzept zu entwickeln und umzusetzen.
5. Die Kirchenkreise werden gebeten, in ihren Kreissynoden, Pfarrkonventen und eigenen Fortbildungsangeboten das Thema Schulseelsorge aufzugreifen. Sie sollen dabei u.a. prüfen, inwieweit Schulpfarrerinnen und Schulpfarrern eine besondere Beauftragung zur Schulseel- sorge erteilt werden kann mit dem Ziel, für sie geeignete Modelle und Rahmenbedingungen zu entwickeln.
6. Die Gemeinden werden gebeten, die Arbeit der Schulseelsorge vor Ort zu unterstützen. Dazu ist es insbesondere nötig, dass Schulen einen verlässlichen Ansprechpartner in den Gemeinden haben (z.B.:„Kontaktpfarrerin/Kontaktpfarrer“).
7. Im Bereich der landeskirchlichen Dienste stehen zur Unterstützung der Schulseelsorge die Angebote der Evangelischen Schülerinnen- und Schülerarbeit zur Verfügung.
8. Nach Abschluss des Pilotprojektes wird der Landessynode 2006 berichtet.
B
BEGRÜNDUNG
Ausgehend von den Beratungen auf der Landessynode 2000 hat sich der Ständige Ausschuss für Erziehung und Bildung eingehend mit den Handlungsfeldern sowie den Chancen und Perspektiven einer Evangelischen Schulseelsorge im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland befasst.
Erste Ergebnisse lagen der Landessynode 2001 in Form eines Zwischenberichtes (Anlage 1) vor. In der Weiterarbeit hat die Abteilung IV des Landeskirchenamtes zwei Konsultationen am 29.3.2001 und am 19.9.2001 in Meisenheim (Anlage 2) durchgeführt.
Veranschaulicht durch die dokumentierten Praxisberichte (Anlage 3), Erfahrungen aus Kirchenkreisen (z.B. An der Agger) sowie den Konzeptionen benachbarter Landeskirchen (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, Evangelische Kirche von Westfalen) und katholischer Modelle von Schulpastoral (Bistümer Essen und Trier) wurde dabei der Eindruck bekräftigt, dass eine weitere Profilierung und Intensivierung von Schulseelsorge notwendig ist. Eine besondere Bedeutung kommt der Schulseelsorge im Rahmen des Profils Evangelischer Schulen zu.
Alle Beratungen haben ergeben, dass die zukünftige Entwicklung der Schulseelsorge im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland vornehmlich bei den vorhandenen Kräften, bei den in der Schule Tätigen, ansetzen sollte. Aus diesem Grund bedarf es insbesondere eines Fortbildungs- und Qualifizierungsprogramms für interessierte Lehrerinnen und Lehrer sowie Pfarrerinnen und Pfarrer (Anlage 4). Die Kernergebnisse der Konsultationen sind in Abschnitt I. des Beschlussantrages zusammengefasst.
Vorschlag der Kirchenleitung:
Überweisung an den Ausschuss für Erziehung
und Bildung (V) – federführend –
und an den Innerkirchlichen Ausschuss
(IV)
C
Anlage 1
Betr.: Beschluss 93 der Landessynode 2000, Schulseelsorge
Zwischenbericht zum Thema
Schulseelsorge als Aufgabe in der Schule
1.1 Schule ist längst kein Ort mehr, an dem nur Stoff vermittelt wird. Schule will ganzheitlich als ein "Haus des Lernens" verstanden werden, in dem Lernen und Leben zusammen gehören. Dies betrifft einmal die grundlegende Erkenntnis, dass Schülerinnen und Schüler ihre Alltagserfahrungen in die Schule mitbringen und diese in allen unterrichtlichen Vollzügen didaktisch reflektiert werden müssen. Solche Alltagserfahrungen können im Einzelfall für Schülerinnen und Schüler derart schwerwiegend und handlungsleitend sein, dass sie Lernen und Kommunikation mit anderen verstellen können. Schule ist längst keine "Insel im Meer", sondern steht mitten in der Welt und im Leben.
Zur Schule gehört deshalb ebenso die Gestaltung des Schullebens unverzichtbar hinzu. Schwerpunkt von Schulseelsorgearbeit kann daher durchaus die Gestaltung des Schulalltags mit religiösen und geistlichen Elementen sein. Schülerinnen und Schüler, das zeigt die Erfahrung, nehmen das Angebot, inmitten des Schulalltags zur Ruhe zu kommen, dankbar an.
Zur Verbindung von Schule und Leben gehört weiterhin, was mit Öffnung von Schule beschrieben wird. Wenn Lernen ganzheitlich gestaltet werden soll, muss sich die Schule in den sie umgebenden sozialen Raum hinein öffnen. Das ermöglicht Ansätze einer schulnahen Schüler- bzw. Jugendarbeit oder schulnahen Jugendsozialarbeit durch Kirchen und Gemeinden.
1.2 Einen besonderen Anhaltspunkt für die Verbindung von Leben und Lernen in der Schule stellt der Religionsunterricht selber dar. "Wenn der Religionsunterricht seinen Inhalt ernst nimmt, sprengt er unweigerlich seinen Rahmen", weil das "Leben sich nicht im 45-Minuten-Takt verhandeln lässt. Am Lebensort Schule ist religiös-ethische Lebensbegleitung nicht nur gewünscht, sondern sogar notwendig geworden. Eine Antwort darauf ist die Schulseelsorge." (Dam)
Eine wesentliche Quelle für die Überlegungen zur Schulseelsorge stellt deshalb die Frage nach der Konzeption des Religionsunterrichtes selber dar. Die seelsorgerliche Dimension dieses Unterrichtes ist von der Religionspädagogik wiederholt in den Mittelpunkt gestellt worden (u.a. D. Stoodt), sofern es im Religionsunterricht nicht nur um Gesichtspunkte des Sachlernens und um normierte Lernprozesse gehen kann. Anknüpfend an Praxis und Erfahrungsbezüge hat der Religionsunterricht darum neben der Vermittlung von Wissen über den christlichen Glauben eine Perspektive in den Blick bekommen, die dem seelsorgerlichen Handeln zugeordnet werden kann und die die Intention der Lebenshilfe und Lebensermutigung umfasst. Dem ist zusätzlich dann auch durch Beratungs- und Gesprächsangebote Rechnung getragen worden.
2. Schulseelsorge als eigenständiges Handlungsfeld
Erfahrungsberichte über Ansätze der Schulseelsorge zeigen, dass sich mit der Schulseelsorge ein eigenständiges kirchliches Arbeitsfeld entwickelt hat, und zwar neben der gemeindlichen Seelsorge. Neben der Seelsorge im engeren Sinne, die Vergewissern, Beraten und Orientieren von Menschen als Lebensbegleitung in Lebenskrisen umfasst (Heimbrock), handelt es sich bei der Schulseelsorge um eine Seelsorgearbeit im weiteren Sinne. Über die Beratung hinaus hat sie zu tun mit Angeboten zur Gestaltung und Umgestaltung von Schule über Unterrichtsprozesse hinaus. Als handlungsleitende Motive spielen in diesem Zusammenhang vor allem zwei Kriterien eine wichtige Rolle. Es ist einmal der Zusammenhang von Religionsunterricht und gelebter
Religion im Klassenzimmer und im ganzen Haus des Lernens. Und es ist zum anderen die individuelle Last, die Schülerinnen und Schülern aufgegeben ist, persönliche Orientierung angesichts konkurrierender Wirklichkeitsdeutungen aufgebürdet zu bekommen. In diesem Sinne bezieht sich Schulseelsorge auf "alle in der 'Schule als Lebensraum' einander begegnenden Menschen."(Heimbrock) Das betrifft sicher zunächst die Schülerinnen und Schüler, kann aber nicht auf sie beschränkt bleiben. Die Schulseelsorge umfasst auch Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern.
Die Aufgabenfelder einer Schulseelsorge im weiteren Sinne lassen sich wie folgt beschreiben:
- Wahrnehmung des Augenblicks (spontane Gesprächsmöglichkeiten)
- Gestaltung der Räume
- Beratungsarbeit
- schulnahe Jugendarbeit (Schülercafé/Teestube, Einkehrtage, Wochenendfreizeiten, Gruppenangebote) (nach Heimbrock)
- Begleitungs- und Beratungsgespräche
- Bildungs- und Freizeitangebote
- Gestaltung von Schule als Lebensraum
- Vernetzung mit dem Umfeld (nach Dam)
3. Modelle der Umsetzung von Schulseelsorge
3.1 Beauftragung in besonderen Fällen
Dabei handelt es sich um einen zusätzlich finanzierten kirchlichen Auftrag. Er wird wahrgenommen von Pfarrerinnen und Pfarrern, die im Schuldienst Religionsunterricht erteilen. Dieses Modell wird sowohl im evangelischen wie im katholischen Bereich umgesetzt. Die Amtsbezeichnung Schulseelsorger betrifft auch diesen Dienst.
Die Evangelische Kirche in Hessen Nassau hat z.B. mit Amtsblattverfügung vom 15. Juni 1999 dieses Modell landeskirchenweit ermöglicht. Die Erteilung des Dienstauftrages Schulseelsorge umfasst dabei in der Regel ein Viertel des Stundendeputates einer hauptberuflichen Lehrkraft. Dazu heißt es: "Zum Dienstauftrag der Schulseelsorge gehören insbesondere die qualifizierte seelsorgerliche Begleitung der Schülerinnen und Schüler sowie die Schulgemeinde, Beratungsgespräche, Bildungs- und Freizeitangebote, die Mitgestaltung der Schule als Lebensraum und die Vernetzung mit dem kirchlich/sozialen Umfeld... Als kirchlich verantwortetes Handlungsfeld ist sie andererseits der Evangelischen Jugendhilfe gem. Kinder- und Jugendhilferecht zugeordnet und arbeitet mit der Evangelischen Jugendvertretung im Dekanat zusammen."
Der nicht refinanzierte Anteil des Dienstvertrages wird von der EKHN getragen.
3.2 Schulseelsorge als gemeinschaftlich übernommene Verantwortung
"Schulseelsorge ist nicht Aufgabe einzelner Spezialisten/Spezialistinnen, sondern Aufgabe aller." (Bistum Trier) In diesem Sinne wird Schulseelsorge als Beitrag der Christen zu einer lebendigen Schule verstanden, in der Schülerinnen und Schüler sich wohlfühlen, in der sie nicht krank gemacht werden, sondern freier und in der sie Mut finden, das Leben zu bestehen. "Schulseelsorge möchte in den Schulen eine Kultur fördern, die sich den christlichen Wertvorstellungen verpflichtet weiß: Mitmenschlichkeit und Gesprächsbereitschaft, menschliche Nähe und Verständnis, respektvolles miteinander Umgehen und die Bereitschaft zur partnerschaftlichen Problemlösung."
