Gisela Winter

Städt. Kath. Grundschule

Pater Delp Schule

Im Kamp 14

 50859 KÖLN (Widdersdorf)

 0221/5002109

 

 

Special im Rahmen des Medienforums NRW 1998

  

1. Medienkompetenz - Förderung in der Grundschule

- Medienecken in Kölner Grundschulen

 


 

Grundlagen und Erfahrungen des Modellversuches in KÖLN

 

Nach all dem, was Sie bis hierher gehört haben, fällt mir nun der Part der Praxis zu.

Eine nicht ganz einfache Aufgabe, denn Praxis nur verbal dargestellt ist bereits wieder "Theorie".

Alle so gut geschriebenen Bücher über die Arbeit in der Schule, über Schaffen von Lernsituationen, über Lernen mit Schülern füllen sich erst dann mit Leben, wenn sie erprobt werden.

  

Zu meiner Person:

Ich bin kein Computerexperte

31 Jahre Schuldienst ohne Auszeit

Volksschule, Hauptschule

seit 1974 Grundschule

seit 1980 Schulleiterin

 

Zur Schule:

Ich arbeite an der Grundschule Widdersdorf

Stadtteil im Westen von Köln

von seiner Lage her noch Insellage

keine enge Anbindung an andere Stadtteile

gute Lernbedingungen

210 Schülerinnen und Schüler

Kinder, die lernen wollen

Eltern, die unsere Arbeit unterstützen, mitarbeiten, engagiert sind

Kollegium, das überschaubar ist, engagiert arbeitet, sich auseinander setzt, ein Team ist

 

 

Die Arbeit mit dem Computer an unserer Schule:

 

 1994 gab es die ersten Versuche von Eltern, zu diesem Thema mit uns ins

Gespräch zu kommen. Meine - mir heute einfältig erscheinenden - Argumente dagegen:

 

  • "Bis hierher bin ich ohne Computer ausgekommen."
  • "Unsere Schüler haben bis hier auch ohne Computer gelernt."

 

Aber die Problematik ließ uns nicht mehr los.

 Irgendwann stand der erste 2/86 in einer Klasse!

 

Irgendwann saß der erste Schüler an diesem Computer, arbeitete und lernte ??

  

Zu diesem Zeitpunkt hatten wir einige einfache Lern- und Übungsprogramme, - zum Teil nur in Demoversionen -, die den Anforderungen der Lehrplankommission in keiner Weise entsprochen hätten.

 

Wir machten mit den Computern und den Übungsprogrammen nun unsere ersten Erfahrungen, zunächst

in der kleinen Gruppe,

im Förderunterricht,

vor und nach dem Unterricht,

in der Pause.

 

Ich führte also die Schüler in kleinen Gruppen an die Arbeit mit dem Computer heran, indem ich

die wichtigsten Tastenfunktionen erklärte,

den Einstieg in ausgewählte Lernprogramme und die Arbeit mit diesen Lernprogrammen zeigte.

Die Entertaste bekam einen Herzchenaufkleber!

 

Die Schüler "sogen" meine Worte förmlich auf.

Während des Unterrichts - in fast allen Phasen - arbeiteten nun immer zwei Schüler am Computer.

 

Es mußten organisatorische Regeln aufgestellt werden:

 

Den Computer ein- und ausschalten macht nur der Lehrer.

Diese wichtige als erste aufgestellte Regel ist übrigens die erste, die wir wieder aufheben konnten.

 

Wir arbeiten immer mit einem Partner.

und zwar 1+2, 2+3, 3+4, ...

So arbeitet immer ein "wissender" Schüler und ein "Computerneuling". Wissen verbreitet sich schnell.

 

 

Die "Macht" über die Tasten hat nur der Schüler, der auf dem roten Stuhl sitzt.

Manchmal stehen hinter den arbeitenden Schülern andere, die die Arbeit verfolgen und mit diskutieren mit lernen.

"Übergriffe" werden mit dieser Regel verhindert

  

Wir setzen ein Arbeitszeitlimit von 15 Minuten.

So bleiben nicht immer die Stärksten am Computer.

  

Wir führen Listen darüber, wer am Computer was gearbeitet hat.

 

Wichtig ist hier zu sagen, dass nicht alle Schüler am Computer arbeiten wollen.

