Ergebnisse:

3. Fazit
3.1. Was bedeutet "Erschließung" - heute?
3.2. Konzeptionen
3.3. Die Akteure und ihre Rollen
3.4. Schieflage der Teilbereiche
3.5. Die Rolle der externen Geldgeber
3.6. Externe Dienstleister
3.7. Organisationsstrukturen und Aufgaben beständehaltender Institutionen
3.8. Ausblick

 

3. Fazit

                     3.1. Was bedeutet "Erschließung" - heute?

    Wer heute von Bestandserschließung redet, meint damit etwas anderes als noch vor einigen Jahren. Durch den Wandel der Möglichkeiten impliziert der Begriff heute anderes und mehr als früher. War bis vor einiger Zeit damit die Erstellung eines Kataloges oder eines Findbuches gemeint, so assoziiert man heute tiefer gehende Methoden und Zielvorstellungen. Die digitale Bestandserschließung ist ein umfassendes Arbeitsgebiet mit neuen Akteuren, einer neuen Rollenverteilung, neuen Gegenständen und neuen Zielen geworden. Sie hat eine Tendenz zu größerer Tiefe entwickelt, zur digitalen Repräsentation des Bestandes in Ergänzung der beschreibenden Daten und schließlich auch zur eigenständigen - dabei teilweise multiplen - Publikation von repräsentierenden und beschreibenden Daten zu einem Bestand.
Damit ist die Frage der Abgrenzung neu gestellt, z.B. gegenüber der "Edition" von Dokumenten, die Teil eines Bestandes sind. Auch Edition bedeutet nichts anderes als wiedergebende Erschließung, und so zeigt sich, daß Bestandserschließung und Edition unter einer ähnlichen Perspektive zu untersuchen sind und sich im Grunde vor allem im Umfang der Dokumente und in der Tiefe der Erschließung unterscheiden. Edition ist umfangsbeschränkte und tiefe Erschließung. Edition ist aber auch die logische Fortsetzung offener Erschließung, und so ist nicht immer klar anzugeben, wo die Erschließung aufhört und die Edition beginnt(1).
Aufgrund der prinzipiellen Offenheit der Erschließung innerhalb eines Maximalrahmens gewinnen Projekte in diesem Bereich immer stärker modularen Charakter. Sie sind Teilarbeiten einer Gesamterschließung - unabhängig davon, ob diese jemals erreicht wird oder überhaupt erreicht werden soll.

                     3.2. Konzeptionen

    In der Konzeption der untersuchten Erschließungsprojekte gibt es so fundamentale Unterschiede, daß zu fragen ist, ob es überhaupt Sinn macht, sie unter einer vereinheitlichenden Perspektive betrachten zu wollen, oder ob man nicht besser die unterschiedlichen Vorgehensweisen jeweils nach den einzelnen Institutionstypen, Bestandsarten oder Grundzielen analysiert. Ob man also nicht besser weiterhin archivische Erschließung von bibliothekarischer Erschließung, die Bearbeitung von gedruckten Büchern von Bildern oder Tonaufnahmen, die Findmittelerstellung von einer umfassenden Multimediapublikation trennt.
Genau das wäre aber angesichts der zunehmenden Ähnlichkeiten in einem neuen, erweiterten und grundsätzlich offenen Arbeitsbereich fatal. Die speziellen Probleme und Lösungsansätze, z.B. der Gestaltung von Metadatenrastern, sind nur noch relativ wenig maßgebend, gegenüber gemeinsamen Fragen, z.B. nach Standards, der langfristigen Sicherung oder den unterschiedlichen Publikationsformen. Bibliotheken und Archive haben bislang teilweise für ähnliche Bestände unterschiedliche Beschreibungsverfahren entwickelt. Spätestens bei technischen Fragen, wie der Bildauflösung, verschwinden solche Unterschiede aber und es zeigt sich ein zunehmendes Maß an gemeinsamen Problemen.

    Für die Praxis der vorhandenen Projekte ist nicht zu leugnen, daß deren Konzeptionen nicht von einer fachübergreifenden informationstheoretisch orientierten Sichtweise ausgehen, sondern von verschiedenen fachspezifischen Ausgangspunkten, wodurch sie unterschiedlichen Traditionen verhaftet sind. Hinter etlichen Projekten steht nicht so sehr der Gedanke, auf einem ganz neuen Feld etwas grundsätzlich neues erfinden zu müssen, sondern die erlernten Strategien und die bekannten Ziele nur sukzessive um neue Möglichkeiten zu erweitern. Digitale Bestandserschließung kann auch mit einer Zielvorstellung durchgeführt werden, die sie als erweiterten Katalog, als erweitertes Findmittel, als umfangreiches Bilderbuch, als vertieftes Informationssystem, als multimediales Buch erscheinen läßt. Die konzeptionelle Entwicklung geht de facto von etablierten Mustern aus und erweitert diese nur um naheliegende technischen Zusatzmöglichkeiten. Dies muß aber weder schlecht sein - den Benutzern geht es auch nicht anders - noch sollte man die Bandbreite höchst unterschiedlicher Zielsetzungen unterschätzen, bei denen es so fundamentale Alternativen gibt, daß sie zwangsläufig zu anderen Konzeptionen führen müssen.

    Eine dieser Grundüberlegungen betrifft die Orientierung an einem Bestand oder an einem Thema. Will man einen Bestand erschließen, eben weil er da ist und nutzbar gemacht werden soll, oder will man Informationen zu einem bestimmten Thema sammeln und zur weiteren Auswertung zur Verfügung stellen? Eine andere Grundüberlegung zielt auf die Frage, ob man einen Bestand erschließt, indem man "wesentliche" Metainformationen aus ihm herauszieht, die man für die Nutzung für wichtig hält, oder ob man ein funktional möglichst gleichwertiges Abbild schafft, das zugleich einfacher zugreifbar und besser benutzbar sein soll. Dies sind grundsätzlich unterschiedliche Zielstellungen, die zu divergenten Konzeptionen führen. Für den Teilbereich der Digitalisierung ergeben sie z.B. den Unterschied zwischen einer Entscheidung für ein pragmatisches Vorgehen ("keine höhere Auflösung als für den Transfer der für wichtig erachteten Informationen nötig")(2) und dem Anspruch, der Vorlage so nahe wie möglich zu kommen ("jede Digitalisierung bedeutet Verlust an Informationen, den Verlust gilt es zu minimieren")(3).