Zur Umsetzung dieses Programms wird die Bildung von Teams in der Schule empfohlen. Solchen Teams sollen Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer angehören. Hinzukommen können auch pastorale Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Gemeinde. Eine besondere Verantwortung und ein besonderes Engagement wird allerdings von den Religionslehrerinnen und -lehrern erhofft. Mögliche Stundenentlastungen bedürfen der genauen Begründung im Einzelnen und der Zustimmung und Abstimmung mit allen schulischen Gremien. Sie kann durchaus dem Entlastungsdeputat einer Schule gewährt werden.
Dieser Ansatz ist ausdrücklich auch von den Bistümern Aachen und Essen aufgenommen worden. Sie haben darauf mit einem Programm "Fort- und Weiterbildung Schulpastoral" reagiert. "Christinnen und Christen, die in der Schule beschäftigt sind und sich in der Schulseelsorge engagieren (wollen), sind zu der berufsbegleitenden Fortbildung eingeladen, speziell folgende Berufsgruppen:
- Lehrerinnen und Lehrer, insbesondere Religionslehrerinnen und -lehrer
- Pastoral- und Gemeindereferentinnen und -referenten, Priester, Diakone und Ordensleute
- Jugendpflegerinnen und -pfleger und Sozialpädagoginnen und pädagogen.
Ziel solcher Fortbildung ist es, "notwendige personale, kommunikative, fachliche und methodische Kompetenzen für das schulische pastorale Handeln zu erwerben bzw. zu vertiefen."
3.3 Schulseelsorge als exemplarischer und hauptamtlicher Dienst
In der Evangelischen Kirche im Rheinland ist diese Form der Schulseelsorge in der Vergangenheit besonders in den Blick gekommen. Dafür ist ein Sonderdienst zur Verfügung gestellt worden, der zum Teil in kirchlichen Schulen und zum Teil auch in staatlichen Schulen ausgeübt wurde bzw. wird. Die Basis für dieses Modell ist die Erkenntnis, dass es ein Auseinanderklaffen zwischen der notwendigen schulischen Arbeit einerseits den dort vorhandenen Möglichkeiten gibt. Ebenso wurde der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Lehrerinnen und Lehrer im Einzelfall zwar kompetente Berater und Beraterinnen für Schülerinnen und Schüler sein können, aber in den Augen der Adressaten gleichzeitig immer in den schulischen Bereich, der von Leistung und Schulerfolg mitbestimmt wird, eingebunden bleiben. Im praktischen Vollzug hat sich eine solche außerunterrichtliche Begleitung bewährt. Die Praxisfelder dieser Arbeit betreffen:
- Kontaktarbeit
- seelsorgerliche Gespräche
- Vernetzungsarbeit (innerschulisch-außerschulisch, kirchlich)
- Jugendarbeit
- Freizeiten
- spezielle Programme wie zum Beispiel: Streitschlichterprogramm (Oberhausen)
"Dass die Schule sich hier der Kirche öffnet, ist eine Möglichkeit der Kooperation und Bereicherung, von der beide Seiten profitieren können. Gerade in Zeiten zunehmender Fremdheit gegenüber herkömmlichen Kirchenstrukturen ist m.E. diese Form der nachgehenden und begleitenden Seelsorge mitten in der Alltäglichkeit eine wichtige Chance für Kirche, Kirche für andere zu sein."(Wachsmuth)
4. Empfehlungen zur Schulseelsorge in der Evangelischen Kirche im Rheinland
4.1 Die Evangelische Kirche im Rheinland spricht sich für eine schulseelsorgerliche Begleitung von Schülerinnen und Schülern aus. Sie sieht darin einen wichtigen Beitrag für die junge Generation. Sie tut dies im Bewusstsein, dass es unterschiedliche Ansätze für die Schulseelsorge gibt, die je vor Ort und im Umfeld von Schule und Gemeinde reflektiert und umgesetzt werden müssen.
4.2 Schulseelsorge kann zum "Markenzeichen" einer Schule werden. Die Voraussetzung dafür bildet die Verankerung der Schulseelsorge im Schulprofil einer Schule. D.h. Schulseelsorge hat besonders dann eine Chance zur Verwirklichung, wenn sie zum Selbstverständnis einer Schule gehört und mit den übrigen Ressourcen der Schule wie z.B. Beratungslehrertätigkeit, oder schulpsychologischer Dienst verknüpft werden kann.
4.3 Schulseelsorge im engeren Sinn kann insbesondere mit dem Dienst von Schulpfarrerinnen und Schulpfarrern verknüpft werden.
Es wird empfohlen, das Thema Schulseelsorge in die Angebote der FeA - Fortbildung aufzunehmen.
4.4 Schulseelsorge im weiteren Sinn bietet die Möglichkeit der Kooperation mit schulnaher Jugendarbeit und schulbezogener Schülerarbeit. Auf landeskirchlicher Ebene stehen dabei die Entwicklung von Konzepten, Moderatorenarbeit wie die Schulung von Mitarbeitenden im Vordergrund. Eine wichtige Aufgabe ist dabei die Bildung von Mitarbeiterpools z.B. für die Durchführung von Einkehrtagen. Auf der Ebene der Kirchenkreise und Gemeinden kann dabei die Umsetzung im Einzelnen in den Blick genommen bzw. eine Vernetzung von Angeboten der Jugendarbeit mit der Schule geplant werden.
4.5 Eine bisher nicht wahrgenommene Möglichkeit besteht in dem Konzept Schulseelsorge im Schulseelsorgeteam anzubieten. Dafür muss ein Fortbildungskonzept entwickelt werden, um die Mitarbeitenden für diesen Dienst qualifizieren zu können. Hierbei müssten dann die Aspekte Beratung, seelsorgerliche Begleitung und Bereicherung des Schullebens durch geistliche Angebote im Mittelpunkt stehen. In begründeten Einzelfällen kann von einer Schule durchaus auch für diesen Dienst durch das Deputat von Entlastungsstunden Entlastung gewährt werden.
4.6 Für eine zusätzliche Beauftragung für den Dienst der Schulseelsorge lassen sich ggf. zwei Zugänge im Rahmen einer kreiskirchlichen Prioritätensetzung finden: a) der Auftrag an Schulpfarrerinnen und Schulpfarrer bei Reduzierung des Stundendeputates für den Religionsunterricht; b) eine zusätzliche kreiskirchliche Beauftragung, die an Gemeindepfarrstellen angebunden werden kann. Für beide Ansätze ist die Finanzierung dann entsprechend auch auf kreiskirchlicher Ebene zu sichern.
4.7 Auf landeskirchlicher Ebene wird weiterhin ein exemplarischer Dienst der Schulseelsorge durch Sonderdienst vorgehalten mit dem Ziel, die gewonnenen Erfahrungen für die anderen Bereiche der Schulseelsorge fruchtbar zu machen.
4.8 Es wird Wert darauf gelegt, dass Schulseelsorge zum Schulprogramm von Schulen in landeskirchlicher Trägerschaft gehört.
Literatur:
Harmjan Dam, Schulseelsorge als religiös-ethische Lebensbegleitung, in: Religionspädagogische Hefte, Ausgabe B, Nr. 1, 1999, S2-15.
Harmjan Dam, Heike Zick-Kunicke, Beispiele aus der Praxis der evangelischen schulnahen Jugendarbeit, in: Evangelische schulnahe Jugendarbeit -weil das Leben sich nicht im 45-Minutentakt verhandeln lässt, Neunkirchen, 1997, S.53-82.
Hans-Günter Heimbrock, Evangelische Schulseelsorge auf dem Weg zu "gelebter Religion", in: Religionsunterricht jenseits der Kirche, Wie lehren wir christliche Religion, hrsg. von W. Gäb, Neukirchen, 1996, S.45-68.
Achim Linsen, Herausforderung Schulseelsorge, Der Beitrag der Schulseelsorge zum Profil einer katholischen Schule in freier Trägerschaft, Trier, 1999.
Anlage 2
Konsultation Schulseelsorge Meisenheim am 19.9. 2001
1. Die Berichte aus dem Paul Schneider Gymnasium, der Alfred-Delp-Schule und dem Bereich der berufsbildenden Schule stimmen darin überein, dass der Schulseelsorge ein hoher Stellenwert beigemessen wird und für die Schulen als ein notwendiges Angebot betrachtet wird. Die Möglichkeiten der Realisierung sind sehr unterschiedlich. Am Schwierigsten scheint dies im berufsbildenden Bereich zu sein. Die Berichte gehen im Grunde alle von einem weiten Begriff der Schulseelsorge aus. Er umfasst einmal die persönliche Beratung von Schülerinnen und Schülern und beschreibt zum anderen Angebote zur Bereicherung des Schullebens, Schulgottesdienste, Schulendtage, Projekte und besondere spirituelle Angebote. Kritisch ist gegen die weite Form der Schulseelsorge eingewandt worden, dass sie in der Gefahr stehe, unter anderen Bedingungen an das Modell "Kirche in der Schule" anzuknüpfen. Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass der Religionsunterricht in seinem Bildungsauftrag gegenüber der Schulseelsorge eigenständig bleiben müsse.
2. Bemerkenswert aus dem Bericht Meisenheim ist eine Anmeldung des Bedarfs unter dem Stichwort: Was brauchen wir?
- Eine Ausweitung von spirituellen Angeboten;
- mehr außerplanmäßige Gottesdienste;
- Initiierung und Begleitung von Schülerarbeitskreisen;
- Begleitung der Schülerinnen und Schüler bei besonderen Ereignissen;
- Begleitung und Vorbereitung von Einkehrtagen;
- professionelle Hilfe für die Beratung einzelner Schülerinnen und Schüler;
- Kompetenz und Fachwissen;
- Fremde Hilfe, weil Lehrerinnen und Lehrer, wenn sie im System Schule integriert sind, nicht unbedingt zur Seelsorge geeignet sind;
- ein Zeitbudget zur Wahrnehmung von Aufgaben der Schulseelsorge.
