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Wie Borstenwürmer mit Hilfe eines Proteins zwischen Sonnen- und Mondlicht unterscheiden

Protein kommt bei marinen Borstenwürmern je nach Licht als stabile Anordnung vor oder wird in kleinste Untereinheiten zerlegt / Veröffentlichung in Nature Communications

Professor Dr. Elmar Behrmann (Foto: Martin Niekämper - www.niekaemper-fotografie.com) 

Die Kryo-Elektronenmikroskopie-Plattform des Departments für Chemie und Biochemie (Foto: Martin Niekämper - www.niekaemper-fotografie.com) 

Forschende des Instituts für Biochemie der Universität zu Köln haben in enger Kooperation mit Wissenschaftler*innen der Universität Mainz sowie der Universität Oldenburg herausgefunden, wie ein spezielles Protein des marinen Borstenwurms Platynereis dumerilii ihm erlaubt, zwischen dem Tag-Nacht-Zyklus sowie der Mondphase zu unterscheiden. So genannte Cryptochrom-Proteine (CRY) kommen in einer Vielzahl von Organismen vor und sind häufig an lichtgesteuerten biologischen Prozessen beteiligt. In dem speziellen Protein des Borstenwurms, L-Cry, ist die Reaktion auf einfallendes Licht jedoch sehr außergewöhnlich. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications unter dem Titel „A marine cryptochrome with an inverse photo-oligomerization mechanism“ veröffentlicht.

Die Forscher*innen nutzten in ihrer Arbeit die erst 2021 in Betrieb genommene Kryo-Elektronenmikroskopie-Plattform des Departments für Chemie und Biochemie, um L-Cry unter verschiedenen Belichtungszuständen sichtbar zu machen. Die Untersuchung enthüllte, dass L-Cry durch intensive, Sonnenlicht-artige Belichtung in seine zwei kleinsten Untereinheiten aufgetrennt werden kann. Im Dunkeln kommt L-Cry allerdings als stabile Verknüpfung beider Untereinheiten vor.

Nicht nur die räumliche Anordnung der beiden Untereinheiten im dunklen Zustand ist ungewöhnlich und entspricht einer Anordnung, die bisher bei anderen Cry-Proteinen nicht beobachtet wurde. Auch die Richtung der Auftrennung ist ungewöhnlich, da für andere Cry-Proteine bisher nur der umgekehrte Prozess beschrieben wurde: von einzelnen Untereinheiten im Dunkeln zu Anordnungen mit mehreren Untereinheiten im Hellen. In ihrer Studie konnten die Kölner Wissenschaftler*innen weiterhin die für dieses ungewöhnliche Verhalten wichtigen strukturellen Merkmale im Protein identifizieren. Diese könnten erklären, wie es L-Cry gelingt, zwischen Sonnen- und Mondlicht zu unterscheiden: Das intensive Sonnenlicht aktiviert im Protein immer beide Untereinheiten gleichzeitig, was den Zerfall in die einzelnen Untereinheiten einleitet. Im deutlich schwächeren Mondlicht hingegen wird statistisch immer nur eine Untereinheit aktiviert, so dass diese Untereinheit das Lichtsignal an die Zelle weitergeben kann.

Cry-Proteine weisen eine große Vielfalt auf und werden unter anderem auch als Sensorproteine bei der Wahrnehmung des Erdmagnetfeldes bei Vögeln vermutet. Die Ergebnisse der Studie unterstreichen die Einzigartigkeit von L-Cry. "Die Arbeit mit Sensorproteinen ist immer eine Herausforderung. L-Cry hat sich im Labor als unglaublich lichtempfindlich erwiesen, so dass wir große Teile der experimentellen Arbeit nur unter definierter Rotlichtbeleuchtung durchführen konnten, um das Protein nicht versehentlich vorab zu aktivieren“, so Dr. Heide Behrmann, eine der Erstautor*innen der Studie. „Hier zeigte sich die enorme Spezialisierung von L-Cry, die es dem Protein ermöglicht, robust auch auf schwaches Mondlicht zu reagieren.“

Die Publikation liefert nicht nur neue Einblicke in das ungewöhnliche Sensorprotein. Prof. Dr. Elmar Behrmann vom Institut für Biochemie, der die Studie auf Kölner Seite leitete, ergänzt: "Unsere Arbeit zeigt, wie flexibel die Natur vorhandene Bausteine anpasst, um neue, faszinierende Mechanismen zu entwickeln. Darüber hinaus sind unsere Ergebnisse ein starker Beleg für die Möglichkeiten der Kryo-Elektronenmikroskopie am Standort Köln: Ohne den direkten Zugang zu einem High-End-Elektronenmikroskop in Köln wären wir nie so schnell zu unseren Ergebnissen gekommen.”
 

Inhaltlicher Kontakt:
Professor Dr. Elmar Behrmann
Institut für Biochemie
+49 221 470 76300
elmar.behrmannSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470 2356
j.voelkelSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Veröffentlichung:
https://rdcu.be/dpPyF