Die Kölner Münzsammlung

 

 

Neben der Papyrussammlung entstand am Institut für Altertumskunde der Universität zu Köln seit der Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts auch eine größere Sammlung antiker Münzen. Sie enthielt ursprünglich nur Prägungen der römischen Kaiser für Ägypten, konnte im Laufe der Jahre aber um Exemplare aus der ptolemäischen Zeit Ägyptens und aus verschiedenen Landschaften im heutigen kleinasiatischen Teil der Türkei erweitert werden. So bilden inzwischen kaiserzeitliche Münzen aus der römischen Provinz Asia einen wichtigen Teil des Bestandes, insbesondere sind hier Exemplare aus Hypaipa in Lydien zu nennen, da ihre Anzahl die der in einigen anderen öffentlichen Sammlungen übersteigt. Jedoch hat der Anteil der Münzen der römischen Zeit aus Ägypten sein besonderes Gewicht behalten, da es sich hierbei um eine der größten Sammlungen dieser Art in öffentlicher Hand handelt.

Wie die Papyrussammlung dient auch die Münzsammlung der Forschung; ihre Bestände werden kontinuierlich bearbeitet und in den Abhandlungen der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften publiziert. Bisher sind in deren Sonderreihe Papyrologica Coloniensia erschienen: der Katalog alexandrinischer Kaisermünzen (Papyrologica Coloniensia Vol V, Band 1 - 5 (1974-1983/87) von A. Geißen und W. Weiser), der Katalog der bithynischen Münzen (Pap. Colon. Vol. XI, Band 1 (Nikaia, 1983) von W. Weiser, und Band 2 (Könige, Commune Bithyniae, Städte (außer Nikaia) 1996) von Th. Corsten), der Katalog ptolemäischer Bronzemünzen (Pap. Colon. Vol. XXIII (1995) von W. Weiser); s. "Publikationen".
 

 

 

 
 
Die alexandrinischen Münzen
als Währung im römischen Ägypten
 
 
 

Bereits unter den ptolemäischen Königen, die vor den Römern in der Nachfolge Alexanders d. Gr. das Land seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. beherrschten, war das ägyptische Geldwesen als Binnenwährung organisiert, d. h. daß für den dortigen Geldverkehr nur die lokale Währung zugelassen war. Die Römer haben diese Praxis mit der Eroberung des Landes durch Octavian/Augustus im Jahre 30 vor Chr. übernommen, was wiederum bedeutet, daß jeder, der in Alexandria per Schiff oder an einer anderen Grenze einreiste, fremdes Geld jeglicher Art umtauschen mußte.