3. Die Alfred-Delp-Schule hat ein eigenes, ausgearbeitetes Konzept von Schulseelsorge. Es ruht auf drei Säulen: Schulseelsorge als Lebensbegleitung, Glaubenshilfe und Projektarbeit. Die Schulseelsorge gehört zum Profil dieser Schule. Sie wird nicht nur von den Pfarrern (ev. und kath.) getragen. Ein Arbeitskreis Schulseelsorge reflektiert und koordiniert die Arbeit. Dabei versteht sich die Alfred-Delp-Schule als kategoriale Gemeinde (ev.: funktionale Gemeinde), die sich zusammen mit der Ortskirche auf den Weg der Nachfolge Jesu Christi gemacht hat. Zwei Charakteristika gehören unbedingt dazu: Einerseits steht ein Meditationsraum zur Verfügung und andererseits haben die Schulpfarrer ein freies Unterrichtsdeputat. Dies gilt gleichermaßen für alle Pfarrer an Schulen in kirchlicher Trägerschaft des Bistums Trier. Das Bistum Trier stellt für seine Schulen insgesamt 4 volle Stellen zur Verfügung.
4. Die berufsbildende Schule ist geprägt vom unterschiedlichen Rhythmus von Vollzeit- und Teilzeitschule und Schule im Blockmodell. Sporadisch werden Schulgottesdienste angeboten. Die Schulseelsorge versteht sich als Lebensbegleitung von Schülerinnen und Schüler. Ein wichtiges Motiv ist dabei die Hilfe zum Selbständigwerden junger Menschen. Eine Kooperation mit Sozialberatung wird als unabweisbar gesehen. Im berufsbildenden Bereich wird besonders darauf hingewiesen, dass Seelsorge in der Schule auch Kolleginnen und Kollegen gilt, und zwar in der Partnerschaftsberatung, bei Suchtproblemen, Autoritätsproblemen und vieles mehr. Die Berufsschulpfarrerinnen und -pfarrer betonen, dass sie es als besondere Aufgabe ansehen, das Humanum in diese Schule einzubringen und stellvertretend für andere das Wort ergreifen.
5. Die vorgestellten Beispiele erzählen, jedes für sich, eine eigene Geschichte von Schulseelsorge. Es werden Unterstreichungen bzw. Akzente für die Schulseelsorge gesetzt:
5.1 Die Sensibilität wie der Bedarf von Schülerseite her für Schulseelsorge hat sich erfreulich entwickelt. Die gegenwärtigen Chancen sollten von evangelischer Seite viel stärker genutzt werden.
5.2 In der Schulseelsorge hat sich ökumenische Zusammenarbeit bewährt. Sie ist ein besonderes Feld ökumenischer Zusammenarbeit, durch die der Reichtum unterschiedlicher Erfahrungen genutzt werden kann;
5.3 In der Praxis der Schulseelsorge gibt es immer Mischformen. Es gibt seelsorgliche Einzelberatung und sehr unterschiedliche spirituelle Angebote.
5.4 Die Schulseelsorge hat dort besondere Chancen, wo sie vom Kollegium und von der Schulleitung und den Eltern gewollt ist. Wo die Schulseelsorge zum Schulprofil gehört, wird es Möglichkeiten auch der Entlastung durch Deputatsstunden geben.
5.5 Zur Schulseelsorge gehören entsprechende Räume. Dass Räume Lernen verstellen können oder es erst ermöglichen können, gilt auch für die Schulseelsorge.
5.6 Das Nachdenken über Schulseelsorge muss sich darüber klar werden, welche Schulen jeweils im Blick sind. Sind es Schulen in kirchlicher Trägerschaft oder auch staatliche Schulen? Sind es Gymnasien oder auch andere Schulformen?
5.7 Zur Schulseelsorge gehört die Stärkung der Kompetenzen von Lehrerinnen und Lehrern. Die Schulseelsorge hat zwar eine besondere Beziehung zum Religionsunterricht und den Religionslehrerinnen und ‑lehrern, sie sollte aber auch alle christlichen Lehrerinnen und Lehrer im Blick behalten. Einmal kommt damit das Laienelement zum Tragen, zum anderen ist nicht einfach mit Delegation an besondere Fachleute getan.
5.8 Seelsorge wurde unter dem Blickwinkel eines seelsorglichen Umgangs mit Schülerinnen und Schülern insgesamt als Haltung beschrieben. Es ist ein helfender, heilender, verständnisvoller Umgang mit Schülerinnen und Schülern. Sie wollen und brauchen ein offenes Ohr. Neben dem engeren und dem weiteren Begriff von Schulseelsorge ist damit eine weitere dritte Dimension beschrieben.
6. Aus den Thesen von Schulreferent Pfr. Piechota wird die besondere Klammer der Schulseelsorge deutlich:
"Schulseelsorge ist im Glauben begründet als Nachahmung des heilenden, tröstenden und stärkenden Handelns Gottes am Menschen und wird konkret in der Sympathie der Glieder am Leib Christi. (Steiger)"
Und dann:
"In einer säkularen Schule drängt sich die Schulseelsorge nicht auf, wird aber als Angebot der Christen, die in dieser Schule tätig sind, wahrnehmbar. In einer kirchlichen Schule gehört Schulseelsorge zum Schulauftrag und wird gelegentlich durch Berufung einer (theologischen) Schulseelsorgerin bzw. eines -seelsorgers gefördert."
7. Als Ergebnis der Konsultation kann festgehalten werden:
7.1 Es sollte größere Anstrengungen im Bereich der Schulseelsorge geben und gefördert werden.
7.2 Es sollte deutlich werden: zu einer kirchlichen Schule gehört Schulseelsorge. Dazu bedarf es besonderer Beauftragung.
7.3 Lehrerinnen und Lehrer, die in der Schulseelsorge tätig sind, brauchen Entlastung.
7.4 Zur Schulseelsorge gehören besondere Kompetenzen. Angebote aus dem Bereich der Landeskirche sind nötig.
7.5 Da nicht allein von landeskirchlicher Seite Schulseelsorge gefördert werden kann, sind Kirchenkreise und Gemeinde besonders anzusprechen.
7.6 Lehrerinnen und Lehrer, die zur Schulseelsorge an ihrer Schule bereit sind, sollten mit ihrem Anliegen in der Kollegenschaft und bei den Eltern unterstützt werden.
7.7 Die Vorlage für die Landessynode sollte sich nicht allein auf ein Ausbildungsprogramm beziehen. Es sollte auch für Berufung zur Schulseelsorge und Entlastung der Betroffenen gestritten werden.
gez. Harald Bewersdorff
Symposion am 19.9.2001 in Meisenheim
SCHULSEELSORGE – THESEN
Erstens: Schulseelsorge ist im Glauben begründet als Nachahmung des heilenden, tröstenden und stärkenden Handeln Gottes am Menschen und wird konkret in der Sympathie der Glieder am Leib Christi. (Johann Anselm Steiger)
Zweitens: Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Väter und Mütter, Mitarbeiterinnen im System Schule können sowohl Adressaten als auch Subjekte der Schulseelsorge sein, d.h. die Rollen von Helfern und Hilfsbedürftigen können wechseln.
Drittens: Schulseelsorge ist ein Wechselprozess aus persönlichen Bindungen, die von Empathie und Barmherzigkeit geprägt sind. Dessen bestimmende Elemente sind
- Dynamik von Distanz und Nähe
- Einübung in partizipierende und solidarische Sprachformen
- Ermutigung zu sach- und situationsgerechtem praktischem Tun
Viertens: Schulseelsorge als pastorales Handeln eines besonders qualifizierten Einzelnen an einem besonders leidenden Einzelnen ist ein Sonderfall. In der Regel ist Schulseelsorge vernetztes Zusammenwirken in einer Schulgemeinschaft, die dadurch zur Gemeinde wird.
Fünftens: Schulseelsorge bringt den Menschen wesentliche Glaubensinhalte näher und befähigt sie zu religiösem Sprechen. Sie geht aber nicht in Religionspädagogik auf.
Sechstens: Schulseelsorge sucht die Unterstützung von Beratung, sozialer Hilfe und Therapie, geht aber nicht in diesen auf. Medizinische Therapie bzw. Pharmazie sind nur einsetzbar, wenn ein Kontrakt zwischen selbstbestimmten Personen es erlaubt.
Siebtens: Schulseelsorge schließt Andachten, Gottesdienste und wechselnde liturgische Formen ein und braucht spirituelle Übung als Vergewisserung. Sie enthält kultisch-liturgische Anteile ohne sich mit diesen gleich zu setzen.
Achtens: Schulseelsorge fördert die Spiritualität der Schul- Gemeinschaft und trägt dazu bei, dass sie Schulgemeinde werden kann, in der Brot und Wein Zeichen des gegenwärtigen Christus sind. Aber Schulseelsorge geschieht auch säkular durch Zeichen von Freundschaft, Solidarität und Gedenken, in denen Christus inkognito wirkt.
Neuntens: In einer säkularen Schule drängt sich Schulseelsorge nicht auf, wird aber als Angebot der Christen, die in dieser Schule tätig sind, wahrnehmbar. In einer kirchlichen Schule gehört Schulseelsorge zum Schulauftrag und wird gelegentlich durch Berufung einer (theologischen) Schulseelsorgerin bzw. eines –seelsorgers gefördert.
Wolfgang Piechota
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Schulseelsorge
Fachgespräch am 29.03.2001 in Düsseldorf
1. Die Resonanz auf die Einladung zu einem Gespräch über Schulseelsorge war erfreulich hoch. Mit diesem Thema wurde ein wichtiges schulisches Anliegen getroffen. Es wurde bedauert, dass ein solches Gesprächsangebot nicht auch für den Süden der Landeskirche geplant wurde.
2. Eine entscheidende Frage während des gesamten Fachgespräches blieb, mit welchem Selbstverständnis von Schulseelsorge gearbeitet wird. Wird mit dem von der katholischen Seite favorisierten Verständnis von „Schulpastoral“ gearbeitet? Dann würde sich eine konsequent von der Schule her gedachte Schulseelsorge notwendigerweise als solche im weiten Sinne verstehen. Sie wäre mit vielfältigen Aktivitäten eine Bereicherung des Schullebens insgesamt und würde dem Schulleben Profil geben. Zusammen kämen: Seelsorge, schulische Jugendarbeit und spirituelle Bereicherung der Schule. Unter solchen Gesichtspunkten könnte man durchaus Schulseelsorge als „Kirche in der Schule“ verstehen.
Daneben gab es ein Plädoyer für Schulseelsorge unter dem Gesichtspunkt der Beratung. Und die Frage lautete dann: Wie stärke ich die Gemeinde und wie stärke ich Lehrerinnen und Lehrer, um sie für diese Aufgabe zu qualifizieren?
Beide Ansätze ließen sich durchaus auch unter dem Gesichtspunkt institutioneller Ansatz versus individueller Ansatz beschreiben.
