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Science at it´s best – Jüdische Geschichte an der LMU München

Von Marcus Pyka

Seit dem Sommersemester 1997 gibt es an der altehrwürdigen Ludwig Maximilians-Universität einen Lehrstuhl, der bis dahin in der Bundesrepublik ohne Beispiel gewesen ist: Am Institut für Neuere Geschichte wurde ein eigener Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur eingerichtet. Bezeichnenderweise war dies nur durch eine private Stiftung möglich, erst in einigen Jahren soll die Universität auch die finanzielle Trägerschaft übernehmen. Doch läßt sich bereits jetzt feststellen, 
daß das Unterfangen lohnt.

Das ist ohne Zweifel auch auf die überaus prominente Besetzung zurückzuführen, da mit Michael Brenner ein Shooting Star auf diesem Gebiet an der Isar berufen worden ist. Die Aktivitäten, die der Mitherausgeber der "Deutsch-jüdischen Geschichte in der Neuzeit" neben dem normalen Lehrangebot entfaltet, sind denn auch beachtlich: Da findet sich ein regelmäßig geöffneter "Jüdischer Bücherschrank", in dem Neuerscheinungen aus dem Feld der Judaica vorgestellt werden; aus den vergangenen Monaten sind aber insonderheit zahlreiche Veranstaltungen zu nennen, die sich mit dem fünfzigjährigen Bestehen des Staates Israel unter den verschiedensten Fragestellungen beschäftigten. Spannend zusammengesetzt waren sie alle. Oder wie wollte man sonst ein Symposium bezeichnen, daß unter dem Thema "Israel: Judenstaat oder Staat der Juden?" Knesset-Abgeordnete und Aktivisten aller Parteien und der wichtigsten Strömungen, von Orthodoxen und Siedlern bis hin zur Friedensbewegung und den Palästinensern zusammenführte? Höhepunkt dieser Veranstaltung war unbestreitbar der Vortrag von Dan Diner, der sich in seinen Ausführungen kritisch mit der vorwaltenden Legitimierung des israelischen Staates auseinandersetzte – und erhebliche Bedenken dagegen erhob. Sein Vortrag war zugleich Teil einer Veranstaltungsreihe, die mehr die Geschichte des Staates und der zionistischen Bewegung im Auge hatte. Hochkarätig besetzt, bot sie Gelegenheit, Namen wie Shlomo Avineri, Walter Laqueur, Gabriel Motzkin oder Moshe Zimmermann einmal in persona zu erleben. Doch nicht allein deshalb gelang es dieser Reihe, science at its best zu bieten – fundierte Information, fesselnd dargeboten, wie dies in besonderem Maße Yehuda Bauer in seiner Auseinandersetzung mit der orthodoxen Shoah-Interpretation gelang. Man kann sich nur freuen, daß die Vortragstexte demnächst bei Beck veröffentlicht werden sollen.

Natürlich sind Forschung und Kongresse nicht die alleinigen Aufgaben universitärer Wissenschaft, und auch in der Lehre verdient sich der Lehrstuhl beste Noten. Dank einer soliden Ausstattung kann sowohl Neuhebräisch als auch Jiddisch auf hohem didaktischen Niveau angeboten werden, dazu ein Proseminar sowie eine weitere Übung. Und auch der wahrlich vielbeschäftigte Lehrstuhlinhaber macht sich um die Lehre verdient. Neben einer Vorlesung (im SS 98 etwa "Jüdische Welt nach 1945") bietet er ein Hauptseminar (im vergangenen Semester zur "Jüdischen Kultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik") an, dessen angelsächsisch anmutender Stil – neben der Hausarbeit lediglich Kurzreferate, dafür viel Diskussionsraum – zwar zunächst recht gewöhnungsbedürftig ist, jedoch rasch Lernerfolge zeitigt. Der Professor, Jahrgang 1964 (sic!), zeigt sich dabei als fähiger Diskussionsleiter, der stets anzuregen weiß. Auf das Verständnis auch von grundlegenden Dingen legt er viel Wert, was des öfteren zu Exkursen über jüdische Tradition, Geschichte und Kultur führt, und die Bedeutung des Quellenstudiums kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß zu Beginn des Semesters ein Reader mit den wichtigsten Texten zum Thema ausgegeben wird. Überhaupt muß man sagen, daß die Betreuung sehr gut ist, daß Brenner sich Zeit für jedwedes Anliegen nimmt, was sich auch bei der individuellen Hausarbeitsvorbereitung bemerkbar macht. Und für eine Exkursion des Lehrstuhls in die Augsburger Synagoge (sehr empfehlenswert!) blieb im vergangenen Semester ebenso Zeit wie für einen gemeinsamen Besuch im Biergarten...