10. November
18.00 Uhr
Veranstalter:
Erich Auerbach Institute for Advanced Studies
Ort:
Bibliothek Erich Auerbach Institut
Weyertal 59 (Rückgebäude, 3. OG)
50937 Köln
Information:
Vortrag von Sebastian Schönbeck (Bielefeld) im Rahmen der Auerbach Lectures
Die Gegenwartsliteratur hat die jüngsten politischen Krisen und Konflikte besonders schnell verarbeitet. Texte wie Katja Petrowskajas Bildbetrachtungen als wäre es vorbei. Texte aus dem Krieg (2025), Sasha Marianna Salzmanns Dialog mit Ofer Waldmann Gleichzeit (2024) oder Serhij Zhadans Erzählungen Keiner wird um etwas bitten (2025) gehen direkt von den politischen Krisen und Konflikten in der Ukraine und in Israel aus. Deutlich wird in den Texten, dass es sich bei den genannten Ereignissen nicht nur um politische Zäsuren handelt, sondern auch, dass sich mit ihnen die Praxeologien und Schreibweisen der Gegenwartsliteratur gewandelt haben.
In meinem Beitrag gehe ich davon aus, dass sich diese Texte als Fälle von engagierter Gegenwartsliteratur perspektivieren lassen, dass sie also durch ihre Bezugnahmen auf das politische Geschehen an jene Vorgaben und Schwierigkeiten der Littérature engagée anschließen, in deren Zentrum die Koordinierung von Ästhetik, Poetik und Politik steht. Engagiert sind diese Texte aber nicht primär deshalb, weil sie politisch Partei ergreifen oder sich einem gesellschaftlichen Zweck unterordnen. Vielmehr unterminieren sie jenen Widerspruch zwischen engagierter und autonomer Kunst, der bis heute immer wieder im Rückblick auf den Disput zwischen Jean-Paul Sartre und Theodor W. Adorno wiederholt wird.
Statt einer einseitigen Positionierung im Feld des Politischen entwickeln die Texte durch ihre ästhetischen und poetischen Auseinandersetzungen mit dem politischen Geschehen eigene Formen engagierten Schreibens, die sich nicht auf eine ‚Verzweckung‘ reduzieren lässt. Mein Beitrag erforscht diese Praxeologien und Schreibweisen, indem er den in den Texten von Petrowskaja, Salzmann/Waldmann und Zhadan verzeichneten Verschiebungen und Verzerrungen in der Wahrnehmung und den reflektierten Sprachfindungsprozessen nachgeht, die sich aus den individuellen Krisenerfahrungen der Autor:innen und ihrer Figuren speisen. Nicht zuletzt wird dabei die Frage nach der Rolle der Literatur im Mediengefüge politischer Kommunikation diskutiert.
Gäste sind herzlich willkommen!