3. Sowohl der Blick auf das Ausbildungsprogramm des Bistums Essen zum Schulseelsorger mit gemeinsamen Kurswochen, Supervision, Studiengruppe und Studium von Studienbriefen (Kosten pro Person ca. DM 5.500,--) als auch der Blick auf exemplarische Praxisbeispiele (Gymnasium und Berufskolleg) haben deutlich gemacht, dass mit Schulseelsorge in der EKiR ein noch wenig reflektiertes Arbeitsfeld beschritten wird. Sie bietet einen neuen Blick auf die Schule als eine Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, in der Fragen aufbrechen, Sorgen quälen, Erfahrungen bearbeitet werden wollen, Mitteilbedürfnis entsteht und Raum zum Reden und zum Gespräch gesucht wird. Der Schulseelsorger, die Schulseelsorgerin wird in ganz unterschiedlichen Rollen gesucht. Er oder sie ist Beraterin, Seelsorgerin oder z.B. auch Streitschlichterin u.v.m. Mit dem Stichwort Schulseelsorge verbindet sich die Perspektive, über die Grenzen von Schule hinaus zu schauen und auch eine Vernetzung mit der Jugendarbeit in der Gemeinde bzw. der Schülerarbeit zu sehen.
Die geschilderten Praxisbeispiele sind ein wichtiger Hinweis darauf, dass Schule Gemeinde ist und als solche ernst genommen werden muss.
4. Auch kritische Anfragen wollen ernst genommen werden. Die Fragen nach möglicher Realisierung wurden präzise gestellt:
- Wer soll Schulseelsorge machen?
- Wie viel Zeit steht dafür zur Verfügung?
- Kann man auf den Schulalltag noch etwas „drauf satteln“? Bekommen solche, die sich engagieren, noch mehr aufgebürdet? Schulseelsorge verpflichtet dazu, gute Arbeit zu machen, sonst sollte man es bleiben lassen.
Gleichzeitig schwingt die Frage mit: Was ist uns diese Arbeit wert?
Schulseelsorge auch im engeren Sinne ist nur möglich, wenn die Betroffenen gleichzeitig von anderen Tätigkeiten entlastet werden.
Auch der Frage wurde nachgegangen, wie sich Schulseelsorge und Schule zueinander verhalten. Wie stark darf, kann oder muss ein Schulseelsorger, eine Schulseelsorgerin in der Schule verankert sein ? Dürfen sie Teil des Systems sein oder müssen sie außerhalb stehen?
5. Es wird auf die besondere Situation der EKiR hingewiesen. Alles Nachdenken über Schulseelsorge muss auch davon ausgehen, dass in der EKiR ca. 250 Pfarrerinnen und Pfarrer in der Schule Religionsunterricht erteilen. Es ergibt sich von daher die Frage, wie sich die Seelsorgekompetenz in diesem Bereich verbessern und verstärken lässt.
6. In der Diskussion wird vor falschen Alternativen bei der Entwicklung der Schulseelsorge gewarnt. Dies geschieht vor allem, um vor einer zu starken Focussierung auf hauptamtliche Schulseelsorge zu warnen. Hauptamtliche Schulseelsorger sind zwar qualifiziert und effektiv, aber auch teuer. Eine hauptamtliche Schulseelsorge ist flächendeckend nicht umzusetzen. Stattdessen wird betont, ehrenamtliches Engagement zu unterstützen. Dies solle dann nicht unter dem Blickwinkel geschehen, noch mehr Arbeit tun zu müssen, sondern, für die Arbeit von Schulseelsorge und Beratung ausgebildet, sie dann anders tun zu können. Vorhandene Kompetenz sollte daher in der Schule gestärkt bzw. weiter entwickelt werden.
7. Folgende Empfehlungen wurden zur Weiterentwicklung von Schulseelsorge gegeben:
Die Schule ist das breiteste Lebensfeld von Jugendlichen. Vielfach ist nur noch im Raum der Schule eine Begegnung von Kirche und Jugend möglich.
- Schulseelsorge zum Hauptthema machen im Bereich aller Schulpfarrstellen.
Das betrifft einerseits seelsorgerliche Ausbildung für Schulpfarrämter, aber auch andererseits die Empfehlung für die Anstellungsträger, Stundenentlassung zu ermöglichen und Schulpfarrerinnen und Schulpfarrer dafür mit einem gesonderten Auftrag der Schulseelsorge zu betrauen.
- Engagement für die seelsorgerliche Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern.
Schulseelsorge hilft Lehrerinnen und Lehrern, Kompetenzen zu bilden, um ihre tägliche Arbeit mit Schülerinnen und Schülern umso qualifizierter leisten zu können und der persönlichen Beratung Priorität geben zu können. In diesem Sinne ist Schulseelsorge auch ein Dienst der Kirche an der Schule.
- Schulseelsorge an kirchlichen Schulen.
Die Erkenntnis, dass Schulseelsorge sich hauptamtlich nicht flächendeckend umsetzen lässt, darf nicht dazu führen, diesen Bereich für die Schulen in kirchlicher Trägerschaft zu vernachlässigen. Die Frage nach dem besonderen Profil kirchlicher Schulen ist auch eine Frage der Ausstattung. Schulseelsorge gehört an kirchliche Schulen.
- Unter der Perspektive der Schulseelsorge muss es ein Bemühen darum geben, Schule mit Jugendarbeit und Schülerarbeit zu vernetzen. Das aber ist nur möglich, wenn sich kirchliche Arbeitsfelder von Jugendarbeit, Schulreferaten und Schülerarbeit miteinander vernetzen. Es gibt bereits eine Fülle von erprobten Praxisangeboten, die auch für die Schule wichtig sind (Klassentagungen etc.)
- Für den Bereich der Grundschule: mit Nachdruck noch einmal auf die Kontaktstunde hinzuweisen.
- Es wird empfohlen, Fortbildungsprogramme für die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Lehrerinnen und Lehrer zu entwickeln und Kurse anzubieten, die seelsorgerliche Kompetenz für die Arbeit in der Schule entwickeln helfen.
- Ein Beratungsgremium einzuberufen, wird angeregt. Die Fragen von Schulseelsorge und der Entwicklung von Schulseelsorge sollen diskutiert und für den Bereich der EKiR fruchtbar gemacht werden.
8. In der Diskussion wird darauf aufmerksam gemacht, dass bestimmte Schulen auch bei diesem Thema schnell aus dem Blick geraten. Es ist insbesondere über die Begleitung von Hauptschulen und Sonderschulen nachzudenken.
9. Schulseelsorge wird sich entwickeln können als ein Bewusstseinsprozess, durch den Schule als ein Lebensfeld von Jugendlichen gesehen wird, in dem Kirche vorkommen muss!
Anlage 3
Erfahrungsbericht
einer
Pastorin im Sonderdienst für Jugendseelsorge
am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg
der Stadt Oberhausen
vorgelegt von Carolin Wachsmuth
Am Anfang also Beziehung.
Am Anfang: Rhythmus.
Am Anfang Geselligkeit.
Und weil Geselligkeit: Wort.
Und im Werk, das sie schuf,
suchte die gesellige Gottheit sich
neue Geselligkeiten.
Weder Berührungsängste
noch hierarchische Attitüden.
Eine Gottheit, die vibriert
vor Lust, vor Leben.
Die überspringen will
auf alles,
auf alle.
Kurt Marti [1]
1. Rahmenbedingungen
Seit Beginn des Schuljahrs 1996/97 besteht am Käthe-Kollwitz-Berufskolleg ein Schülercafe. Das Konzept dieses Cafes sieht vor, an der Schule, welche die unterschiedlichsten Schulformen [2] anbietet und daher von einer heterogenen und zum Teil sehr problembeladenen Schüler/ -innenschaft geprägt ist, einen Ort der Begegnung in vielfältiger Weise anzubieten.
In diesem Rahmen wurde die außerunterrichtliche Begleitung einer Pastorin im Sonderdienst für den Bereich Jugendseelsorge als eine Bereicherung und Chance erkannt und eingerichtet. Die Betonung der außerunterrichtlichen Begleitung entstand dabei aus der Erkenntnis, dass es sinnvoll sein würde, eine Ansprechpartnerin für die Schüler/ -innen zu haben, die in keiner Weise mit Formen der Leistungsbewertung in Verbindung zu bringen und in besonderer Weise der Neutralität (Schweigepflicht) verpflichtet ist.
Im Laufe der Zeit stellte sich meine Arbeit als eine Entlastung und Unterstützung, besonders der Klassenlehrer/ -innen in ihrer Beratungsfunktion heraus. Häufig ist es diesen in der Hektik des Schulalltages kaum möglich auf die unterschiedlichen Problemlagen der Schüler/ -innen angemessen einzugehen, da ihnen schlichtweg die Zeit fehlt.
Das Konzept des Cafes ist auf dem Hintergrund der zunehmenden Öffnung von Schule zu sehen. Da Schule sich als lern- und zunehmend auch als Lernort für die Schüler/ -innen versteht, sollte am Käthe- Kollwitz- Berufskolleg ein Ort der informellen Begegnung und der Ermöglichung von Transparenz für die vielfältigen Ausbildungs- und Berufsrichtungen der Schule geboten werden (z.B. in Form von Ausstellungen und Projekten). So ist das Cafe ein wichtiger Aspekt der Schulkultur.
Das Cafe beinhaltet drei Schwerpunkte: Zum eine wird hier die Verköstigung der Schule durch Brötchen, Pizzen etc. angeboten, was z.T. als Praxisfeld für den hauswirtschaftlichen Unterricht und z.T. als gemeinsames Schulprojekt, in dem Schüler/ -innen für Schüler/ -innen arbeiten, organisiert ist.
Darüber hinaus bietet das Cafe vielfältige Formen schulischer Jugendarbeit an.
Informeller Begegnungsort
Ort für Transparenz unterschiedlicher Fachrichtungen
Teil der Schulkultur
· Praxisfeld für hauswirtschaftlichen Unterricht · gemeinsames Schulprojekt |
· Angebot vielfältiger schulischer Jugendarbeit |
· niederschwelliges Beratungsangebot |
Die Kontaktarbeit ist die Basis und Voraussetzung meiner seelsorgerlichen Tätigkeit. Da ich keinen Unterricht erteile, bin ich in der Kontaktaufnahme zu den Schüler/ -innen darauf angewiesen, mich immer wieder neu bekannt zu machen. Daher gehe ich zu Beginn des Schuljahres durch alle Klassen und weise auf meine Arbeit hin. Darüber hinaus nutze ich jede Möglichkeit der Zusammenarbeit mit den Lehrer/ -innen und damit auch mit ihren jeweiligen Klassen. So habe ich Einführungswochen und Kennenlerntage in unterschiedlichen Berufsrichtungen (Erzieher/- innen, Berufsgrundschuljahr) mitvorbereitet und mitgestaltet. Dort, wo ich Ausflüge, Klassenfahrten oder Exkursionen begleiten konnte, war dies jeweils eine Chance für mich, Klassenverbände zu erleben und Schüler/ -innen näher kennenzulernen.