Einige wenige halten sich zurück, ziehen andere Lernmittel vor.

Das wird von allen akzeptiert.

 

Kurz vor den Weihnachtsferien 1995 erhielten wir von einer großen deutschen Computerfirma, den Anruf, dass für uns sechs Computer bereit stehen. Ein Computerraum wurde im Kreiswehrersatzamt umgerüstet.

 

Telefonieren -Fahren- Schleppen -Sortieren - Kabel entwirren - Aufbauen -Anschließen - Programme installieren -Ausprobieren ......... Freuen !!!

 

Zu dieser Zeit war an unserer Schule ein Kollege, der fitter war als wir und uns so zu jeder Zeit zur Seite stand.

Wir holten uns natürlich auch Hilfe von außen.

 

 

Die Aufnahme in den Modellversuch

 

"Medienecken in Kölner Grundschulen"

brachte uns einen entscheidenen Schritt weiter:

 

Ein leistungsfähiger Rechner

mit CD Rom Laufwerk

mit Soundcard und Lautsprecher

mit Farbdrucker!

 

Dazu erhielten wir zwei Programme:

Software, die uns völlig neue Möglichkeiten eröffnen.

 

"Winnie im grünen Klassenzimmer"

Eine Datenbank, die uns Informationen in Text und Bild über Ton und Animation bietet.

Werkzeuge, die uns schreiben, malen, auswählen, gestalten .... lassen.

 

"Creative writer"

Ein Schreib- und Gestaltungsprogramm, dass alle Schüler und Lehrer von Anfang an begeisterte.

Kein Wunder, denn bis hierher hatten die Schüler beim Schreiben von Texten mit write im Zubehör gearbeitet.

Nun hatten sie ein Programm, das ihnen eine Vielfalt von Möglichkeiten bietet, Texte zu erfinden und sie zu gestalten.

 

 

 

Der Förderverein unserer Schule finanzierte eine zweite, gleich ausgerüstete

Medienecke.

Jetzt hatte sich schon die Mehrheit der Kollegen auf den Versuch eingelassen.

 

 

Wir waren uns einig, dass die Computer nicht in einen Fachraum gehören

Der Computer ist und bleibt für uns ein Lernmittel unter vielen anderen.

Da Lernmittel nur Sinn machen, wenn sie für Schüler in der jeweiligen Lernsituation bereit stehen, gilt das auch für dieses andersartige neue Lernmittel Computer.

Nun standen in jeder Klasse wenigstens ein 2/86 bzw. 3/86. Zwei Klassen sind mit Medienecken optimal ausgerüstet.

Wir machten den entscheidenden Schritt vom Lernprogamm weg zu Programmen, die die Lehrplankommission empfehlenswert nennt.

Dazu gehören vor allem die beiden oben genannten.

 

Von hier an könnte ich Ihnen ein Menge

von Versuchen...,

von Grenzen, an die wir gestoßen sind,

von Mißerfolgen

von Frust

von Projekten...,

von Ergebnissen

von Freude am Lernen erzählen.

 

Die Arbeit mit dem Computer ist in offene Arbeitsformen

-Wochenplan - Freie Arbeit -Werkstattarbeit - Stationsbetrieb- integriert. Wer wann am Computer arbeitet regelt sich wie bei anderen Lernmitteln durch die Arbeitsform.

Die Schüler arbeiten am Computer selbständig, mit Partner, in der Gruppe. Sie helfen sich gegenseitig.

Fertigkeiten, Kenntnisse und Wissen über das neue Medium multiplizieren sich.

Schüler lernen, wie man lernt,

das Lernen "Eigeninitiative" ist,

das Lernen Spass macht,

dass ich anderen beim Lernen helfen kann,

dass ich andere um Hilfe bitten kann.

 

Der Hinweis auf unsere Grundschulrichtlinien drängt sich auf.

 

Schüler lernen,

dass es Medien gibt, die das Lernen erleichtern können,
dass ich den Umgang mit ihnen lernen kann und muss.

 

Wenn ich Lesen gelernt habe, kann ich ein Buch lesen.