    Die aktuelle konzeptionelle Entwicklung ist kaum durch eine grundsätzliche Neudefinition von Sinn und Zielen des Konzeptes "Erschließung" unter den gewandelten technischen Möglichkeiten geprägt. Sie läßt sich eher als "tastendes Weiterschreiten" - von jeweils unterschiedlichen Ausgangspunkten aus - beschreiben. Bibliothekare neigen dazu, von bibliothekarischen Prinzipien auszugehen und z.B. ihr etabliertes und bewährtes Konzept des Kataloges zu erweitern und zu vertiefen. Archivare gehen von archivarischen Verzeichnungs- und Beschreibungsprinzipien aus und erweitern ihr Konzept des Findbuches hinsichtlich weiterer Auswertungsstrategien oder tiefere Erschließungsmodelle, wie das der Edition. Andere Fachwissenschaftler oder Forschungseinrichtungen wiederum gehen von ihren Arbeits- und Publikationsformen aus und erweitern diese, indem sie z.B. ihr Ausgangsmaterial stärker öffentlich zugänglich machen oder das Medium und die Gestaltung ihrer Publikationen verändern.
Diese höchst unterschiedlichen Perspektiven werden durch den zunehmenden Umfang der Projekte und die höhere Zahl der beteiligten Fachleute noch erweitert. Findet eine Kooperation mit einem Verlag statt, so fließt auch dessen Sichtweise in die Konzeptbildung ein. Werden Aufgaben an externe Dienstleister vergeben, so können auch hier andere Vorstellungen die Projektgestaltung beeinflussen. Die Konfrontation divergenter Perspektiven wird bei der Zusammenarbeit mit Fachleuten aus dem EDV-Bereich besonders deutlich. Auch diese bringen eigene Vorstellungen und Konzepte mit, die sich teilweise fundamental von denen unterscheiden, die auf der "inhaltlichen" Seite, also bei Bibliothekaren, Archivaren, Dokumentaren oder anderen Fachwissenschaftlern herrschen. Im Grunde haben es alle mit dem Problem zu tun, wie Informationen zu erheben, zu strukturieren, zu verwalten und öffentlich zugreifbar zu machen sind. Was sie im einzelnen aber darunter verstehen und wie es von ihnen konzeptionell begriffen wird, kann so unterschiedlich sein, daß selbst ein kommunikativer Austausch darüber schwierig ist. Ein Denken in so unterschiedlichen Kategorien, wie "Datensatz" versus "Quelle", "Suchroutine" versus "Fragestellung", "Datenbank" versus "Textkorpus" oder "Variablendefinition" versus "unregelmäßige Orthographie" führt zwangsläufig zu Verständigungsschwierigkeiten, wiewohl es auch gegenseitig befruchtend sein kann. Das Problem besteht darin, daß unterschiedliche Gruppen von Spezialisten es mit einem gemeinsamen Problem zu tun haben, hinsichtlich der Natur des Problems aber eine unterschiedliche Perspektive mitbringen, die sich aus ihren unterschiedlichen Erfahrungen und Denkmodellen ergibt. In der Informatik wird dies manchmal als "Impedanz-Fehler"(4) bezeichnet, der nicht nur zwischen Geisteswissenschaftlern und Informatikern, sondern zwischen jeder Gruppe hochspezialisierter Fachleute auftritt, und das Phänomen beschreibt, daß sich die Vorstellungen oder Anforderungen aus einem wissenschaftlichen System nicht ohne weiteres eins zu eins in ein anderes übertragen lassen.

    Nicht nur in den konkreten Arbeitsschritten, sondern auch in der Konzeptbildung findet - vielleicht auch wegen des fehlenden gemeinsamen Rahmens - eine Modularisierung statt. Unter Verzicht auf die Entwicklung einer umfassenden Zielvorstellung werden einzelne Bausteine gebildet, deren Ausarbeitung voneinander getrennt und im wesentlichen den dafür vermeintlich kompetenten Spezialisten überlassen wird. Ein häufig zu beobachtender Fall ist die Konstruktion der Benutzerschnittstellen, die teilweise so vollständig informationstechnischen Fachleuten überlassen wird, daß sich die eigentlichen inhaltlichen Anforderungen kaum noch darin verwirklicht finden. Ein anderer typischer Fall ist die konzeptionelle Trennung von Digitalisierung, Beschreibung und Publikation. Es gibt derzeit eine ganze Reihe von Projekten, die zunächst digitalisieren, ohne bereits ein Konzept für die beschreibende Erschließung fertig ausgearbeitet zu haben. Noch häufiger steht das Beschreibungssystem fest, ohne daß geklärt wäre, in welcher Form die Daten überhaupt öffentlich zugänglich gemacht werden sollen. Wenn sogar in den DFG-Unterlagen davon die Rede ist, daß "sich die Bilddigitalisierung als wesentlicher erster Schritt [erweist], der einen Ausgangspunkt für die weitergehende Erfassung und Erschließung bedeutet, aber auch einen dauerhaften Wert behält"(5), dann ist das im Sinne einer Modularisierung zwar richtig, es stellt sich aber die Frage, ob der "Wert" der Digitalisierung unabhängig von der Form der weiteren Erschließung (und Publikation) sein kann. Die Digitalisierung kann nur dann von dauerhaftem Wert sein, wenn sie den weiteren Anforderungen entspricht, über denen deshalb vorher schon eine Vorstellung entwickelt werden muß!

    Derzeit fehlt ein umfassender konzeptioneller Ansatz, der ein fachübergreifendes Verständnis des Quellenmaterials, ein allgemeines Erschließungskonzept und ein neuartiges Publikationskonzept einschließen würde. Es muß in einer für Dokumentare, Fachwissenschaftler und Informatiker verständlichen Weise eine gemeinsame Beschreibung gefunden werden, mit was für Arten von Daten und Informationsstrukturen man es überhaupt in diesen "Quellenbeständen" zu tun hat und wie diese konzeptionell zu fassen sind. Für ein Erschließungskonzept ist zu fragen, welche Daten in welcher Strukturierung eigentlich den Bedürfnissen der Benutzer am weitesten entgegenkommen und eine optimale Nutzung ermöglichen. Schließlich sind neue Publikationskonzepte nötig, die sich nicht auf die Adaption der vorhandenen Vorbilder oder der technisch jeweils einfachsten Lösungen beschränken sollten. Die "geführten Touren" der Autorensysteme mit ihrer hübschen aber inflexiblen und wenig zukunftssicheren Multimediaoberfläche können hier ebensowenig richtungweisend sein, wie die blanken Suchmaschinen als Flaschenhälse zu starren Datenbankstrukturen ein ausreichendes Mittel der Informationsvermittlung und -gestaltung darstellen.
Mit dieser Untersuchung wurde versucht, einen Beitrag zur Ausbildung einer integrativen Gesamtsicht zu leisten, unter der die Gemeinsamkeiten all der unterschiedlichen Projekte erkennbar werden und die Offenheit der weitere Entwicklungen deutlicher hervortritt. Es ist sinnvoll und wichtig, "Erschließung" unter einem vereinheitlichenden Modell zu betrachten. Nur so kann die Übertragbarkeit von Erfahrungen, Methoden, Strategien oder technischen Lösungen verbessert und der Blick für mögliche Ergänzungen, die Kompatibilität zwischen den Projekten und eventuelle zukünftige Anforderungen an die Interoperationabilität geschärft werden.

    Modularisierung ist ein wichtiges Prinzip in einem Arbeitsgebiet, in dem die jeweiligen Vorhaben die Arbeitskraft und vielleicht auch die konzeptionellen Möglichkeiten der einzelnen Akteure übersteigt. Es wäre aber fatal, wenn sich Projekte auf allzu kleine Aspekte beschränken würden und wegen einer fehlenden Gesamtperspektive (für das Projekt) schließlich nicht weiter entwickelt werden könnten und damit ihre langfristige Benutzbarkeit gefährden würden. Ohne ein grobes Gesamtkonzept ist keine sinnvolle Modularisierung möglich! Ohne zu wissen, was eigentlich das Ziel eines Erschließungsvorhaben ist, kann keine vernünftige Entscheidung für die Durchführung bestimmter Teilbereiche getroffen werden. Ohne den Gedanken an die Benutzung und Publikation läuft die Gestaltung der Metadatenerhebung und ihre technische Organisation Gefahr, nur einen Datenfriedhof zu produzieren. Ohne den Gedanken an die weitere Verwendung, Verarbeitung oder Veröffentlichung kann sich eine Digitalisierungskampagne als Fehlinvestition erweisen.
Das Spannungsverhältnis zwischen der Offenheit für weitere Entwicklungen und Veränderungen auf der einen Seite und einem notwendigen groben Gesamtkonzept auf der anderen Seite wird sich nicht auflösen lassen. Es ist nur davor zu warnen, eine der beiden Seiten allzu absolut zu setzen. Offenheit und Veränderbarkeit sind vielleicht die beiden größten Stärken digitaler Arbeits- und Publikationsformen. Sie dürfen aber nicht mit Orientierungslosigkeit verwechselt werden. Nur die Reflexion über Sinn und Ziel kann einen Rahmen geben, der verhindert, daß letztlich unbrauchbares entsteht.