Umgekehrt war es für die Schüler/ -innen eine Möglichkeit einen ersten Eindruck von mir zu erhalten. In diesem Zusammenhang stehen u.a. auch Unterrichtsreihen, die ich mit Lehrer/ -innen gemeinsam vorbereitet und durchgeführt habe. (Themen waren hier: „Meine erste Bude“ (mit der Verbraucherberatung), Ökologie im Friseursalon, „Sehn- Süchte“ (mit der Drogenberatungsstelle), Schuldnerberatung und –prävention, türkisch- deutsche Frauenbewegung, Förderangebote, Angebote zum Abbau von Prüfungsängsten und zur Förderung von Lernmotivation, präventive Maßnahmen zur Stärkung der Klassengemeinschaft, Gen- Ethik, Tansania in der Schuldenfalle, etc.)
b) Seelsorgerliche Gespräche
Auf der Basis der gerade beschriebenen Bekanntheit und durch eine Vielzahl der Begegnungen im Cafe sind nähere Kontakte oft dadurch entstanden, dass ich die Schüler/ -innen häufig mit einem freundlichen „Hallo!“ begrüßt habe, was beim x-Mal die Nachfrage meinerseits ermöglicht: „Heute geht es dir nicht so gut, oder?“ und darüber zu einem tiefergehenden Gespräch und einer intensiven seelsorgerlichen Begleitung führt. Dies geschieht sowohl in Einzelgesprächen, als auch in Gesprächsreihen. So habe ich in vielfältiger Weise Schüler/ -innen begleiten und ihnen eine empathische Ansprechpartnerin sein können, die sie ernst nimmt, die Zeit für sie hat, sich für sie interessiert und einmal nicht etwas Bestimmtes von ihnen will, sondern einfach für sie da ist. Zur Verdeutlichung der möglichen Themen, die in den seelsorgerlichen Gesprächen vorkamen, nenne ich folgende Beispiele:
· Entwicklung beruflicher Orientierung |
· Einsamkeit, Außenseiterrolle | |
· Verselbständigung vom Elternhaus |
· Probleme als Flüchtling in D. | |
· Probleme mit dem Freund |
· Abrutschen in die Prostitution | |
· Probleme mit Eltern, Ehescheidung, Alkoholismus |
· Drogenprobleme | |
· Probleme türkischer Mädchen zwischen den Kulturen |
· Schwangeschaft mit 15 Jahren | |
· Gewalterfahrungen |
· Krankheit und Tod eines nahen Angehörigen | |
· Sexueller Missbrauch |
· Mord an einer Mitschülerin | |
· Vergewaltigung |
· Essstörungen (Magersucht, Bulemie, Fresssucht) | |
· |
· psychatrische Krankheitsbilder | |
· |
· Aids |
Darüber hinaus konnte ich Lehrer/-innen bei Konflikten oder Problemen mit Schüler/-innen begleiten und beraten und ihnen so eine vertrauensvolle Ansprechpartnerin sein – manchesmal auch in persönlichen Angelegenheiten.
Anhand dieser liste wird ersichtlich, dass zum einen eine verstärkte Supervision. Und zum anderen eine kontinuierliche Kompetenzerweiterung in Richtung Jugend- und Sozialarbeit für meine seelsorgerliche Arbeit dringend erforderlich ist. Daher habe ich die Gelegenheit der Fortbildung zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten (Tagungen: Schnittstelle: Schule- Jugendarbeit, Streitschlichter- Programm, Verband der Beratungslehrer/ -innen, zum Risikoverhalten bei Mädchen mit den Schwerpunkten: Essstörungen/ Gewalt und Mädchen/ Berufsorientierung von Mädchen so wie eine Fortbildung: Konfrontative Pädagogik) wahrgenommen.
3. Vernetzungsarbeit
Als Pastorin i.S. ohne Unterrichtsauftrag bin ich in mehrfacher Hinsicht Grenzgängerin. Dies ist einerseits eine besondere Chance, denn da ich eben nicht in unterrichtliche oder städtische Strukturen eingebunden bin, kann ich für die Schüler/ -innen in besonderer Weise eine Person des Vertrauens sein. Andererseits macht dies für meine Arbeit eine vielfältige und zeitintensive Vernetzungsarbeit mit Arbeitsgruppen, Konferenzen, Gremien, Beratungs- und Anlaufstellen erforderlich um Informationen zu erhalten, Kontakte herzustellen und den Austausch zu ermöglichen. Im folgenden Schaubild sind die Kontakte einmal dargestellt:
Vernetzung
ausserschulisch |
Ev. Kirche Oberhausen | ||
· Jugendausschuss ·
gemeinsame Freizeiten, Mädchen | |||
innerschulisch |
Stadt Oberhausen |
· Schulleitung | |
· Jugendamt |
· LehrerInnenkonferenz |
· Regionale Schulberatungsstelle | |
· Stadtteilzentren |
· Fachkonferenzen (z.B. Religion) |
· städt., konf. psychologische Beratungsstellen | |
· AK Jugendorientierung zur Gewaltprävention |
· Steuergruppe Café |
· Drogenberatungsstelle · Aidsberatung · Verbraucherberatung ·
Ev. Flüchtlings- · Ev. Schuldnerberatung | |
· Arbeitsamt |
· Beratungslehrerinnen | ||
· Maßnahmeträger |
· Steuerungsgruppen zu Einzelprojekten (z.B. Schulfest) | ||
Mädchenarbeit | |||
· Mädchenarbeitskreis · Frauen helfen Frauen e.V. ·
EL ELE (Fördermaßnahme für ausländische
|
Da es zu meinem Selbstverständnis als Pastorin i.S. gehört den Brückenschlag von Schule und Kirche zu praktizieren, bin ich über die übliche Weise im Sonderdienst vollzogene Angliederung an eine Gemeinde hinausgehend (Presbyterium und Gottesdienste, Amtshandlungen) in der Ev. Markuskirchengemeinde Oberhausen in der kirchlichen Jugendarbeit engagiert. In unterschiedlichen Projekten im Rahmen der Gemeinde, die von punktueller Begleitung im Konfirmationsunterricht, Buß- und Bettagsaktionen, Mädchenwochenenden bis hin zu Sommerfreizeiten reichen, haben sich Formen der Zusammenarbeit ergeben, die einerseits die Jugendlichen, (die z.T. sowohl in kirchlichen Bereich als auch an der Schule sind) und andererseits auch die Fachkräfte der kirchlichen Jugendarbeit betreffen.
Daraus haben sich auch auf kreiskirchlicher Ebene gemeinsame Aktionen ergeben, die von der dafür notwendigen Ausschussarbeit, über das Jugendcamp in Wetzlar, bis hin zu Ehrenamtlichenschulungen für Ferienfreizeiten reichen.
4. Projekte und Aktionen im Rahmen der Jugendarbeit
Die Formen von Jugendarbeit stehen für mich unter der Zielvorgabe Gemeinschaft zu ermöglichen, solidarisches Handeln einzuüben und zur Sensibilisierung im Sinne von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung beizutragen.
a) Vorurteilsloser Umgang miteinander
Angesichts der sehr heterogenen Schüler/ -innenschaft, sowohl bezüglich des sozialen Levels als auch der Nationalitäten, geht es zum anderen schwerpunktmäßig darum, für das Andere und das Fremde zu sensibilisieren und so zu einem vorurteilsloseren und gerechteren Umgang miteinander zu befähigen.
Eine Möglichkeit, die Vielfalt und die Unterschiedlichkeit der Schüler/ -innenschaft transparent werden zu lassen und zur Begegnung oder Auseinandersetzung damit anzuregen, ist u.a. die wechselnde Raumgestaltung des Cafes (Ergebnisse von Unterrichtsreihen, Projektwochen- Präsentationen, Fotowettbewerbe, Ausstellungen, Internetaktionen...), die z.T. von mir mitorganisiert und ermöglicht wurden.
Aber auch Einzelaktionen, wie die Initiierung eines türkischen Vormittages, der von türkischen Schülerinnen kulinarisch und musikalisch gestaltet wurde, eine türkisch-deutsche Unterrichtsreihe oder eine Miniaktion während der Pause zum Opfer- oder Zuckerfest, sind Bemühungen, dem allgemein- gesellschaftlich zunehmend unsolidarischen und vorurteilsbeladenen Umgang mit ausländischen Volksgruppen christliche Solidarität mit den Schwachen entgegenzusetzen. Hierher gehören auch Projekte wie das, in denen z.B. Kinderpflegerinnen durch Kinderbetreuung im Flüchtlingswohnheim zur Auseinandersetzung mit der Lebenssituation der Flüchtlingskinder geführt werden oder ein „Multikulti“- Projekttag, an dem mit dem Theater, Interviews, Kalendergestaltung, Ausstellungen und Fragebogenaktionen der Vielfalt der Nationalitäten an unserer Schule Rechnung getragen werden soll.
b) Weltweite Gerechtigkeit
Über den Schulrahmen hinausgehend im Sinne weltweiter Gerechtigkeit, fand Solidarität auch Ausdruck in Hilfsaktionen für Bosnien, die Erdbebenopfer in der Türkei und jetzt zum zweiten Mal für Rumänien. Hierher gehört auch die beginnende Partnerschaft mit Saporoshje (Weißrussland), die Ausstellung der Kampagne „saubere Kleidung“ und Aktionstage, die „Tansania in der Schuldenfalle“ ins Gespräch bringen und zur Auseinandersetzung mit der Verschuldungsproblematik anregen.
