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Systemische Benotung

 

Kersten Reich

Aus empirischen Ergebnissen der Unterrichtsforschung ist schon länger bekannt, dass die gängigen Unterrichtsmethoden in deutschen Schulen eher lehrer­zentriert, direktiv und frontal ablaufen. Dies korrespondiert mit einem Benotungssystem, welches das Machtgefälle zwischen Lehrenden und Lernenden einseitig hält, um die Unterrichtsmonotonie nicht zu stören. Dagegen stehen immer wieder Versuche, das Benotungssystem zu reformieren oder grundlegend zu verändern. Hier ist bemerkenswert, dass längst nicht alle Schulsysteme im internationalen Vergleich überwiegend auf Ziffernnoten beschränkt sind, sondern immer öfter zu lernerfördernden Rückmeldungen mit Konsequenzen (Zielvereinbarungen) tendieren, wie sie in der Weiterbildung, der Personal- und Organisationsentwicklung in der beruflichen Bildung längst üblich sind. Es ist nicht nur lernpsychologisch gesichert, sondern auch schulpraktisch hinreichend dokumentiert, dass das Sitzenbleiben als ein ineffektives Verfahren abzulehnen ist, und daher insbesondere in den Ländern bereits überwunden ist, die auch bessere Pisa-Ergebnisse zeigen. Und es wird immer deutlicher, das lernerzentrierte Verfahren, wie sie im handlungsorientierten Unterricht und einer konstruktivistischen Didaktik intendiert werden, eine neue Benotungspraxis benötigen.

Für die handlungsorientierten Methoden finden sich bei Grunder/Bohl (Neue Formen der Leistungsbeurteilung in den Sekundarstufen I und II. Hohengehren, Schneider 2001, 358 ff.; siehe auch http://www.netzwerk-medienschulen.de/dyn/bin/3976-4000-1-bohl_leistungsbewertung_2te_version020505zo.pdf) zahlreiche Hinweise zur Inhaltsseite der Benotung. Aber es fällt selbst in solchen reformorientierten Programmen auf, dass die Beziehungsseite nach wie vor ein pädagogisches Entwicklungsland darstellt. Wie kann es sein, dass insbesondere die Schule so sehr hinter Förder-, Zielerreichungs- und Bewertungssysteme zurückfällt, wie sie in der beruflichen Bildung längst weite Verbreitung gefunden haben? Ich will in meinen Vorschlägen auf ein Rahmenkonzept abheben, in dem einerseits engere inhaltliche Beurteilungen, wie sie reformorientiert vorgeschlagen werden, realisiert werden können, in dem andererseits aber zugleich erkennbar ist, dass Benotungen ohne Wechselseitigkeit nicht auskommen, wenn partizipatives Lernen erreicht werden soll. Dies nenne ich systemisches Benoten.

Peter ist ein erfolgreicher Lehrer. Er gilt als beliebt. Als aber die Schüler auf die Idee kommen, dass nicht nur er ihnen Noten geben soll, sondern dass sie auch ihm Noten geben könnten, schreckt Peter zurück. In einer stillen Stunde kann er für sich zugeben, dass er ein wenig Angst verspürt, eine schlechte Bewertung zu bekommen. Wie würde er dann vor seinen Kollegen dastehen? Was würde er empfinden, wenn sein Selbstbild nicht mit dem Fremdbild übereinstimmt? Peter spürt, dass ihm die Vorstellung unangenehm ist, bewertet zu werden. Hat er es nicht geschafft, indem er nun Lehrer ist, die Bewertungen und Prüfungen hinter sich zu lassen? Nach außen rationalisiert er dies: Die Schüler haben noch zu wenig Wissen, um überhaupt die Qualität des Unterrichts beurteilen zu können. Sie könnten sicherlich ein Feed-back geben, aus dem sich Konsequenzen ziehen ließen. Aber will er dies eigentlich?

