zurück

"WITH A LITTLE HELP FROM MY FRIENDS"

Kunst mit Jugendlichen in Liverpool und Köln



Fast alle Kinder und Jugendlichen malen gerne. Doch drückt sich in der Gestaltung mit Pinsel und Farbe, Gips und Ton tatsächlich immer das gleiche kreative Verlangen aus? Unterscheidet sich die Kunst, die Liverpooler Schüler und Schülerinnen hervorbringen von der Kunst, die an Kölner Schulen entsteht? Bevorzugen Kölner Jugendliche die gleichen Farben wie ihre Altersgenossen in Liverpool und beschäftigen sie die gleichen Themen? Welche Einflüsse spielen Lehrer, spielt die Kunstpädagogik einer Gesellschaft? Die 'JugendArtGalerie‘ im GEW Treffpunkt will diesen Fragen nachgehen. Im Rahmen des Kulturfestivals 'EIGHT DAYS A WEEK – Liverpool in Köln‘ werden Ergebnisse verschiedener Workshops vorgestellt, die zwei Künstler aus Liverpool, der Maler Alan Dunn und der Theaterpädagoge George McKane, mit Schülern und Schülerinnen am Kölner Herder Gymnasium und an der Gesamtschule Köln-Holweide erarbeitet haben. Die Arbeiten stehen im Vergleich mit Arbeiten und Dokumentationen aus verschiedenen Liverpooler Kunstprojekten mit Liverpooler Jugendlichen. Und ein weiterer Vergleich ergibt sich aus dem ebenfalls ausgestellten Werken jugendlicher Künstler, die in einem Workshop des Kölner Museumspädagogen und Malers Georg Gartz im Sommer diesen Jahres in Liverpool entstanden sind.

 

Vom Bauhaus ins Klassenzimmer

(back to top)

Der Kunstunterricht wird in deutschen Schulen traditionell belächelt, gilt die Kunst doch vielfach als bloßes Hobby, während andere Fächer als gesellschaftlich notwendig im Blick des Interesses standen. Seit einigen Jahren jedoch hat das Interesse an der Kunst in der Gesellschaft und damit auch das pädagogische Interesse an Kunst zugenommen. Kunst wurde neben und wegen seiner phantasieanregenden Kraft mehr und mehr als ein Beschäftigungsfeld entdeckt, indem sich auf lustvolle Weise persönliche und soziale Probleme bearbeiten lassen. In Großbritannien ist das Interesse an der Kunstpädagogik schon früher erwacht. Seit jeher hat die Kunstpädagogik einen hohen Stellenwert im englischen Erziehnungssystem, und schon einige Male wurde England zum Ausgangspunkt pädagogischer Reformen, die in Deutschland aufgegriffen und weiterentwickelt wurden.

Die Bauhauspädagogik, die Anfang des Jahrhunderts alle Bereiche der modernen Gesellschaft aus dem Geist der Kreativität belebte, fand entscheidende Anregungen bei britischen Pädagogen. Allen voran hatte Josef Itten seine Wurzeln in der englischen 'Arts und Crafts‘ – Bewegung, die einen Zusammenhang zwischen der ästhetischen Erziehung und den sozialen Verhältnissen einer Gesellschaft sah. Demnach betrachtet der englische Dichter, Kunsthandwerker, Maler und Sozialpädagoge William Morris (1834 – 1896) den Verfall des Kunstgewerbes analog zum Verfall der Gesellschaft. Es blieb allerdings eine Illusion des Reformators des britischen Designs, daß sich durch die Erneuerung des Kunstgewerbes auch die gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen ändern. Seine Ideen bilden jedoch den Ausgangspunkt für die Reformpädagogik, die mit dem Schlagwort des Amerikaners John Dewey (1859 – 1952) als "Learning by Doing, dem tätigen Lernen eine wesentliche Grundlage der modernen Pädagogik geworden ist.

