Wundert den Einen oder Anderen dieses Ergebnis? Dabei liegen die Vorzüge doch klar auf der Hand. Den sonnigen Sonntag ausnutzen für einen Ausflug ins Brühler Schloß, danach einen Milchkaffee in der Cafeteria der Bundeskunsthalle Bonn und zum krönenden Abschluß des großartigen Tages: Fettochini bei diesem besonders leckeren Italiener in Ossendorf, wo kein Gericht mehr als zehn Mark kostet.
Ach studentischer Intellekt und studentischer Gaumen, welch Einblicke und Genüsse blieben euch versagt, hättet ihr nicht die Chance, ob des Semestertickets kostenlos zu fahren. Die Bundesbahn hätte das Geld für die Fettochini verschlungen, die KVB sich den Milchkaffe in ihren unersättlichen Schlund gesch¨ttet.
Geplagt durch die Suche nach dem Sinn des Daseins wärest du, wie jeden Sonntag, mit deiner Quasi-Ehe über die Uni-Wiesen gewandert. Gesprächsstoff hätte es schon lange keinen mehr gegeben, da bereits jedes Zweiglein, jeder Stein, auf einem der vorherigen Spaziergänge mit einem "schau nur" oder "sieh mal dort" bedacht worden wäe. Leer und grau wären die Sonntage gewesen, aus finanzieller Not gezwungen, sich der Ferne fernzuhalten.
Manchmal hättet ihr den Bahndamm erklommen, da, wo die Züge langsamer fahren, und sehnsuchtsvoll all den Anderen zugesehen, die mit einem Lachen im Gesicht der groszlig;en weiten Welt entgegenrollten. Der Tag wäre gekommen, an dem die Quasi-Ehe in einem Hauptseminar einen anderen Menschen kennengelernt hätte. Nein, nicht so geistreich wie du, aber mit Auto. Auch die nächtelangen Gespräche und der mißlungene Versuch, das Fahrrad zu reparieren, hätten das unvermeidliche nicht mehr aufhalten können. Die Quasi-Ehe wäre zur Quasi-Scheidung geworden.
Glücklich blickst du auf dein Semesterticket, dann auf deine Quasi-Ehe, die lächelnd neben dir im Zug Richtung Brühl sitzt. Nein, die Nörgler, die sagen, sie bräuchten dieses Ticket nicht, weil sie nie mit der KVB, sondern nur mit dem Fahrrad fahren, die kannst du einfach nicht verstehen. Auch nicht diejenigen, die dir vorrechnen, daß der VRS durch das Semesterticket mehr Geld bekommt, als durch den Fahrkartenverkauf an die Studenten vorher. Alles Prinzipienreiter, die einem das Semesterticket mit dem Argument madig machen wollen, daß damit der VRS jedes halbe Jahr einen fest einkalkulierbaren Betrag überwiesen bekommt, ohne vorher irgendeine Leistung erbracht zu haben. Auch wenn man mit dem Fahrrad zweimal schneller am Neumarkt ist, als mit der Straßenbahn, so ist es in der Bahn doch trocken und warm.
Währenddessen feiert Köln seinen Karnevalsauftakt am Abend des 11.11. in geschlossener Runde weiter. Alle Persönlichkeiten dieser Stadt sind anwesend. Es strömt wieder einmal, das Kölsch. Eine gute Gelegenheit, alte Freundschaften zu festigen und neue zu knüpfen. Die Wogen des Frohsinns brausen hoch und ergießen sich donnernd über die an vielen Tischen versammelten Jecken. "Mariechen isch han disch verloore, verloren habe ich dich...", die Stimmung am Tisch der KVB Planungsgruppe "Fahrplan" ist ausgezeichnet. "Hörenz Kollejen", bittet Kollege Schmitz um Aufmerksamkeit, um den Höhepunkt des Abends einzuleiten. Wie jeden Karneval kringeln sich die Kollegen vor Lachen, laufen rot an, als Kollege Schmitz erzählt, wie er nach langen Berechnungen endlich den aktuellen Fahrplan entwerfen konnte, bei dem jeder, egal wann und mit welcher Bahn er am Neumarkt ankommt, die Linie 7 nur noch von hinten sieht.
Dröhnendes Gelächter, Kollege Föss bekommt schon keine Luft mehr. Von Tisch 12 nähert sich der Direktor der Stadtwerke. Die anwesenden Damen und Herren sind nahe einem Herzinfarkt vor lauter Lachen, als er die Geschichte mit den neuen Ampelschaltungen erzählt. Wieder einmal ein Beispiel für die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen den ämtern. Mittels modernster Computertechnologie (Kollege Föss sieht vor lauter Lachen schon bedrohlich grün im Gesicht aus) sei es ihm gelungen, die Ampeln im Stadtgebiet so zu schalten, daß jede zweite Straßenbahn garantiert solange rot hat, bis sie von der nachfolgenden Bahn eingeholt worden ist. (Kollege Föss wird von seiner Frau vor die Tür geführt, weil sie Angst hat, er erstickt.) Die Taktfrequenzen der Straßenbahnen wären somit doppelt so lang. Alleine das Wort "Taktfrequenz" reicht schon aus. Die Runde kann sich kaum noch halten, der Zuständige für die Fahrpreise, sonst derjenige, der die schallendsden Lachsalven auslöst, haut nur noch mit der Faust auf den Tisch und kann vor lauter Lachen nur noch stammeln.
Liebevoll blickst du auf deine Quasi-Ehe, die neben dir in der Straßenbahn Richtung Heimat sitzt. Sie riecht immer noch leicht nach den leckeren Fettochini dieses besonders guten Italieners in Ossendorf, wo kein Gericht mehr als zehn Mark kostet. Schade eigentlich nur, daß ihr den Grappa nicht mehr austrinken konntet, weil die letzte Bahn sonst weg gewesen wäre.