Diese Ansicht ist typisch für Lehrende. Sie steht unter dem grundsätzlichen Vorbehalt des Mehrwissens, was auch eine konstruktivistische Didaktik gar nicht bestreiten will: Lehrende sollten ein Mehr an Wissen gegenüber den Lernern haben, die sie unterrichten. Sie sollten auch qualifiziert sein, genau zu beobachten und fördernd zu kommentieren, welche Lernfortschritte Lerner in ihren Voraussetzungen machen und inwieweit dabei Hilfestellungen gegeben werden können. Aber diese herkömmliche Sicht einer Bewertung muss mindestens um zwei Perspektiven erweitert werden:

* Zielvereinbarungen helfen auf der Inhalts- und Beziehungsseite zu planen, zu beobachten und zu bewerten, was von Seiten der Lernenden und Lehrenden getan wurde, um ein gemeinsam festgelegtes Ziel zu erreichen. Aus solcher Bewertung lassen sich Konsequenzen für weitere Vereinbarungen ziehen, die konkret inhaltlich und beziehungsbezogen aussagen, welche Handlungen erforderlich sind, ohne dies auf die bloße Rückmeldung einer Note zu reduzieren. Der Vorteil von Zielvereinbarungen ist, dass sie von zwei Seiten gesetzt, kontrolliert und bewertet werden müssen und damit einseitige Machtgefälle, hinter die man sich verschanzen kann, verhindern.

* Fördergespräche helfen, die besondere Ausgangslage von Lernern zu thematisieren, eine individuelle Motivation zu erreichen und eine auf wechselseitigem Interesse gründende Beziehung zu führen, die gegenüber allen Lernern die Bereitschaft zu besonderer Förderung aufbringt.

Die Benotung in der konstruktivistischen Didaktik orientiert sich vor diesem Hintergrund an einer systemischen Notengebung, die vor allem aus drei Bereichen besteht:

 

 

Systemische Notengebung

 

 

Zielvereinbarungsgespräche

 

* Soll-Ist-Vergleich =

* Was muss sie/er tun?

* Wie kann ich helfen?


* Kriterien = wir müssen sie gemeinsam erarbeiten und

* schriftlich festhalten

* Termine fixieren

 

* Grundfrage = wir müssen im Auge behalten:

* Wo will sie/er hin?

 

Fördergespräche

 

* Motivieren + Fördern

* Zeitplan erstellen

* individuell vorgehen

* Hilfen geben

* Kontrollen vereinbaren

 

* Kriterien klären

* Wo will/soll sie/er hin?

* gemeinsam erarbeiten

* schriftlich festhalten

* Termine fixieren

 

Herkömmliche Benotung

 

* Selektion oder Diagnostik ist

* inhaltsdominant

* eine starke Vereinfachung

* in den Kriterien oft unklar

* bestimmend für Rangfolgen in Gruppen

 

Wechselseitige Noten für Inhalte und Beziehungsfeedback

 

 

Schaubild: Systemische Notengebung

 

(1) Zielvereinbarungsgespräche

Bei Zielvereinbarungsgesprächen soll das herkömmliche Benotungsverfahren umgedeutet werden. Es kommt bei der Festlegung von Zielen und dem Treffen von Vereinbarungen hierüber zunächst nicht auf Noten an. Statt der Noten oder einer Disziplinierung soll hier eine gemeinsame Reflexion über die Aktivität der Lerner im Vordergrund stehen. Es soll gefragt werden: Wo/wie/wann/wodurch/mit wem ergeben sich Lösungsmöglichkeiten? Dies geschieht individuell meist in einem Soll-Ist-Vergleich: Was hat sie/er bereits getan und erreicht? Wie kann dies fortgesetzt werden? Oder: Was muss sie/er bei diesem Thema, diesem Gebiet, in nächster Zeit tun, um gesetzte Ziele (eigene/fremde) zu erreichen?

Für den Lerner muss es dann aber auch ein entsprechendes Hilfsangebot der Lehrenden geben: Was kann ich für sie/ihn tun? Wie kann ich helfen und ermutigen? (So z.B. Bambach 1994).

Um diese doppelte Aufgabe zu bewältigen – also einerseits die Aktivität der Lerner und andererseits die Hilfe des Lehrenden zu markieren –, sollten gemeinsam Kriterien festgelegt werden. Zu diesen Kriterien gehört zunächst vor allem die entscheidende Frage: Was soll allein (aus einer Sicht) und was gemeinsam (beiderseitiger Dialog) erarbeitet und beurteilt werden? In schriftlicher Form – im Einzelgespräch durch individuelle Notizen und bei Gruppenarbeiten für alle sichtbar – sollte festgelegt werden, welche Termine hierbei gesetzt sind und wer was wann kontrolliert. Hierbei sollte immer die Grundfrage vor Augen bleiben, was man gemeinsam oder wechselseitig erreichen, verändern kann, wo man hingelangen will.

Ist diese Basis einer Zielvereinbarung geleistet, dann lässt sich auch über Noten sprechen, die es sowohl als inhaltliches wie als beziehungsbezogenes Feed-back bei der Kontrolle der Zielerreichung geben kann.