Die Bauhauspädagogik nach Josef Itten setzt unmißverständlich das Interesse des Individuums in den Mittelpunkt des Lerninteresses. Diese Auffassung wird von Gunther Otto, dem 'Papst‘ der gegenwärtigen Kunsterziehung noch dadurch erweitert, daß er in der Schule einen projektorientierten Unterricht fordert, in dem nicht nur das Thema, sondern auch die Methode der Erarbeitung eines Themas vom Schülerinteresse ausgeht. Neben dem freiheitlichen Aspekt einer solchen Auffassung steckt darin zugleich die Feststellung, daß Kinder und Jugendliche heutzutage immer schwieriger durch festgelegte Programme und Zwang motiviert werden können. Weil das Lernen und die Lernfähigkeit in vielen Unterrichtsfächern schwieriger geworden zu sein scheinen, ist die Motivation zum Lernen zusehends zu einem Faktor der Pädagogik geworden. Die allgemeine gesellschaftliche Problemsituation und eine kindgemäßere pädagogische Konzeption sind in diesem Punkt ununterscheidbar miteinander verflochten. Fest steht allerdings, daß kunstpädagogische Projekte, innerhalb und außerhalb der Schule, von den Schülern und Schülerinnen mit größerem Interesse angenommen werden als ein nüchterner Mathematik- und Deutschunterricht. So haben oft Projekte, die von außerhalb in die Schule hineingetragen werden, große Chancen, die Neugier der Schüler zu wecken und neue Perspektiven zu öffnen.

Auf dieser Grundlage fanden auch die beiden Workshops mit dem Liverpooler Theaterpädagogen George McKane und dem Liverpooler Maler Alan Dunn auf enormes Schülerinteresse.

In Deutschland ist die temporäre Arbeit von Künstlern an Schulen derzeit noch eher eine Seltenheit. In England wird diese den Schulalltag belebende Möglichkeit bereits seit Jahren gepflegt. Überhaupt ist die kunstpädagogische Arbeit mit Schülern und Jugendlichen ein zentraler Ansatzpunkt, um den wachsenden Problemen von Gewalt und Perspektivlosigkeit im jugendlichen Alltag beizukommen. Gerade die gesellschaftliche Krise in England in den 80iger Jahren, von der Liverpool ganz besonders betroffen war, hat im schulischen und außerschulischen Bereich dazu geführt, traditionelle Lehr- und Lernmethoden zu überdenken. Die britische Regierung und verschiedene Institutionen der britischen Gesellschaft riefen zahlreiche Modellversuche ins Leben, von denen einige in der Ausstellung 'With a little Help from my Friends‘ vorgestellt werden. All diesen Projekten ist das bemühen gemeinsam, den einzelnen Jugendlichen in den Mittelpunkt zu stellen, um ihm durch eine Stärkung seiner Persönlichkeit eine (neue) gesellschaftliche Einordnung zu geben. Die gestalterische Kraft von Kunst erscheint als (neue) Möglichkeit, Probleme der Gesellschaft aufzufangen und kommunikative Zugänge zu ermöglichen, wo es sonst schon keinen Zugang mehr gibt. Eine interessante Frage dürfte darin bestehen, ob und wie sich diese neuen Ansätze von jenen pädagogischen Konzepten unterscheiden, die im Zuge der pädagogischen Reformen in den siebziger Jahren 'Kunst als visuelle Kommunikation‘ begriffen.

 

You’ll never walk alone

Stadtteil-Kunst-Initiative 'Art Skills‘

(back to top)

'Art Skill‘, ein kunstpädagogisches Projekt in zwei Liverpooler Stadtteilen, geht zurück auf ein landesweites Programm der britischen Regierung zum Abbau des Drogenmißbrauchs. Ausgehend von der Initiative 'Liverpool Social Partnership‘, die in Zusammenarbeit mit ansässigen Organisationen verschiedene Beratungs- und Hilfsprogramme für Drogenabhängige ins Leben rief, fand sich 1995 eine Gruppe von Künstlern, Sozialarbeitern und Pädagogen zusammen, die in den Stadtteilen Speke Garston (im Süden von Liverpool) und Dingle (im Stadtzentrum, im Bezirk Liverpool 8) Kunstprojekte für junge Menschen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren entwickelten.