Nach ihrem Prägeort Alexandria werden die hier unter der Regie des Praefectus Aegypti, des römischen Gouverneurs, ausgebrachten Geldstücke "Alexandrinische Münzen" genannt. Diese nehmen in der antiken Numismatik eine Sonderstellung ein, da sie als einziges Zahlungsmittel einer Provinz ebenso kontinuierlich wie die Münzen der Stadt Rom herausgebracht worden sind.
Am häufigsten wurde die sogenannte Tetradrachme (Geldstück zu vier Drachmen) geprägt. In den Papyri lautet der Name dieser Münze allerdings Statér. Sie besteht aus Billon, einer Silberlegierung, und enthält zu Beginn ihrer Ausmünzung unter Tiberius (14 - 37 n. Chr.) dieselbe Menge Silber wie ein römischer Denar, sollte also diesem entsprechen. Alle anderen Nominale (Drachme, Hemidrachme, Diobolon, Obolos, Hemiobelion, Dichalkon) wurden aus Bronze hergestellt. Das größte Bronzestück, die Drachme, ist wohl einem römischen Sesterzen gleichzusetzen. Gold ist in römischer Zeit in Ägypten nicht mehr als Geld ausgeprägt worden. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts trat eine Verschlechterung der Münzen ein, die schließlich bewirkte, daß nur noch Tetradrachmen in den Verkehr gebracht wurden, welche praktisch kein Silber mehr enthalten und im Gewicht stark reduziert sind. Erst mit den Reformen Diocletians wurde die griechisch beschriftete Tetradrachme im Laufe des Jahres 296 dem Umlauf entzogen und durch ein neues, reichsrömisch einheitliches Geld mit lateinischer Aufschrift ersetzt.
Auf den Vorderseiten erscheint jeweils der Kaiser als Prägeherr, manchmal werden auch Mitglieder der kaiserlichen Familie vorgestellt. Die Titulatur der Herrscher und ihrer Angehörigen wird als griechische Legende wiedergegeben, also in der seit Alexander d. Gr. und den Ptolemäern üblichen Verwaltungssprache des Landes (vgl. die Papyri), und entspricht meist derjenigen auf reichsrömischen Münzen mit lateinischer Umschrift. Auch der Stil der Porträts der dargestellten Personen orientiert sich meist am stadtrömischen Vorbild.
Die Rückseiten bieten eine breite Vielfalt ikonographischer Motive, deren Mehrzahl sich auf die griechisch-römische oder ägyptische Welt, ihre Geschichte, Religion und Kultur bezieht. Zum einen begegnen "imperiale" Darstellungen des Kaisers oder von Mitgliedern seiner Familie, die sich auf historische Ereignisse beziehen können (Triumphe, Hochzeiten, Geburten, Vorstellung des designierten Thronfolgers etc.), zum anderen erscheinen Personifikationen (Tyche-Fortuna, Nike-Victoria etc.) und Götter des griechisch-römischen Pantheons, beispielsweise Zeus-Juppiter, Athena etc. neben Bildern der alexandrinisch-ägyptischen Götterwelt, so z. B. die Trias Sarapis, Isis und Harpokrates, der Horus-Falke oder andere mit Ägypten verbundene, heilige Tiere, der Nil als Flussgott sowie Darstellungen von Architekturdenkmälern.
Eine Besonderheit der alexandrinischen Münzen liegt darin, daß sie mit dem Regierungsjahr des jeweils abgebildeten Prägeherrn datiert sind; daher können sie als wichtige Quelle bei der Untersuchung chronologischer Probleme der Alten Geschichte herangezogen werden. Das neue Jahr beginnt in Ägypten am 29. August (in Schaltjahren am 30. August; ägyptisch: 1. Thot). Je nach dem Datum des Regierungsantritts kann das erste Regierungsjahr eines Herrschers daher sehr kurz ausfallen, wenn dieser z. B. nur wenige Wochen oder Tage vor dem ägyptischen Neujahr inthronisiert wurde: Diese kurze Zeitspanne zählt dann als erstes Regierungsjahr. Als Symbol für "Jahr" findet man ein dem lateinischen L ähnliches, aus dem Demotischen stammendes Zeichen, das auch bei der Datierung in den Papyri verwendet wird; seltener begegnet das ausgeschriebene Wort ETOY ("im Jahre"). Die Jahreszahlen werden meist mit den Buchstaben des griechischen Alphabets als Zahlzeichen angegeben, z. B. LIB oder LIH ("im 12. Jahre" oder "im 18. Jahre"), manchmal auch als ausgeschriebene Wörter, z. B. L DEKATOY ("im 10. Jahre") oder L ENNEAK(AI) D (EKATOY) ("im 19. Jahre").
Beim Betrachten der Münzen drängt sich geradezu die Frage auf: Was konnte man dafür kaufen? Eine generelle Antwort läßt sich jedoch kaum geben, da zu viele Variablen bedacht werden müssen. Die Kaufkraft auf dem Lande war sicherlich verschieden von der in den Städten, zumal in Alexandria selbst; ebenso unterschiedlich war die Höhe von Löhnen und Preisen in den verschiedenen Regionen des Landes zu verschiedenen Zeiten. Insofern unterscheidet sich die Situation im alten Ägypten nicht prinzipiell von der unserer Tage. Über damalige Löhne, Kosten, Preise etc. unterrichten uns allerdings insbesondere die Papyri. So betrug z. B. im 2. Jahrhundert n. Chr. der Tageslohn eines Arbeiters im landwirtschaftlichen Bereich 1 Drachme, ein Maurer erhielt zwischen 2 und 4 Drachmen; drei Eselführer bekamen im Jahre 118 n.Chr. für regelmäßigen Transport von Heizungsmaterial in Hermopolis zusammen 64 Drachmen (umgerechnet 16 Tetradrachmen). Der für Rom wichtigste "Exportartikel", der Weizen, kostete etwa zur gleichen Zeit zwischen 6 und 8 Drachmen pro Artabe (ca. 29 Liter); ein Brot war für 1 Obol zu haben. Eine Sklavin bzw. ein Sklave (zwischen 20 und 39 Jahren alt) waren jetzt etwa 1200 bis 1400 Drachmen (300 bis 350 Tetradrachmen) wert, ein Stuhl dagegen 20 Drachmen (5 Tetradrachmen). Mehr handwerkliches Geschick erforderte die Herstellung eines leichten Brustpanzers aus Messing, der für 360 Drachmen (90 Tetradrachmen) den Besitzer wechselte. Schließlich konnte man für durchschnittlich 4 Drachmen (1 Tetradrachme) eine unbeschriebene Papyrusrolle von ca. 3,40 m Länge erstehen, um darauf schriftliche Zeugnisse eben der Art zu hinterlassen, wie sie auch von der Papyrologie bearbeitet werden. Auch an dieser Stelle wird die Verbindung zwischen Numismatik und Papyrologie deutlich.