c) Stärkung des Selbstbewusstseins von Mädchen und jungen Frauen
Da das Käthe-Kollwitz-Berufskolleg vor allem Ausbildungen und Fachrichtungen anbietet, die in unserer Gesellschaft immer noch vorwiegend von Frauen wahrgenommen werden, begegnen mir in besonderer Weise die vielschichtigen Problemlagen, die Mädchen und junge Frauen in unserer Gesellschaft zu bewältigen haben. Die Auseinandersetzung mit tradierten Rollenvorstellungen, das oft wenig ausgeprägte Selbstbewusstsein auf Grund von persönlichen Erfahrungen und familiären Schwierigkeiten, so wie der gebrochene Umgang mit dem eigenen Körper haben mich nach Formen und Projekten suchen lassen, die der aus meiner theologischen Sicht der Erfahrbarkeit der Ebenbildlichkeit Gottes, nämlich als ein von Gott geliebtes und gewolltes, als wunderbar (schön) geschaffenes Geschöpf Gottes, entgegenkommen. Die Ermutigung zu Eigensinn und Eigenverantwortlichkeit, zu Selbstwahrnehmung und Selbstachtung finden in Projekten Ausdruck, die z.B. unter dem Motto firmieren: „Keine ist so schön wie ich“ oder „TroPiKo“ (trotz Pille und Kondom) einem Aktionstag zum Thema Verhütung. Dabei geht es darum die Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit und eine kritische Distanz zu den Idealen, wie sie die Werbung propagiert, zu entwickeln. In diesem Zusammenhang steht auch das Organisieren von Selbstbehauptungstrainings, Rethorikschulungen etc...
d) Das Streitschlichter- Programm
Im Sinne christlicher Friedenserziehung konnte ich darüber hinaus, in Zusammenarbeit mit der Beratungslehrerin, das Streitschlichter- Programm zu einem wichtigen Schwerpunkt meiner Arbeit entwickeln. Angesichts der oft konfliktreichen Heterogenität auch innerhalb der Klassen sollen die Schüler/ -innen darin gefördert werden, Konflikte selber gezielt anzugehen und ihnen zu vermitteln. Dazu werden konfliktlösende Methoden der Meditation erlernt. Als unparteiische Dritte sollen die Schüler/ -innen mit Hilfe eines Mediationsgespräches die Konflikthintergründe der sich streitenden Parteien erhellen und ihnen methodische Hilfen vorschlagen, mit denen diese dann zu einer beiderseitig akzeptierten Lösung des Konfliktes gelangen können. Die Chance dieser Methode liegt darin, daß hier nicht erst die Lehrer/ -innen die Vermittlerrolle übertragen bekommen, sondern Schüler/ -innen, die oft viel eher von einer Konfliktsituation erfahren, schon im Vorfeld vermitteln können. So erlernen einige in der Klasse die Methode, um unter Schüler/-innen ihrer eigenen oder der Parallelklasse aktiv streitschlichtend eingreifen zu können. Diese Schulung findet an mehreren Nachmittagen und während eines gemeinsam verbrachten Wochenendes [3] statt. Aus dem anfänglich aus einer Lehrerin und mir bestehendem Team, ist im Laufe der Jahre ein Team von 10 Lehrerinnen geworden, dass ca. 180 Schüler/ -innen geschult hat, die sich freiwillig auf das Programm eingelassen haben und ehrenamtlich bereit sind sich in Konflikten oder bei der Ausbildung der nachfolgenden „Generation“ von Streitschlichtern zu engagieren.
e) Reflexionsfreizeiten
Jugendarbeit ist im schulischen Umfeld und besonders an einer berufsbildenden Schule äußerst schwierig umzusetzen. Als Hemmnis ist zum einen die Schule als Ort der Arbeit und nicht der Freizeitgestaltung zu problematisieren und zum anderen ist es häufig äußerst schwierig, Schüler/ -innen ähnlicher Interessenslagen zeitlich zu koordinieren. Daher gewinnen Freizeiten einen ganz besonderen Stellenwert. Sie sind eine bedeutsame Chance, das Leben miteinander zu teilen, sich intensiver zu begegnen und christliche Inhalte zu erleben.
So fanden Reflexionstagungen unter dem Motto „Auszeit“, „Verwandlungen“ und „Traum- Zeit“ statt. Mit Hilfe unterschiedlicher kreativer Methoden (Phantasiereisen, Entspannungsübungen, Theater, musikalische und künstlerische Gestaltung...) ging es dabei darum die besondere Lebenssituation der Schüler/-innen auf der Schwelle zum Berufsleben oder auf der Suche nach einer individuellen und sinnerfüllten Lebensperspektive zu reflektieren und sie zu stärken und zu ermutigen. Dabei ging es in der Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie häufig darum die vorhandenen Gaben und Fähigkeiten ernst zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund sind auch die beiden Sommerfreizeiten in Kooperation mit der Ev. Markusgemeinde und das oben schon erwähnte Jugendcamp in kreiskirchlicher Kooperation in ihren unterschiedlichen Ausrichtungen zu verstehen.
5. Bewertung
Als Pastorin ohne Unterrichtsauftrag in einem Arbeitsfeld, das sehr stark leistungsorientiert ist und sozialarbeiterische Kompetenzen erfordert, sollte ich seelsorgerliche Begleitung installieren und Jugendarbeit in einem von Schulstrukturen besetzten Umfeld aufbauen. Damit bin ich in meiner Arbeit mit einer Vielfalt von unterschiedlichen Interessen und Erwartungen (Schüler/ -innen, Schulleitung, Lehrer/ -innen, Steuerungsgruppe, Cafebetrieb, Kirche und letztlich meine eigenen) konfrontiert.
Die Anfangszeit war dabei stark dadurch geprägt die Strukturen der sehr komplexen Schule zu begreifen, mich einzuarbeiten und meine Rolle zu finden. Hier bin ich sehr von der vielfältigen und wohlmeinenden Unterstützung der Lehrer/-Innen und der Schulleitung getragen worden.
Schwierig war für mich der Neuanfang im jeweils neuen Schuljahr, da viele Schüler/-innen nur ca. 1-2 Jahre an der Schule bleiben. Dies hat sich in sofern verändert, da sich zunehmend eine „Kultur der Jugend- und Beratungsarbeit“ an der Schule institutionalisiert hat, so dass auch jahrgangsübergreifend Projekte von Schüler/ -innen selbst initiiert und getragen werden (z.B. SV- Zeitung, Radio- AG).
Teilweise kommen sogar Schüler/-innen, die nicht mehr an der Schule sind und z.Zt. arbeitslos sind, um das Cafe als Anlaufstelle zu nutzen.
Im Laufe der Zeit hat sich für mich ein Rollenprofil herauskristallisiert, das sehr stark auf seelsorgerliche Einzelberatung und Begleitung von Schüler/ -innen abzielt und in dem ich die schulische Jugendarbeit als vielfältiges Feld der Stärkung des Selbstwertgefühls in geistiger, geistlicher und körperlicher Hinsicht erfahren habe.
So ist inzwischen die Schule „meine Gemeinde“ geworden, in der hauptsächlich meine seelsorgerlichen Kompetenzen gefordert sind. „Willkommen im Leben“ ist das „Motto“, unter das ich die letzten drei Jahre stellen würde. Ich bin konfrontiert worden mit einer Lebenswirklichkeit in Oberhausen und Umgebung, in der manche Fünfzehnjährige eine Lebenserfahrung mitbringen, die mir den Atem hat stocken lassen. Hier galt es ganz im Sinne des paulinischen Ansatzes „den Juden ein Jude, denen unter dem Gesetz, wie einer unter dem Gesetz und den Schwachen wie ein Schwacher“ (vgl. 1. Kor. 9, 19-22) offen für die Lebenswelt der Schüler/ -innen zu sein. Fragen, die mich dabei begleitet haben, waren: Was ist jetzt im Augenblick wichtig für den- oder diejenige, der/ die mir gegenüber sitzt oder in der Türe neben mir steht? Wo liegen die Maßstäbe der Orientierung für mich und für mein Gegenüber? Wie kann ich vermitteln, was mich selber hält und trägt? Von den Gleichnissen Jesu (z.B: Mk 2, 1-12) habe ich gelernt, dass Gott aufrechte, bewegliche Menschen will, die ihr Leben in die Hand nehmen und gehen lernen, trotz so viel lähmender, niederdrückender und entmutigender Erfahrungen. Und manchmal passieren dann tatsächlich die kleinen und großen Wunder. Dann, wenn ein Schüler, eine Schülerin plötzlich aufsteht und geht; oder anders ausgedrückt: ein Stück Lähmung ablegt und zu den eigenen Gaben und Möglichkeiten findet und diese auch leben lernt. Auf diesem Weg konnte ich schon manchesmal Wegbegleiterin sein; und das ist manchmal schon wunderbar viel. Aber auch das Umgekehrte ist passiert. Der Kampf am Jabbok (Gen.32, 23-33), den ich hier übertrage auf den Kampf der Schüler/-innen mit Gott, dem Leben, der eigenen Identität, der ungewissen Zukunft. „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn (32,27)“, damit das Ringen aufhören kann, obwohl es scheint, als würde es niemals enden. Manchmal stehe ich dann daneben und bete, hoffe, dass es doch noch anders kommen wird.
Dabei habe ich inzwischen gelernt, dass unsichtbar an mein Revers geheftet ist: „Diese Frau ist (seltsam genug) von der Kirche“. So habe ich mich auch als ein Stück Kirchenpräsenz mitten in dem every – day – life der Schüler/ -innen und auch oft der Lehrer/ -innen erlebt. Leuten, die mir selten in Gemeinden begegnen würden, bin ich so nah gekommen und habe mit ihnen leben können.
Da die familiären Strukturen zunehmend bröckeln und die Zukunftsperspektiven der Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer bedrückender werden, habe ich Schule als ein sehr bedeutungsvolles Arbeitsfeld kennengelernt, in dem seelsorgerliche Begleitung Not- wendig ist und christliche Inhalte lebendig und vielfältig erfahren werden können.
Dass die Schule sich hier der Kirche öffnet, ist eine Möglichkeit der Kooperation und Bereicherung, von der beide Seiten profitieren können. Gerade in Zeiten von zunehmender Fremdheit gegenüber herkömmlichen Kirchenstrukturen ist m. E. diese Form der nachgehenden und begleitenden Seelsorge mitten in der Alltäglichkeit eine wichtige Chance für Kirche, Kirche für andere zu sein.
6. Aus den Erfahrungen gewachsene Forderungen an ein Profil zukünftiger Schulseelsorger/innen
a) Eine Schulseelsorger/-in hat Zeit...
dort, wo andere Lehrer/ -innen zwischen Tür und Angel agieren müssen, weil die Vielfalt der Anforderungen pädagogischer, fachlicher, organisatorischer und bürokratischer Art zunehmen. Von einem/-r (Klassen-) Lehrer/-in sollen in der Vielfalt der obengenannten Anforderungsrichtungen immer wieder neue Ansätze entwickelt und umgesetzt werden. Das kostet Zeit und Energie. Dadurch wird Zeit für aktuelle, von den Schüler/-innen häufig sehr spontan eingeforderte Beratungs- und Begleitungssituationen zu einem Luxus für engagierte Lehrer/-innen, die meistens auf Kosten ihrer persönlichen Zeit und Kräfte geht.