Neben der Zusammenarbeit mit Schulen steht bei Art Skills die kunstpädagogische Arbeit mit jungen Arbeitslosen im Vordergrund, die sich zu 15-wöchigen Kursen anmelden können. In dieser Zeit nehmen sie, bezahlt vom Arbeitsamt, an Projekten teil, die sie qualifizieren sollen im Umgang mit neuen Technologien und ihnen den Anschluß an die Arbeitswelt erleichtern. Dazu gehört der Gebrauch von Photo- und Videokameras ebenso wie die graphische Bildgestaltung am Computer. Der Gebrauch der teuren Technik hilft dabei ebenso in der Stärkung ihres Selbstwertgefühls wie die Möglichkeit ihrer eigenen Probleme zum ersten Mal visuell darstellen zu können. Wenn Art Skills auf diese Weise zugleich die Bedeutung von Kunst in das Bewußtsein der jungen Menschen trägt, wird deutlich, daß (die) Kunst in dieser Konzeption mehr ist als ein Vehikel zur Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme. Beispielhaft verbindet Art Skills individuelles künstlerisches Interesse und soziales Bewußtsein, verbunden durch das Gefühl von stolz, das immer dort entsteht, wo es gelingt, das unerwartete Ergebnis einer eigenen kreativen Tätigkeit für alle sichtbar öffentlich zu präsentieren.

Neben Computerdesign, digitaler Bildbearbeitung und Video gehören verschiedene künstlerische Drucktechniken, Malerei, kreatives Schreiben und Schauspieltraining zu den Schwerpunkten in der Kunstpädagogischen Arbeit von Art Skills. Ein Projekt, das besondere Resonanz erfuhr, wurde 1997 unter dem Stichwort 'Great Teams‘ im Rahmen des europäischen Jahres gegen Rassismus durchgeführt. Unter der Leitung des Künstlers David Jacques gestaltete eine Gruppe von Jugendlichen zwölf riesige Fahnen, die im Sommer letzten Jahres am Jahres am Eingang der St. George’s Hall, Liverpools größte Veranstaltungshalle zwischen dem historischen Säulen aufgehängt wurden.

Die Fahnen zeigten malerisch umgesetzte Gruppenphotos von verschiedenen ethnischen Gruppen, die in der Stadt leben. Mitglieder der jüdischen Gemeinde sind darauf ebenso abgebildet wie der chinesischen, der irischen und der afrikanischen Gemeinde. Absicht war es, auf das multikulturelle Leben in Liverpool aufmerksam zu machen. Die Jugendlichen mußten dazu Kontakt zu verschiedenen Instituten, Kirchen und Vereinen aufnehmen, um die Photos zu machen, die ihnen als Ausgangspunkt zur Gestaltung der Fahnen dienten. "Wir wollten die verschiedenen Kulturen unserer Stadt kennenlernen und sichtbar machen, welchen Bedeutung Teamarbeit für jede von ihnen über all die Jahre hatte", sagt David Jacques über das Projekt und nennt damit zugleich grundsätzliche Blickrichtungen in der Arbeit von Art Skills.