    Modularisierung betrifft zwei unterschiedliche Ebenen: die der Arbeitsorganisation, gemäß der drei Hauptbereiche, die bereits in der Einleitung charakterisiert wurden, und die der technischen Umgebung. Für die Arbeitsbereiche könnte man zusammenfassend das folgende vereinfachte Modell vorschlagen:

Gesamtkonzept

Repräsentation/
Digitalisierung

  • Konzeption
  • Technische Durchführung
  • Nachbearbeitung
  • Speicherung

Beschreibung/
Metadaten

  • Konzeption
  • Erhebung
  • Datenorganisation
  • Speicherung

Publikation

  • Konzeption
  • Erstellung
  • Pflege/Aktualisierung
  • Zugriff/Vertrieb

    In ganz anderem Sinne ist in der Frage der technischen Umgebung von einer Modularisierung zu sprechen. Hier gibt es drei Grundmodelle: man kann entweder mit einem umfassenden System arbeiten, das z.B. als Dokumentenmanagementsystem alle Bereiche von der Bildverwaltung über die Metadatenverwaltung bis hin zur Publikationsschnittstelle in sich vereint. Man kann mit verschiedenen Systemen arbeiten, z.B. getrennten Datenbanken, auf denen dann unterschiedliche eigens erstellte Schnittstellen aufsetzen. Und man kann mit Auszeichnungssystemen arbeiten, die die inhaltlichen Daten noch stärker von jenen Werkzeugen trennen, die für ihre Verwaltung, Umstrukturierung oder Umformung in verschiedene Publikationsformate zuständig sind. Überschneidungen dieser Grundoptionen bestehen insofern, als daß auch Auszeichnungssysteme als datenbankähnliche Struktur verstanden, zumindest aber so verwaltet und ausgewertet werden können, wie umgekehrt auch Datenbanken ausgezeichnete Dokumente enthalten können. 
Welche der drei Optionen sich durchsetzen wird, ist noch nicht abzusehen. Dies ist aber auch nicht die entscheidende Frage. Wichtiger ist, in welchem Maße die einzelnen Alternativen die Verwendung von Standards ermöglichen und durch welche gewährleistet ist, daß bei einer späteren Konversion die geleistete inhaltliche Arbeit ohne Informationsverluste für die Zukunft gesichert werden kann.

    Für die Konzeption eines Erschließungsprojektes ist es wichtig, die eigene fachliche und institutionelle Perspektive nicht als Maß aller Dinge zu nehmen, sondern den methodischen und technischen Gesamtumfang der Erschließung im Blick zu behalten. Dazu gehört die Frage nach der Zukunftssicherheit, die vor allem über die Verwendung allgemeiner Standards zu beantworten ist, die Frage nach den Bedürfnissen des Benutzers und wie sich diese in Zukunft womöglich auch verändern werden und schließlich die Frage nach potentiellen Erweiterungen und Veränderungen innerhalb des Projektes. Gleichzeitig können diese Unwägbarkeiten nur dadurch kontrolliert werden, daß ein erschlossener Bestand möglichst früh benutzbar gemacht und einer tatsächlichen Nutzung zugeführt wird. Denn an der Benutzung entscheidet sich, ob die Erschließung sinnvoll und "richtig" durchgeführt worden ist.
Sind diese Grundüberlegungen in der Konzeptbildung gemacht, dann ist auch eine sinnvolle Modularisierung und Schwerpunktsetzung möglich. Dann ist es auch möglich, je nach Bestand und zu erwartenden Anforderungen der Benutzer, z.B. zunächst die Digitalisierung zu betonen und in der Metadatenerhebung nur eine Mindesttiefe anzustreben, oder umgekehrt, zunächst auf die digitale Repräsentation zu verzichten oder auch hier nur eine rudimentäre Repräsentanz herzustellen. Genauso kann auf bestimmte Publikationsformen zunächst verzichtet werden, wenn das Zielpublikum auch mit anderen erreicht werden kann und die Option auf zusätzliche Veröffentlichungen durch die Gestaltung des Gesamtprojektes nicht verstellt ist.

    Für die Idee eines umfassenden Modells für Erschließungsprojekte aller Art ist einschränkend anzumerken, daß dieses seine Grenze findet an Projekten, bei denen die Erschließung selbst wieder ein Teil eines noch umfangreicheren Wandels ist. Es gibt eine Reihe von Projekten, bei denen der erschlossene Bestand Kern oder Ausgangspunkt für eine grundsätzliche Umstellung der Arbeits- und Publikationsformen ist, die auf eine inhaltliche Aufgabe abzielen, welche den aktuell zu erschließenden Bestand weit überschreiten. Hier ist die Perspektive noch weiter, als für den Bereich der eigentlichen Bestandserschließung aufgezeigt werden sollte, und es zeigt sich, wie in diesen Fällen die digitale Bestandserschließung wiederum nur ein Teil des umfassenden Wandels ist, der sowohl neue Kommunikations-, als auch neue Arbeits-, und Publikationsformen umfaßt.

                     3.3. Die Akteure und ihre Rollen

    Im Bereich der digitalen Bestandserschließung werden die einzelnen Aufgaben von einer ganzen Reihe unterschiedlicher Akteure wahrgenommen. Zu den traditionellen Bearbeitern, wie Bibliothekaren, Archivaren oder anderen Fachwissenschaftlern kommen nun die EDV-Fachleute und externe Dienstleistungsunternehmen. Verlage haben auch bisher schon manchmal die Publikation der Ergebnisse übernommen, könnten jetzt aber auch noch von speziellen Publikationsagenturen, z.B. für den Bereich des Internets, ergänzt werden. Durch diese grobe Einteilung kann man fünf Gruppen von Akteuren unterscheiden, die sich auf folgendes vereinfachtes Raster von Aufgabenbereichen verteilen:

  Repräsentation Beschreibung Publikation
Inhalt (Durchführung)      
Konzeption      
Technik      

    Die einzelnen Gruppen füllen dabei unterschiedliche Gebiete unterschiedlich stark aus. Ihr Selbstverständnis und ihr Aufgabenbereich hat sich außerdem im Vergleich zur traditionellen Formierung von Erschließungsvorhaben gewandelt. Im einzelnen:

  1. Bibliothekare, Archivare und Dokumentare sehen ihre eigentliche Aufgabe in der Konzeption und Durchführung der Erschließung im engeren Sinne (Beschreibung). Den Bereich der Digitalisierung (Repräsentation) zählen sie oft ebenfalls dazu, weil hier ein tiefes Wissen um die Besonderheiten des Bestandes, die benötigte Abbildungsqualität und den Schutz der Originale nötig ist. Der Bereich der Konzeption wird hierbei stärker abgedeckt, als jener der konkreten Durchführung. Bei letzterem beschränkt man sich nach Möglichkeit auf Kontrollfunktionen. Da die Digitalisierung oft von eigens eingestellten Hilfskräften, aber noch im Hause und in enger Verbindung zu den erschließenden Bearbeitern vorgenommen wird, ist die Bedeutung dieser Akteursgruppe im Bereich der Repräsentation recht hoch. Für die Publikation der Erschließungsergebnisse hat diese Gruppe früher teilweise selbst gesorgt, und sie tut es auch heute noch. Sie tut es aber nach wie vor nur in den Grundformen, d.h. so wie früher z.B. ein Katalog, ein Findbuch oder Register von ihnen bereitgestellt wurden, so auch jetzt eher einfache digitale Publikationsformen. Eine Beschränkung findet insofern statt, als daß der technische Bereich anderen überlassen bleibt, und bei Konzeption und Inhalt der Publikation nicht die ganze Bandbreite des Möglichen abgedeckt wird, sondern man sich hier - wie gesagt - nur für die Planung und Bereitstellung der einfachsten Formen zuständig sieht.
  2. Fachwissenschaftler einzelner Disziplinen und Angehörige von Forschungseinrichtungen decken im wesentlichen die gleichen Bereiche ab, wie die erste Gruppe. Wegen ihrer stärker inhaltlichen Zielsetzung tendieren sie oft zu einer tieferen, also qualitätvolleren Repräsentation, und teilweise auch zu einer umfassenderen Publikation. Grundsätzlich gilt für den letzten Bereich aber die gleiche Einschränkung wie für die erste Gruppe: Für technische Fragen fühlt man sich noch weniger zuständig, als für stärker ausgearbeitete, oder an einem breiteren Publikum orientierte Formen der Veröffentlichung.
  3. EDV-Fachleute sind deshalb in nahezu jedem Erschließungsprojekt vertreten, weil sie von den ersten beiden Gruppen für den technischen Bereich der Projekte herangezogen werden. Sie betreuen vor allem die informatische Seite der Metadatenerhebung und -verwaltung, sind aber auch für die Erstellung geeigneter Benutzerschnittstellen oder anderer elementarer Publikationsformen zuständig. Grundsätzlich lösen sie die technischen Probleme, die ihnen von den ersten beiden Gruppen angetragen werden, ohne einen allzu großen Anteil an der grundsätzlichen Konzeption zu haben, die sich ja scheinbar direkt aus den inhaltlichen Anforderungen oder den daraus abgeleiteten Zielvorstellungen ergibt. Sie würden entsprechend in stärkerem Maße auch die technische Betreuung der Digitalisierung übernehmen, wenn diese von den ersten beiden Gruppen nicht entweder in eigener Regie durchgeführt, oder gleich einem externen Dienstleister übertragen würde. Das gleiche gilt für den Publikationsbereich, in dem dann technische Lösungen entwickelt würden, wenn sich die ersten beiden Gruppen für umfassende Publikationen zuständig fühlen und den Wunsch nach deren technischer Umsetzung an die Informatiker herantragen würden.
  4. Externe Dienstleistungsunternehmen stellen vor allem technisches Gerät und das nötige Fachwissen zur Durchführung einer Digitalisierungskampagne zur Verfügung. Sie decken den Bereich der Technik der Repräsentation und deren Durchführung vollständig ab, wenn sie in einem Projekt mit einbezogen sind. Inzwischen gibt es hier Tendenzen, Dienstleistungen auch für die anderen Bereiche anzubieten. Dies gilt insbesondere für die technischen Lösungen und konzeptionelle Fragen. Es werden Hilfestellungen zur Planung angeboten oder auch technische Komplettlösungen, die auch die Verwaltung der Metadaten und deren Publikation (auf einem gewissen Grundniveau) einschließen können.
  5. Verlage und spezialisierte Internet-Agenturen könnten grundsätzlich für den gesamten Bereich der Publikation zuständig sein, halten sich aber - wie beschrieben - noch sehr zurück. Selbst wenn sie an einem Projekt als Kooperationspartner beteiligt sind, beschränken sie sich doch in der Regel auf einfache Publikationsformen und scheuen die Risiken die mit der Erarbeitung umfassenderer Veröffentlichungen verbunden wären.

    Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es zwischen den einzelnen Gruppen eine hierarchische Struktur gibt. Die Initiative und damit die Leitung von Erschließungsprojekten liegt fast immer bei einer der ersten beiden Gruppen. Alle anderen werden als nötige Experten hinzugezogen und übernehmen Aufgaben, für die sich die Projektleiter nicht zuständig fühlen. Dies hat den Vorteil, daß die Etablierung eines gewissen wissenschaftlichen Niveaus leichter möglich ist und auch das Bewußtsein für die Bedeutung allgemeiner Standards eher Früchte tragen kann. Bei einer stärkeren Rolle der Verlage wäre hier z.B. mit negativen Tendenzen zu rechnen. Ähnliches wurde in der Untersuchung zuweilen in Bezug auf die digitalen Dienstleister kritisiert: Diese hätten die Tendenz (für sie) einfachere Lösungen anzubieten, als es die Bestände und ihre Besonderheiten erfordern würden. Sie würden z.B. versuchen, eine niedrigere Auflösung als angeblich hinreichend zu verkaufen, als sie aus wissenschaftlicher und inhaltlicher Sicht nötig ist und von den Projektleitungen gefordert würde. Oder sie würden versuchen, ihre Leistungen möglichst auch auf den technischen und konzeptionellen Bereich auszudehnen und hier ebenfalls Lösungen zu verkaufen, die den eigentlichen Anforderungen nicht entsprechen. Dieses Vorgehen ist verständlich und legitim, verweist aber auf das Grundproblem divergenter Interessen, die es um so nötiger erscheinen lassen, daß durch eine umfassende Konzeption der Projekte die tatsächlichen Anforderungen z.B. an das digitale Material oder die beschreibenden Daten und deren technische Organisation möglichst genau erarbeitet werden.

    Selbstverständlich erfüllen externe Dienstleistungsunternehmen die Aufgaben, die sie vertraglich übernehmen. Diese müssen nur eindeutig genug formuliert sein. Es ist ein Grundproblem, das für die Kommunikation zwischen allen Akteuren gilt. Auf den Begriff des "Impedanz-Fehlers" wurde bereits hingewiesen, er soll deshalb nicht noch einmal erläutert werden. Es ist aber immer wieder zu beobachten, daß die Durchführung eines großen Erschließungsprojektes darunter leidet, daß eine ganze Reihe spezialisierter Fachleute daran beteiligt sind, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung nicht zu einer deckungsgleichen Perspektive auf die bestehenden Probleme kommen und damit - vereinfacht gesagt - nicht die gleiche Sprache sprechen. Dieses Problem ist deshalb so gravierend, weil sich die einzelnen Gruppen schwer damit tun, einen Überblick über die gesamte Reichweite der anstehenden Probleme zu gewinnen. Das Denken innerhalb der eigenen fachlichen Grenzen ist hier immer noch vorherrschend. Ein positives Gegenbeispiel wäre der Bereich der Digitalisierung, zumindest in konzeptioneller und inhaltlicher Hinsicht. Hier waren und sind die ersten beiden Gruppen von Akteuren sehr wohl bereit, sich das nötige Überblickswissen zu verschaffen, um die Anforderungen in diesem Bereich genau ausarbeiten zu können.
Auf der negativen Seite sticht vor allem die Abgrenzung zwischen technischem und inhaltlichen Bereich heraus. Obwohl die institutionelle Nähe oft sehr hoch ist, indem z.B. hauseigene Informatiker in Bibliotheken oder zumindest der gleichen Universität angehörende Rechenzentren an den Projekten beteiligt sind, kommt es hier zu den größten Reibungsverlusten, weil meistens weder die inhaltlich orientierten Akteure sich ein informatisches Verständnis ihrer Problemstellungen aneignen, noch die Informatiker z.B. eine geisteswissenschaftliche Perspektive auf bestimmtes Quellenmaterial nachvollziehen können. Das Fehlen entsprechender Fachinformatik macht sich sehr schmerzlich bemerkbar, da so im Bereich der Konzeption eine Bruchlinie zwischen den technischen Möglichkeiten und den inhaltlichen Anforderungen bestehen bleibt.
Das gleiche Problem gilt für das Feld der Publikation. Sobald es um umfassendere, tiefer ausgearbeitete und stark benutzerorientierte Formen geht, ziehen sich die erschließenden Akteure in noch höherem Maße als gegenüber der technischen Seite als nicht zuständig zurück und überlassen den Verlagen das Feld, das jene aber gar nicht übernehmen! Gerade in der inhaltlichen und konzeptionellen Ausfüllung des Bereiches der Veröffentlichung klafft deshalb eine Lücke, von der nicht zu sagen ist, wer sie kurzfristig schließen könnte.