 Wenn ich weiß, wie ich mit dem Computer umgehe,

kann ich Informationen in Wort, Bild und Ton abrufen,

kann ich Informationen filtern und verarbeiten,

kann ich schreiben, gestalten, kreativ sein

 

Ich komme zu Ergebnissen, die ich ausdrucken kann und dadurch schnell allen zur Verfügung stellen kann.

Ich kann ohne großen Zeitaufwand meine Ergebnisse verbessern.

 

Seit einiger Zeit können bereits viele Schüler ihre Arbeit auf Diskette speichern.

Immer für zwei Schüler liegt eine Diskette bereit.

Die darauf gespeicherten Dateien schreibt sich jeder Schüler selbst auf.

Er lernt seine Dateien selbst aufzurufen.

Viele sind bereits in der Lage, auch an einem anderen Rechner weiterzuarbeiten, denn Drucker haben wir leider nicht in jedem Klassenraum.

 

Hier ist es an der Zeit, etwas über die Rolle des Lehrers zu sagen.

 

Der Lehrer gibt Hilfestellung bei der Arbeit am Computer, wie bei anderen Lernmitteln auch.

Ein Lehrer muss nicht alles können.

Er darf zugeben, dass er etwas nicht kann.

Ein Lehrer darf auch Fehler machen.

Er kann zugeben, dass er Hilfe braucht

Ein Lehrer löst nicht alle Probleme, er will es auch nicht!

 

Durch offene Arbeitsformen hat sich in den letzten Jahren das Rollenverständnis des Lehrers entscheidend geändert.

Durch das Lernmittel Computer ist eine neue wesentliche Komponente hinzugekommen:

Der Computer ist ein Lernmittel, die Computerfachleute unter ihnen mögen mir verzeihen,

das wir Lehrer nicht beherrschen,

das ein Teil unserer Schüler besser beherrscht als wir Lehrer.

 

Dieses Lernmittel zuzulassen und uns dabei in einen nicht kalkulierbaren Bereich zu begeben, fällt vielen von uns schwer.

 

Ich kann Ihnen versichern, der Versuch ist es wert.

 

Der Lehrer kann sich immer mehr aus der Rolle des "Wissensvermittler‘" zurückziehen.

Er wird zum "Organisator", er ist Beobachter.

Wenn die einen Schüler mit Medien selbständig umgehen können, hat der Lehrer Zeit für andere Schüler.

Der Lehrer wird Berater und pädagogischer Helfer.

 

Der "Virus Computer" ist auf die Mehrheit unseres Kollegiums übergesprungen.

Unsere neuen Referendare sind dabei.

Wir sind durch den Computer noch mehr ins Gespräch miteinander gekommen.

Wenn es geht (!!!) treffen wir uns zu einem festen Termin.

Wir tauschen Erfahrungen aus.

Wir lernen voneinander wie unsere Schüler.

Nur - auch die Bemerkung sei gestattet - unsere Schüler lernen schneller und

leichter als wir.

 

Damit sind wir wieder bei den Schülern, um die es ja eigentlich geht. Wie Schüler am Computer arbeiten, demonstrieren Ihnen die Schüler der

Ernst Moritz Arndt Schule, Rodenkirchen,

denen Sie bei der Arbeit zusehen können.

 

Ich habe Ihnen einige Schülerarbeiten aus unserer Schule hinten ausgestellt.

 

Leider können "Endergebnisse" nicht die Entwicklung von Lernprozessen zeigen, aber jeder, der mit Schülern arbeitet, kann sie erahnen.

 

Ich kann nur hoffen, dass wir es schaffen, Kollegen zu motivieren, den Computer als ein neues, andersartiges Medium in unsere Schulen auszuprobieren.

  

Nach den Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren bei dem Modellversuch

"Medienecken an Kölner Grundschulen"

gemacht habe, möchte ich folgendes Fazit ziehen:

 

Meinen Schülern die Arbeit mit dem Computer zu verbieten, bzw. in der Grundschule nicht zuzulassen, wäre für mich gleichbedeutend mit einem Verbot:

 

"Du darfst kein Buch lesen"

"Du darfst keinen Stift in die Hand nehmen."

 

Die Möglichkeiten des Computers als neues, andersartiges Lernmittel muss die Schule - auch die Grundschule - neben allen anderen Lernmitteln- nutzen um unseren Kindern alle Chancen zu eröffnen, sich fit zu machen.