 

"The Magical Mystery Discs"

Ein Workshop mit Alan Dunn am Herder-Gymnasium in Köln Buchheim

(back to top)

"Pop – Musik wird von allen Jugendlichen überall in Europa gehört", sagte sich der Künstler Alan Dunn und hatte das Thema für seinen Workshop mit Schülern und Schülerinnen am Köln – Buchheimer Herder- Gymnasium gefunden. So banal die Plastikhüllen der CD’s sind, die die bunten, oft kunstvollen Cover der früheren Schallplatten verdrängt haben, so magisch ist nach wie vor die Bedeutung, die Jugendliche mit (der) Musik verbinden. So wird es nicht schwer sein, sie dazu zu bringen, ihre eigene CD-Hülle zu gestalten. Ein kleines Quadrat von 13 Zentimeter Seitenlänge als Ausgangspunkt für unendlich viele gestalterische Möglichkeiten mit Pinsel, Kreide, Klebstoff und Schere. Einzige Vorgabe: Die Farben durften lediglich schwarz und weiß sein.

So sollten von Schülern unterschiedlicher Altersgruppen 300 künstlerische CD’s produziert werden, die Alan Dunn schließlich auf 'mysteriöse‘ Weise zu einem großen Gesamtbild arrangieren wird. Viele kleine Einzelstücke ergeben darin ein großes Ganzes, das mehr ist als die bloße Addition seiner teile. Und Kunsterfahrung und Lebenserfahrung greifen unmerklich ineinander, ausgedrückt in einem Motiv, das Köln und Liverpool miteinander verbindet.

Alan Dunn hat nach diesem Prinzip schon viele Workshops mit Schülern durchgeführt. Grundsätzlich für seine kunstpädagogischen Konzepte ist der unmittelbare Bezug zum Alltag der Kinder und Jugendlichen, ihrer Lieblingsmusik ihrer Fußballhelden, ihren Abenteuer- Phantasien. Er hat Schüler dazu gebracht, ihre Lebensbilder auf Blecheimer zu malen. Er hat sie ermutigt, einen Pappteller zu einem Bild aufzuwerten. Er hat mit ihnen Farbkompositionen auf Rotationsscheiben entwickelt und Schulhöfe mit großformatige Wandbildern umgestaltet. Kunst und soziales Bewußtsein bilden dabei für Alan Dunn eine Einheit. Und diese Einsicht hat ihn unter anderem auch dazu gebracht, seine individuelle künstlerische Arbeit und seine kunstpädagogische Tätigkeit als Konzept einer unauflösbaren Wechselwirkung zu begreifen.

 

"For You Blue" – What colour do you like?

Eine malerische Reise des Kölner Künstlers Georg Gartz mit Liverpooler Jugendlichen

(back to top)

 

Fast alle Jugendliche haben auf die Frage nach ihrer Lieblingsfarbe eine Antwort. Und haben sie eine Chance zu malen, lassen sie dieser Farbe freien Lauf. Ob das in Köln und Liverpool auf die gleiche Weise geschieht, wollte der Kölner Künstler und Museumspädagoge Georg Gartz erproben. Im Sommer dieses Jahres war er in Liverpool und begab sich als 'künstlerischer Reiseleiter‘ ein Wochenende lang mit Liverpooler Jugendlichen auf eine Entdeckungsreise in den Fluß der Farben.

Die Jugendlichen, die alle zum 'Yellow House‘ gehörten, einer 'Freizeit- Initiative‘, die sich sonst mit Theater beschäftigt, waren eingeladen, sich auf das offene Abenteuer Farbe einzulassen. Ähnlich wie sie in ihrer körperbetonten Theaterarbeit mit typischen Bewegungen und Gesten ihrer Erfahrung Ausdruck verleihen, lenkt Georg Gartz ihre Aufmerksamkeit auf die enge Beziehung von Farben und Empfindungen. Die Idee seines Workshops bestand darin, in einem freien Umgang mit Farbe die Stimmung einer Farbe zu erfassen und zu prüfen, ob man sich mit dieser Farbe identifizieren kann.