Beispiel 1: Maria hat im Mathematikunterricht des letzten Schuljahres große Schwierigkeiten gehabt. Ihre Leistungen waren mangelhaft. Die Lehrerin erarbeitet mit ihr zu Beginn des neuen Schuljahres eine Zielvereinbarung, in der festgelegt wird, wie Maria sich das notwendige Basiswissen bis zur ersten Klassenarbeit aneignet. Sie schätzt selber ein, was sie tun muss, die Lehrerin erstellt dann mit ihr gemeinsam einen Aktionsplan. Es wird vereinbart, dass sich Maria um eine Nach­hilfe bemüht, wobei Michael aus einer höheren Klasse sich angeboten hat, ihr zu helfen. Die Lehrerin will den ersten gemeinsamen Termin wahrnehmen, um die Nachhilfe zu orientieren. Nach der nächsten Klassenarbeit, so wird vereinbart, soll gemeinsam analysiert werden, was schon geklappt hat und wo weitere Lücken zu beseitigen sind. Die Lehrerin will zurückmelden, was sich verbessert hat, die Schülerin der Lehrerin sagen, wie effektiv die Hilfe war und wo sie ggf. verbessert werden kann.

Beispiel 2: Im Deutschunterricht wurden Projektgruppen gebildet, die eigen­ständig bestimmte Autoren der Gegenwartsliteratur vorstellen sollen. Der Lehrer vereinbart gemeinsam mit der Gruppe, welchen Umfang die Arbeit haben soll, welche Präsentationsnotwendigkeiten bestehen, wie eine Bewertung erfolgen soll. Dabei wird geklärt, dass alle Gruppenmitglieder bestimmte Teile der Arbeit und Präsentation zu übernehmen haben, so dass neben der Gruppenleistung auch individuelle Feed-backs möglich sind. Es gibt eine Gesamtnote und Einzelnoten.

Beispiel 3: Mit der gesamten Lerngruppe wird diskutiert, welche Ziele für den Lernabschnitt bestehen. Es werden Vorschläge gesammelt, wie die allgemeinen Ziele erreicht werden sollen und welche individuellen Ziele jeder für sich sieht. Dazu wird auf einer Stellwand in einer Tabelle eingetragen, welche Ziele für alle gelten und welche individuellen Schwerpunkte zusätzlich möglich sind. Diese Tabelle wird während des Lernprozesses immer wieder zu Rate gezogen, um erreichte Punkte zu markieren und Defizite zu besprechen. Bewertet werden die Fortschritte, die nachweislich gemacht werden. Dabei dominieren verbale Umschreibungen gegenüber bloßen Ziffern.

Gegen diese Beispiele gibt es immer wieder Einwände. Bei Beispiel 1 sagen Lehrende gerne, dass sie dafür keine Zeit haben. In ihrem Konstrukt stimmt das auch. Aber wenn wir z.B. in die skandinavischen Länder schauen, in denen Ganztagsschulen mit Anwesenheitspflicht der Lehrenden existieren, dann relativiert sich die Aussage sofort. Anschaulich sind mir aus einem Besuch von Schulen in Finnland und Schweden Förderungen wie bei Maria vor Augen. So verwundert es kaum, dass in diesen Ländern schwächere Schüler ganz andere Lernchancen als bei uns haben. Eine andere Problematik zeigt Beispiel 2. Ist es überhaupt erlaubt, dass ein Gruppenergebnis einer heterogen zusammengesetzten Lerngruppe einzelnen – auch schwächeren – Schülern zugeschrieben wird, da hier individuelle und Gruppenleistung vermischt sind? Die Frage verrät schon die antiquierte Einstellung. Der Fragesteller soll einmal den Betrieb oder Beruf zeigen, in dem später gefragt wird, ob das Einzelergebnis bedeutsamer als das Teamergebnis ist. Dies kann nur für Einzelkämpfer gelten, aber deren Habitus ist nur noch in exotischen Berufen eine erstrebenswerte Haltung. Und Beispiel 3 zeigt, dass bei einer höheren Qualifizierung die Noten in Zahlen ohnehin unzureichend werden. Mit Michel Foucault lässt sich hier ohnehin ein Diskurs führen, der das Problem der Disziplinierung kulturkritisch gegen Benotungssysteme erörtert. Gleichwohl kann auch dieser wichtige Diskurs über die Macht die Praxis der Benotung nicht abschaffen, da Notensysteme heute gewollt eine Funktion der Selektion ausüben. Deshalb sollten Didaktiker hier besondere Sorgfalt und Verantwortung walten lassen und von den Risiken der Machtausübung wissen.