    Es dürfte unnötig sein, genauer auszuführen, daß diese Probleme nur dann verringert werden können, wenn von einem Gesamtmodell digitaler Erschließung ausgegangen wird, das einen Überblick über die verschiedenen Arbeitsbereiche ermöglicht und wenn es eine umfassende Konzeption gibt, welche die Aufgaben der einzelnen Akteure auf das Genaueste beschreibt und abgrenzt. Dies kann nur erreicht werden, wenn alle Gruppen wenigstens eine grobe Vorstellung von den jeweils anderen Feldern haben. Dabei kann es auch zu einem höchst produktiven Wechselspiel kommen, schließlich geht es gar nicht darum, die scheinbar fixen inhaltlichen Anforderungen bloß in technische Lösungsansätze umzuformen. Vielmehr ermöglicht gerade ein höheres Wissen um die technischen Möglichkeiten oder auch um andere informationstheoretische Perspektiven einen neuen Zugang zum und ein neues Verständnis vom Material des fraglichen Bestandes. Durch den Rückzug auf die scheinbar originären Felder der Erschließung können die inhaltlich orientierten Akteure das Ziel der "aktive[n] Mitgestaltung der Informationsformen der Zukunft durch die Fachwissenschaft" und der "Übertragung spezifischer Techniken der Fachwissenschaft in moderne Technologien"(6) jedenfalls nur eingeschränkt erreichen. Hier wird möglicherweise die Chance verschenkt, wissenschaftliche Arbeitsformen und Standards frühzeitig zu etablieren. Eine "Prädikation von Verlagsseite"(7) findet zwar auch nicht statt - man sollte aber nicht abwarten, bis diese doch noch zum Problem wird.

 

                     3.4. Schieflage der Teilbereiche

    Die drei elementaren Bereiche digitaler Bestandserschließung - Repräsentation, Beschreibung, Publikation - sind höchst unterschiedlich weit entwickelt. Im Publikationsbereich ist ein großer Rückstand gegenüber den anderen Feldern zu konstatieren. Der Grund dafür ist das oft fehlende Gesamtkonzept und die Bevorzugung eines modularen Vorgehens mit der Konzentration auf die Probleme der Digitalisierung und der Erschließung im engeren Sinne.
Dementsprechend ist die erworbene technische und konzeptionelle Kenntnis in diesen beiden Bereichen am höchsten. Die unterschiedlichen Scannertypen, Auflösungsstufen, Farbtiefen oder Dateiformate der Bilddigitalisierung kennen inzwischen die meisten Bibliothekare und Archivare. Auch grundsätzliche Fragen der langfristigen Speicherung sind ihnen wohl vertraut. Für die Metadaten gibt es ebenfalls feste Vorstellungen, wie diese auszusehen haben, daß es gut wäre, gemeinsame Standards zu verwenden und man darauf achten sollte, nur solche Software zu verwenden, die eine Konversion der Daten in standardisierte Austauschformate gewährleisten.

    In der Digitalisierung sieht man eine neue Herausforderung, die auch angenommen wird: die ganze Bandbreite der technischen Möglichkeiten wird ausgelotet und für alle möglichen Anforderungen, die das komplexe und fragile Material zu erschließender Bestände stellen könnte, wird versucht, eine adäquate Lösung zu finden. In der Erschließung im engeren Sinne glaubt man sich durch seine scheinbar darauf ausgerichtete Ausbildung und Erfahrung auf der sicheren Seite. Wer sonst, wenn nicht Bibliothekar, Archivare oder andere Fachwissenschaftler wäre so vertraut mit den Besonderheiten der Bestände und bewaffnet mit einem theoretischen Rüstzeug, es zu strukturieren, zu beschreiben und für einen effizienten Zugriff aufzubereiten? Daß dies teilweise an den sich verändernden Erwartungen der Benutzer vorbeigehen könnte und nicht unabhängig von den Formen gesehen werden kann, in denen das Datenmaterial elektronisch verwaltet und publiziert werden wird - diese Erkenntnis hat sich zwar noch nicht überall durchgesetzt, ergibt sich aber spätestens bei der praktischen Durchführung. Demgegenüber wird die Frage nach der Art und Weise, in welcher der Benutzer schließlich auf das Material zugreifen und mit ihm arbeiten wird, bislang kaum gestellt. Obwohl sie doch das eigentliche Ziel aller Erschließungsvorhaben sein müßte, ist die Benutzerperspektive meistens nachrangig(8).

    Zugleich steht die Publikation am Schluß des Arbeitsprozesses. So wird es leicht, diesen Aspekt zunächst auszublenden oder sogar ganz vom eigentlichen Projekt abzukoppeln. Diese Wertung mag in ihrer Schärfe nicht ganz berechtigt sein, da die meisten der untersuchten Projekte noch nicht abgeschlossen sind, bzw. sogar gerade erst angefangen haben. Es bleibt deshalb nicht nur zu hoffen, sondern auch zu erwarten, daß sich in diesem Bereich noch sehr viel tun wird. Für den Augenblick ist aber festzuhalten, daß die einzelnen Teilbereiche digitaler Erschließungsarbeiten sehr unterschiedlich fokussiert werden und mit einem höchst ungleichmäßigen Aufwand an konzeptioneller Arbeit, sowie personellen und finanziellen Ressourcen entwickelt werden. In die Digitalisierung und Beschreibung werden teilweise sehr hohe Summen investiert, während für die Publikation fast nie nennenswerte Mittel bereitgestellt werden. Dies ist auch angesichts sinnvoller Modularisierung nicht in jedem Fall nachzuvollziehen, da sich der Nutzen von Digitalisierung und Erschließung im engeren Sinne an der Frage der Veröffentlichung und an der Akzeptanz der Benutzer entscheidet.

    Die know-how-Entwicklung im Digitalisierungsbereich macht große Fortschritte. Die technischen Möglichkeiten werden gut und konsequent an die spezifischen Anforderungen im Bereich der Humanwissenschaften angepaßt. Deren Vielfalt explizit in den Vordergrund zu stellen ist sicher eine gute und nützliche Strategie, obwohl auch hier manchmal ein höherer Anspruch mit der Bevorzugung des Gedankens "was brauchen wir?" vor dem "was ist technisch gerade einfach machbar?" angebracht wäre. Befremdlich ist nur, daß die anderen Bereiche nicht mit der gleichen Nachdrücklichkeit bearbeitetet werden. Das fängt bereits bei der Textdigitalisierung an, mit deren Ergebnissen und Kosten man noch so wenig zufrieden ist, daß sie nur selten in größerem Maße durchgeführt wird. Man bleibt so gewissermaßen beim allerersten Schritt stehen, und will hier erst einmal ganz sicheren Grund schaffen, bevor man weiter fortschreitet. Dabei kann das gesamte Feld nur überblickt, bzw. die schließliche Zielrichtung entwickelt werden, wenn man alle Bereiche wenigstens grob gleichzeitig bearbeitet. Man hätte nicht das Auto entwickeln können, indem man zunächst nur den Motor baut und perfektioniert, und die übrigen Bereiche auf später verschiebt.

