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Fast Atom Bombardment (FAB) |
Massenspektrometrische Desorptionsmethoden |
Bei den Desorptionsmethoden wird die zu analysierende Substanz mit beschleunigten Primärteilchen
im keV- (SIMS, FAB) oder MeV-Energiebereich (PD) beschossen. Der Analyt wird bei der Secondary Ion
Mass Spectrometry SIMS, der Plasma Desorption PD und der Laser Desorption LD in fester Form auf einem
Target ohne Zusätze präpariert und massenspektrometrisch untersucht.
Die Einführung von Matrices in kristalliner Form (Matrix Assisted Laser Desorption Ionization MALDI)
oder in schwerflüchtiger, flüssiger Form (Fast Atom Bombardment FAB) haben die massenspektrometrischen
Desorptionsmethoden revolutioniert.
Die zur Desorption bzw. Ionisation verwandten Primärteilchen können Ionen (SIMS: Cs+,
Ar+), Atome (FAB: Xe, Ar) oder Photonen (LD, MALDI: UV, IR) sein.

Abb.1: Desorptionsmethoden
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Focus: FAB |
1981 wurde von Barber die Desorptionsmethodik FAB vorgestellt, die auf Basis der Erkenntnisse von SIMS
entwickelt worden war. Im Gegensatz zu SIMS wird bei FAB eine Lösung des Analyts in flüssiger
schwer-flüchtiger Matrix (Konzentration nM bis mM) mit keV-Partikeln
beschossen. Untersuchungen ergaben, daß weniger der Ladungszustand des Primärteilchens
(FAB: Xe0; SIMS: Cs+) als vielmehr seine kinetische Energie
für die Ionenbildung entscheidend ist.
Die Effektivität der Ionenbildung nimmt mit zunehmender Masse der Primärteilchen zu.
Heute wird praktisch ausschließlich mit beschleunigten Xenon Atomen bzw. Ionen, erzeugt in
einer Sattelfeld-Entladungskanone, oder thermisch erzeugten Caesium-Ionen als Primärpartikel
bei FAB-MS gearbeitet.
FAB-MS führt zu kontinuierlichen, relativ intensiven Ionenströmen, weil die vom Primärstrahl
zerstäubte Oberfläche des Matrixtropfens ständig erneuert wird.
Aufgrund des Funktionsprinzips von FAB kommen den physikalisch-chemischen Eigenschaften der Matrix
und ihren Wechselwirkungen mit dem Analyten eine Schlüsselrolle zu. Die Probensubstanzen müssen in
der Matrix molekular gelöst sein. Verfügt der Analyt darüber hinaus über oberflächenaktive
Eigenschaften, wird ein besonders empfindlicher FAB-MS Nachweis beobachtet.
Um den Desorptionsvorgang und die Ionenbildung bei FAB-MS zu beschreiben, müssen verschiedene
experimentelle Ergebnisse und theoretische Überlegungen betrachtet und interpretiert werden.
Bei SIMS wird beobachtet, daß aus der obersten monomolekularen Schicht vorgebildete Ionen durch
unmittelbare Impulsübertragung der Primärteilchen desorbiert werden.
Auch in FAB-MS-Spektren zeigen oberflächenaktive Analyten hohe Signalintensitäten und können
besonders empfindlich nachgewiesen werden. Davon kann abgeleitet werden, daß an der Oberfläche
des Matrixtropfens befindliche, vorgebildete ionische Analytmoleküle direkt desorbiert und
massenspektrometrisch analysiert werden können (precursor model).
Die Wechselwirkung des keV-Primärteilchens mit den Matrixtropfen (Matrix-/Analyt-moleküle)
führt allerdings unmittelbar bzw. mittelbar zu Ionisationsreaktionen und zum Auftreten verschiedener
ionischer Spezies im FAB-MS-Spektrum.
Beim Eindringen in die flüssige Matrix geben die keV-Primärpartikel in einer Stoßkaskade ihre
kinetische Energie ab, wobei sich bis zu 150 Å tiefe Krater in der Tropfenoberfläche
bilden (impact cavities). Zudem werden ca. 103 Matrixmoleküle mit den darin gelösten
Analytmolekülen pro Primärpartikel in einem Zeitfenster von 10-10 s desorbiert.
Man geht davon aus, daß die kinetische Energie des auftreffenden Primärteilchens zu einer
kurzzeitigen thermischen Erhitzung führt (thermal spike). Nachfolgend sinkt die innere Energie
der thermisch angeregten Moleküle nachhaltig, da intermolekulare Wechselwirkungen der flüssigen
Phase überwunden werden und ähnlich eines Überschall-Strahls eine Ausdehnung ins Vakuum erfolgt
(supersonic jet). Es resultiert ein Übergangsbereich zwischen flüssiger Matrix und dem Vakuum.
Diese sog. selvedge region ist gekennzeichnet durch hohen Druck bzw. hohe Teilchendichte.
Die mittlere freie Weglänge in dieser Region ist kurz, so daß die Analytmoleküle beim Durchtritt
viele Stöße erleiden, die ihre Energie moderieren und zudem Ion-Molekülreaktionen verursachen.