Hier bietet Schulseelsorge eine sinnvolle Alternative. Dies setzt voraus, dass der /die Schulseelsorger/-in tatsächlich ausreichend Zeit zur freien Verfügung hat und diese flexibel nutzen kann.
Ein/-e Schulseelsorger/-in braucht Unterstützung. Ohne schulinternen Rückhalt und Unterstützung fließen notwendige Informationen nicht. Schüler/-innen finden nicht den Weg zur Beratung oder auch zu Projekten der schulinternen Jugendarbeit. Daher ist eine gezielte Kontaktarbeit und Vernetzung innerhalb des Kollegiums und der schulischen Gremien eine wesentliche Basis um die Arbeit sinnvoll zu leisten.
- schulübergreifend
Schule ist, trotz des Anliegens sich zunehmend zu öffnen, ein noch sehr in sich geschlossenes System. Ähnliches gilt häufig für kirchliche Gemeindearbeit. Hier kann die Schulseelsorge ein Bindeglied sein, das Vernetzungsmöglichkeiten und Kontakte aufzeigt und herstellt. Ressourcen, wie z.B. vielfältige fachliche Kompetenzen, Räumlichkeiten und gemeinsam getragene Ideen und Projekte liegen häufig noch brach, weil sie einfach nicht in den Blick kommen. Kirchliche Jugendarbeit könnte von der Öffnung der Schule profitieren und umgekehrt die Schule von den intensiven Kontakten der kirchlichen Jugendarbeit zu den Jugendlichen.
Die zunehmenden Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen in unsere komplexe Welt hineinzuwachsen bei zunehmender Vereinzelung und häufig dem gleichzeitigen Verlust familiären Rückhalts, stellt ebenfalls zunehmende Anforderungen an Schule und Jugendarbeit. Diese gemeinsam zu bewältigen, nach Formen der kontinuierlichen Zusammenarbeit und gegenseitigen Ergänzung zu suchen, einander in den Blick zu bekommen, stellt für beide Seiten eine Bereicherung dar.
Um als Schulseelsorge hier Vernetzungen zu ermöglichen bedarf es wiederum zeitlicher Freistellung. (Ein Grund warum Schule und Jugendarbeit häufig nicht zueinander finden, ist die jeweilige zeitliche Belastung, die Vernetzungsarbeit als eine zusätzliche Arbeit einzelner Engagierter werden läßt. Darüber hinaus sind die Hauptarbeitszeiten von Schule und Jugendarbeit zeitlich verschoben: Die Jugendarbeiter/-innen konferieren vormittags, und die Lehrer/-innen nachmittags...)
c) Eine Schulseelsorger/-in braucht Freiheiten
Eine Freiheit besteht in der ganz wichtigen Möglichkeit sich auf die Schweigepflicht berufen zu können. Dies ist als Vertrauensbasis ein wesentlicher Punkt im Umgang mit den oft problembeladenen Jugendlichen. Dies sollte nicht unterschätzt werden.
Eine andere Freiheit besteht darin als „Grenzgänger/-in“ zwischen den Systemen selbständig entscheiden zu können, in welchen Gremien es sinnvoll ist, mitzuarbeiten. Da ausserhalb der Schule Gremien wichtig werden können, ist es nicht immer möglich alle schulinternen wahrzunehmen und umgekehrt.
d) Ein/-e Schulseelsorger/-in braucht Supervision
Angesichts der Komplexität der systemübergreifenden Aufgabe und der Vielfalt der Problemlagen bei den Jugendlichen bedarf es einem Ort der Begleitung für den/die Seelsorger/-in. Hier haben die eigenen Standortbestimmungen „auf der Grenze“ als auch Einzelfallbesprechungen ihren Ort, um die Qualität der Arbeit zu sichern.
SCHULSEELSORGE
AN DER
ALFRED-DELP-SCHULE IN HARGESHEIM
(Gesamtschule in Trägerschaft des Bistums Trier)
... will über den Religionsunterricht hinaus den christlichen Glauben wachhalten und erfahrbar machen,
... will jungen Menschen helfen zu einer vernünftigen Selbstbestimmung zu gelangen,
... will einladen, Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen, und will noch vieles mehr.
Solch allgemeine Be- und Umschreibungen für das, was Schulseelsorge will, finden sich in zahlreichen offiziellen Dokumenten und Konzeptionen.
Diese grundsätzlichen Erwägungen werden von den Verantwortlichen an der ADS im wesentlichen geteilt; freilich gilt es sie umzusetzen in das konkrete Schulleben.
Anhand der drei Grundfunktionen von Kirche – Verkündigung, Liturgie und Diakonie – soll dies ausschnitthaft kurz dargestellt und konkretisiert werden.
1. Verkündigung – Leben und Glauben zusprechen:
Orientierungstage für die Schüler unserer Abschlußklassen gehören seit Jahren zum festen Bestandteil der Schulseelsorge. Besondere Lern- und Lebensorte des Glaubens halten wir dafür besonders geeignet wie z.B. Kloster Jakobsberg, Kloster Maria Martental, Haus Wasserburg, Kloster Arnstein, Marienburg u.a. Zwischen drei und fünf Tagen haben die Schüler dabei Gelegenheit, sich mit Fragen nach dem Sinn ihres Lebens, nach christlicher Lebensgestaltung und weiteren religiösen Fragen unter der Leitung eines fachkundigen Referenten/oder des Klassenlehrers uns/oder einer der beiden Schulpfarrer auseinanderzusetzen.
Oberstufenschüler nehmen unter der Leitung der beiden Schulpfarrer an den Katholiken- und Kirchentagen teil und lernen so das Spektrum katholischen und evangelischen Lebens in unserem Land kennen.
Zu verschiedenen Anlässen, besonders am Alfred-Delp-Tag sind kompetente Gesprächspartner gern gesehene Gäste an unserer Schule, die aus ihren Wirkungsfeldern berichten und mit unseren Schülern ins Gespräch kommen.
Anfang und Ende eines Schuljahres wird an unserer Schule mit einer gottesdienstlichen Versammlung der ganzen Schulgemeinschaft unter Mitwirkung der Musikschaffenden auf dem Schulhof begangen. Insbesondere die Entlassfeiern der Haupt- und Realschüler und der Abiturienten zählen zu den Höhepunkten des gottesdienstlichen Lebens an unsere Schule. Auch im Laufe eines Schuljahres werden sowohl ökumenische Gottesdienste als auch Eucharistie- bzw. Abendmahlfeiern stufenbezogen angeboten.
Im Frühjahr sind Schüler, Eltern und Lehrer zu einer Nachtwallfahrt von Hargesheim nach Spabrücken eingeladen, die jeweils unter einem bestimmten Thema steht.
Im November gedenken wir im Rahmen einer Eucharistiefeier in der Kreuznacher St. Nikolauskirche der Verstorbenen unserer Schulgemeinschaft.
In den besonderen Zeiten des Kirchenjahres (Advent/Fastenzeit) werden gemeinsame Morgenfeiern gehalten.
3. Diakonie – Leben und Glauben ermöglichen:
Bis heute engagiert sich unsere Schule für zahlreiche Projekte, die Menschen in Not zugute kommen: so besteht seit einiger Zeit eine Partnerschaft zu einer bolivianischen Schule, die wir bereits zweimal mit einem Solidaritätsmarsch der ganzen Schulgemeinde unterstützt haben (Gesamterlöse: 140.000,--DM). Zunehmend wichtiger und gefragter werden Beratungsgespräche mit Schülern, die sich in persönlichen Konflikt- und Problemsituationen befinden.
Ganz im Sinne unseres Schulpatrons ist all unser seelsorgerliches Tun vom Geist der Ökumene geprägt; dies ist uns selbstverständlicher Auftrag und Verpflichtung
Günter Hardt
SCHULSEELSORGE
AN DER
ALFRED-DELP-SCHULE IN HARGESHEIM
Unter der Leitung eines katholischen und eines evangelischen Schulpfarrers treffen sich regelmäßig ca. 12 Lehrerinnen und Lehrer aus allen drei Schularten, um miteinander Schulseelsorge an der ADS grundsätzlich zu beraten und konkrete Angebote zu planen und zu gestalten.
Nur ausschnitthaft seien ein paar Beispiele aufgezählt:
- wir feiern regelmäßig Gottesdienst miteinander – als Schulgemeinschaft, in Jahrgangsstufen, auf Klassenebene, zur Entlassung unsrer Haupt- und Realschüler und der Abiturienten;
- den Schüler der Abschlußklassen werden Orientierungstage an besonderen Lernorten des Glaubens angeboten, z.B. in Klöstern;
- wir begehen in festlicher Form den Todestag unseres Schulpatrons und gedenken der Verstorbenen unsrer Schulgemeinschaft;
- wir üben Solidarität mit Kindern und Jugendlichen aus anderen Teilen der Erde, z.B. in Bolivien (der letzte Solidaritätsmarsch erbrachte 80.000,-- DM)
- wir versuchen in Beratungsgesprächen auf besondere Probleme unsrer Schülerinnen und Schüler einzugehen und sie in schwierigen Lebensabschnitten zu begleiten.
Viele andere Aktivitäten müssten erwähnt und beschrieben werden – dies würde den Rahmen sprengen. Ganz im Sinne unseres Schulpatrons ist all unser seelsorgerliches Tun vom Geist der Ökumene geprägt; dies ist uns selbstverständlicher Auftrag und Verpflichtung
Schulseelsorge
Orientierungstage an der Alfred Delp Schule
Inhalt: 1.Grundsätzliches
2. Ziele
3. Themen
4. Verlauf und Gestaltung
5. Häuserliste (nicht beigefügt)
6. Praktische Hinweise zur inhaltlichen Gestaltung
1. Grundsätzliches
Schulendtage, Besinnungstage, Einkehrtage- all diese Begriffe lassen sich bündeln in dem unserer Meinung nach geeignetsten Begriff Orientierungstage.
Solche Tage der Orientierung wollen Fragen junger Menschen aufgreifen und Handlungsmodelle aufzeigen. Dabei sollen die Jugendlichen zu Einstellungen und Verhaltensweisen kommen, die zu einem geglückten und sinnvollen Leben beitragen.
Orientierungstage möchten junge Menschen ermutigen, ihr Leben im Vertrauen auf die christliche Botschaft zu gestalten.