    Ein sehr hinkender Vergleich. Es dürfte aber dennoch klar geworden sein, daß man die neuen Arbeits- und Publikationstechniken nicht effizient entwickeln kann, wenn man die Publikationsseite und die Anfoderungen der Benutzer nicht ernst genug nimmt. Es geht weder um schlichte Erweiterungen bisheriger Publikationsformen, noch um die Frage, wie man denn das mit großem Aufwand bearbeitete und erschlossene Material "grundsätzlich" und möglichst einfach der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen könnte, sondern darum, was die Benutzer erwarten und in welcher Weise diesen Anforderungen unter einer optimierten Kosten-Nutzen-Relation und mit der Gewährleistung wissenschaftlicher Standards und möglichst langfristiger Nutzbarkeit entgegen gekommen werden kann.

 

                     3.5. Die Rolle der externen Geldgeber

    Einige externe Geldgeber prägen maßgeblich die Formierung der laufenden Projekte zur digitalen Bestandserschließung. Dies sind vor allem die Volkswagen-Stiftung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Während erstere nur einen sehr losen inhaltlichen Rahmen und ein grundsätzliches Ziel ("besserer Zugang zu bislang kaum genutzten Archivbeständen") vorgegeben hat, ohne die bewilligten Projekte in ihrer Durchführung weiter zentral zu betreuen, geht die DFG einen anderen Weg: Hier gibt es ein klares Fernziel, eine fortlaufende Betreuung und ein breites Angebot unterstützender Maßnahmen zur Durchführung einzelner Projekte. Ohne diese beiden Förderungsinstitutionen gäbe es die meisten hier untersuchten Projekte nicht. Sie leisten deshalb einen nicht zu unterschätzenden Anschub von außen, ohne den die Entwicklung der digitalen Bestandserschließung zumindest in Deutschland bei weitem nicht so breit und zügig voranschreiten würde.

    Insbesondere für die DFG ist sehr positiv festzustellen, wie offen hier über die laufenden Projekte informiert wird, auch wenn diese Aufgabe an die Kompetenzzentren delegiert wurde. Dazu kommt die verbesserte Kommunikation zwischen den Projekten, ihre Flankierung durch Tagungen und Workshops und die Verbreitung von Sachkompetenzen durch solche Treffen, durch Facharbeitsgruppen und deren Berichte und durch die beiden Kompetenzzentren in München und Göttingen. Dies alles ist von großer Wichtigkeit, weil es hier um die Entwicklung neuen Fachwissens geht, das nur durch seine schnelle Diskussion und Verbreitung wirksam werden kann. Seitens der VW-geförderten Projekte fehlt eine solche zentrale Stimulierung von Kommunikation und Information, es gibt aber auch dort einige Projekte die von sich aus aktiv die Auseinandersetzung mit Fachkollegen suchen und ihre Erfahrungen und Ergebnisse in die allgemeine Diskussion einbringen(9).

    Genauso positiv ist für die DFG zu beobachten, wie hier versucht wird, möglichst alle Bereiche der Bestandserschließung abzudecken, alle möglichen Anforderungen seitens des unterschiedlichen Materials durchzuspielen und den Projekten mit Angeboten zur technischen und methodischen Unterstützung zur Seite zu stehen. Das Fernziel der DFG lautet "einheitlicher Zugriff auf einen virtuellen Gesamtbestand" und dafür soll nach Möglichkeit eine einheitliche Infrastruktur geschaffen werden(10). Mit dem genannten Fernziel ist auch das Grundproblem digitaler Bestandserschließung angesprochen: wie ist ein einfacher und einheitlicher Zugriff auf höchst unterschiedliches und auch in unterschiedlichen Formen aufbereitetes Material möglich? Zu fragen ist hier allerdings, ob sich diese Perspektive sinnvoll auf den Bibliotheks- oder Archivbereich beschränken läßt, oder ob nicht das Internet selbst das Forum für die Entwicklung einheitlicher Standards sein muß. Eine allzu starke Betonung der einheitlichen Infrastruktur und gemeinsamer Formen im DFG-Bereich könnte wiederum zu einer Insellösung für nur die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken führen. Angesichts der tatsächlichen Bandbreite der Projekte und ihrer Lösungsansätze scheint diese Gefahr für den Moment aber noch gering.

    Einige weitere Punkte sollen hier ebenfalls kritisch angemerkt werden, auch wenn sie in gleichem Maße durch die tatsächliche Vielfalt der Projekte und ihrer Vorgehensweisen relativiert werden: Die DFG ermöglicht und fördert durch ihre zentrale Betreuung eine bestimmte Modularisierung der Projekte: oft wird erst eine Scanning-Kampagne durchgeführt und erst danach werden weitere Projektbereiche in Angriff genommen. Oder es werden zwar die Metadaten erhoben, aber das Konzept für ihre Veröffentlichung bzw. den Zugriff auf die Metadaten und die digitalisierten Materialien auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Es scheint hier die Tendenz zu bestehen, sich unter dem sicheren Dach der DFG auf bestimmte Bereiche zu konzentrieren, die einigermaßen überschaubar und planbar sind und dafür andere Probleme auszublenden, für die man sich noch nicht kompetent fühlt. Dies kann positive und negative Auswirkungen haben, auf einige grundsätzliche Probleme, die damit zusammenhängen, wurde schon hingewiesen. Erinnert sei nur an die sinnvolle Modularisierung, die nur möglich ist, wenn bereits Zielvorstellungen bestehen, welche die Frage beantworten müssen, wie der Benutzer letztlich zu den gewünschten Informationen kommt und mit ihnen arbeiten kann.
Diese etwas unterbelichtete Zielvorstellung zeigt sich auch darin, daß viele Projekte sehr stark einer traditionellen Bibliotheksperspektive verhaftet bleiben und digitale Bestandserschließung nicht als etwas gänzlich Neuartiges auffassen, sondern als schrittweise Erweiterung der bisherigen Arbeitsformen und Informationsangebote, z.B. durch die Erweiterung der bibliographischen Informationen durch die Anlagerung von Abbildungen oder zusätzliche inhaltliche und strukturelle Informationen wie Inhaltsverzeichnisse und Register.