"Welche Farbe paßt zu mir, welche Farbe entspricht meinen Gefühlen oder meiner Stimmung. In einer Zeit, wo Farbe von der Werbung immer gezielter eingesetzt wird, um Identifikation zu schaffen, wo Gruppenzugehörigkeiten durch die Farbe der Kleidung signalisiert wird, ist es berechtigt, nach den individuellen Vorlieben zu forschen", erklärt Georg Gartz. In interaktiven Malaktionen sollten die Teilnehmer in 'ihrer‘ Farbe mit den Mitspielern kommunizieren, sodaß auf diese Weise abstrakte Farbkompositionen entstanden. In einem zweiten Teil des Workshops konnte jeder eine lebensgroße Umrißzeichnung seines eigenen Körpers farbig ausgestalten.

Indem Gartz das 'Erlebnis Farbe‘ ganz in den Mittelpunkt seiner kunstpädagogischen Arbeit stellt, unterscheidet er sich von den Liverpooler kunstpädagogischen Projekten, in denen inhaltliche Themen und figurative Malerei im Vordergrund stehen. Speziell dieser Aspekt erweist sich als anregend im Vergleich Liverpooler und Kölner Kunst, nicht nur im kunstpädagogischen Vergleich. Der Liverpooler Skepsis gegenüber abstrakter Kunst, entspricht eine inhaltlichen Unverbindlichkeit auf Kölner Seite. Wie so oft erscheint ein künstlerisches Konzept der Mitte das Interessante. Georg Gartz machte die Erfahrung, daß die Liverpooler Jugendlichen die anfängliche Frage nach dem 'Warum‘ abstrakter Farbspiele über der praktischen Arbeit mit der Farbe schnell vergessen hatten, indem sich neue Erlebnismöglichkeiten auftaten. Und umgekehrt gilt für die Kölner Jugendlichen, daß die aufrichtige Frage nach dem 'Warum‘ unerwartete neue Möglichkeiten eröffnen kann.

 

Come Together: George McKane und das Yellow House

(back to top)

Bootle ist einer der berüchtigten Vororte in Liverpool. Nirgends treffen die sozialen Mißstände so kraß aufeinander wie hier. Und nirgends sind die Auswirkungen des wirtschaftlichen Niedergangs Liverpool deutlicher zu spüren als hier. Eine Zeitschrift nannte Bootle "die Warze im Gesicht Großbritanniens". Hier war es, wo vor Jahren zwei Kinder den zweijährigen Jamie Bulgar vor einem Supermarkt entführten und anschließend auf einem brachliegenden Gelände ermordeten. Die Tat hatte seinerzeit großes Erschrecken verursacht, indem plötzlich für alle Welt sichtbar wurde, wie weit es mit Liverpool gekommen war. Bootle wurde zum Symbol für eine Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die sich offenbar nur noch in blinder Gewalt ausdrücken konnte.

Als der kleine Jamie Bulgar getötet wurde, gab es bereits das 'Yellow House‘, benannt nach dem gelben Haus des eigenwilligen, etwas verrückten Künstler Vincent van Gogh im südfranzösischen Arles. Der Theaterpädagoge George McKane hatte es vor 16 Jahren gegründet, um Kinder und Jugendliche in Bootle von der Straße zu holen.

Yellow House macht kein Theater im herkömmlichen Sinn, sondern es ist ein offenes Projekt, in dem Jugendliche Stücke entwickeln, die von ihren alltäglichen Erfahrungen ausgehen. Grundlage ist zunächst die Selbstvergewisserung des eigenen Körpers, ausgedrückt in einfachen Übungen, die damit beginnen, sich selbst und den anderen zu spüren. Die Teilnehmer spielen keine Rollen, sondern sie bringen sich selbst ein, ihre Stimme, ihren Leib, ihre Ängste, ihre Wünsche. Die Philosophie des Yellow House ist erfrischend einfach, indem davon ausgegangen wird, daß jeder Mensch sich ausdrücken und damit Theater spielen kann.

