24. November
18.00 Uhr
Veranstalter:
Erich Auerbach Institute for Advanced Studies
Ort:
Bibliothek Erich Auerbach Institut
Weyertal 59 (Rückgebäude, 3. OG)
50937 Köln
Information:
Vortrag von Janek Scholz (Leipzig) im Rahmen der Auerbach Lectures
Das Töten und Übertöten (vgl. Brossat 2022) von Tieren ist in der Literatur kein seltenes Motiv. Tierquälerei, Schlachtbetriebe und Jagdszenen tauchen als Nebenschauplätze oder zentrale Handlungsstränge in zahlreichen Texten auf. Gewalt an Tieren ist vor allem dann möglich, wenn ihnen ihr Subjektstatus abgesprochen wird und sie zu einem schieren Objekt menschlicher Bedürfnisse werden (vgl. Sebastian 2019). Aus einer praxeologischen Perspektive heraus lässt sich dieser Umgang mit tierlichen Körpern als Epistemizid verstehen. Einerseits bezeichnet Boaventura de Sousa Santos‘ Begriff des Epistemizides (2009) zwar die bewusste Zerstörung menschlicher Wissensbestände im Kontext der Kolonisierung und ist somit klar an Erkenntnis und Verständnis gebunden. Andererseits ermöglicht eine erweiterte Auslegung aber auch die Übertragung des Begriffs auf praxeologische und verkörperlichte Formen von Wissen, um auf diese Weise auf die bewusste oder unbewusste Zerstörung nicht-menschlicher Wissensbestände hinweisen zu können.
Im Rahmen des Vortrags werden zunächst literarische Szenen der Tierquälerei und der Tötung von Tieren diskutiert, um daran anschließend zu zeigen, dass der damit einhergehende Verlust von Biodiversität (und Wissensdiversität) in der Gegenwartsliteratur nicht unbemerkt bleibt. Die Beschreibung einer monotonen, nicht diversifizierten Natur, vor allem in der spanischen Gegenwartsliteratur, stößt auf und ist als Mahnung vor einer Homogenisierung zu verstehen, die auch menschliche Sphären erfassen kann. So erinnert das Verschwinden von Tieren an das Verschwindenlassen von Menschen zu Zeiten lateinamerikanischer Militärdiktaturen. In einem letzten Schritt werden diesen dystopischen Gegenwartsbildern utopische Entwürfe einer vernetzten, beziehungshaften Welt entgegengesetzt, in denen menschliche und nicht-menschliche Aktanten (Latour) gerade aufgrund ihrer körperlichen Vulnerabilität aufeinander angewiesen sind und voneinander lernen können.
Gäste sind herzlich willkommen!