    Die zentrale Lenkung des Förderbereiches  führt dazu, daß grundlegende Probleme frühzeitig angegangen werden und die ganze Bandbreite möglicher Anforderungen ausgelotet wird. Sie birgt aber auch die Tendenz, sich relativ früh für bestimmte Lösungsmodelle zu entscheiden, die dann auch für andere Projekte mehr oder weniger verbindlich werden. Hier wäre darauf zu achten, daß dies nicht auf Kosten der Entwicklung alternativer Lösungen geht, und ob die Offenheit gegenüber anderen Möglichkeiten nicht zu früh eingeschränkt wird. Das gleiche Dilemma zeigt sich bei den schriftlichen Empfehlungen und Regelwerken, wie bei der Rolle der Kompetenzzentren in Göttingen und München. Die Papiere der DFG-Arbeitsgruppen sind äußerst wichtig, um in einem für viele neuen Gebiet eine erste Orientierung zu geben und einen Überblick über verschiedene methodische und technische Fragen zu ermöglichen. Gleichzeitig können sie angesichts der rasanten Entwicklung nur eine sehr geringe "Halbwertszeit" haben und würden eine eher bremsende Funktion erfüllen, wenn sie auch nach einigen Jahren noch allzu wörtlich genommen würden. Dieses Problem ist aber den meisten Projektbearbeitern durchaus bewußt und wird auch durch die Kommunikation zwischen den einzelnen Projekten und durch Tagungen und Workshops gemildert. Die Kompetenzzentren in München und Göttingen leisten vorbildliche Pionierarbeit, von der auch andere Projekte profitieren, indem sie deren Lösungsansätze übernehmen oder Teilaufgaben dorthin abgeben. Gleichzeitig kann aber nicht bestritten werden, daß es sich bei den dort eingeschlagenen Wegen nur um eine kleine Auswahl unter den vielfältigen Möglichkeiten gehen kann. Insbesondere eine zentrale Entwicklung von Software als "Komplettlösung" zur digitalen Bestandserschließung verstellt hier möglicherweise den Blick auf Alternativen. Hier gilt wieder die gleiche Einschränkung der Kritik: Solange es noch genügend Projekte gibt, die nach eigenständigen Lösungen für ihre spezifischen Probleme suchen, überwiegt der Nutzen der Kompetenzzentren bei weitem die möglichen negativen Begleiterscheinungen.

    Das eigentliche Hauptproblem dürfte darin liegen, daß die beschriebene Schieflage innerhalb der Bereiche Repräsentation, Beschreibung und Publikation im DFG-Bereich noch größer ist, als anderswo. Unter dem scheinbar sicheren Dach der "verteilten digitalen Forschungsbibliothek" neigen viele Projekte dazu, ohne feststehendes Gesamtkonzept mit einzelnen Arbeitsschritten (Digitalisierung; Beschreibung) zu beginnen, ohne sich über das endgültige Aussehen des erschlossenen Bestandes und den Zugriff durch den Benutzer allzu viele Gedanken zu machen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bevorzugt in ihrer Förderung bestimmte Felder und vernachlässigt dadurch andere. Dem Austesten von Scanning-Verfahren und der Anpassung von technischen Lösungen zur Digitalisierung unterschiedlichen Materials wird eine höhere Aufmerksamkeit gewidmet, als der Frage, wie der Benutzer letztlich die erschlossenen Bestände zur Verfügung gestellt bekommen wird. Dies wird durch einige strukturelle Faktoren begünstigt: Die einmalig vergebenen Gelder für solche Projekte lassen sich leichter für einmalige und überschaubare Scanning-Kampagnen einsetzen, während es auf der anderen Seite grundsätzlich keine Gelder zu geben scheint, wenn es um die Entwicklung geeigneter Software geht, und sei es nur die Programmierung spezieller Werkzeuge und Benutzeroberflächen für einen komfortablen Zugriff auf die erschlossenen Inhalte.
Dieses Feld wird scheinbar allein den Kompetenzzentren überlassen, womit die Schieflage offensichtlich wird: Im Bereich des zugrunde liegenden Materials wird auf eine Vielfalt geachtet, die den möglichen Anforderungen entspricht. Bei der Verfügbarmachung wird aber genau diese Frage nicht gestellt, welchen möglichen Anforderungen des Benutzers die Benutzerschnittstelle gerecht werden muß. 

 

                     3.6. Externe Dienstleister

    Digitale Bestandserschließung ist ein so breiter und komplexer Vorgang geworden, daß die Auslagerung bestimmter Aufgaben, vor allem technischer Art, naheliegt. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung spricht einiges für die Durchführung durch externe Dienstleister. Hier ist denn auch die größte Tendenz zum "Outsourcing" festzustellen.
Die Entscheidung, ob bestimmte Arbeiten besser innerhalb eines Projektes durchgeführt werden, oder durch externe Spezialfirmen ist nicht allgemeingültig zu beantworten, sondern hängt von vielen einzelnen Faktoren ab. Die Existenz spezieller Dienstleister ist grundsätzlich positiv, weil sie die Zahl der Optionen erhöht, unter denen ein Erschließungsprojekt durchgeführt werden kann, weil Spezialgeräte oft nur von ihnen angeschafft oder entwickelt werden können, weil sie eher in der Lage sind, kreatives und hoch spezialisiertes know-how auszubilden und weil sie bestimmte Arbeitsabläufe (z.B. das "keyboarding") effektiver und damit kostengünstiger gestalten können. Andererseits besteht die Gefahr, daß sie tendenziell normierend wirken können und die mögliche Vielfalt der Umsetzungsoptionen eingeschränkt wird. Dies ist allerdings weniger ein grundsätzliches Problem, als vielmehr durch die derzeitige Marktlage bedingt.

    Im Moment gibt es in Deutschland nur eine sehr geringe Zahl spezialisierter Dienstleister. Im Bereich des Mikrofilm-Scannings sind es z.B. nur drei (!), die über eine fast monopolartige Stellung verfügen. Im Verlauf der Befragung der einzelnen Erschließungsprojekte war an dieser Situation, wie auch an den Leistungen der Unternehmen, wie auch an bestimmten Bereichen ihres Geschäftsgebarens immer wieder offene Kritik zu hören. Diese betraf vor allem Versuche der Dienstleister, selbst auf die Gestaltung der Projekte Einfluß zu nehmen, durch "Empfehlungen" und "Beratung", die den eigentlichen Anforderungen der jeweiligen Projekte nicht entsprachen. Hier wurde anscheinend in einigen Fällen versucht, andere Bildqualitäten (Auflösungen und Farbtiefen) oder Dateiformate zu verkaufen, als ursprünglich seitens der Projekte gefordert. Aber auch Versuche, das eigene Angebot über den Bereich der Digitalisierung hinaus auszudehnen und z.B. mit der Verwaltung und Organisation der Metadaten zu verknüpfen, oder umfassende Komplettlösungen im Softwarebereich zu verkaufen, wurden nicht überall als positiv und den Zielsetzungen des Erschließungsprojektes entsprechend empfunden.

    Auch wenn die Entstehung privatwirtschaftlicher Dienstleistungsunternehmen in diesem Bereich nur zu begrüßen ist, sollte doch bedacht werden, ob eine solche monopolartige Stellung, die durch die Mittelzuweisung z.B. der DFG noch gefördert wird, der Gesamtentwicklung dienlich sein kann, oder ob hier nicht entweder auf eine breitere Entwicklung des Marktes geachtet werden sollte oder in einer solchen Situation nicht besser zusätzliche Kompetenz in jenen Institutionen auszubilden ist, die sich in großem Maße selbst mit den gleichen Fragen beschäftigen. Dies könnten z.B. die größeren Bibliotheken und Archive oder die beiden DFG-Kompetenzzentren in Göttingen und München sein. Die Verteilung von Aufgaben an verschiedene Spezialisten - auch unter institutioneller Trennung - mag grundsätzlich ein richtiger Weg sein, wenn er zu monopolartigen Strukturen führt, ist damit aber nichts gewonnen.

