Korruption, Kundenbetrug oder Umweltverschmutzung. Ob VW oder Daimler, Shell oder Deutsche Bank – immer wieder kommen individuelle Angestellte von Großunternehmen vor deutsche Gerichte. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas gibt es in Deutschland keine Unternehmensstrafbarkeit. Gegen Unternehmen können lediglich Geldbußen nach dem Gesetz gegen Ordnungswidrigkeiten verhängt werden. Da eine Geldbuße nach dem Gesetz nicht mehr als 10 Millionen Euro betragen darf, wirkt diese Möglichkeit für größere Unternehmen kaum abschreckend.
Eine an der Universität zu Köln gegründete Forschungsgruppe um die ProfessorInnen Martin Henssler, Elisa Hoven, Michael Kubiciel und Thomas Weigend hat die Wirksamkeit der bislang geltenden Regelungen untersucht und einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet. Dank einer Förderung mit rund 450.000 Euro durch die VolkswagenStiftung konnten die WissenschaftlerInnen ihre Arbeiten auf eine breite Grundlage stellen. Sie führten eine deutschlandweite Untersuchung der Anwendung des geltenden Rechts durch, befragten Praktiker in den USA und Österreich und holten sich Rat bei Experten aus der Justiz, der Anwaltschaft und aus Unternehmen.
„Eine Reform des geltenden Rechts wird in der Politik seit Jahren diskutiert und dürfte nun auch bei möglichen Koalitionsverhandlungen eine Rolle spielen. Leider fehlte bislang eine konstruktiv-kritische Begleitung durch die Wissenschaft. Das wollten wir durch unseren Entwurf ändern,“ so Professor Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel.
Die Anwendung des derzeit geltenden Ordnungswidrigkeitenrechts ist, so ein Ergebnis der Forschungsgruppe, deutschlandweit sehr uneinheitlich und auch für Unternehmen wenig vorhersehbar. „Die Staatsanwaltschaften haben weites Ermessen bei der Entscheidung, ob sie gegen ein Unternehmen Ermittlungen aufnehmen. Ob eine Unternehmensgeldbuße verhängt wird, hängt also ganz entscheidend davon ab, welche Staatsanwaltschaft für das Unternehmen zuständig ist “, so Professorin Dr. Elisa Hoven. Der Entwurf will hier durch eine Ermittlungspflicht, wie sie auch im Strafverfahren besteht, Abhilfe schaffen.
Kennzeichnend für den Entwurf ist seine Zielsetzung, Unternehmen nicht nur zu bestrafen, sondern wieder zu „good corporate citizens“ zu machen. So sollen künftig Compliance-Bemühungen eines Unternehmens stärker berücksichtigt werden. Finanzielle Sanktionen gegen das Unternehmen können zur Bewährung ausgesetzt werden; ein Monitor überwacht dann, ob das Unternehmen seine internen Abläufe tatsächlich verändert. „Die Maßnahmen, die der Entwurf vorsieht, zielen primär auf Strukturverbesserungen im Unternehmen ab“, so Professor Dr. Weigend.
Zugleich wird auf den Schutz der Beschäftigten geachtet. Professor Dr. Henssler hebt in diesem Zusammenhang hervor: „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden davor geschützt, dass die Geldbußen über Regressansprüche letztlich auf sie abgewälzt werden; außerdem werden die aus internal investigations folgenden Risiken durch Verschwiegenheitsrechte der anwaltlichen Berater begrenzt.“
Der „Kölner Entwurf“ wird im Februar 2018 auf einer Tagung an der Universität zu Köln der Fachwelt präsentiert und von Experten kritisch gewürdigt.
Link:
http://www.jpstrafrecht.jura.uni-koeln.de/sites/iss_juniorprof/Projekte/Koelner_Entwurf_eines_Verbandssanktionengesetzes__2017.pdf
Kontakt:
Juniorprofessorin Elisa Hoven
Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht
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