Sie haben also nicht in erster Linie die Vermittlung religiöser Inhalte zum Ziel. Es handelt sich ebenfalls nicht um einen ausgelagerten und zeitlich verlängerten Religionsunterricht: sie bieten auch nicht die letzte wahrzunehmende Chance, all das in Elternhaus, Religionsunterricht und Pfarrgemeinde Versäumte nachzuholen.
Vielmehr werden die vorhandenen Lebenssituationen der Schülerinnen und Schüler aufgegriffen, gemeinsam werden Lösungsmodelle gesucht und angeboten.
All dies darf weder theoretisch noch abstrakt geschehen, sondern Orientierungstage versuchen Erfahrungsräume eines solchen Lebens aus dem Glauben zu schaffen. Die Erlebnisse dieser Tage können Brücken auf dem Weg der jungen Menschen sein, bei der Suche nach der Erfüllung ihrer persönlichen Bedürfnisse wie Glück, Liebe, Frieden u.s.w.
Orientierungstage wollen motivieren und befähigen, das eigene Leben am Weg Jesu zu orientieren oder anders gesagt: Lebenshilfe durch Glaubenshilfe zu ermöglichen.
2. Ziele
Dieses Ziel der Orientierungstage läßt sich in folgende Teilziele auffächern:
- den jungen Menschen die Möglichkeit geben, eigene Probleme auch Glaubensprobleme – anzusprechen (im seelsorgerlichen Gespräch) und persönliche Erfahrungen ins Gespräch einzubringen.
- eine Atmosphäre schaffen, in der sich junge Menschen wohlfühlen können.
- das Gemeinschaftsbewußtsein erlebnismäßig fördern, um ein menschliches Miteinander erleben zu können.
- Erholung, Ausruhen, Entspammung ermöglichen; Unterhaltung und Geselligkeit fördern; musisch-kreatives Tun anregen u. entdecken.
- Hilfen bereitstellen, die eigene Lebenssituation zu reflektieren und seine eigene Einstellung kritisch zu befragen lernen.
- menschliche Grunderfahrungen deuten und in einen Sinnzusammenhang bringen.
- religiöse Erfahrungen ermöglichen.
- Möglichkeit geben, Mißverständisse im Blick auf den Glauben auszuräumen und den Weg freizumachen zu einer tragfähigen Glaubensentscheidung.
- Haltungen und Formen christlichen Lebens einüben helfen.
- die Gruppe als Urform christlicher Gemeinde erschließen und erleben lassen.
- in der Auseinandersetzung mit der Botschaft Jesu eine Antwort auf konkrete Lebensfragen suchen.
- anregen, das Leben aus dem Glauben verstehen zu lernen.
- neu motivieren, sich auf Jesus und seine Botschaft einzulassen.
Die Themen der Orientierungstage haben funktionalen Charakter: Sie sollen Fragen der jungen Menschen thematisieren, ihre Sehnsüchte verbalisieren und dabei die religiöse Dimension anstoßen und zur Sprache bringen. Dabei kommt es nicht auf Vollständigkeit und systematische Abhandlungen an, sondern auf die innere Nähe und den Erfahrungsbezug der Schülerinnen und Schüler.
Demnach bieten sich folgende Themen an:
- Hat mein Leben einen Sinn? (Sinnfrage, Gottesfrage, Identität etc.)
- Was ist wichtig für mein Leben? (Werte, Orientierung, etc.)
- Wie kann/soll ich als Christ leben? (Kirche und moderne Gesellschaft, 10 Gebote/Bergpredigt)
- Konflikte – wie lösen? (Familie, Schule, Beziehungen)
- Ich und die anderen (meine Klasse, soziale Verantwortung, etc.)
- Freundschaft, Liebe, Sexualität (Partnerschaft, Aids, etc.)
- Vom Schüler zum Lehrling (ins Studium, in den Beruf, Abschiednehmen, etc.)
Weitere Themenbeispiele finden sich in den angegebenen Literatur- und Arbeitshilfen.
4. Verlauf und Gestaltung
Jeder Schüler sollte im Laufe seiner Schulzeit mindestens einmal die Gelegenheit erhalten, mit seiner Klasse an Orientierungstagen teilzunehmen.
Das heißt im einzelnen:
Orientierungstage werden angeboten
in der Hauptschule in der 9. Klasse
in der Realschule in der 9. Klasse
im
Gymnasium in der 10
Klasse und als freiwilliges
Angebot in der MSS 13
In der Regel dauern die Veranstaltungen zwischen 3 und 5 Tagen; das Angebot für die Abiturienten findet an einem Wochenende statt. Verantwortlich für die Durchführung der Orientierungstage ist der Klassenlehrer (für die Abiturienten die Schulpfarrer).
Das heißt konkret:
Der/die verantwortliche Lehrer/in entscheidet sich, ob
- er/sie die Orientierungstage eigenverantwortlich durchführt und gestaltet;
- ein Referent für die Orientierungstage verantwortlich ist (in diesem Fall begleitet der/die Klassenlehrer/in nur die Klasse und nimmt die Aufsicht wahr.);
- Referent und Klassenlehrer gemeinsam die Schulendtage vorbereiten (zumindest im Vorfeld absprechen) und durchführen;
- die Schulpfarrer in die Vorbereitung und Durchführung einbezogen werden.
Entsprechend dieser Vor-Entscheidung und nach terminlicher Absprache mit der Schulleitung wird der/die Klassenlehrer/in mit einem Tagungshaus den Zeitpunkt der Orientierungstage festlegen.
Die folgende Übersicht über in Frage kommende Häuser berücksichtigt auch die o.a. 3 Möglichkeiten der Gestaltung.
5. Häuserliste (nicht beigefügt)
6. Praktische Hinweise zur inhaltlichen Gestaltung
- Bottermann, Maria-Regina, Religiöse Orientierungstage. 12 Modelle für Gymnasium, Real- und Berufschulen. München 1983
- Schenkel, Erich, Einkehrtage mit Hauptschülern zum Schulabschluß. München 1982
- Grom, Bernhard/Seitz, Manfred, Mut zu Orientierungstagen mit kirchenfernen Schülern, in: Katechetische Blätter 112 (1987), S. 762-766
- Houben, Udo, ... damit auch die Seele nachkommen kann. Erfahrungen mit Besinnungstagen, in: Katechetische Blätter (1987), S. 768-770.
- Ulrich Schabel (hg.), Das
hätt` ich nicht gedacht, Ein Werkbuch,
Freiburg i.B. 1994
* Die angegebene Literatur ist über die Schulpfarrer auszuleihen.
* Unsere Kollegin, Frau Cäcilia Schmitt, verfügt darüber hinaus über eine Fülle von in der Praxis erprobten Modellen. Sie stellt ihre reiche Materialsammlung gern zur Verfügung.
Hargesheim im November 1994
Für den Arbeitskreis Schulseelsorge
Anlage 4
Entwurf für ein
Qualifizierungsprogramm
„Schulseelsorge“
I. Handlungsfeld
1) Lebensbereich und Lernfeld Schule im Kontext jugendlicher Lebenswelten
- Schule als Institution im Kontext jugendlicher Lebenswelten (Familie, Gleichaltrigengruppe usw.) wahrnehmen: Aufgaben, Rollen, Kommunikationsstruktur, institutionelle Bedingungen für Konflikte und Störungen
- Schulkultur und Gestaltung des Schullebens
- die eigene Geschichte, Schulerfahrung und Spiritualität in ihrer Bedeutung für die Identität als Schulseelsorger/in wahrnehmen
- Konzepte der Seelsorge im Überblick (humanistisch-psychologischer Ansatz, tiefenpsychologisch fundierte Konzepte, klientenzentrierte Beratung/Seelsorge, systemische Seelsorge) kennenlernen
- Konsequenzen für Konzepte der Schulseelsorge
2) Anlässe für Schulseelsorge
- die körperliche, psychische, soziale und religiöse Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als Basis für Seelsorge-Anlässe
- Konflikte in der Familie, unter Schülerinnen und Schülern, mit Lehrerinnen und Lehrern
- Krisen des persönlichen Erlebens und Glaubens (z.B. allgem. Sinnkrise, Abschied und Tod, Suchtproblematik)
- informelle Anlässe für Schulseelsorge (z.B. im Anschluss an Unterricht, auf dem Schulhof, im Schülercafe, bei Klassenfahrten und Freizeiten)
II. Angebote der Schulseelsorge
1) Angebote individueller Seelsorge, Begleitung, Beratung
- Grundhaltungen in der helfenden Beziehung
- Gesprächsführung in Beratung und Seelsorge: Basisqualifikationen
- Basiskompetenzen in der Diagnose und Intervention bei individuellen und sozialen Konflikten und Krisen von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern
- kollegiale Fallbesprechung
- Vernetzung und Kooperation mit anderen Beratungs- und Seelsorgeangeboten
- Erfahrungsaustausch in Gruppen (z.B. Bearbeitung religiöser Selbsterfahrung)
- Schüler- und Jugendprobleme bearbeiten durch Interaktionsspiele und –übungen
- Arbeit mit Eltern, Kolleginnen und Kollegen
3) Gottesdienstliche Angebote
- Spiritualität in der Schule
- Räume für meditative Angebote gestalten
- Schulgottesdienste zu verschiedenen Zeiten und Anlässen
- Andachten und stille Zeiten
III. Einbindung der Schulseelsorge in weitere kirchliche Aktivitäten
- Kooperation im Zusammenhang von Projekten schulnaher Jugendarbeit
- Kooperation mit Kirchengemeinden, Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit
26.09.01 Bm
[1] Marti, Kurt, Die gesellige Gottheit. Ein Diskurs. Stuttgart 1989.
[2] Vorklasse zum Berufsgrundschuljahr
- Berufsgrundschuljahr Körperpflege/Ernährung/Textil/Gesundheit
- Berufsfachschule: Sozial- Gesundheitswesen/Ernährung; Kinderpflegerinnen; Sozialpädagogik
- Berufsschule: Fachklassen des dualen Systems: Friseure, Bäckerei-, Konditorei-, Fleischereifachverkäuferinnen, Hauswirtschafterinnen, Damenschneiderinnen
- Maßnahmenklassen,
- Klassen für Jugendliche ohne Ausbildungsverhältnis
- Vorpraktikant/-innen
- Fachschule für Sozialpädagogik; Hauswirtschaftsmeisterinnen
- Fachoberschule für Sozial-, Gesundheitswesen; Ernährung/Hauswirtschaft
[3] Der unten beschriebene Stellenwert von Freizeiten an einem Berufskolleg gilt auch für diese Wo-
chenenden.