Natürlich waren die Münzen in erster Linie als Zahlungsmittel gedacht, dienten aber zugleich den Regierenden als Medium zur Verbreitung ihrer religiösen und politischen Vorstellungen bei der Bevölkerung. Da es sich bei den Münzen um offizielle Dokumente der jeweiligen Herrscher handelt, liegt es klar auf der Hand, daß diese Prägungen mit ihrer Typenvielfalt als vorzügliche Quelle ersten Ranges für die Erforschung der Geldgeschichte, der politischen Geschichte, der Religions-, der Kunst- und der Kulturgeschichte des griechisch-römischen Ägypten anzusehen und auszuschöpfen sind. Neue Ergebnisse bei der Interpretation dieser Vielfalt "ägyptischer" Darstellungen lassen sich allerdings nur durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit insbesondere mit auf die sog. Spätzeit spezialisierten Ägyptologen gewinnen. Dies zeigt sich gerade bei der Behandlung der Nomen- oder Gauprägungen, die eine Art Sonderserie bilden. Sie tragen Namen der ägyptischen Verwaltungsbezirke (Gaue) und präsentieren zahlreiche Bilder lokaler Gottheiten, deren Kult noch in der römischen Kaiserzeit lebendig war, wie neuere Kölner Forschungen ergeben.
Erst die Zusammenführung der Forschungsergebnisse der Papyrologie, Epigraphik und Numismatik und die Berücksichtigung ägyptologischer und archäologischer Erkenntnisse führen schließlich zu einem vollständigeren Bild des alten Landes am Nil.

     
     
 
Die kleinasiatischen Münzen der römischen Kaiserzeit
 
 

 

 
Die kleinasiatischen Münzen der römischen Kaiserzeit tragen griechische Aufschriften und sind mit den Namen zahlreicher Städte versehen; sie bieten - neben den Porträts der Kaiser oder Mitglieder der kaiserlichen Familie auf den Vorderseiten - eine erstaunliche Fülle von Rückseitendarstellungen mit häufig lokalen Bezügen, wie z. B. Götter, Heroen, Feste, Wettkämpfe, Architekturdenkmäler. Allerdings können diese Prägungen chronologisch zunächst nur grob nach den Regierungszeiten der jeweiligen Kaiser geordnet werden. Eine feinere Chronologie innerhalb der einzelnen Emissionen erhält man erst anhand weiterer Merkmale; hier sind u. a. die sog. "Beamtennamen" zu nennen, die manchmal auf Rückseiten dieser Münzen zusätzlich erscheinen. Einige dieser Personen begegnen nun erstmals in der Zeit des Septimius Severus und seiner Familie namentlich auf neuen Münzen von Hypaipa.
Hypaipa ist der Name eines Ortes (heute Ödemis) im Hinterland von Ephesos, der antiken Metropole der Provinz Asia, am Oberlauf des Flusses Kaystros (heute Küçük Menderes) gelegen. Hier lag in der Antike eine Garnison, die den Übergang über das Tmolosgebirge nach Norden hin in die Ebene von Sardeis sicherte. Von der antiken Siedlung sind einige Architekturfragmente und Inschriften in griechischer Sprache erhalten, die zunächst von Archäologen und Epigraphikern behandelt werden. Auf kaiserzeitlichen Münzen findet sich der Name der Stadt als griechische Legende in der Form UPAIPHNWN, also in der im griechisch-sprachigen Osten üblichen Weise der Nennung der Einwohner einer Stadt im Genitiv Plural: (Geld) der Leute von Hypaipa. Besondere Aufmerksamkeit zogen die Prägungen der Stadt auf sich, als seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts Teile eines offenbar größeren Schatzfundes in den Handel gelangten, die das bis dahin bekannte Material signifikant erweiterten. Seinerzeit konnten einige dieser Münzen für die Kölner Sammlung erworben werden.
Im Zusammenhang mit detaillierten Untersuchungen der archäologischen, epigraphischen und numismatischen Zeugnisse, die inzwischen in Köln begonnen worden sind, sind neue Erkenntnissen über Hypaipa, seine führenden Familien und deren soziale und politische Stellung in der Antike zu erwarten.
 
A. Geißen
 
 

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erika.ritz@uni-koeln.de - 02.04.2007

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