Bei höherer Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz benötigen wir eine differenzierte, verbale und diskutierbare Rückmeldung, um positive Lerneffekte durch Beurteilungen hinreichend konkret erzielen zu können.

Die Methode der Zielvereinbarung ist sehr offen. Sie lässt wechselseitige Positionen zu, wobei jede Form einseitiger Leistungszuschreibung zu vermeiden ist. Lernende wie Lehrende werden als ein System gesehen, das sich wechselseitig bereichert und für das beide Seiten verantwortlich sind. Dabei sind verbale Beurteilungen immer wichtiger als bloße Noten. Wenn Noten vergeben werden, so bedürfen sie einer inhaltlichen Begründung. In dieser Form der Beurteilung ist es wichtiger, den Kriterienbezug in den Vordergrund zu stellen als einen Rangvergleich. Es wird also vornehmlich gefragt: Was hat sie/er unter ihren/seinen Voraussetzungen zur Erreichung des Zieles geleistet und wie kann dies bewertet/be­urteilt/gewürdigt werden? Es kommt hier nicht darauf an, diese Leistung zur Leistung eines besseren/ schnel­leren/anderen Lerners ins Verhältnis zu setzen, sondern wesentlich darauf, wie das vereinbarte gemeinsame Ziel erreicht wurde. Die Zielvereinbarungsmethode eignet sich daher besonders auch zur Förderung von Lernern und zur nachhaltigen Motivation durch Anerkennung von eingehaltenen Vereinbarungen. Allerdings ist darauf zu achten, dass diese Vereinbarungen nicht zu einfach oder unterfordernd sind, denn dies würde von vornherein die Zielvereinbarung entwerten. Der Lernende beurteilt den Lehrenden so, wie er beurteilt wird. Dabei sollte das vorrangige Kriterium sein, wie der Lehrende geholfen hat, das Lernen des jeweiligen Lerners zu fördern.

 

(2) Fördergespräche

Fördergespräche dienen der individuellen oder gruppenbezogenen Förderung der Interessen und Motivation. Sie stützen sich auf Beobachtungen und Ergebnisse, die von den Lehrenden oder Lernenden – insbesondere unter Einbezug von reflecting teams – schriftlich festgehalten wurden (siehe Methodenpool). Solche Fördergespräche sollten regelmäßiger Bestandteil in der Begleitung von Lernprozessen sein und nicht nur in Problemfällen geführt werden. Jeder Lerner, auch der scheinbar problemlose, benötigt individuelle Förderung. Jeder Lehrende sollte hierbei auch die Gelegenheit erhalten, ein Feed-back über seine Wirkung im Lehr- und Lernprozess zu bekommen.

Fördergespräche sind zeitaufwendig. Sie beinhalten viele Möglichkeiten, wobei sich in der Praxis folgende Schritte bewährt haben:

1. Regelmäßige Rückmeldung und Selbsteinschätzung
Den Lernern werden regelmäßig Rückmeldungen (Bestätigung, Anerkennung, Korrektur und Kritik) über den Fortschritt ihres Lern­prozesses gegeben. Die Gespräche finden zu bestimmten vorher vereinbarten Zeit­punkten und nicht nur bei bestimmten Vorfällen statt.
Der jeweils erreichte Stand des Lernens – z.B. der Grad der Beherrschung der aktuell erforderlichen Fähigkeiten – soll den Lernenden präsent sein. Deshalb ist es wesentlich, immer wieder Soll-Ist-Vergleiche über erwartete Leistungen im Unterricht gemeinsam durchzuführen. Nur so können die Lerner hinreichend aktiv an der weiteren Gestaltung ihres Lernprozesses teilhaben. Den Lernenden soll die Kompetenz vermittelt werden, ihre eigene Leistungsfähigkeit und ihr Können realistisch einzuschätzen. Dies kann insbesondere dadurch geschehen, dass sie bei Beurteilungen intensiv beteiligt werden und ihre Einschätzungen mit anderen austauschen. Auch der Lehrende kann so seine Kriterien der Be­urteilung mit überdenken. Lehrende müssen hier insbesondere darauf achten, dass die in der Regel strengeren Bewertungen der Teilnehmer nicht überstreng werden. Die in solchen Verfahren geschulte Fähigkeit, eigene Leistungen vor allem in verbalen Beschreibungen angemessen beurteilen zu können, ist heute eine wesentliche Voraussetzung dafür, sich in der Lebens- und Arbeitswelt zurechtzufinden. So können Erfolge und Misserfolge auch distanzierend verarbeitet werden, um so zu einer Stärkung und Entwicklung der Persönlichkeit beizutragen. Die Lerner sollen in einem solchen Gespräch deshalb immer auch gefragt werden, wie sie sich jeweils selbst einschätzen.