"Selbstvertrauen, Kooperation, Kommunikation, Klarheit und Konzentration sind die wesentlichen Qualitäten, ohne die eine gelungene Theaterarbeit nicht entstehen kann"; erklärt George McKane. Die Konzeption seines 'Theatre of Exposure‘ ist beeinflußt von Stanislavski, Arthur Grotowski, Boal und Peter Brook. Und entscheidende Erfahrungen gewinnt er seit vielen Jahren in der Theaterarbeit in Gefängnissen und psychiatrischen Kliniken, wo sein körperbetontes Theater sich immer wieder bewährt, die Sprachlosigkeit von Menschen zu überwinden. "Man muß die Dinge schlicht halten", sagt George McKane. So wird sein Theater getragen vom Geist der Einfachheit. Alle wesentlichen Erfahrungen lassen sich für ihn mit dem eigenen Körper und ein paar simplen Gegenständen ausdrücken, einer Schnur, einem Kreidestrich, einer Blume, einem Polaroidphoto. "Ich bringe den Jugendlichen bei, sie selbst zu sein. Das erste, was ich ihnen sage ist, nicht zu spielen, sondern sie selbst zu sein", erklärt McKane..

Daß er für seine Theaterarbeit den britischen Jugend-Theater-Preis erhielt, ist etwas, das er kaum für erwähnenswert hält. Viel lieber spricht er über Liverpool und 'seine‘ Jugendlichen und die Reisen, die er mit ihnen zu internationalen Jugendtheatertreffen unternahm. Letztes Jahr waren sie in Polen eingeladen, davor in Frankreich, Italien und Deutschland. In jeder Stadt haben sie ihre Stadt, Liverpool vorgestellt, und als Besucher einer fremden Stadt haben sie danach ihr Liverpool jedes mal wieder mit anderen Augen gesehen.

 

 Flüsse und Brücken

ein Workshop mit George McKane an der Gesamtschule Holweide

(back to top)

In Köln, das George McKane zum ersten Mal besucht, arbeitet er nicht wie sonst mit 'seinen Jugendlichen‘ zusammen, sondern mit einer 'fremden‘ Truppe, mit Schülern und Schülerinnen der Gesamtschule Holweide. Wie es seine Art ist, will er das Fremde benutzen, um Vertrautes aufzuspüren.

Die meisten Menschen, denen er in Köln begegnet, werden nie in Liverpool gewesen sein. Andererseits werden viele schon von Liverpool gehört haben, von den Beatles oder von den Unruhen und der Gewalt, die es eine Zeitlang in Liverpool gegeben hat. "Solche Vor-Urteile sind oft der beste Ausgangspunkt, um über die Theaterarbeit zu Einsichten zu kommen", meint George McKane. Die Gemeinsamkeit, daß sowohl Köln als auch Liverpool an einem großen Fluß liegen, hat ihn auf das Thema 'Flüsse und Brücken‘ gebracht. Der Fluß als Bild für das nie stillstehende Leben, die Brücke als Symbol für die Möglichkeit, Grenzen zu überwinden. Man schaut nie zweimal auf den gleichen Fluß. Und Ideen fließen wie Flüsse fließen. Der Gang über eine Brücke führt zu neuen Sichtwiesen und neuen Ideen.

Der Liverpooler McKane fragt die Kölner Schüler und Schülerinnen der Holweider Gesamtschule: Was wißt ihr von den Menschen in Liverpool? Was wollt ihr von ihnen wissen? Und was wißt Ihr von Euch selbst?

Das Theaterstück, das er mit ihnen entwickelt und in der JugendArtGalerie im GEW Treffpunkt im Kölner Mediapark zur Aufführung bringen will, besteht vielleicht nur aus ein paar minimalen Aktionen. "Entscheidend ist der Prozeß, der im Laufe der Woche die Jugendlichen bewegte, jeden einzelnen und alle zusammen als Gruppe", erklärt McKane. Und lächelnd fügt er hinzu, daß sein Theater mit Jugendlichen immer für eine Überraschung gut ist.

 

Text: Jürgen Kisters/Georg Gartz

(back to top)