Das Entstehen der selvedge region bei FAB-MS ist demnach verantwortlich für die sanfte Desorption
und Ionisation selbst labiler Analytmoleküle. Die Überwindung intermolekularer Wechselwirkungen
und die Ausdehnung ins Vakuum erfolgen aus dem Reservoir der inneren Energie, so daß die desorbierten
Moleküle stark abkühlen. Es verbleibt letztlich wenig Überschußenergie bei den generierten Ionen,
womit das Auftreten von intensiven kationisierten Quasimolekülionen ([M+H]+,
[M+Na]+ etc.) und das weitgehende Fehlen von Fragmentierungen erklärt werden können.
Die im FAB-MS-Spektrum auftretenden Ionen sind Resultat verschiedener Reaktionen in der
flüssigen Phase bzw. der Gasphase. |
Charakteristische Merkmale von FAB-MS-Spektren |
Molekülionen-Spezies
Bei FAB-MS werden bei positiver Ionendetektion überwiegend Molekülionen des Typs
[M+H]+ bzw. [M+Kat]+ durch Anlagerung von Protonen oder Alkalikationen
(Na+, K+) gebildet. Zum Teil zeigen die kationisierten Quasimolekülionen
eine größere Stabilität als die protonierten Analoga, da große Kationen weniger polarisierend
wirken als Protonen (z.B. Steroide).
Werden negative Ionen detektiert, treten Ionen des Typs [M-H]- durch Abstraktion eines
Protons auf.
Matrixhintergrund
FAB-MS-Spektren zeigen für die Matrix charakteristische Ionenserien (z.B. Glycerin:
[(Gly)n+H]+ n= 1-15) und im unteren Massenbereich zahlreiche unspezifische
Fragmentionen der Matrices und der Analyten.
Mischclusterionen
Durch unvollständige Desolvatation der desorbierten Molekülverbände können Mischclusterionen
des Typs [M+m+H]+ (mit M: Analytmolekül; m: Matrixmolekül) auftreten.
Redoxreaktionen
Reduktionen bzw. Oxidationen treten bei FAB-MS auf, da durch den Beschuß der Matrix verschiedene
radikalische Spezies und überdies freie solvatisierte Elektronen gebildet werden.
Im Allgemeinen können in FAB-MS-Spektren Analogien zu den elektrochemischen Eigenschaften der
untersuchten Substanzen gefunden werden.
Analyten mit stark positivem Redoxpotential (z.B. Prophyrin-Dikationen) liefern durch Einelektronenreduktionen
intensive Molekülradikalkationen [M]+•, wohingegen "unedle" Analyten nach Abgabe
eines Elektrons Ionen des Typs [M]+ bzw. [M]+• liefern können.
Mehrfach geladene Ionen
Mehrfach geladene Ionen werden bei FAB- und insbesondere bei MALDI-MS selten beobachtet und treten wenn
überhaupt nur in geringer Intensität auf. Mehrere Prozesse werden für diesen experimentellen Befund
verantwortlich gemacht.
Im Zuge des Phasentransfers (FAB: flüssig ® gasförmig; MALDI: fest ® gasförmig) erleiden
alle primär gebildeten Ionen vielfache Stöße in der sich bildenden Selvegde-region (FAB) bzw. der
MALDI-Plume (MALDI). Stöße mit Gegenionen aller Art, hauptsächlich sind dies Fragmentionen der
Matrixsubstanzen, führen zu Ladungsrekombinationen, wobei mehrfach geladene Ionen (starkes elektrisches
Feld; Coulomb'sches Gesetz !) sehr effektiv in einfach geladene ionische Spezies umgewandelt werden.
Zudem werden im Zuge von Desorption und Desolvatation von Clustern Mehrfachladungen durch Ladungsrekombination
ausgeglichen. Außerdem ist bei Molekülen mit kleiner bis mittlerer Molmasse (bis ca. 1000u) die Bildung
einfach geladener Ionen stark begünstigt (hauptsächlich bei FAB wichtig), da Mehrfachladungen die Ionen
aufgrund der coulombschen Abstoßung nachhaltig destabilisieren und deswegen die Fragmentierung und
Bildung einfach geladener Fragmente überwiegt.
Referenzsubstanzen
Als Referenzsubstanzen für Massenfeinbestimmungsexperimente und Kalibrierung eignen sich die Cluster
der Matrixsubstanzen (Glycerin: [(Gly)n+H]+ n= 1-15) bzw. die Cluster von
anorganischen Salzen wie z.B. CsI [(CsI)nCs]+ mit n=1-48.
Matrixsubstanzen
Als Matrixsubstanzen werden verschiedene Protonendonoren, Protonenakzeptoren und auch aprotische
schwerflüchtige Verbindungen eingesetzt.
Auch Mischungen verschiedener Matrixsubstanzen werden verwendet.
Eine Auswahl:
- Glycerin
- Thioglycerin
- 4-Nitrobenzylalkohol (NBA)
- Thio-2,2'-bisethanol S(CH2-CH2-OH)2 (Dithiodiethanol DTDE)
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Literatur |
J. Sunner, Ionization in Liquid Secondary Ion Mass Spectrometry (LSIMS), Org. Mass Spectrom. 28 (1993) 805-823
K.L. Bush, Desorption Ionization Mass Spectrometry, J.Mass Spectrom. 30 (1995) 233-240
S.J. Pachuta, R.G. Cooks, Mechanisms in Molecular SIMS, Chem. Rev. 87 (1987) 647-669
W.E. Seifert, R.M. Caprioli, Fast Atom Bombardment in Methods in Enzymology Vol. 270, Academic Press (1996) 453-486
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