 

                     3.7. Organisationsstrukturen und Aufgaben beständehaltender Institutionen

    Die traditionellen Aufgaben von Bibliotheken, Archiven und ähnlichen Einrichtungen sind vielfältig und erstrecken sich von der Sicherung und Lagerung des Materials, über dessen Erschließung bis hin zur Gewährleistung des Zugriffs durch die Benutzer. Diese drei Bereiche bleiben auch in Zukunft bestehen, weiten sich aber aus und erfahren einige Veränderungen in der Art, wie sie bewältigt werden. Insbesondere der öffentlichen Zugriff auf erschlossene Bestände wird sich wandeln. Hier führt die weltweite Vernetzung dazu, daß die Informationsangebote nicht mehr lokal sind, sondern global. Das hat unmittelbar zur Folge, daß auch multiple Bestände (wie z.B. gedruckte Werke) nur einmal erschlossen werden müssen. Unter den Bibliotheken kann dies - positiv gesehen - zu einer stärkeren Verteilung von Aufgaben und zu einer Spezialisierung führen, es bringt aber auch einen höheren Konkurrenzdruck mit sich. Digitale Bibliotheken als Erweiterung und Fortsetzung traditioneller Bibliotheken machen nur dann Sinn, wenn sie originäre Angebote vorweisen können, die sie selbst erstellen müssen. Hier wird es wohl zu einer Tendenz kommen, sich entweder auf bereits vorhandene einzigartige Sammlungen zu konzentrieren, oder in fachlicher Auswahl Schwerpunkte zu setzen und zu versuchen, bestimmte Nischen zu besetzen. Bibliotheken, die weder besondere eigene Sammlungen besitzen, noch spezielle Kompetenz für einzelne Themenbereiche ausbilden, werden keine Zukunft als "digitale Bibliotheken" haben, sondern bei ihren bisherigen Aufgaben stehen bleiben, deren relative Bedeutung in der Informationslandschaft abnimmt.

    Deutlich verändern sich die Formen der Bereitstellung digitaler Materialien. Statt eines schlichten Kataloges oder Findmittels wird man hier in Zukunft mehr anbieten müssen. Die Benutzer werden langfristig komplexe Informationssysteme erwarten, die einen komfortablen Zugriff auf verhältnismäßig tief erschlossene und digital repräsentierte Dokumente ermöglichen. Hierin liegt eine der zentralen Verschiebungen im Aufgabenspektrum beständehaltender Institutionen. Zu fragen ist dabei, wie die umfangreicher werdende Erschließungsarbeit organisiert und verteilt wird und ob sie von den Bibliotheken, Archiven und Forschungseinrichtungen in ihrer ganzen Bandbreite eigenständig durchgeführt werden, oder ob hier in starkem Maße kooperative Vorgehensweisen angewendet werden können. In jedem Fall werden die beständehaltenden Institutionen die zentrale Stelle im Erschließungsprozeß bleiben und ihre Bedeutung sogar erhöhen, weil sie über wichtige Kernkompetenzen der Erschließung im engeren Sinne verfügen, als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Spezialaufgaben dienen können und mit ihrer institutionellen und personellen Stabilität als einzige in der Lage sind, eine dauerhafte Benutzbarkeit, Pflege und Fortentwicklung digitaler Bestände zu gewährleisten. Sollten die Verlage und andere Publikationsunternehmen auch weiterhin auf ein stärkeres Engagement in diesem Bereich verzichten, wird den Bibliotheken und Archiven eine publizistische Aufgabe zukommen, die das bisherige Maß weit übersteigt. Wäre es grundsätzlich noch vorstellbar, daß diese Institutionen nur eine "Grundversorgung" mit Informationen bereitstellen und die Verlage komplexere und stärker ausgearbeitete Publikationsformen übernehmen, so deutet doch derzeit einiges darauf hin, daß diese Aufteilung nicht stattfindet und Bibliotheken und Archive in zunehmenden Maße selbst den gesamten Bereich der Veröffentlichung übernehmen müssen.

    Durch die Verschiebung der Aufgaben, durch ähnliche Problemstellungen und den gemeinsamen technischen Rahmen kommt es auch zu einer gewissen Annäherung von Bibliotheken und Archiven. Die Bibliotheken gewinnen u.a. durch die Sicherung, Konservierung und Pflege digitaler Informationen eine stärker archivierende Funktion(11), während die Archive sich zunehmend mit der allgemeinen öffentlichen Zugänglichkeit ihrer Bestände durch digitale Publikationsformen auseinandersetzen müssen. Langfristige Sicherung, Erschließungskompetenz und das Angebot einzigartiger Informationssammlungen sind letztlich wesentliche Kennzeichen beider Institutionsarten. Hierdurch bietet sich die Chance, daß es nicht nur zur Entwicklung gemeinsamer Lösungsstrategien kommt, sondern auch gemeinsame methodische und technische Standards etabliert werden können, die letztlich einen einheitlichen Zugriff auf verschiedenartiges Material ermöglichen würden.

 

                     3.8. Ausblick

    Die vorliegende Untersuchung ist ein Versuch, das inzwischen sehr groß gewordene Feld der digitalen Bestandserschließung zu systematisieren um einen Überblick über die verschiedenen Teilbereiche und Aufgabenstellungen zu ermöglichen und um die Position einzelner Projekte innerhalb der Gesamtentwicklung besser bestimmen zu können. Nur vor dem Hintergrund von allgemeiner Entwicklung und Zielstellung ist es möglich, ein Erschließungsprojekt sinnvoll in einzelne Arbeitsbereiche zu unterteilen und so anzulegen, daß es benutzbar und zukunftssicher wird. Die Bedingungen für Benutzbarkeit und Zukunftssicherheit sind es auch, denen jetzt eine stärkere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte. Hier ist vor allem die Entwicklung und Durchsetzung gemeinsamer Standards, die schon bei der Planung zu ermöglichende Offenheit für Erweiterungen (tiefere Erschließung) und Konzeptveränderungen (technische Unabhängigkeit von Beschreibung und Publikation)(12) und die Orientierung am Benutzer zu nennen.

    Die ungleiche Entwicklung der einzelnen Arbeitsbereiche erfordert für die nähere Zukunft eine Schwerpunktsetzung im Bereich des öffentlichen Zugangs zu und der Benutzung von digital erschlossenen Beständen. Die Wünsche, Erwartungen, Anforderungen und (sich verändernden) Arbeitsmethoden der Benutzer müssen untersucht werden und zur Grundlage für digitale Publikationsformen werden. Benutzerschnittstellen und -oberflächen müssen stärker als bisher dem Interessenten entgegenkommen und nicht nur die Aufgabe erfüllen, das Datenmaterial in irgend einer Form zugreifbar zu machen. An der Akzeptanz durch den Benutzer entscheidet sich der Sinn und Nutzen digitaler Erschließungskampagnen. Wird dies nicht ernst genommen, werden die mit hohem Aufwand gewonnenen Informationssammlungen zu Datenfriedhöfen verkommen und all jene faszinierenden und für die Wissenschaften potentiell so wertvollen Bestände weiter ihren Dornröschenschlaf halten.

    Die Orientierung am Benutzer und stärkere Konzentration auf die Entwicklung adäquater Publikationsformen und Zugriffsmöglichkeiten sollte dabei flankiert werden, von Untersuchungen zu eben diesem Verhältnis von Angebot und Benutzung. Es sollte möglichst genau beobachtet werden, wer eigentlich die (potentiellen) Interessenten eines digital erschlossenen Bestandes sind, welche Anforderungen sie an diesen haben, welches ihre Arbeitsmethoden sind, welche technischen Fertigkeiten sie besitzen und was die für sie "intuitiven" Benutzungsstrategien sind, auf welche die Zugriffskanäle einer digitalen Publikation ausgerichtet sein sollten(13).

       Weiter im Text mit: 3. Fazit


Patrick Sahle M.A. (Sahle@uni-koeln.de) - 8. Februar 1999