2. Rückmeldungen über den Lehr- und Lernprozess einholen
Der Lehrende sollte immer den Lerner fragen, wie er/sie das Lernen erlebt: Was sie/er positiv bewertet, was sie/er kritisch sieht oder auch ablehnt. Aus diesen Rückmeldungen können dann neue Erkenntnisse für den Lernprozess gewonnen werden.

3. Erarbeitung von Handlungsperspektiven
Für den Lerner sollen sich aus dem Gespräch Handlungs­perspektiven und konkrete Hinweise für sein weiteres Verhalten ergeben, die schriftlich in einer Art Lösungsprotokoll festgehalten werden. Es sollte immer klar formuliert werden, wer/was/wann/wo/wie/mit wem macht, um zu einer Veränderung zu gelangen. Eine konkreter Folgetermin muss ausgemacht werden. In dieser Phase liegt der eigentliche Schwerpunkt des gesamten Gesprächs: Es geht um die Förderung der Kompetenz, d.h. der Lerner soll für sein weiteres Lernen motiviert werden.

4. Grundlage: Aufzeichnungen
Grundlage des Fördergesprächs sollten immer Aufzeichnungen des Lehrenden aus dem vorangegangenen Lernzeitraum sein (Datensammlung), die sich sowohl auf positive wie kritische Punkte im Verhalten des Lerner wie des Lehrenden beziehen.

5. Methodischer Aufbau
Das Fördergespräch sollte einen klaren methodischen Aufbau erkennen lassen, wobei insbesondere auf die Phasen der gemeinsamen Lösungssuche und das Aufstellen eines Aktionsplans zu achten ist, da hiervon die selbst- wie fremdkontrollierte Umsetzung stark abhängen.

6. Klima der Wertschätzung
Das Fördergespräch sollte in einem Klima der Wertschätzung und Partnerschaft geführt werden, um den Lerner für die Ausbildungsprozesse positiv einzunehmen und die Mitarbeit zu stärken. Die Beziehungsseite ist für die Wertschätzung ausschlaggebend. Insbesondere muss der Lehrende zuhören können, so dass tatsächlich ein Gespräch und kein Monolog geführt wird. Entscheidend ist hierbei vor allem, dass offene Fragen gestellt werden, genügend Zeit vorhanden ist, eine gute Sitzordnung (in der Regel über Eck) eingenommen wird, körpersprachlich offen und entspannt gesprochen wird, in einem abgeschlossenen Raum gesprochen werden kann.

Alle Fördergespräche sind Gespräche, die während der Lernprozesse begleitend geführt werden, um die Leistungen des Lerners zu fördern und dem Lehrenden zu zeigen, wie er dies begleitet.

 

(3) Herkömmliche Benotung

Herkömmliche Beurteilungen sind demgegenüber Verfahren, in denen die erreichten Leistungen anhand vorher vereinbarter Kriterien eröffnet und besprochen werden. Gleichwohl dienen auch diese Beurteilungen der weiteren Förderung, denn das Lernen endet nach einem Beurteilungszeitraum nicht. Herkömmliche Benotungen basieren (wenn sie nicht gänzlich subjektiv sein sollen) auf schriftlichen Aufzeichnungen über Beobachtungen, die der Lehrende über die Lerner macht und die sich an einem Beurteilungsbogen bzw. an Schlüsselfragen orientieren. Je undurchschaubarer dieses System für Lerner ist, desto mehr wird die Machtseite einseitig artikuliert.

Der Lerner sollte zu Beginn einer Lernphase darüber informiert werden, nach welchen Kriterien beurteilt wird. worauf es ankommt, umso eher ist das Ziel zu erreichen. Noch günstiger wäre es, die dabei eingesetzten Kriterien gemeinsam mit den Lernern zu erstellen und die Lerner am Prozess der Beurteilung zu beteiligen. Am besten lässt sich dies herstellen, wenn das Benoten systemisch erfolgt, weil so Dialoge über das Benoten leichter fallen werden: Lehrende benoten Lerner und Lernende benoten Lehrer.

Eine Einführung in Benotungskriterien findet sich hier.

 

© Kersten Reich 2005
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